Redner(in): Christina Weiss
Datum: 12.05.2003
Untertitel: Anlässlich der erfolgreichen Restaurierung historischer Sarkophage im Berliner Dom unterstreicht Kulturstaatsministerin Weiss die Bedeutung des Bundesdenkmalschutzprogramms "National wertvolle Kulturdenkmäler".
Anrede: Sehr geehrter Herr Arnot, sehr verehrte Frau Hilmer, sehr verehrter Herr Haspel, sehr geehrte Frau Schulz, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/16/492916/multi.htm
Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals in einer Gruft eine Rede halten würde. - Dabei lässt sich kaum ein besserer Ort finden, um über Kunst und den Kampf gegen das Vergehen allen Irdischen zu sprechen, der in gewisser Weise letztlich im Denkmalschutz mündet! Bildet nicht gerade die Sepulkralkunst einen wichtigen Quell unserer Kultur? War die Bahre nicht zugleich die Wiege der bildenden Kunst? Wenn man bedenkt, dass selbst aus Zeiten, die uns kein Schriftgut hinterlassen haben, zumindest Gräber und Sarkophage auf uns gekommen sind, sieht man, wie wertvoll diese inzwischen fast vollständig "ausgestorbene" Kunstgattung für unser kulturelles Gedächtnis wirklich ist. Der Grabschmuck - Sie sehen es an den kunstvollen Stücken hier - zeugt vom unbändigen Bestreben des Menschen: etwas zu hinterlassen, das stärker ist als der Tod. Etwas, das die Ewigkeit mit Kunst erzwingt und die Erfolge des eigenen Lebens der Nachwelt vor Augen hält. Und was anderes ist dieses Bestreben als der geheime Motor jeder Kunst?! Im Angesicht des Todes fallen Vergehen und Bewahren, Ende und Neuanfang zeichenhaft zusammen, hinterlässt doch gerade der im Wortsinn "Fleisch-fressende" Sarkophag zuletzt nicht mehr als die Kraft des Geistes, gebändigt in der Kunst.
Doch ich will mich an dieser Stelle gar nicht tiefer in der Kunstphilosophie des Todes verlieren, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich möchte vielmehr die Gelegenheit nutzen, Sie gerade im Angesicht der Kunstwerke "wider des Vergehens" auf ein Denkmalschutzprogramm des Bundes aufmerksam zu machen, ohne das unzählige Kunstschätze unseres Landes längst dem Verfall preis gegeben wären. Es handelt sich um das Bundesdenkmalschutzprogramm "National wertvolle Kulturdenkmäler", aus dem auch für die Erhaltung dieser einmaligen Sarkophage seit 1996 insgesamt 900.000 Euro zur Verfügung gestellt wurden. Dieses Programm ist das älteste kulturelle Förderprogramm des Bundes überhaupt! Es ist quasi der Nukleus der Bundeskulturpolitik, die sich trotz aller Sparmaßnahmen noch heute für einen starken Denkmalschutz einsetzt. In mehr als fünf Jahrzehnten investierte der Bund über das Programm "National wertvolle Kulturdenkmäler" 236 Millionen Euro in die Erhaltung von insgesamt 489 Gebäuden und Einzeldenkmälern, und auch im laufenden Haushaltsjahr stehen für insgesamt 127 Fördermaßnahmen rund 14 Millionen Euro zur Verfügung ( 8 Mio € alte, 6 Mio € neue Länder ) . Dazu kommt seit 2002 eine Sonderförderung des Weltkulturerbes "Völklinger Hütte" von bisher rund 5,6 Millionen € , die 2003 mit rund 2,6 Mio € fortgesetzt wird.
Doch was verbirgt sich hinter diesen Zahlen? Was unterscheidet die 127 derzeit geförderten von den 1,3 Millionen Einzeldenkmälern, Ensembles und historischen Stadtkernen, die das bauliche Gedächtnis unserer Gesellschaft bilden und zum Teil ebenfalls vom Bund gefördert werden, etwa über das Programm "Dach und Fach" oder über die "Leuchttürme" bzw. die "Kultur in den neue Länder" und für die zwischen 1991 und 2002 mehr als 1,9 Mrd € ausgegeben wurden, rund 1,8 Mrd € allein in den Neuen Ländern? Nun, es ist ihre herausragende kulturelle, politische, geschichtliche, architektonische, städtebauliche oder wissenschaftliche Bedeutung, die sie als Leistung eines Gesamtstaates auszeichnen oder als historische Entwicklung der deutschen Kulturlandschaften. Lassen sie mich diesen Anspruch pars pro toto mit ein paar prägnanten Beispielen belegen: Gemeinsam mit den entsprechenden Bundesländern fördert der Bund Arbeiten am Ulmer Münster und am Dom in Speyer, auf dem Invalidenfriedhof und in der Klosterkirche in Berlin, an den Klöstern Waldsassen und Neuzelle, an der Wiesenkirche in Soest und am Residenzschloss in Weimar. Wir unterstützen die archäologischen Grabungen in Kalkriese [Varusschlacht] und die Arbeitersiedlung "Alte Schmelz" in St. Ingbert. Der Bund fördert die Rettungsgrabungen in der Altstadt von Lübeck und die Erhaltung der Gewerkschaftsschule von Hannes Meyer in Bernau, die bekanntlich eine Ikone der Moderne ist. Nicht zuletzt, ich erwähnte es bereits, gehörten bis zum Beginn diesen Jahres auch die Sarkophage dieser Gruft in diese ehrenvolle, beinah endlose Reihe förderungswürdigen - leider aber auch förderungsbedürftiger Kleinodien - , wobei das hier investierte Geld den zweistelligen Millionenbetrag ergänzte, mit dem der Bund seit der Wiedervereinigung die Restaurierung des Berliner Doms förderte.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie sehen, obwohl der Denkmalschutz eigentlich Ländersache ist, gehören die Förderung und der Erhalt historischer Kulturdenkmale - ob nun anteilig oder voll finanziert - zu den wichtigsten Engagements der Bundeskulturpolitik. Ich selbst setze mich vehement dafür ein, den Denkmalsbegriff immer wieder neu auf den Prüfstand zu heben und nach neuen Wegen zu suchen, historisch wertvolle Gebäude zu erhalten, aber eben auch würdig zu nutzen. Und obwohl wir uns heute an einem klassischen, für den Denkmalschutz geradezu prädestinierten Ort versammelt haben, müssen wir meines Erachtens in Zukunft viel öfter als bisher auch an den Denkmalswert moderner und modernster Gebäude und Einrichtungen denken, damit wir uns im steten Blick zurück nicht selbst unnötig beschränken. Vor allem dürfen wir uns in Zeiten der ökonomischen Krise nicht unseres eigenen Gedächtnisses berauben, weil wir glauben, wir könnten uns den Erhalt nicht mehr leisten. Ich bin nämlich sicher, dass es auch unserer Generation, unserer Epoche gelingen wird, Kunstwerke zu erzeugen, die es wert sind, die Zeiten zu überdauern. Und ich fordere gerade im Angesicht der würdevoll geretteten Kunst in dieser Kirche alle fachlich Berufenen sowie alle Interessierten zu einem intensiven Dialog auf, um die Zukunft unserer historischen und die Zukunft unserer aktuellen Kunstdenkmäler - auch finanziell - zu sichern.
Vielen Dank