Redner(in): Christina Weiss
Datum: 27.11.2002

Untertitel: Kulturstaatsministerin Christina Weiss hat am 27. November 2002 in Münster den Verleiherpreis für besondere Leistungen bei der Verbreitung künstlerisch herausragender Filme und die Kinoprogrammpreise 2002 für herausragende Jahresfilmprogramme vergeben.
Anrede: Sehr geehrte Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/27/452427/multi.htm


Sehr geehrter Herr Bürgermeister Schulze-Blasum

Ich freue mich außerordentlich, Sie zur Verleihung unseres diesjährigen Kinoprogrammpreises und unseres Verleiherpreises in diesem schönen Varieté-Theater begrüßen zu können.

Dieses Haus, in dem die Münsteraner einst die ersten Stummfilme, wenig später dann auch die allerersten Tonfilme bejubelten, ist wie kein zweites in dieser Stadt prädestiniert, engagierte Kinobesitzer, Programmredakteure und Filmverleiher zu ehren, sind doch die Bande zwischen den Preisträger des heutigen Abends und den Pionieren der frühen Kinozeit offensichtlich:

Nur weil es vor einhundert Jahren engagierte Enthusiasten gab, die sich mit ganzem Herzen, oft auch mit all ihnen zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln einem aufregend neuen Medium verschrieben, konnte aus ein paar bewegten Bilder das Kulturgut Film werden, dessen Vielfalt wir heute genießen. Und nur weil es auch heute noch eben solche Enthusiasten gibt, denen Innovation, Mut und Experimentierfreude wichtiger sind als breiter Massengeschmack und Kommerz, kann diese Vielfalt unserer Kinokunst bewahrt werden.

Ohne die Pioniere des Zelluloid-Zeitalters, denen der Film Kunst, Lebensaufgabe und Passion in einem war, hätte sich das Kino nie zu jener Selbstverständlichkeit entwickeln können, mit der es uns heute durch unser Leben begleitet. Eine Selbstverständlichkeit allerdings, die ohne Ihren Einsatz - meine sehr verehrten Damen und Herren - , ohne Ihren Pioniergeist, ohne Ihren Mut und Ihre Liebe zu diesem einmaligen Medium rasch zur künstlerischen Belanglosigkeit herabsinken müsste.

Ihre Kinos, ob sie nun Filmkunsttheater, Programmkino oder Arthaus-Kinos heißen, die Sie mit großem, oft geradezu bewundernswertem Einsatz betreiben, sind wertvolle Kulturstätten, an denen der anspruchsvolle, der innovative und der wagemutige Film gedeiht. Sie sind Reservate, in denen die Filme von klugen, phantasievollen, schöpferischen und feinsinnigen Menschen überleben können, von Künstlern und Provokateuren, von Avantgardisten und innovativen Traditionalisten, die aus ihren Visionen fast überall auf der Welt Filme zaubern, ohne ihre Werke als rentables Anlageprodukt misszuverstehen. Diese Filme würden ohne Sie, sehr verehrte Damen und Herren, nie ihr Publikum finden können. Und dieses Engagement zu ehren ist mir als eine leidenschaftliche Kinogängerin eine ganz besonders Genugtuung, und ich freue mich, dass sich mein Haus mit den heute zu überreichenden Preisen aktiv am Erhalt und der Pflege unserer einzigartigen Kinolandschaft beteiligen kann.

Neben den historischen Brücken, die das Kino der ersten Stunde mit dem Programmkino unserer Tage verbindet, gibt es aber noch einen zweiten wichtigen, einen zweiten vor allem aber auch schönen Grund, der uns zu unserer heutigen Preisverleihung ausgerechnet im Roland-Frosch-Varité zusammenfinden läßt: Von Ihnen, liebe Programmkinobetreiberinnen und -betreiber, liebe Verleiherinnen und Verleiher gibt es schlicht so viele - zum Glück so viele, muss man da wohl sagen - , dass wir bereits nach zwei Jahren einer jungen Tradition untreu werden müssen: Wie Sie wissen, hatten wir beschlossen, den Kinoprogrammpreis zukünftig jeweils im Hause des letztjährigen Spitzenpreisträgers zu verleihen, und so hätten wir uns eigentlich im Filmtheater Cinema in Münster treffen müssen. Dieses Haus ist allerdings schlicht zu klein für unserere Preisverleihung - Klein aber fein, mag man da nochmals betonen - und so sind wir sehr dankbar, dass es uns das Roland-Frosch-Varieté ermöglicht hat, unsere Preisverleihung hier würdig zu begehen.

Nichtsdestotrotz möchte ich mich ganz besonders bei den Leitern des Filmtheaters Cinema & Kurbelkiste, Herrn Thomas Behm und Herrn Jens Schneiderheinze, bedanken, die diese Veranstaltung auch in einem fremden Haus vorzüglich vorbereitet haben. Sie beide haben sich hier in Münster um die Kinokultur verdient gemacht, haben wie viele Ihrer Kollegen mit Leib und Seele für den Erfolg Ihres Filmkunsthauses eingestanden, der folgerichtig im letzten Jahr mit dem Kinoprogrammpreis ausgezeichnet worden ist. Sie haben bewiesen, dass die Herausforderung, ein kleines Kino zu betreiben, mit Kreativität und Phantasie gelöst werden kann, wobei es sicher als bemerkenswerte Ausnahme gelten darf, dass es hier in Münster möglich ist, dass ein Programmkino mit einem Multiplex-Kino kooperieren kann, ja selbst Absprachen über den Filmeinsatz möglich sind. Das ist ein interessanter Weg, der wohl nicht lange auf Kopien warten muss.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

wenn heute Abend 152 gewerbliche Filmkunsttheater für ihr Jahresfilmprogramm mit insgesamt 243 Preisen ausgezeichnet und drei Filmverleihunternehmen für ihr kompetentes, von der Liebe zum Kino bestimmtes Engagement geehrt werden, die gemeinsam auch im letzten Jahr dafür sorgten, dass dem Kinopublikum kontinuierlich anspruchsvolle Filmproduktionen angeboten werden konnte, - große und so genannte "kleine" Filme, innovative Produktionen, Dokumentar- sowie Kinder- und Jugendfilme - dann ist diese Würdigung so vieler herausragender Leistungen zwar mit der Vergabe eines Preisgeldes von insgesamt 1,175 Millionen Euro verbunden, doch das ist für mich am heutigen Abend nicht die entscheidende Zahl.

Viel bedeutsamer erscheint mir, dass in diesem Jahr so viele Bewerbungen für den Kinoprogrammpreis vorlagen wie schon lange nicht mehr, nämlich 228. Diese Zahl zeigt mir, dass die Programmkinoszene ein enormes Potential vereint, das mein Haus mit den ausgeschriebenen Preisen nach besten Kräften zu fördern versucht. Ihre Kinos sind der Garant für filmische Vielfalt, Ihr genau bedachtes Angebot sichert das Überleben besonderer Filmreihen, Sie alle kultivieren den engen Kontakt zwischen Kino und Besucher, zwischen Kunst und Wirklichkeit zwischen Vergangenheit und Zukunft. Und das zusammen ist ein schützens- und förderungswürdiges Gut.

Ich hoffe, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass wir uns bereits im nächsten September zur Verleihung des Kinoprogrammpreises wiedersehen werden, und bin wie Sie bereits sehr gespannt, wo dieses Treffen stattfinden wird. Vielen Dank.