Redner(in): k.A.
Datum: 08.11.1999

Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/78/11778/multi.htm


Kultur in Deutschland wird von Politikern meist mit rhetorischem Glanz extemporiert; nur selten ist sie Gegenstand konkreter legislativer, juristischer oder anderer trocken-sachlicher Abhandlungen. Meist geht es in solchen Reden um das "Schöne schlechthin". Doch dieses "Schöne schlechthin" ist in Deutschland in Nöten: in finanziellen Nöten, in Haushaltsnöten jeglicher Art. Und die Kommunen, die sich mit Kunst und Kulturförderung im engeren Sinne beschäftigen, sind es auch.

Der Begriff des Mäzenatentums ist alt und geht zurück auf einen Mann dieses Namens im antiken Rom: Maezenas war ein Freund des Kaisers Augustus und der maßgebliche Förderer der damaligen Nachwuchsliteraten Horaz und Vergil. Er war ein wohlhabender römischer Ritter etruskischen Geschlechts, der seiner Neigung für Kunst und Künstler auch durch praktische finanzielle Hilfe dauernden Ausdruck geben wollte. Wir dürfen sicher annehmen, dass diese Unterstützung zum großen Teil den Lebensunterhalt der Künstler sicherte. Diese zeigten sich erkenntlich und verewigten ihren Gönner in ihren Epen. So haben nicht die Freundschaft des Maezenas zu Augustus, sein Reichtum oder sein Geschäftsgenie im Bewusstsein der Menschen überlebt, sondern sein Ruhm, seine Fama, ein Kunstfreund und Förderer gewesen zu sein - ein Mäzen. War uneigennütziges - mäzenatisches - Wohlverhalten zunächst eine Domäne reicher Bürger, so nahmen im römischen Kaiserreich mehr und mehr auch die politisch Herrschenden Einfluss auf die Künste. Das Motto "panem et circenses" ist uns bis heute geläufig. Beim Volk prägten sich die Namen der mächtigen Wohltäter positiv ein. Das sicherte diesen wiederum politischen Einfluss und Macht.

Dann kam das Christentum und mit ihm ein neues Motiv, ein geistiges Fundament für barmherziges und karitatives Handeln: das Seelenheil. Waren es zunächst nur gestiftete Messfeiern, die es im Übrigen bis heute gibt, so dehnte sich das Stiftungswesen allmählich, von Italien kommend, über die Alpen bis in den Norden Deutschlands aus. Viele mildtätige Einrichtungen, zum Beispiel die Heilig-Geist-Spitäler, entstanden.

Die Maxime, dass der Glaube sich immer wieder im guten Werk verwirklichen müsse, und die Überzeugung, dass auf dem Geben ein Segen ruhe, ließen das Mäzenatentum im karitativen Sinn blühen. Seit dem frühen Mittelalter hat auch die Kenntnis des Alten Testaments diese Geisteshaltung gestützt; etwa die Feststellung im Buch der Sprüche Salomos ( Kap. 11, Vers 24 ) : Mancher teilt reichlich aus - und wird dabei noch reicher; ein andrer hält, mehr als recht, zurück - und wird nur ärmer."

Zudem wurde persönlicher Besitz im christlichen Sinne nur als treuhänderischer Besitz für andere verstanden; die Steuern waren gering, und so ergab sich für die wohlhabenden Bürger eine durch die Religion geforderte Verpflichtung zum Mäzenatentum. Als überragendes Beispiel für Fördertätigkeit in Kunst und Wissenschaft traten die Renaissancefürsten in Italien hervor, vor allem die Medici in Florenz. Bis heute ist der Name dieses Geschlechtes untrennbar mit den großen italienischen Künstlern wie Donatello oder Michelangelo im allgemeinen Bewusstsein verankert.

Mit der Begründung des Bankwesens traten auch die Handels- und Bankhäuser auf den Plan und gründeten Wohltätigkeitsstiftungen. Die von den Fuggern in Augsburg 1521 gestiftete Sozialsiedlung ist beispielhaft für dieses früh-neuzeitliche, soziale Engagement.

Die Säkularisierung im 19. Jahrhundert drängte kirchliche und private Verantwortung für das Gemeinwohl zurück; der Staat nahm zunehmend Einfluss.

In Deutschland brachte erst der wirtschaftliche Aufschwung nach der Reichsgründung 1870/71 privates Engagement für das Gemeinwohl in größerem Umfang zurück. Durch die Industrialisierung war soziale Not entstanden, wohlhabend gewordene Bürger wollten dem durch Stiftungen entgegenwirken. Aber auch Kunst und Wissenschaft wurden in der Gründerzeit stark gefördert.

Eine vielfältige bürgerliche Stiftungslandschaft entwickelte sich. Es gab in Deutschland zur Jahrhundertwende die heute kaum vorstellbare Zahl von rund 100.000 Stiftungen. Dann aber folgten zwei Weltkriege, Inflation und Wirtschaftskrisen in den zwanziger und Dreissigerjahren und damit als Folge nicht nur eine Beschädigung bürgerlichen Selbstbewusstseins, sondern kriegs- und inflationsbedingt vor allem eine Entwertung bis hin zur völligen Vernichtung vieler Stiftungsvermögen.

Heute sind wieder rund 8.000 Stiftungen statistisch erfasst; zwei Drittel davon sind nach 1945 gegründet worden und hiervon der überwiegende Teil in den letzten beiden Jahrzehnten. Der Stiftungsgedanke erlebt derzeit eine Renaissance, nicht nur in Deutschland, sondern im gesamten westlichen Ausland. In der deutschen Politik wurde seit vielen Jahren über eine Reform des Stiftungsrechts nachgedacht; aber die 16 Jahre dauernden guten Vorsätze der alten Bundesregierung haben vergeblich auf ihre Umsetzung in die Praxis gewartet. Erst die rot-grüne Koalition tut nun die entscheidenden Schritte, um grundlegende Verbesserungen des Stiftungsrechts herbeizuführen.

In der DDR erlebte das Stiftungswesen einen drastischen Niedergang. Stiftungen gab es am Ende - bis auf wenige Altstiftungen - quasi überhaupt nicht mehr. Privateigentum und Stiftungsgedanke wurden aus ideologischen Gründen abgelehnt. Das Rechtsinstitut der Stiftung wurde in der DDR im Jahre 1976 abgeschafft, nachdem schon zu Beginn der Fünfzigerjahre mit dem Einzug von Stiftungsvermögen und der Auflösung von Stiftungen der Stiftungsgedanke weitgehend begraben worden war.

Seit der Vereinigung erfolgten unterschiedliche Initiativen von privater Seite und öffentlicher Hand zur Wiederbelebung der Stiftungslandschaft in Ostdeutschland - vor allem auch im kulturellen Bereich. Nicht zuletzt mit finanzieller Unterstützung durch den Bund sind in den neuen Bundesländern bedeutsame öffentlich-rechtliche Kulturstiftungen wieder bzw. neu entstanden, zum Beispiel Stiftung Weimarer Klassik, Stiftung Bauhaus Dessau, Stiftung Bach-Archiv Leipzig, Kulturstiftung Dessau-Wörlitz, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin / Brandenburg. Außerdem sind bereits eine Reihe von privaten Kulturstiftungen neu gegründet worden wie die Kulturstiftung Dresden der Dresdner Bank, die Kulturstiftung Haus Europa in Potsdam oder die Stiftung Neue Kultur, ebenfalls in Potsdam.

Kulturstiftungen, denen naturgemäß mein Hauptinteresse gilt, stehen in zwei der neuen Länder ( Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern ) sogar an erster Stelle der Neugründungen. Im Bundesdurchschnitt der Stiftungszuwendungen steht die Kultur mit 11,6 % an vierter Stelle; nach Soziales ( 31 % ) , Bildung und Erziehung ( 17,9 % ) , Wissenschaft und Forschung ( 15,8 % ) .

Es ist unverkennbar: Der stetig angewachsene Vermögensberg in Deutschland und die auf uns zurollende Erbschaftswelle stellen einen Nährboden für Stiftungen dar. Die deutschen Privathaushalte verfügen nach neuesten Berechnungen des Bundesverbandes der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken am Ende dieses Jahres über ein geschätztes Geldvermögen von fast sechs Billionen Mark, so eine dpa-Meldung vom 23. Oktober 1999. Das Geldvermögen hat sich in den letzten 15 Jahren mehr als verdreifacht. Hinzu kommt ein Immobilienvermögen von über sieben Billionen Mark, wobei letztere Zahl noch aus dem Jahr 1997 stammt.

Laut einer Studie ( "Die Deutschen und ihr Geld" ) des Deutschen Instituts für Altersvorsorge in Köln aus diesem Jahr wird die Aufbaugeneration den nachfolgenden Generationen bis zum Jahr 2004 rund eine Billion Mark an Geldvermögen, rund 700 Milliarden DM aus Immobilienwerten und rund 300 Milliarden DM an fälligen Lebensversicherungen vererben. Experten schätzen die künftige jährliche Erbmasse in Deutschland auf 250 Milliarden DM.

Dem stetig anwachsenden privaten Reichtum steht ein Staat gegenüber, der seit Jahren von Haushaltsnöten geplagt wird. So ist die öffentliche Hand längst nicht mehr in der Lage, alle wünschenswerten Kulturinitiativen ausreichend mit Finanzmitteln auszustatten. Auf verschiedenen Gebieten - seien es Festivals, Ausstellungen oder Konzertreihen - werden von den Veranstaltern so genannte Drittmittel von Sponsoren, Fördervereinen oder eben auch Stiftungen eingeworben. Eine Kulturveranstaltung ohne Drittmittel hat mittlerweile fast Seltenheitswert. Es bedarf also - schon auf Grund der Finanznöte des Staates - der Ergänzung durch bürgerschaftliches Engagement.

Das ist der finanzielle Hintergrund, vor dem wir derzeit eine Reform des Stiftungsrechts diskutieren. Mit anderen Worten: Eine neue Stiftungskultur ist notwendig, um angesichts knapper öffentlicher Kassen weiterhin ausreichend, ja vielleicht sogar mehr Mittel für die Kultur zu erhalten.

Ich trete deshalb entschieden für grundlegende Verbesserungen des Stiftungsrechts ein, auch jenseits des jetzt in Angriff genommenen Artikelgesetzes. Dabei denke ich vor allem an die Schaffung weiterer steuerlicher Anreize zum "Stiften".

Mit der Erschließung neuer Geldquellen für die Kultur soll allerdings kein Rückzug des Staates aus der Kulturförderung eingeleitet werden. Privates finanzielles Engagement sollte vielmehr stärker als bisher ein zweites Standbein der Kultur sein, quasi das Spielbein, das Beweglichkeit ermöglicht. Stiftungen mit kalkulierbaren jährlichen Ausschüttungen können die Abhängigkeit der Kultur von öffentlichen Zuwendungen, von den Zwängen der Haushaltsgesetzgebung, verringern.

Vor allem kommunale Kultureinrichtungen sehen zunehmend eine Chance darin, sich durch Umwandlung in Stiftungen und Einwerbung von Geldern aus den Fesseln des öffentlichen Haushaltsrechts zu befreien. Ein Beispiel ganz in der Nähe ist das ehemals städtische Lehmbruck-Museum in Duisburg, das diesen Schritt getan hat.

Stiftungen schaffen Freiräume. Sie können dadurch wesentlich zur grundgesetzlich garantierten Staatsfreiheit von Kunst und Kultur beitragen. Ich begrüße diese Entwicklung sehr. Wir müssen solch neue Wege gehen. Die Politik - sei es auf kommunaler, Landes- oder Bundesebene - hat dafür die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Denn eines kann ich nur immer wieder betonen: Kulturfreundliche, also die spezifischen Belange der Kultur berücksichtigende Gesetze und Rechtsvorschriften sind eine indirekte Form der Kulturförderung, die im Gesamtzusammenhang und langfristig gesehen für die Kultur wichtiger sein können als die direkte finanzielle Förderung aus Haushaltsmitteln.

Stiftungen sind aber nicht nur Finanzierungsinstrumente, Stiftungen eröffnen auch neue Teilhabemöglichkeiten der Bürger und Bürgerinnen am kulturellen Leben. Sie sind Ausdruck einer aktiven und selbstbewussten Bürgergesellschaft.

Die kulturelle Vielfalt eines Landes bemisst sich nicht allein an der Zahl der Staatsopern, sondern zeigt sich in erster Linie darin, inwieweit die Kultur "von unten" getragen wird. Kulturelle Vielfalt entsteht im pluralistischen Spiel der künstlerischen Kräfte, an dem der Staat nur einen begrenzten Anteil hat und haben sollte. Der Staat ist nicht in der Lage und sollte es in einer freiheitlichen Gesellschaft auch gar nicht erst versuchen, das kulturelle Niveau durch Kulturpolitik im Sinne klassischer Förderpolitik, also der Förderung durch Haushaltsmittel, zu garantieren.

Der Staat lebt vom Engagement seiner Bürger. Der Trend in der westlichen Welt, nicht nur in Deutschland, ist offenkundig: vom staatlichen Gemeinwohlmonopol zur Pluralität von Gemeinwohlakteuren. Es zeichnet gerade den freiheitlichen Staat aus, dass er privater Initiative den notwendigen Raum belässt, ihr keine bürokratischen Fesseln anlegt, und wenn möglich privates Engagement nicht nur schützt, sondern auch aktiv, etwa durch seine Steuergesetzgebung, fördert.

Ein Vergleich der Staatsquote für kulturelle Leistungen zwischen den USA und der Bundesrepublik verdeutlicht einen gewaltigen Unterschied: Während bei uns über 90 Prozent aller Mittel für kulturelle Leistungen vom Staat aufgebracht werden, sind dies in den USA nur fünf Prozent; der jeweilige Rest wird ermöglicht durch private Geld- und Ideengeber.

Nun möchte ich nicht amerikanischen Verhältnissen blindlings das Wort reden. Ich weiss nur zu gut den Wert einer öffentlichen und vom demokratisch gewählten Parlament legitimierten Kulturförderung zu schätzen: Aber dass es in den USA eine - wie Ralf Dahrendorf kürzlich schrieb - andere "Kultur des Gebens" gibt, stimmt auch, eine Kultur, die es seines Erachtens in den meisten europäischen Ländern erst noch zu entwickeln gilt. Sporadisches und spontanes Geben - ein Kosovo-Aufruf etwa - sei zwar inzwischen verbreitet, aber regelmäßiges Spenden oder Stiften bleibe im Vergleich zu den USA relativ selten.

Wenn wir sehen, welch bedeutsame Rolle gerade den Stiftungen in den USA zukommt, so können Stiftungen auch in Deutschland noch vitaler zu Säulen einer aktiven Bürgergesellschaft werden. Stiftungen sind Ausdruck eines gelebten Subsidiaritätsprinzips!

Bürokratische und steuerpolitische Hemmnisse zu beseitigen und gleichzeitig den Stiftungsgedanken in die bürgerliche Mitte zu tragen, etwa durch Schaffung neuer Partizipationsmöglichkeiten in Form von Bürgerstiftungen, sehe ich als Hauptaufgabe eines modernen Stiftungsrechts an.

Bundeskanzler Gerhard Schröder hat vor kurzem bei einer Rede auf der Berliner Museumsinsel am 4. Oktober 1999 aus Anlass des Richtfestes der Nationalgalerie die Zielsetzung der Bundesregierung wie folgt erläutert: Mit ersten Schritten zur Reform des Stiftungsrechts wird unsere Regierung den Weg ebnen zu einer mäzenatisch eingestimmten Bürgergesellschaft - nicht, weil sich der Staat aus seiner kulturpolitischen Verantwortung trollen will, sondern, im Gegenteil, weil die großen Aufgaben der Restauration von Museen und Kulturdenkmälern in ganz Deutschland sich uns allen stellt, in gemeinsamer Verantwortung."Wenn Kultur, wie gesagt, ein Symbol für das Selbstgespräch unserer Gesellschaft ist, dann sollten diejenigen eine Mitsprache wahrnehmen, die den Staat nicht als Kulturladen verstehen, in dem der Bürger als Kunde Schlange steht. Kulturelles mäzenatisches Engagement des Einzelnen gilt in manchen anderen Nationen als heitere, ja, stolze Teilnahme an jenem Gespräch, in dem eine Gesellschaft darüber nachdenkt, was sie ist, was sie will, was sie ordnet und was sie in Zweifel zieht. Und immer waren es die Künste, die in dieser Diskussion die interessantesten und manchmal auch die schönsten Akzente setzten. Ohne sie würden wir verstummen."

Die Reform des deutschen Stiftungsrechts ist ein vorrangiges Anliegen der jetzigen Bundesregierung. Im Koalitionsvertrag hatten wir eine Verbesserung der steuerrechtlichen Rahmenbedingungen für Stiftungen vereinbart. Danach sollen steuerpolitische Hemmnisse für eine "aktive Sponsoring- und Stiftungskultur" beseitigt und "neue Möglichkeiten für Mäzenaten, Stifter und Kultursponsoren" eröffnet und steuerrechtlich attraktiv gemacht werden.

Die Regierungskoalition wird schon bald ihre Reformvorstellungen im Detail vorlegen. Bei dem vom Bundeskanzler angekündigten ersten Schritt einer Reform des Stiftungsrechts werden wir uns ganz auf steuerrechtliche Verbesserungen konzentrieren. Wir werden zentrale Forderungen des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen und des Deutschen Kulturrates zum Steuerrecht umsetzen. Den - auch aus Sicht der Stiftungen wichtigeren - steuerrechtlichen Teil der Stiftungsrechtsreform werden wir vorziehen, weil zum zivilrechtlichen Teil, also den Regelungen über Stiftungsgründung und Stiftungsaufsicht, noch eingehende Erörterungen mit den hiervon stark betroffenen Bundesländern erforderlich sind. Dieser Teil ist nämlich bisher überwiegend in den 16 Landesstiftungsgesetzen geregelt und wird bekanntlich von Landesstiftungsbehörden vollzogen. Daher sprechen hier die Länder, deren Haltung zu einer Reform noch unklar ist, ein gewichtiges Wort mit.

Die steuerrechtlichen Verbesserungen sind politisch beschlossene Sache. Nicht nur der Bundeskanzler hat diesen ersten Reformschritt öffentlich angekündigt. Auch im Leitantrag für den SPD-Parteitag im Dezember heißt es klar und deutlich: "Gemeinnützige Stiftungen und gemeinnützige Projekte werden wir rechtlich und finanziell besser stellen." Also allen Skeptikern zum Trotz, die Regierungskoalition wird Wort halten!

Was wollen wir ändern? Die Koalitionsfraktionen werden einen Gesetzentwurf für steuerrechtliche Verbesserungen einbringen, der folgende vier Neuregelungen steuerrechtliche Verbesserungen einbringen, der folgende vier Neuregelungen enthält, die dann rückwirkend zum 1. Januar 2000 in Kraft treten sollen:

Die Rücklagenbildung von Stiftungen wird eindeutig verbessert. Das heißt: Die Möglichkeit, zur Erhaltung der Vermögenssubstanz einer Stiftung einen Teil der Kapitalerträge in eine freie Rücklage einzustellen, wird erweitert, indem der Höchstsatz für die jährliche Zuführung von bisher einem Viertel auf ein Drittel erhöht wird ( Änderung in § 58 Nr. 7a der Abgabenordnung ) .

Das so genannte Buchwertprivileg, das heißt die steuerfreie Einbringung von Betriebsvermögen in Stiftungen ( § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 4 Einkommensteuergesetz ) , wird auf alle rechtsfähigen Stiftungen ausgedehnt.

Die bereits für Wissenschafts- und Kulturstiftungen bestehende Befreiung von der Erbschafts- und Schenkungssteuer bei Weitergabe eines ererbten oder durch Schenkung erworbenen Vermögens an eine Stiftung innerhalb von zwei Jahren seit dem Erbanfall bzw. der Schenkung ( § 29 Abs. 1 Nr. 4 Erbschaftssteuergesetz ) wird auf alle gemeinnützige Stiftungen ausgedehnt.

4. Es wird ein Sonderausgabenabzug für Spenden an gemeinnützige rechtsfähige Stiftungen von voraussichtlich 50.000 DM eingeführt. Dieser Sondertatbestand nur für Stiftungen wird kumulativ neben die allgemeine Regelung der Abzugsfähigkeit von Spenden an gemeinnützige Organisationen von fünf Prozent bzw. zehn Prozent - letzterer Höchstbetrag gilt für die Kultur - gestellt. Spenden an Stiftungen können also künftig bis zur gesetzlich festgelegten Höchstsumme zu 100 % von der Steuer abgezogen werden, wodurch vor allem kleinere Stiftungserrichtungen und Zustiftungen begünstigt werden. Für darüber hinaus gehende Beträge bleibt es bei der Grundsatzregelung, dass der Stifter sie nur bis zur Höchstgrenze von fünf bzw. zehn Prozent seines jährlichen Einkommens steuerlich geltend machen kann.

Der beabsichtigte Sondertatbestand einer Spendenabzugsfähigkeit bis zu voraussichtlich 50.000 DM ist zwar eine Privilegierung von Stiftungen gegenüber gemeinnützigem Engagement in anderen Rechtsformen, etwa in Fördervereinen. Bei Stiftungen soll aber im Gegensatz zu anderen gemeinnützigen Organisationen zunächst ein Kapitalgrundstock aufgebaut werden. Durch den Aufbau eines solchen Stiftungskapitals kann sich eine stetigere, berechenbarere Förderung des Gemeinwohls ergeben als bei vom jährlichen Spendenaufkommen lebenden gemeinnützigen Organisationen.

Wichtig ist mir aber die Intention, vor allem kleinere und mittlere Vermögen durch die 50.000 DM -Regelung stärker an die Stiftungsidee heranzuführen.

Andererseits gebe ich zu: Ein noch deutlicheres Signal würde von einer zusätzlichen Erhöhung der maximalen Abzugsfähigkeit von Spenden an gemeinnützige Organisationen von derzeit zehn Prozent auf einheitlich zwanzig Prozent des steuerpflichtigen Einkommens ausgehen. Eine solche Verdopplung würde eben besonders im Stiftungsbereich Wirkung entfalten, da der Aufbau eines Stiftungskapitals die Zuwendung eines stattlichen Geldbetrages erfordert.

Die mit einer Erhöhung der Spendenabzugsfähigkeit verbundenen Steuerausfälle sind meiner Ansicht nach trotz der schwierigen Situation der öffentlichen Haushalte vertretbar. Hier werden wir im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens noch mit den Finanzministern im Bund und in den Ländern zu reden haben.

Meines Erachtens zieht das Argument der Steuerausfälle nicht: Denn dem Gemeinwohl kommen durch die Spende an eine gemeinnützige Organisation - wenn man bürgerschaftliches gemeinnütziges Engagement nicht geringer schätzt als staatliches Wirken - mehr Mittel zugute, als ihm durch Sonderausgabenabzug an Steuermitteln verloren gehen. Im Übrigen wird der volle Abzugsbetrag nur von den wenigsten Spenden ausgeschöpft; die wesentlichen Steuerausfälle erfolgen durch die Masse der Kleinspenden. Neben der sinnvollen Kleinstifter-Regelung von voraussichtlich 50.000 DM sollte also auch eine Erhöhung der Abzugsfähigkeit erfolgen; hier heisst es für mich als Kulturbeauftragten, noch "dicke Bretter zu bohren".

Neben den beabsichtigten Verbesserungen zum Stiftungssteuerrecht haben wir bereits besonders wichtige steuerliche Erleichterungen zu Gunsten von mehr Bürgerengagement in der Kultur umgesetzt, nämlich im Bereich des Spendenrechts durch eine Änderung der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung. Die Kultur ist Hauptgewinnerin der von der Bundesregierung beschlossenen und am 15. Oktober 1999 vom Bundesrat gebilligten Neuregelung des Spendenrechts. Grundlegende Verbesserungen und Vereinfachungen des Spendenrechts treten damit zum 1. Januar 2000 in Kraft.

Eine einschneidende Verbesserung insbesondere für kulturelle Organisationen stellt dabei die Abschaffung des so genannten Durchlaufspendenverfahrens dar. Spenden an kulturelle Einrichtungen sind bisher nur auf einem verwaltungs- und zeitaufwändigen Weg als Durchlaufspenden über eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine öffentliche Dienststelle möglich; Mitgliedsbeiträge, etwa an den Förderverein eines Museums oder Theaters, sind derzeit überhaupt nicht steuerlich absetzbar. Künftig sind mit der Abschaffung des Durchlaufverfahrens alle, also nicht nur ein bestimmter privilegierter Kreis von gemeinnützigen Organisationen, berechtigt, selbst Spendenbescheinigungen auszustellen. Dieses Recht haben dann erstmals vor allem gemeinnützige Einrichtungen der Kultur. Kulturvereinigungen, bei denen die Mitglieder keine besondere Gegenleistung für ihren Mitgliedsbeitrag erhalten, also in erster Linie Fördervereine, können darüber hinaus auch Spendenquittungen über Mitgliedsbeiträge ausstellen.

Ein Großteil der vom Bundesfinanzministerium geschätzten Steuermindereinnahmen von 120 Mio. DM, aber damit eben auch zusätzlicher Spenden, wird auf den Kulturbereich entfallen. Die Neuregelung des Spendenrechts ist damit ein nicht unbedeutender Beitrag zur Umsetzung der Koalitionsvereinbarung, die steuerrechtlichen Rahmenbedingungen für die Kultur zu verbessern.

Schließlich darf ich darauf verweisen, dass die SPD-Bundestagsfraktion angekündigt hat, zur Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements in gemeinnützigen Organisationen die so genannte Übungsleiterpauschale von derzeit 2400 DM auf künftig 3600 DM zu erhöhen. Diese Pauschale war seit 1980 nicht mehr angehoben worden. Von der Übungsleiterpauschale profitieren bekanntlich nicht nur Übungsleiter im Sport, sondern etwa auch nebenberufliche Erzieher, Lehrbeauftragte oder Volkshochschuldozenten. Seit 1991 sind auch nebenberufliche künstlerische Tätigkeiten erfasst, sofern sie im Auftrag einer staatlichen oder gemeinnützigen Einrichtung ausgeübt werden.

Im Zuge der Novellierung des Stiftungsrechts wird man den Punkt Vermögensverwaltung diskutieren müssen. Dabei sehe ich vorrangig eine Aufgabe darin, bewusstseinsbildend in Richtung auf ein moderneres Vermögensmanagement zu wirken. Ein Hinweis auf die USA ist hier angebracht. Das Stiftungsvermögen vieler amerikanischer Foundations ist gerade durch die boomartige Entwicklung auf den Aktienmärkten in den letzten Jahren erheblich angestiegen. In Deutschland hingegen wird der Gesichtspunkt der - ungeschmälerten - Vermögenserhaltung überbetont, woraus in der Konsequenz ein Gebot der weit gehenden Vermeidung finanzieller Risiken abgeleitet wird. Bis 1996 verlangte das Bayerische Stiftungsgesetz sogar die mündelsichere Anlage der Stiftungsgelder. Ein in Maßen risikofreudigeres, professionelleres Anlageverhalten könnte auch in Deutschland nicht schaden.

Ein zeitgemäßes Management ist bei Stiftungen unerlässlich. Hohe Professionalität und ausgereifte Erfahrungen im Bereich der Vermögensanlagen sind Grundvoraussetzungen, um eine Mehrung des Stiftungsvermögens über die reine wirtschaftliche Werterhaltung hinaus zu erreichen - und damit eben Erträge zu erzielen, aus denen Kultur oder Wissenschaft gefördert werden können.

Die Realität ist aber vielfach noch eine andere: Der Geschäftsführer einer Kulturstiftung wird in der Regel immer noch allein danach ausgesucht, inwieweit er sich in der Kulturszene auskennt und welches Organisationstalent er mitbringt, nicht aber danach, ob er sich jemals mit Vermögensanlagen beschäftigt hat. Stiftungen müssen meines Erachtens dem Vermögensmanagement durch eine entsprechende Personalausstattung größeres Gewicht beimessen und, falls diese nicht ausreichend ist, noch stärker externen Sachverstand einbinden, etwa durch entsprechende Beiratslösungen.

Denke ich an unsere Kultureinrichtungen, so bin ich der Meinung, dass die gegenwärtigen Organisationsformen auf den Prüfstand gehören. Nicht nur einige unserer Kulturstiftungen, auch viele Theater, Opern und Museen müssen professioneller geführt werden. Neue Managementmethoden, betriebswirtschaftliches Denken und - ich benutze dieses Wort bewusst - Kundenorientierung schaden der Kultur nicht. Ganz im Gegenteil: Sie sichern den weiteren Erhalt unserer Kultureinrichtungen, zumal in Zeiten, in denen die öffentliche Hand nicht mehr so geben kann, wie sie eigentlich möchte."Kundenorientierung" bedeutet, lieb gewonnene Elfenbeintürme zu verlassen und zu versuchen, Kultur in die Gesellschaft hineinzutragen, die gesellschaftliche Funktion der Kultur anzunehmen.

Was ich konkret damit meine? Zu jedem großen Theater und Museum gehört nach meiner festen Überzeugung heute ein pädagogischer Begleitdienst, der insbesondere Kinder und Jugendliche an die Kultur heranführt; die Kooperation mit Schulen und Jugendeinrichtungen, aber auch mit Senioreneinrichtungen ist auszubauen. Die Präsentation in den Medien und im Internet, ein insgesamt modernes Präsentationskonzept gehören ebenso dazu wie ein vorbildliches Serviceverhalten. Freundliche Mitarbeiter, die den zahlenden Kultur-Kunden nicht als unerwünschten Störer der Museumsruhe betrachten, sondern als gern gesehenen Gast, tragen erheblich zur Attraktivität und zum Flair einer Kultureinrichtung bei.

Neue Wege im Kulturmanagement zu gehen, bedeutet freilich nicht, dass damit eine Entwertung der Kultur einhergehen muss. Wenn mehr Bürger und Bürgerinnen Zugang zur Kultur finden, ist dies vielmehr ein Zeichen demokratischer Reife einer Gesellschaft. Höhere Besucherzahlen und damit Einnahmen sind der materielle, nicht zu verachtende Nährboden der Kultur.

Professionelle Kulturmanager sind also gefragt. Doch wo lernt man das? Ich finde Überlegungen der nordrhein-westfälischen Landesregierung interessant, regionale Kulturgründungszentren zu initiieren und zu unterstützen. Vorbild könnten hierbei die mittlerweile immer erfolgreicheren Technologiegründungszentren sein, die vor allem in der Nähe von Universitäten und in Kooperation mit diesen entstehen. Wäre es nicht auch spannend, wenn Kunst- und Musikwissenschaftler einer Universität mit dortigen Betriebswirtschaftlern und Juraprofessoren gemeinsame Projekte und Seminare anböten? Es bedarf dabei gar nicht immer unbedingt neuer Studiengänge. Ein sinnvolles betriebswirtschaftliches, zivil- und steuerrechtliches Begleitstudium wäre schon ein Fortschritt.

Um eine neue Stiftungskultur - oder nochmals mit Ralf Dahrendorf gesprochen: eine "Kultur des Gebens" - zu schaffen, müssen Bedeutung und Leistungen von Stiftern und Stiftungen mehr als bisher vom Staat, aber auch von den Medien, ins öffentliche Bewusstsein gerückt und entsprechend anerkannt werden.

Es ist notwendig, in der Öffentlichkeit, vor allem auch gegenüber den Finanzministern in Bund und Ländern klarzustellen, dass Stifter und Spender für gemeinnützige Zwecke dies nicht tun, um Steuern zu sparen; dass der Steuerabzug zwar durchaus als materielle staatliche Anerkennung erwünscht wird, die Spender aber in jedem Fall mehr für das Gemeinwohl freiwillig hingeben, als sie über die Steuer zurückerhalten. Selbst beim Spitzensteuersatz bekommt der Spender für zwei Spendenmark nur eine Steuermark zurück, und das Gemeinwohl erhält selbstverständlich doppelt soviel wie über die Steuer.

Der Deutsche Kulturrat hat dies in einem Thesenpapier zur Stiftungsreform vom 29. September 1999 plakativ und treffend hervorgehoben: "Stiftungen sind kein Steuersparmodell."

Ich verbinde meinen Vortrag natürlich mit der Hoffnung, gerade auch den einen oder anderen unter Ihnen zu einem stärkeren Stiftungsengagement animieren zu können, waren es seit den Siebzigerjahren doch ganz überwiegend die Banken und Sparkassen, die ihre wachsenden Überschüsse zunehmend sozialen, wissenschaftlichen, kulturellen und Umweltschutzaufgaben haben zufließen lassen. Besonders in Nordrhein-Westfalen sind viele selbstständige Sparkassen- und Bankstiftungen mit lokalem oder regionalem Kulturbezug angesiedelt.

Dies ist eine große Bereicherung für das kulturelle Leben in den Regionen. Auch die regionalen Dachverbände der Sparkassenorganisationen, die Landesbanken und Girozentralen fühlen sich dem Gemeinnützigkeitsgedanken und der Identifizierung mit dem Raum, den das jeweilige Geschäftsgebiet umschreibt, verbunden. Durch ihre Aktivitäten beispielsweise im Bereich der Bildenden Kunst oder der Musik leisten sie nicht nur den Kommunen tätige Hilfe; ihre Arbeit führt in den Regionen auch zu einer größeren Kulturvielfalt und einem stärkeren Selbstbewusstsein der Bevölkerung.

Aber nicht nur auf regionaler und Landesebene wird von Stiftungen aus dem Bankenbereich Bemerkenswertes geleistet. Ich möchte hier auf die Stiftungen der Großbanken hinweisen, die bundesweit operieren. Mit Instrumentenfonds, der Förderung junger bildender Künstler oder hoch begabter Musiker leisten sie einen unverzichtbaren Beitrag für das Gemeinwohl. Noch wichtiger als die von ihnen bereitgestellten Summen Geldes ist das durch ihre Tätigkeit geflochtene vielfältige Netz an Kontakten und Fördermaßnahmen für die Begünstigten und ihre Umgebung.

Ich könnte noch lange schwärmen, werde es aber an dieser Stelle dabei bewenden lassen, nicht ohne noch einmal darum zu bitten, diese eingeschlagenen so überaus positiven Wege weiterhin zu gehen. Und seien Sie versichert: Außer meiner großen Sympathie verspreche ich Ihnen auch die von mir nötige Aktivität.

Der ehemalige Hamburger Bürgermeister Herbert Weichmann hat einmal ( 1980 ) beklagt, der viel zitierte "mündige Bürger" benutze "seinen Mund vielfach nur, um Forderungen an die öffentliche Hand zu stellen, und offenbart keine innere Stimme, mit der er sich selbst eine Aufgabe zuweist". In unserer Leistungsgesellschaft breite sich eine gefährliche Tendenz aus, die da laute: "Jeder für sich, keiner für alle."

Halten wir es also mit John F. Kennedy, der bei seiner Amtseinführung 1961 an sein amerikanisches Volk appellierte: "Meine amerikanischen Mitbürger: Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann, sondern fragt, was ihr für euer Land tun könnt." Diese Losung sollten wir unseren Bemühungen voranstellen, noch mehr Bürgerengagement in unserer Gesellschaft zu wecken. Kulturpatriotismus ist eine Seite des Verfassungspatriotismus.