Redner(in): Angela Merkel
Datum: 30. Mai 2017

Untertitel: in Berlin
Anrede: Sehr geehrter Herr Premierminister Modi,sehr geehrte Frau Kamineni,sehr geehrter Herr Patel,sehr geehrter Herr Lienhard,meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2017/05/2017-05-30-rede-merkel-deutsch-indisches-wirtschaftsforum.html


Ich freue mich, heute mit dem indischen Premierminister beim Deutsch-Indischen Wirtschaftsforum mit dabei zu sein. Ich möchte mich zuallererst bei den indischen Wirtschaftsverbänden und dem Asien-Pazifik-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft bedanken, die diese Konferenz vorbereitet haben.

Lieber Narendra Modi, sehr geehrter Herr Premierminister, ich möchte ganz ausdrücklich auch Ihnen danken. Sie haben dieses Treffen hochrangiger Vertreter der indischen und deutschen Wirtschaft unterstützt. Sie haben Wert darauf gelegt, dass wir nicht nur die Regierungskonsultationen durchführen, sondern auch die wirtschaftspolitischen Gespräche fortsetzen, vorhin beim Mittagessen und jetzt bei dieser Konferenz.

Das unterstreicht noch einmal, dass Sie Wort halten, dass Sie zu dem stehen, was Sie vor drei Jahren angekündigt haben und was Sie auf der Hannover Messe2015 uns Deutschen so eindrucksvoll gesagt haben. Wenn wir uns heute anschauen, wie Indien dasteht, dann kann man sagen: Es hat überdurchschnittliche Wachstumsraten, zuletzt wieder mit deutlich mehr als sieben Prozent. Wir als Bundesrepublik Deutschland ich darf das, denke ich, auch im Namen der deutschen Wirtschaft sagen wollen natürlich ein Teil dieser Erfolgsgeschichte sein, die Sie in Indien schreiben.

Unser bilaterales Handelsvolumen hat sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdreifacht. Wir stehen mit einem Handelsvolumen von derzeit 17Milliarden Euro ganz gut da. Aber wir haben auch noch Luft nach oben. Deutschland ist der mit Abstand wichtigste Handelspartner Indiens in der EU.

Aber wir wollen nicht nur handeln, sondern wir wollen auch investieren. Deutsche Unternehmen sind in Indien als Investoren gut vertreten. Mittlerweile sind es über 1.600 sowohl mittelständische Unternehmen als auch große Industriebetriebe. Damit verbunden sind 400. 000Arbeitsplätze vor Ort. Wir haben heute bei den Regierungskonsultationen die Wirtschaftsministerin, der Energieminister, der Forschungsminister sind hier noch einmal unterstrichen, wie wir in Politik und Wirtschaft sozusagen Hand in Hand gehen wollen, um unseren Rahmen für die Zusammenarbeit zu vergrößern.

Dabei ist die Palette der Branchen breit. Sie reicht von der Automobilindustrie über den Luftverkehr bis hin zum pharmazeutischen Bereich. Deutsche Unternehmen können sich mit ihrem Know-how als wichtige Partner bei der Modernisierung der indischen Wirtschafts- und Infrastrukturen einbringen, sei es beim Verkehrsnetz, sei es beim Energiesystem oder allgemein bei der Stadtentwicklung. Wir haben heute sehr ausführlich darüber gesprochen, dass das alles auch eingebettet sein muss, damit die Menschen nicht über die Geschwindigkeit der Modernisierung erschrecken, sondern die Menschen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, mitgenommen werden.

Die Bundesregierung unterstützt mit ihrer neuen Strategie zur Begleitung der deutschen Industrie gerade deren Möglichkeiten, bei wichtigen Großprojekten in Drittländern mitzumachen. Wir haben in vielen Gesprächen festgestellt, dass wir dazu international nicht ausreichend gut aufgestellt sind. Wir haben versucht, Verbesserungen vorzunehmen, und denken, dass wir dadurch voranschreiten können.

Wir sind zum Beispiel im Bereich der Eisenbahnen dabei, unsere Machbarkeitsstudien voranzubringen. Ich bin mir mit Premierminister Modi darin einig, wie wichtig es ist, auch und gerade den Verkehrsträger Schiene zu erneuern. Man stelle sich die indischen Dimensionen vor. Dagegen ist Deutschland ja sozusagen nur ein Punkt auf der Landkarte. Wenn wir bei diesem Verkehrsträger die Weichen für eine neue Zusammenarbeit stellen könnten, dann wäre dies sicherlich fast ein symbolischer Akt.

Wir wissen aber auch: Um ein gutes Klima zu schaffen, gehört es dazu, auch das Bildungswesen zu entwickeln."Skill India" ist einer der wesentlichen Pfeiler der Strategie des indischen Premierministers. Hierfür ist Deutschland mit seinem dualen Berufsausbildungssystem ein guter Partner. Wir können dies in den verschiedenen Formen von Unternehmen ausprobieren, auch im Bereich der Start-ups, also in dem Bereich, in dem Digitalisierung eine große Rolle spielt, die in Indien ja sehr hoch entwickelt ist. Wir haben Programme zur Managerweiterbildung, die auch indischen Managern Einsicht in unsere Möglichkeiten des dualen Berufsausbildungssystems geben. Gerade heute haben wir die Verlängerung dieses Programms wieder beschlossen.

Im Hinblick auf die Digitalisierung sind die Informationstechnologien natürlich eine besondere Spezialität der indischen Wirtschaft. Nicht umsonst war ich bei meinem letzten Indien-Besuch zusammen mit dem Premierminister in Bangalore eine sehr eindrucksvolle Reise. Gerade durch die Kombination Ihrer Fähigkeiten in Indien und der Fähigkeiten der deutschen Wirtschaft im Bereich der Industrie4.0 lassen sich noch einmal große Mehrwerte für unsere beiden Länder erzielen.

Wir haben heute viel über Standortbedingungen gesprochen. Deshalb verfolgen wir den Reformkurs von Indien natürlich sehr aufmerksam. Ich bin dankbar dafür, dass wir ein Fast-Track-Verfahren entwickelt haben, mit dem wir dort, wo es hakt, wo es Schwierigkeiten gibt, sofort einschreiten und die Probleme auch lösen können. Das hat jetzt in vielen Fällen schon sehr gut geklappt. Wir haben heute gelernt, dass es auch von indischer Seite Wünsche und Erwartungen an uns in Deutschland gibt. Auch hier wollen wir natürlich intensiv mit Ihnen zusammenarbeiten. Die Standortpolitik ist insgesamt sicherlich als Einladung an internationale Investoren zu werten. Ich kann nur sagen: Wir verfolgen diesen Weg der indischen Regierung sehr aufmerksam, und wir glauben, dass er auch zum Erfolg für Indien führen wird.

Ein Thema, das wir heute immer wieder beschrieben haben der Premierminister hat es eben in seiner Rede auch angesprochen, ist das Thema der offenen Märkte, eines freien und fairen Handels. Wir sehen weltweit eine ganze Reihe von protektionistischen Tendenzen.

Bei der tiefen Verquickung der internationalen Wertschöpfungsketten ist es notwendig, offen dafür zu sein, faire Handelsbedingungen zu schaffen. Deshalb legen wir auch Wert darauf, dass wir bei dem Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien vorankommen. Deutschland wird sich in Brüssel massiv dafür einsetzen, dass diese Verhandlungen jetzt wieder voranschreiten und vielleicht auch schneller voranschreiten, als es in der Vergangenheit möglich war. Das war ein wichtiges Thema in unseren Unterhaltungen, das wir dann auch in die Tat umsetzen wollen.

Wir haben heute auch eine ganze Reihe von Schwierigkeiten diskutiert, die im Rahmen eines solchen Handelsabkommens zwischen der EU und Indien überwunden werden könnten. Natürlich sind das harte Verhandlungen. Natürlich muss dabei jede Seite auch Interessen einbringen. Wir haben von bürokratischen Hürden der Europäischen Union gehört. Auch so etwas müssen wir zur Sprache bringen. Insofern sieht man also, dass es durchaus eine sehr offene und intensive Diskussion war.

Offene und freie Märkte das ist auch ein Thema unserer G20 -Präsidentschaft. Ich möchte dem Premierminister dafür danken, dass er zweimal innerhalb weniger Wochen nach Deutschland kommt: einmal jetzt zu den deutsch-indischen Regierungskonsultationen und dann noch einmal zu dem G20 -Treffen Anfang Juli. Ich möchte mich auch für die gute Zusammenarbeit mit Indien im Rahmen der Vorbereitungen bedanken.

Die Anwesenheit der vielen Unternehmensvertreter hier macht deutlich, dass es ein großes Interesse an den deutsch-indischen Wirtschaftsbeziehungen gibt. Diese Wirtschaftsbeziehungen sind zwar wirtschaftliche Tätigkeiten, bei denen jede Seite etwas verdienen und etwas gewinnen will. Aber das ist eingebettet in eine gute politische Kooperation, in eine vertrauensvolle Kooperation, die sich in den letzten Jahren entwickelt hat.

Sehr geehrter Herr Premierminister, lieber Narendra Modi, dafür möchte ich mich ganz persönlich bedanken. Danke, dass Sie hier waren und sind. Danke den Vertretern der Wirtschaft aus Indien, dass sie zum Teil eine weite Reise auf sich genommen haben. Ich hoffe darauf, dass dies ein gutes Zeichen dafür ist, dass wir unsere Beziehungen weiter intensivieren werden zum Wohle unser beiden Länder: zum Wohle Indiens, aber auch zum Wohle Deutschlands. Herzlichen Dank!