Redner(in): Monika Grütters
Datum: 22. September 2016

Untertitel: Bei der Eröffnung des "Film-ReStored-Festivals hat Kulturstaatsministerin Grütters den Wert des deutschen Filmerbes hervorgehoben. "Filme spiegeln die Entwicklung unseres Gesellschaft", so Grütters, sie müssten als Teil unseres schützenswerten Kulturguts erhalten und zugänglich gemacht werden. Für die "Jahrhundertaufgabe" der Digitalisierung des Filmerbes brauche es eine langfristige Strategie und eine Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Filmwirtschaft.
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2016/09/2016-09-22-gruetters-restored-filmerbe.html


Bei der Eröffnung des "Film-ReStored-Festivals hat Kulturstaatsministerin Grütters den Wert des deutschen Filmerbes hervorgehoben." Filme spiegeln die Entwicklung unseres Gesellschaft ", so Grütters, sie müssten als Teil unseres schützenswerten Kulturguts erhalten und zugänglich gemacht werden. Für die" Jahrhundertaufgabe " der Digitalisierung des Filmerbes brauche es eine langfristige Strategie und eine Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Filmwirtschaft.

Der französische Autorenfilmer Jean-Luc Godard hat einmal gesagt: "Die Geschichte des Films ist der einzig sichtbare Teil der Geschichte, und in diesem Sinne ist es die Weltgeschichte, die zur Filmgeschichte gehört." Zur Filmgeschichte gehören also nicht nur all die brillanten Regisseure und Schauspieler, die fantasievollen Drehbuchautoren und versierten Kameraleute, sondern immer auch die Gegebenheiten, in denen sie wirken. Gleichzeitig sind Dramen, Komödien oder Krimis Ausdruck einer Zeit, eines Lebensgefühls, einer bestimmten Gesellschaftsordnung - Filme also das sichtbare Gedächtnis unserer Nation, das wir im Kino wachhalten können. Und weil Retrospektiven - nicht nur im Kino, aber besonders dort - immer auch eine Suche nach uns selbst sind, nach unseren Wurzeln, nach unserer Vergangenheit - sind sie für das Verständnis unserer kulturellen Identität so wichtig.

In der Vielfalt der Themen und Ausdrucksformen - in der Tiefe und Bandbreite der Filmgeschichte - zeigt sich der enorme Reichtum, der auf den Filmrollen in unseren Archiven schlummert. Dieses filmkulturelle Erbe zu erhalten und in all seinen Facetten sichtbar zu machen, ist eine ehrenvolle Aufgabe, der sich der Kinematheksverbund mit ebenso viel Hingabe wie Sachverstand widmet.

Dass unsere filmische Vergangenheit in den kommenden Tagen auch die Leinwände im Filmhaus am Potsdamer Platz erhellt, haben wir dem Initiator des Filmerbe-Festivals - Ihnen, lieber Herr Dr. Rother - zu verdanken. Das Festival-Programm lässt nicht nur die Herzen all jener höher schlagen, die sich mit den Möglichkeiten und Folgen der derzeitigen Digitalisierungspraxis beschäftigen: Es lädt Besucherinnen und Besucher zu einer Erkundungstour durch die deutsche Filmgeschichte und zu Kinopremieren digital restaurierter Filme der vergangenen sechzig Jahre ein. Filme von Georg Wilhelm Pabst - zweifelsohne einer der bedeutendsten Regisseure des Weimarer Kinos - werden ebenso zu sehen sein wie besondere DEFA-Produktionen von Rainer Simon und Helmut Dzuba. Dabei rückt die Festival-Auswahl auch Arbeiten aus Ost und West ins Projektorenlicht, die nicht zu den bekannten Klassikern zählen - es wird also selbst für echte Cineasten noch die eine oder andere Neuentdeckung geben.

Einer der Höhepunkte dieses ersten Filmerbe-Festivals wird die Verleihung der Kinopreise an kommunale Kinos und filmkulturelle Initiativen sein. Mit der Auszeichnung werden Kinos gewürdigt, die sich - neben den gewerblichen Programmkinos - für die anspruchsvolle und vielfältige Filmkultur in Deutschland engagieren. Gerade diesen Filmeinrichtungen kommt eine wichtige Rolle zu, wenn es um den Zugang zum Filmerbe und die Filmbildung geht. Deshalb habe ich im vergangenen und auch in diesem Jahr gerne die Finanzierung des Preises mit Mitteln aus meinem Etat übernommen. Dass 2016 erstmalig ein Spitzenpreis für eine maßstabsetzende Programmarbeit vergeben wird, freut mich sehr - und es zeugt von den Ambitionen seiner Schöpfer, dass als Namensgeberin des Preises die deutsch-französische Filmkritikerin und -historikerin Lotte Eisner gewählt wurde, eine filmhistorische Pionierin, die sich schon im vergangenen Jahrhundert mit der damals noch jungen Filmgeschichte befasste.

Das "Film: ReStored" -Festival macht nicht nur unsere einst auf Celluloid gebannte Geschichte sichtbar, sondern führt uns auch den fortschreitenden Stand der Digitalisierung unseres Filmerbes vor Augen: Immerhin neun digitalisierte Filme werden hier gezeigt, die - auch mit Unterstützung meines Hauses - restauriert wurden. Angesichts der Zahl der Filmtitel, die in den Archiven lagern, angesichts des enormen archivarischen Aufwands und angesichts der für ihre Digitalisierung erforderlichen finanziellen Mittel steht jedoch fest, dass die Digitalisierung des Filmerbes - eine wahre Jahrhundertaufgabe! - nur gemeinsam in Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Filmbranche bewältigt werden kann.

Der Bund leistet bereits einen wesentlichen Beitrag: Seit 2012 fördert mein Haus Digitalisierungsprojekte der Einrichtungen des Kinematheksverbunds - und auch im kommenden Jahr werde ich für die Filmdigitalisierung wieder eine Million Euro bereitstellen.

Auf meine Initiative hin erarbeitet mein Haus zurzeit außerdem gemeinsam mit den Ländern und der Filmwirtschaft eine langfristige Digitalisierungsstrategie, die eine zeit- und gattungsübergreifende Digitalisierung des deutschen Filmerbes in seiner ganzen Breite ermöglichen soll. Wir wollen dauerhaft eine verlässliche Summe bereitstellen, damit die Filmerbeeinrichtungen, die Filmbranche und die technischen Betriebe langfristig planen können. Noch im September wird es dazu auf politischer Ebene ein Bund-Länder-Gespräch geben.

Auch bei der Fortschreibung des Filmförderungsgesetzes haben wir das Filmerbe im Blick: Der Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, dass zukünftig auch Mittel der Absatzförderung in begrenztem Umfang für den Verleih und Vertrieb deutscher Filmklassiker gewährt werden können. Auf diese Weise wird es möglich, auch den Verleih und Vertrieb des digitalisierten Filmerbes zu fördern.

Neben der finanziellen hat die Digitalisierung unseres Filmerbes auch eine inhaltliche Dimension: Teil unseres filmgeschichtlichen Gedächtnisses sind auch Bilder, die unter der nationalsozialistischen Terrorherrschaft in Deutschland entstanden sind - Propagandafilme, wie "Hitlerjunge Quex" und "Jud Süß", deren Inhalte als kriegsverherrlichend, rassistisch, antisemitisch oder volksverhetzend gelten. Auch für diesen, für den dunklen Teil unseres Filmerbes übernehmen wir Verantwortung bei der Digitalisierung und haben darüber im Sommer an einem "Runden Tisch" mit Vertretern des Zentralrats der Juden in Deutschland, Vertretern des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma sowie Filmhistorikern und Vertretern von Filmerbeeinrichtungen sehr konstruktiv beraten. Wir sind uns einig, dass eine Archivierung und Digitalisierung gerade auch dieser Filme erforderlich ist, um sie als historische Quelle zu erhalten. Die Diskussion werden wir im Herbst fortsetzen und dann auch über mögliche Formen der Veröffentlichung sprechen.

Filme spiegeln die Entwicklung unserer Gesellschaft - sie als Teil unseres schützenswerten Kulturguts zu erhalten und zugänglich zu machen, gehört ebenso zu einer verantwortungsvollen Kulturpolitik wie der Erhalt schriftlicher Zeugnisse oder die Pflege nationaler Gedenkorte.

Das Filmerbe-Festival zeigt einmal mehr, wie wichtig eine konsequente, kontinuierliche und umfassende Strategie für die Digitalisierung unseres Filmerbes ist. Filme, die nur analog vorhanden sind, geraten nicht nur in Vergessenheit, weil sie aufgrund der fast vollständigen Umstellung auf digitale Projektoren nur noch in wenigen Kinos gezeigt werden können. Viele Trägermaterialien drohen aufgrund ihrer Beschaffenheit sogar unwiederbringlich zu zerfallen. Gerade weil der Erhalt unseres Filmerbes so zeitkritisch ist, dürfen wir nicht riskieren, dass noch weitere Jahre vergehen. Das Beste, was wir von der Geschichte haben ", war Johann Wolfgang von Goethe überzeugt," ist der Enthusiasmus, den sie erregt." Es wäre schön, meine Damen und Herren, wenn unsere Filmgeschichte in diesem Sinne auch Enthusiasmus für die Digitalisierung unseres Filmerbes erregte. Ich jedenfalls hoffe, dass wir gemeinsam einen Weg finden, unser Filmerbe für nachfolgende Generationen zu bewahren, und werde mich weiterhin dafür einsetzen.