Redner(in): Monika Grütters
Datum: 12. Juni 2017
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2017/06/2017-06-18-bkm-25-jahre-bundeskunsthalle.html
Zugegeben: Es ist schon etwas länger her, dass ich auf der Geburtstagsparty einer 25Jährigen eingeladen war. Doch dank enormer wissenschaftlicher Aktivität auf dem Gebiet der Jugend- und Generationenforschung findet man schnell heraus, wer die heute 25Jährigen sind und was sie umtreibt: Zwischen 1980 und der Jahrtausendwende geboren, sind die "Millennials" - wie sie deshalb auch oft genannt werden - eine gut ausgebildete, weltoffene und technikaffine Generation, über die man ohne Probleme eine ganze Soziologie-Vorlesung halten könnte. Mich haben aber vor allem drei Dinge beeindruckt: ihr Drang zur Selbstreflexion, ihre Freiheitsliebe und ihr hoher Anspruch - an sich selbst und an andere. Die heute 25Jährigen gehören zur "Generation Y" - und, meine Damen und Herren, die Bundeskunsthalle ist so gesehen eine ihrer typischen Vertreterinnen.
Die "Generation Y" - auf Deutsch: "Generation Warum" - hinterfragt eigentlich alles. Und auch unsere Jubilarin, die Bundeskunsthalle ist das Ergebnis einer langen Selbstfindungsphase: Schon 1949 überlegten sich Bonner Künstler und Kulturschaffende, Bürger und Politiker, wie sich die junge Bundesrepublik als "Kulturstaat" in der Hauptstadt präsentieren könnte und sollte. Richtig Fahrt nahm das "Unternehmen Bundeskunsthalle" allerdings erst in den 1970er und frühen 1980er Jahren auf, als beispielsweise der Deutsche Künstlerbund in Bonn ein Kolloquium mit dem Titel "Brauchen wir eine Bundeskunsthalle?" veranstaltete. Künstler wie Joseph Beuys, Christo, Rainer Fetting oder Jörg Immendorff unterstützten die Idee durch Plakate, die sie unentgeltlich entwarfen und als Werbung für die Kunsthalle verbreiteten. 1984 schließlich verständigten sich die Regierungschefs von Bund und Ländern darauf, dass in Bonn eine Kunst- und Ausstellungshalle des Bundes errichtet werden sollte, und auch die Länder an diesem Vorhaben mitwirken sollten.
Heute kann man ohne Bedenken sagen: Die Grübelei, das Ringen um das richtige Konzept haben sich gelohnt! Die auf den Dialog zwischen Politik und Kultur ausgerichtete, für Wechselausstellungen und hochkarätige Veranstaltungen erbaute Kunst- und Ausstellungshalle bereichert seither das geistig-kulturelle Leben in Deutschland.
Auch als nach dem Hauptstadtbeschluss und der Entscheidung für einen Regierungsumzug nach Berlin die kritischen Stimmen laut wurden und etwa der SPIEGEL monierte: "Sie sollte die Hauptstadt Bonn zieren ( … ) und jetzt ziert der pompöse Bau nur eine designierte Provinzstadt", fand die KAH zu neuem Selbstverständnis. Das einzige, was heute provinziell anmutet, ist die Frage nach der Daseinsberechtigung einer Bundeskunsthalle in Bonn: Nicht nur Deutschland, sondern Europa ist mittlerweile zusammengewachsen - und mit Blick auf den geistig-kulturellen Austausch mit unseren Nachbarn und der Welt endet auch die Ausstrahlung der Bundeskunsthalle nicht an den Grenzen der Stadt, des Rheinlandes oder der Republik: Sie liegt im Herzen Europas und schlägt mit ihren Ausstellungen Brücken in die Welt.
Grenzen, meine Damen und Herren, sind auch nicht die Sache der "Generation Y"; sie drängt vielmehr nach größtmöglicher Freiheit. Dieser Wunsch nach Selbstverwirklichung ohne Ende hat ihren Vertretern bisweilen sogar das Attribut "beziehungsunfähig" eingebracht. Die Kehrseite ist die Experimentierfreude - und in diesem Sinne will auch die Bundeskunsthalle sich nicht auf ewig binden und festlegen: Sie ist weder Kunst- noch Geschichtsmuseum, weder technisches noch Naturkundemuseum - und doch ist sie alles auf einmal. Als ein Ort maximaler kultureller Freiheit ist die Bundeskunsthalle mit ihren disziplinübergreifenden Schauen und unkonventionellen Ausstellungkonzepten Ideenschmiede und Zukunftswerkstatt - was im Übrigen auch die aktuelle Iran-Ausstellung eindrücklich zeigt: Sie verspricht eine Reise in eine der ältesten und vielfältigsten Hochkulturen der Welt, die vor rund 10.000 Jahren auf dem Gebiet des heutigen Iran entstand, und erzählt vom Beitrag des Iran zu einer übernationalen Kulturgeschichte, die Menschen auf der ganzen Welt jenseits der heutigen kulturellen Unterschiede und Konflikte verbindet. Es ist großartig, dass die wertvollen Leihgaben so zahlreich und vielfach erstmalig in Deutschland gezeigt werden können und die Ausstellung damit zu einem Meilenstein in der Geschichte der deutsch-iranischen Kulturbeziehungen machen - zumal in derart schwierigen weltpolitischen Zeiten.
Mit ihren - bisher 236 - Ausstellungen, die Besucherinnen und Besucher aus dem In- und Ausland anziehen, leistet die Bundeskunsthalle, für die Bundeskanzler Helmut Kohl am 17. Oktober 1989 den Grundstein legte, einen großen Beitrag zur künstlerischen und kulturellen Vielfalt in Deutschland: Selbstbewusst besetzt sie vielfältige gesellschaftliche, kulturelle und wissenschaftliche Themen - und ist dabei Vorbild und Beispiel für eine partizipative, diskursive, integrative und inklusive Kulturarbeit. Aktuell richtet etwa die Ausstellung "Touchdown" erstmals aus kulturhistorischer Perspektive den Blick auf Menschen mit dem Down-Syndrom. Und noch eine Premiere ist derzeit zu sehen: "Comics! Mangas! Graphic Novels!" ist die erste umfassende Schau in Deutschland zu den - nicht nur bei Jugendlichen beliebten - Genres. Am 7. November wird schließlich die lange erwartete Ausstellung "Bestandsaufnahme Gurlitt" eine Auswahl von Kunstwerken aus dem Nachlass Cornelius Gurlitts präsentieren.
Beispielhaft sind nicht nur die Ausstellungen, sondern auch die Öffnung des Hauses für die kulturelle Vermittlung, etwa für Schülerinnen und Schüler oder Menschen mit Behinderungen, denen der Zugang zu Kultur sonst oft verwehrt bleibt. Hier leistet die Bundeskunsthalle erstklassige Arbeit!
Mit ebenso modernen wie mutigen Konzepten erreichen Sie, lieber Rein Wolfs und Ihr wunderbares Team, immer wieder auch neue Zielgruppen, aber auch das Bonner Stammpublikum. Herzlichen Glückwunsch auch Ihnen zum 25jährigen Jubiläum des Bundeskunsthalle - ich freue mich, dass Sie uns hier in Bonn auch in den kommenden Jahren als Intendant treu bleiben!
Der selbstformulierte Anspruch der Bundeskunsthalle, vielfältig und interdisziplinär zu arbeiten, hochkarätige Ausstellungen zu realisieren, kulturell offen zu bleiben und auf gesellschaftliche Veränderungen einzugehen, im Ausstellungs- und Veranstaltungsbereich Maßstäbe zu setzen, immer wieder neue Blickwinkel einzunehmen und alle Menschen an kulturellen Angeboten teilhaben zu lassen, liest sich wie die "To-Do-Liste" eines ambitionierten Mitzwanzigers der "Generation Y". Dafür, dass es der Bundeskunsthalle weiterhin gelingt, ihre ehrgeizigen Ziele zu erreichen, schafft die Bundesregierung die Rahmenbedingungen - und ich freue mich, das Haus und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus meinem Kulturetat finanzieren zu können. Das ist seit 25 Jahren so und dabei bleibt es auch in Zukunft!
Und weil wir wissen, dass auch andere Bonner "Millennials" einen hohen Anspruch haben - zumal an ihre Freizeitgestaltung- , hat die Bundesregierung ein besonderes Kultur-Geschenk zum 25. Geburtstag der Bundeskunsthalle oder, man kann auch sagen: es ist ein Geschenk der Bundeskunsthalle an die "Generation Y". 25 Monate lang zahlen alle unter 25 Jährigen jeweils dienstags und mittwochs von 18 bis 21 Uhr einen freiwilligen Beitrag in freigewählter Höhe als Eintritt in die Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland - sie zahlen also genau das, was ihnen der Eintritt, was ihnen ihr Kunstbesuch wert ist. Es geht nicht darum, ihnen ein Eintrittsgeld zu ersparen, sondern der besondere Reiz dieser Variante liegt darin, junge Menschen zu ermutigen, darüber nachzudenken, was ihnen dieser Kunstgenuss, dieses Bildungserlebnis wert ist. Und durch die exklusiv für die jungen Leute reservierte Zeit hat das Ganze einen schönen Event-Charakter für unsere "Generation Y".
Denn gerade junge Menschen für Kunst und Kultur zu begeistern, ist nicht nur Auftrag einer Kulturnation, sondern auch mein persönliches Herzensanliegen. Und ihnen den Wert der Kultur, unabhängig von ihrem Preis, zu vermitteln, gehört auch dazu. Kultur öffnet Welten - in jedem Alter und an jedem Ort: Kunst kann gemeinsame Sprache sein, wo unterschiedliche Begriffe Schweigen oder Missverstehen provozieren; sie kann gemeinsame Erfahrungen bescheren, wo unterschiedliche Herkunft ab- und ausgrenzt. Kunst kann uns aber auch nötigen, die Perspektive zu wechseln und die Welt aus anderen Augen zu sehen.
Wie zwei junge Menschen mit der Sprache der Musik Welten öffnen, werden wir gleich hören, wenn das Duo "Grandbrothers" mit dem Piano experimentiert und dabei einen Sound zwischen klassischem Piano, Perkussion und Electronic entstehen lässt. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen wunderbaren Abend und viele bereichernde Kulturmomente in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland!