Redner(in): Christina Weiss
Datum: 08.12.2003

Untertitel: Zum 30jährigen Bestehen des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz würdigte Kulturstaatsministerin Weiss am 8. Dezember 2003 im Alten Rathaus in Bonn die Arbeit des Komitees und überreichte dem Bundespräsidenten eine Dokumentation des ältesten Denkmalprogramms der Bundesregierung "National wertvolle Kulturdenkmäler".
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/61/573061/multi.htm


das Gedächtnis der Stadt ist in ihre Mauern, Straßen und Plätze eingeschrieben. Wer es für die Zukunft hüten will, muss sich nicht gegen alle Veränderungen sperren, muss aber die Gebäudesprache als sichtbares, ablesbares, nachschlagbares Lexikon der Historie festhalten und in die nächsten Epochen fortschreiben.

Denkmalschutz hat mit vielen Vorurteilen zu ringen. Ein Blick in die sechziger Jahre zeigt mit trauriger Anschaulichkeit, wie sich Städte verändern, wenn der Respekt vor der baulichen Tradition fehlt. Damals galt Wirtschaftswachstum im Stimmungsumfeld einer rücksichtslosen Aufbaueuphorie als das Lebenselixir schlechthin. Alles, was unbequeme Fragen zu stellen sich anmaßte und auch noch aus dem Bereich der Kultur in die Wirtschaft dringen wollte, wurde verhöhnt und missachtet. Weil aber heutzutage mit einer einzigen, nur sektoral bedachten Entscheidung langfristige negative Folgen für die Natur und unsere kulturelle Umwelt zu bewirken sind, hat der Gesetzgeber mit gutem Grund den Denkmalschutz in unser Rechtssystem eingebaut.

Vor gut einem halben Jahr haben wir im ehemaligen Plenarsaal den ersten Konvent zur Baukultur veranstaltet. Im Zentrum stand die Frage, wie man das Bewusstsein für den vielschichtigen Dialog zwischen Architektur und Mensch stärken kann. Es ging um die Weiterentwicklung der deutschen Baukultur und wird in einer Stiftung Baukultur münden. Es ging aber auch darum deutlich zu machen, dass die Denkmalpflege hierbei einen ganz wesentlichen und zukunftsweisenden Beitrag leisten kann.

Es gibt nichts, das nicht der Zeit unterworfen wäre. Menschen haben ihre Biographie, Gesellschaften ihre Geschichte. All das, was der Mensch schafft, ist Zeugnis einer bestimmten Epoche. Auch eine Einrichtung, deren Daseinszweck es ist, das Bewusstsein für die Werte baugeschichtlicher Zeugnisse und für die Notwendigkeit ihrer Bewahrung wach zu halten, hat selbst eine Geschichte. Das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz kann nunmehr auf 30 Jahre erfolgreicher Arbeit zurückblicken. 30 Jahre hat es als Motor und Stimme des Denkmalschutzes gewirkt und ist zum Gewissen des Denkmalschutzes schlechthin geworden.

Es hat mit seinen Aktionen Anstöße gegeben für Förderinitiativen, initiiert von Eigentümern, Mäzenen, Vereinen und Stiftungen.

Und seine Zusammensetzung ist vorbildhaft: Im Komitee sitzen die beteiligten Ressorts des Bundes, die zuständigen Landesminister, die kommunalen Spitzenverbände, die Kirchen, die Parteien, die Medien und die einschlägigen Fachorganisationen zusammen. Alle diese Stellen und Gruppierungen ziehen hier an einem Strang - um der Sache willen.

Ich glaube, dass dies eine Tugend darstellt und eine eigene hohe Kultur zum Ausdruck bringt, um die man an anderer Stelle das DNK beneiden könnte.

Zum anderen ist das DNK ein Kind der Europäischen Idee. Als es am 7. Dezember 1973 in diesem Haus das Licht der Welt erblickte, stellte es sich ganz in den Zweck der Sache. Seinen ersten Auftrag, das Europäische Jahr zum Denkmalschutz 1975 vorzubereiten, formulierte es damals so: "Es soll den Völkern bewusst gemacht werden, warum es sich lohnt, für das gemeinsame, unersetzliche architektonische Erbe einzutreten."

Ich glaube, diese Aufgabe - so hervorragend das DNK sie in der letzten Jahrzehnten durch seine Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit ausgefüllt hat, stellt sich in dieser Emphase unvermindert weiter: Denn längst ziehen neue Bedrohungen für unser materielles wie immaterielles Kulturerbe auf, ausgelöst durch die zunehmende Internationalisierung von gesellschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Prozessen.

Mehr denn je ist es die Aufgabe und Antwort auf die Zeit, das kulturelle Erbe als Nährboden unserer europäischen Gemeinschaft herauszustellen und den Denkmalschutz auch in der erweiterten EU als politisches Aufgabengebiet weiterzuentwickeln.

Ich freue mich deshalb besonders, dass Deutschland und Frankreich vor zwei Wochen auf dem gemeinsamen Runden Tisch "Kulturelle Vielfalt" in Saarbrücken Strategien für die Bewahrung des kulturellen Erbes verabredet haben.

Dazu gehören der verstärkte Austausch von Information und bewährten Praktiken durch Nutzung neuer Technologien und Netzwerke in Europa. Unsere verstärkte Kooperation gilt auch für Erarbeitung wirksamer Schutzmaßnahmen auf europäischer Ebene und für die Arbeit im Rahmen des UNESCO-Übereinkommens über das Weltkulturerbe.

Es spricht für das DNK, das es beschlossen hat, den eigenen Geburtstag zu nutzen, um dem Denkmalschutz selbst ein Denkmal zu setzen:

Es hat eine Dokumentation vorgelegt, die die Arbeit des ältesten Denkmalprogramms der Bundesregierung ( "National wertvolle Kulturdenkmäler" ) anhand ausgewählter Beispiele beschreibt und vorstellt. Die Publikation soll nicht nur die segensreichen Auswirkungen dieses Programms zeigen, sondern auch helfen, unter den politisch Verantwortlichen das Bewusstsein dafür wach zu halten, dass sie auch weiter in der Pflicht stehen. Ich darf es Ihnen, Herrn Bundespräsident, überreichen und Ihnen zugleich meinen Dank dafür aussprechen, weil Sie und Ihre Vorgänger das Komitee als wichtiges denkmalpolitische Instanz dieses Landes stets gefördert haben.