Redner(in): Gerhard Schröder
Datum: 06.10.1999
Anrede: Lieber Klaus Zwickel, lieber Jürgen Peters, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/33/11733/multi.htm
Ich darf Dir, lieber Klaus, herzlich gratulieren zur Wiederwahl als Erster Vorsitzender. Der gesamten Führungsmannschaft der IG Metall gelten meine Glückwünsche.
Ihr habt in schwieriger Zeit die Aufgabe, Eure Gewerkschaft - die größte Einzelgewerkschaft - in eine Zukunft mit vielen neuen Herausforderungen zu führen.
Und Ihr müßt dieser Gewerkschaft, der IG Metall, ihren Platz sichern bei der Gestaltung unserer Gesellschaft.
Ich bin sicher, Ihr werdet dieser Verantwortung gerecht werden.
Eine Gesellschaft wie die unsere - man hat sie eine Gesellschaft des "rheinischen Kapitalismus" genannt, ich spreche in Anlehnung an Willy Brandt und Helmut Schmidt lieber vom "Modell Deutschland" - eine solche Gesellschaft baut ihren Erfolg und ihre Zukunftsfähigkeit auf das Prinzip der Teilhabe.
Nur wenn die arbeitenden Menschen beteiligt sind, nicht nur am Haben, sondern auch am Sagen in der Gesellschaft, werden wir die Herausforderungen von Globalisierung und Digitalisierung meistern können.
Um diese Teilhabe zu gewährleisten, brauchen wir starke, zukunftsfähige Gewerkschaften.
Und noch vor allen anderen hat die IG Metall diese Verantwortung angenommen.
Das Bündnis für Arbeit geht auf eine Inititiative von Klaus Zwickel zurück. Dieses Bündnis ist der Ort, an dem die volkswirtschaftlichen Akteure - Ihr, die Arbeitgeber und die Regierung - die Rahmenbedingungen vereinbaren können und sollen, damit wir dieses eine, entscheidende Problem bewältigen:
die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.
Das geht nicht ohne starke, handlungs- und zukunftsfähige Gewerkschaften. Aber das geht auch nicht mit Drohungen und Ultimaten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir sind, vor ziemlich genau einem Jahr, gewählt worden, um den Stillstand aufzubrechen, den Reformstau zu überwinden. Um endlich wieder Politik für unser Land zu machen, statt nur den jeweils stärksten Einzelinteressen nachzugeben.
Was wir vorgefunden haben, war im schlimmsten Sinne des Wortes desaströs: Einen Rekord bei der Arbeitslosigkeit und eine Staatsverschuldung, die droht, unser Gemeinwesen handlungsunfähig zu machen.
Und "handlungsunfähig", das heißt: Ein Staat, der nicht mehr in der Lage ist, die Gerechtigkeit der Chancen zu organisieren, den Schwachen zu helfen und die nötigen Investitionen in unsere Zukunft zu tätigen.
Wir haben dennoch, im Bewußtsein dieser schwierigen Lage, unser 100-Tage-Programm sofort umgesetzt. Weil wir gewußt haben, daß aus einer sozialen Schieflage heraus keine gerechte Zukunft gestaltet werden kann.
Deshalb haben wir die Ungerechtigkeiten beim Kündigungsschutz und bei der Lohnfortzahlung beseitigt. Beim Schlechtwettergeld, beim Entsendegesetz und bei den Arzneimittel-Zuzahlungen.
Und wir haben Schluß gemacht mit jener Rentenlüge, die in das vornehme Wort vom "demographischen Faktor" gekleidet war.
Und wir haben auch dafür gesorgt, daß Jugendliche endlich wieder eine Perspektive haben. Durch unser Programm haben fast 135.000 Jugendliche, die sich zum Teil schon selbst aufgegeben hatten, in 170.000 Maßnahmen eine zweite Chance bekommen.
Wir wollen den jungen Menschen ermöglichen, daß sie einsteigen in die Gesellschaft. Unser Programm ist ein großer Erfolg - und ich bin stolz darauf.
Erst gestern hat der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit diesen Erfolg bestätigt. Er hat ausdrücklich den Rückgang der Jugendarbeitslosigkeit auf die Programme der Bundesregierung zurückgeführt.
Die Konjunktur, sagt auch Herr Jagoda, leistet das noch nicht. Und deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, brauchen wir einen handlungsfähigen Staat: Damit er dort einspringen kann, wo die Wirtschaft gerade junge Menschen im Stich lassen würde.
Wir haben aber auch die aktive Arbeitsmarktpolitik deutlich verstärkt. Gegenüber dem letzten Jahr stellen wir 6,3 Milliarden D-Mark mehr zur Verfügung. Das sind neue Startchancen für Menschen, die ihr Einkommen und Auskommen durch Arbeit sichern wollen.
Wir haben eine Steuerreform auf den Weg gebracht, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer netto spürbar entlastet. Wir haben das Kindergeld erhöht.
Und wir sind dabei, die Versäumnisse bei der Familien-Entlastung zu korrigieren, an die das Verfassungsgericht die Regierung hat erinnern müssen.
Schon heute haben Familien mit zwei Kindern 1.200 D-Mark mehr in der Tasche. Und im Jahr 2002 werden es sogar 3.000 D-Mark mehr sein.
Wir haben die steuerlichen Entlastungen endlich auf diejenigen konzentriert, die wirklich darauf angewiesen sind.
Nur, wie das so ist: Als das Urteil zugestellt wurde, waren Herr Kohl und Herr Blüm "unbekannt verzogen". Das soll von mir aus auch so bleiben.
Also haben wir das machen müssen, was unsere Vorgänger 16 Jahre lang versäumt haben.
Wir haben das übrigens, davon sprechen die Leute nicht gern, ordentlich gegenfinanziert, indem wir eine Reihe von Steuerschlupflöchern geschlossen haben.
Wir haben die Verlustzuweisungen neu geregelt und die Steuer-Ermäßigung bei Abfindungszahlungen eingeschränkt.
Für eine ganze Reihe von Steuersparmodellen, mit denen einige sehr reiche Menschen ihre Gewinne auf nahe null gerechnet haben, wird heute nicht mal mehr geworben.
Insgesamt haben wir ein Volumen von 36 Milliarden D-Mark beschlossen. Wir haben das Steuersystem gerechter und durchschaubarer gemacht.
Ich nenne beispielhaft nur zwei Maßnahmen: In der Versicherungswirtschaft haben wir ein Abzinsungsgebot eingeführt, eine Neubewertung von Rückstellungen. Das bringt Mehreinnahmen von 8 Milliarden D-Mark.
Und in der Energiewirtschaft bringt die Neubewertung von Rückstellungen sogar Mehreinnahmen von fast 14 Milliarden D-Mark.
Das zeigt: Diese Regierung verteilt die Lasten, und sie verteilt sie gerecht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
natürlich hätten wir gern das sprichwörtliche Füllhorn, aus dem wir alle möglichen Wünsche und Sonderwünsche finanzieren könnten.
Aber wir haben es nicht, und, ich sage das hier ganz offen, ich bin nicht mal besonders traurig darum.
Weil es nämlich an der Zeit ist, daß wir uns wieder darauf besinnen, was das ist: ein Gemeinwesen, das von uns allen für uns alle da ist, das den Schwachen hilft und das unseren Kindern und Enkeln eine Zukunft garantiert.
Ich weiß wohl, wie das ist, wenn man sich durchkämpfen muß. Wenn man nicht von den Eltern die goldenen Löffel und die beste Schulbildung mitbekommt. Wenn die Mutter als Putzfrau die Kinder durchbringen muß und die Kinder sich selbst durchschlagen müssen, um ihre Chancen zu bekommen.
Das ist - immer noch - soziale Wirklichkeit. Deswegen haben die arbeitenden Menschen sich zu Gewerkschaften zusammengeschlossen und deswegen brauchen wir starke Gewerkschaften.
Seite an Seite haben Gewerkschaften und Sozialdemokraten Rechte erkämpft, die die soziale Wirklichkeit verbessert haben. Die Chancengerechtigkeit ermöglichen.
Wir waren immer dann stark und erfolgreich, wenn wir uns gemeinsam für ein besseres, ein gerechteres Gemeinwesen eingesetzt haben.
Für eine Gewerkschaft, die auch unter veränderten Bedingungen dem zentralen Grundwert der Solidarität verpflichtet sein will, bedeutet es dann zum Beispiel: Eine Gewerkschaft der Arbeitenden muß an die Arbeitslosen denken.
Und eine Vereinigung, die nur die Versorgungsansprüche der heutigen Rentner-Generation im Auge hätte und keine Rücksicht auf die Zukunft unserer Kinder und auf die Belastung der jetzt aktiven Beschäftigten nähme - eine solche Vereinigung würde den Gedanken der Solidarität in Frage stellen.
Und deshalb ist das, was hier so oft als "Sparprogramm" verschrien wird, was in Wirklichkeit ein Zukunftsprogramm ist, so unverzichtbar für die Gestaltung unseres Landes.
Das Zukunftsprogramm
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
eine galoppierende Staatsverschuldung ist nicht nur ein Hindernis für eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung. Sie ist auch der Gipfel sozialer Ungerechtigkeit.
Jeder weiß: Geld, das wir für Zinsen hinlegen, ist Umverteilung von Arbeitnehmern zu Banken und anderen Kapitalsammelstellen. Damit muß es ein Ende haben.
Doch ich sage: Sparen ist für uns kein Selbstzweck! Staatsverschuldung ist unsozial, denn das Geld, das wir für den Schuldendienst ausgeben, fehlt für Bildung und Infrastruktur, für Wachstum und Beschäftigung, fehlt, um soziale Gerechtigkeit zu organisieren!
Mit unserem Zukunftsprogramm eröffnen wir unserem Land alle Chancen für das neue Jahrtausend.
Wir sparen, damit wir weiterhin aktive Arbeitsmarktpolitik auf hohem Niveau leisten können, solange das notwendig ist.
Wir sparen, damit wir das Sofortprogramm für Jugendliche auch im nächsten Jahr fortsetzen können. Wir nehmen erneut 2 Milliarden D-Mark in die Hand, um Jugendlichen neue Perspektiven zu geben.
Wir sparen, damit wir die Steuersätze weiter senken können. Damit für die Kolleginnen und Kollegen vom Brutto endlich netto mehr übrig bleibt, denn das heißt mehr Kaufkraft, und das stärkt die Wirtschaft.
Wir sparen, damit wir die Investitionen in Forschung, Bildung und Wissenschaft Jahr für Jahr weiter erhöhen können.
Wissen ist der wichtigste Produktionsfaktor im 21. Jahrhundert. Das Kapital für die Zukunft sind unsere Köpfe. Und besonders die Köpfe unserer Kinder. Deshalb gilt es, ihnen die besten Chancen zu geben, sich zu qualifizieren und sich das globale Wissen zu erschließen.
Wir sparen, damit wir noch mehr für Familien und Kinder tun können. Das Kindergeld wird zum 1. Januar nochmals um 20 Mark angehoben: Das ist aufs Jahr betrachtet ein 13. Kindergeld!
Und wir sparen, damit der Aufbau Ost auf hohem Niveau fortgesetzt werden kann.
Wir sorgen dafür, daß der Abstand zwischen Ost und West kleiner wird. Das müssen wir tun, denn das Gefälle zwischen Ost und West ist auch 10 Jahre nach dem Fall der Mauer noch viel zu groß. Zusammengefaßt: Wir sparen, um zu gestalten. Wir sparen, damit unser Land zukunftsfähig wird.
Gemeinsame Erfolge im Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
vieles von dem, was wir erreicht haben, war nur gemeinsam möglich.
Und für unseren gemeinsamen Erfolg ist das Bündnis für Arbeit von großer Bedeutung.
Es war Klaus Zwickel, der vor vier Jahren die Initiative für ein Bündnis für Arbeit ergriffen hatte. Du wolltest, daß die Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit in den Mittelpunkt der Politik rückt.
Aber die Kohl-Regierung war aus parteitaktischen Gründen nicht bereit, Eure ausgestreckte Hand zu ergreifen. Sie hat lieber auf Konfrontation gesetzt und eine große Chance für unser Land damals vertan.
Wir Sozialdemokraten haben das Bündnis für Arbeit wieder zustande gebracht. Wir mußten im letzten Herbst bei Null anfangen und das zerstörte Vertrauen erst mühsam wieder aufbauen.
Jetzt, nach nicht mal einem Jahr, können wir bereits Erfolge vorweisen:
Arbeit, Ausbildung und Qualifizierung für 135.000 Jugendliche;
das Schlechtwettergeld neu geregelt;
die Möglichkeiten für die Altersteilzeit verbessert und nicht zuletzt
den Ausbildungskonsens erreicht. Sicher: Noch fehlen knapp 30.000 Ausbildungsplätze. In einer Wirtschaft mit 36 Millionen Beschäftigten und rund 3 Millionen umsatzsteuerpflichtigen Betrieben muß es doch wohl möglich sein, die noch fehlenden 30.000 Ausbildungsplätze zu mobilisieren.
Hier steht besonders die Wirtschaft in der Verpflichtung - und wir lassen sie nicht aus der Pflicht.
Daß es DGB und BDA gelungen ist, zum 3. Spitzengespräch des Bündnisses für Arbeit eine gemeinsame Vereinbarung zu erreichen, hat mich sehr gefreut.
Wir haben im Bündnis für Arbeit schon eine Menge bewegt. Trotzdem weiß auch ich, daß gerade den Gewerkschaften einiges im Bündnis für Arbeit zu lange dauert. Mir auch! Aber die Weichen sind gestellt, und die Richtung stimmt.
Lasst mich an dieser Stelle etwas zum Thema Rente mit 60 sagen:
Wir sind uns einig, daß die Rahmenbedingungen für Tarifvereinbarungen gegeben sind. Dies haben wir im Bündnis für Arbeit klar gesagt. Walter Riester und Hans Eichel stehen dafür ein.
Die IG Metall möchte mit ihrer Forderung die langjährig Versicherten ebenfalls ab 60 in solche Tarifvereinbarungen einbeziehen. Ihr wollt also den Kreis der Berechtigten erweitern. Aber Eure Forderung läuft darauf hinaus, daß die Rentenversicherung dies finanzieren muß.
Ich sage nur: Dafür brauchen wir mehr Geld, sehr viel Geld. Denn Euer Vorschlag ist ohne Beitragserhöhung nicht umzusetzen.
Das aber kann ich nicht verantworten. Ich bitte Euch: laßt uns jetzt den ersten Schritt gehen. Über weitere Schritte und deren Finanzierbarkeit müssen unsere Experten reden.
Renten für die Zukunft sichern
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
in den ersten Monaten haben wir für mehr soziale Gerechtigkeit in Deutschland gesorgt.
Dabei ist sicherlich nicht alles so gelaufen, wie wir uns das oder wie Ihr Euch das vorgestellt habt. Aber das ist noch lange kein Grund, die unbestreitbar erzielten Erfolge zu zerreden.
Doch manchmal muß man da einen ganz anderen Eindruck gewinnen:
Was man noch nicht erreicht hat, das wird lautstark bejammert. Was man noch nicht ganz erreicht hat, darüber wird groß lamentiert.
Aber was man schon erreicht hat, das gilt als selbstverständlich und wird gar nicht mehr erwähnt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir haben keinen Grund, unser Licht unter den Scheffel zu stellen. Das, was wir in nur einem Jahr erreicht haben, kann sich sehen lassen, und darauf sind wir stolz.
Schauen wir uns doch nur einmal die Rente an:
Wir haben die Rentenkürzungen ausgesetzt. Damit haben wir erreicht, daß es schon für dieses Jahr einen Zuwachs statt einer Kürzung bei den Renten gab.
Die Rentnerinnen und Rentner haben endlich wieder ein reales Plus in der Tasche. Zum ersten Mal seit 1995 lag die Rentensteigerung über der Preissteigerungsrate.
Auch darüber soll man ruhig einmal reden.
Nun noch ein Wort zur Anpassung der Renten in den nächsten beiden Jahren nach der Preisentwicklung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit das völlig klar ist: Es handelt sich hier nicht um Kürzungen, sondern um den Erhalt der Kaufkraft. Die Renten steigen weiter.
Und diese zwei Jahre sind absolut notwendig, um die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch niedrigere Beitragssätze rasch zu entlasten und damit Arbeitsplätze zu schaffen.
Wir müssen die Altersversorgung auch für diejenigen zukunftssicher machen, die heute die Beiträge bezahlen. Das ist nichts anderes als ein Gebot der Gerechtigkeit zwischen den Generationen.
Und: Walter Riester hat alle Alternativen genau durchgerechnet. Das Ergebnis ist eindeutig: Bisher hat niemand einen Vorschlag gemacht, der in puncto Beitragssätze und Rentenniveau annähernd an den Vorschlag des Bundesarbeitsministers herankommt.
Im Übrigen: Von interessierter Seite wird so getan, als bestünde unser Konzept nur aus dieser zweijährigen Anpassung.
Unterschlagen wird, daß wir solide Fundamente schaffen:
Soziale Grundsicherung: Wer sein Leben lang hart gearbeitet hat, soll im Alter nicht zum Sozialamt gehen müssen.
Erhaltung von Erwerbsunfähigkeitsrenten: Wenn jemand ein Leben lang geschuftet hat und sich krummgelegt hat, jagen wir ihn nicht noch auf den Arbeitsmarkt, wo er eh keine Chance hat.
Eigenständige Altersversorgung der Frauen: Mütter, die nur Teilzeit arbeiten können, werden bessergestellt.
Eigenvorsorge: Mit der gesetzlichen Rente schaffen wir 67 Prozent - gegenüber 64 Prozent bei Blüm. Mit zusätzlicher Vorsorge, die wir unterstützen und fördern, können wir ein Niveau von deutlich über 70 Prozent erreichen. Das alles ist eine runde Sache.
Und Walter Riester verdient dafür Unterstützung. Meine hat er uneingeschränkt!
Neue Herausforderungen - neue Antworten
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
laßt uns nach vorn blicken: Wie soll die Gesellschaft der Zukunft aussehen?
Eins hat Sozialdemokraten und Gewerkschafter immer von den Konservativen unterschieden:
Die Konservativen wollen alles dem Markt überlassen. Wir dagegen wollen politisch gestalten, wollen aktiv die Lebens- und Arbeitsbedingungen verbessern.
Wir stehen vor neuen Herausforderungen:
Konzerne wachsen über Grenzen zusammen,
Kapital sucht sich weltweit die profitabelsten Anlagemöglichkeiten,
Löhne und Preise werden transparent in Europa.
Das sind die wirtschaftlichen Realitäten. Denen müssen wir uns stellen. Diese globalen Veränderungen haben Auswirkungen bis in jede Werkstatt hinein.
Ihr wißt doch noch, wie vor fünf Jahren gearbeitet wurde und wie das heute aussieht.
Diese Entwicklungen in der Arbeitswelt, die Ihr alle tagtäglich erlebt, erfordern neue Antworten.
Wir brauchen
eine neue Arbeitszeitpolitik,
neue Entgeltstrukturen und
eine neue Qualifizierungspolitik. Unsere Aufgabe ist es, die Menschen zu befähigen, den Wandel zu meistern. Niemand kann bestreiten, daß wir unseren Sozialstaat reformieren müssen.
Sozialstaat, das ist die Erfolgsformel für Wohlstand und sozialen Zusammenhalt:
Der Sozialstaat muß die großen Lebensrisiken solidarisch absichern: Arbeitslosigkeit, Alter, Armut, Krankheit und Unfälle. Er muß vor allem sicherstellen, daß die Menschen, die auf Leistungen angewiesen sind, diese bekommen. Das bleibt auch so!
Er muß aber künftig mehr aktivieren.
Er muß die Menschen zu eigener Initiative anregen. Soziale Sicherung im Geist der Arbeiterbewegung heißt immer Hilfe zur Selbsthilfe und nicht Bevormundung und Bürokratie.
Er muß fördern - er muß aber auch fordern. Nehmt das Programm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Wir bieten den Jugendlichen eine Chance, aber wir fordern sie auch!
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
niemand kann bestreiten, daß wir auf die demographische Entwicklung und auf die Veränderungen in der Erwerbsarbeit eine Antwort finden müssen. Das gilt für alle sozialen Sicherungssysteme. Wir müssen diese Systeme so reformieren, daß sie auch in Zukunft Sicherheit bieten und bezahlbar sind.
Niemand kann bestreiten, daß heute nicht mehr alles auf nationaler Ebene geregelt werden kann. Was für die Regierungen gilt, gilt auch für die Gewerkschaften: Viele Eurer Forderungen lassen sich heute auf nationaler Ebene nicht mehr umsetzen.
Das ändert nichts an unserem Ziel: Beschäftigung zu schaffen und sicherzustellen, daß alle am gesellschaftlichen Wohlstand teilhaben!
Damit stehen wir übrigens nicht allein. Das ist der Inhalt der Politik von Lionel Jospin, von Wim Kok, von Tony Blair, von Viktor Klima und von vielen anderen Sozialdemokraten in Europa.
Wir alle wissen: Arbeitslosigkeit läßt sich nur mit einem stimmigen Gesamtkonzept bekämpfen:
Mit einer aktiven Finanz- , Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik;
mit der Senkung der Steuerlast - für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ebenso wie für die Unternehmen - , damit die Nachfrage steigt und sich die Auftragsbücher füllen;
mit der Senkung von Lohnnebenkosten, damit die Wirtschaft beschäftigungswirksam wächst, damit die Kollegen netto mehr in der Tasche haben;
mit beschäftigungswirksamer Arbeitszeitpolitik.
Einladung zum Erfolg
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich wünsche mir, daß wir auch in Zukunft offen und produktiv darüber diskutieren, wie wir die gesellschaftlichen Veränderungen aktiv gestalten.
Wir brauchen uns gegenseitig als Partner in einer gesellschaftlichen Reformbewegung. Politische Mehrheiten brauchen gesellschaftliche Mehrheiten.
Wenn wir geschlossen für unsere Ziele einstehen, werden wir gemeinsam Erfolg haben!