Redner(in): Gerhard Schröder
Datum: 26.02.2004

Untertitel: Rede von Bundeskanzler Gerhard Schröder vor dem Chicago Council on Foreign Relations "The Transatlantic Economic Relationship: A View from Germany” am 26. Februar 2004 in Chicago
Anrede: Herr Bürgermeister Daley, Herr Crown, Herr Bouton, meine sehr verehrten Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/15/612715/multi.htm


ich freue mich sehr, wieder einmal in Chicago zu sein. Vor sieben Jahren war es das letzte Mal in meiner damaligen Eigenschaft als niedersächsischer Ministerpräsident. Ich danke Ihnen sehr für den herzlichen Empfang, den Sie mir hier in Chicago zukommen lassen. Ihre Stadt und mein Land, Deutschland - Sie wissen es - , verbindet eine lange gemeinsame Geschichte. Noch 1917 war Chicago, jedenfalls in den Worten des damaligen Bürgermeisters,"die sechstgrößte Stadt Deutschlands." Nur wenig später wurde 1922 hier in Chicago der "Council on Foreign Relations" gegründet. Die Bürgerinnen und Bürger Ihrer Stadt, die damals diesen Council ins Leben riefen, standen deutlich unter dem Eindruck des Ersten Weltkrieges, aber auch des Völkerbund-Gedankens. Sie waren bei der Gründung des Councils besorgt über - wie es damals hieß - "Unwissenheit und halb-durchdachte Vorschläge in den internationalen Angelegenheiten." Sie fanden, dass gerade Chicago ein geeigneter Ort sei, um im amerikanischen Kernland, gleichsam im "Herzen Amerikas", das Interesse und Verständnis für internationale Fragen zu wecken und zu vertiefen.

Meine Damen und Herren, Chicago ist nicht nur die Heimat des Wolkenkratzers und des Warentermingeschäfts. Chicago hat neben dem, was es wirtschaftlich ausmacht, eine außergewöhnliche Zahl an Nobelpreisträgern für Ökonomie hervorgebracht - auch wenn nicht immer alle dem zustimmen, was die Chicagoer Schule entwickelt hat. Trotzdem: Welcher Ort wäre besser geeignet, um mit Ihnen über die ökonomischen Aspekte der transatlantischen Partnerschaft zu sprechen? Es ist sicher richtig, dass gute ökonomische Beziehungen zu den besten Klammern einer Partnerschaft gehören. Es liegt in der Natur freier Gesellschaften, dass sie ihre Wirtschaftsbeziehungen auf Offenheit, gegenseitiges Verständnis und Vertrauen gründen, ebenso wie auf einen soliden Vorrat an gemeinsamen Werten. Wichtig sind eben nicht nur Waren- und Geldwerte, sondern auch das, was uns kulturell und in den Wertvorstellungen miteinander verbindet.

In der transatlantischen Partnerschaft sind dies die Werte der westlichen Demokratie und der Rechtskultur, die im Wesentlichen auf die Traditionen der europäischen Aufklärung zurückgehen. Wir finden diese Werte als Verpflichtung in der "Bill of Rights", in der universellen Erklärung der Menschenrechte und auch in den Verfassungen sowohl von den Vereinigten Staaten als auch von Deutschland. Es ist das Bekenntnis zu den unveräußerlichen Rechten und zur Freiheit des Individuums sowie zur rechtsstaatlichen und demokratischen Kontrolle jeder staatlichen Gewalt. Es ist das Bekenntnis zur gleichberechtigten Teilhabe aller am Gemeinwesen und am friedlichen Zusammenleben der Völker. Wie stark diese westliche Wertegemeinschaft nach wie vor ist, sehen wir angesichts aktueller Bedrohungen wie der durch den internationalen Terrorismus. Nach den schrecklichen Attentaten des 11. September 2001 hat mein Land ohne jedes Zögern seine Solidarität zum Ausdruck gebracht. Deutschland nimmt diese Verantwortung in Afghanistan, übrigens nach wie vor im Rahmen von "Enduring Freedom", gemeinsam mit unseren amerikanischen und anderen Partnern wahr.

Übrigens: Zu einer solchen vertrauensvollen Partnerschaft unter Freunden gehört es auch, dass es Meinungsverschiedenheiten in Fragen der internationalen Politik geben kann und dass man sie fair und aufrichtig miteinander austrägt. Es gibt solche Interessenkonflikte. Dass es sie gibt, ist nicht bedrohlich. Dass man sie vernünftig austrägt, ist notwendig. Gerade eine Freundschaft wie die transatlantische, die auf die Werte der Freiheit und des Pluralismus gebaut ist, kann und muss solche Differenzen gelegentlich aushalten. Wir wissen, sie bestimmen nicht das Verhältnis zwischen unseren beiden Völkern, sondern das geschieht heute und in der Zukunft durch die unveräußerlichen Wertvorstellungen.

Meine Damen und Herren, zu den Fragen, auf die wir den Menschen - und zwar auch in der transatlantischen Partnerschaft - eine Antwort geben müssen, gehört die nach der Zukunft der Arbeit im Zeitalter der Globalisierung. Wir müssen die Menschen in unseren Gesellschaften davon überzeugen, dass globales Wirtschaften und ein freier Welthandel die besten Entwicklungschancen für uns alle bieten. Dies gilt auch dann, wenn durch die grenzenlose Wirtschaft gelegentlich Jobs aus unseren Ländern in andere Länder verlagert werden, nach China, Indien oder - im Fall Deutschlands - nach Osteuropa. Es ist Teil eines Strukturwandels, der für viele der Betroffenen schmerzlich ist, dem wir aber in einer offenen Weltwirtschaft nicht ausweichen können und dürfen. Zunehmend stimmt ja auch, dass dieser Strukturwandel auch neue Arbeitsmöglichkeiten in unseren Gesellschaften, in den Vereinigten Staaten ebenso wie in Deutschland, hervorbringt.

Es muss klar sein: Die Antwort kann nicht sein, dass wir auf Protektionismus setzen oder versuchen, uns von den Weltmärkten abzuschotten, wenn sie zeitweise unangenehme Folgen für uns haben. Statt dessen gibt es nur eine einzige Strategie: Wir müssen unsere Anstrengungen verdoppeln und verdreifachen, um unsere technologischen Vorsprünge zu halten und, wo immer es geht, auszubauen. Durch Investitionen in Bildung, Forschung und Entwicklung müssen wir in unseren wissensbasierten Gesellschaften die notwendigen Vorsprünge erhalten und es schaffen, aus Wissen Produkte zu machen. Oder, anders ausgedrückt: Wir müssen Geld in Wissen investieren, um Wissen zu Geld machen zu können. Das wollen wir erreichen durch eine aktive Innovationspolitik und eine nachhaltige Verbesserung unserer Infrastruktur, zudem dadurch, dass wir uns die Wachstumspotenziale in den Zukunftsindustrien - etwa in der Biotechnologie, der Medizin- und Pharmatechnik, der Nano-Technologie oder der Opto-Elektronik - , aber natürlich auch in den Informations- und Kommunikationstechnologien, weiter konsequent erschließen und diese Strategien noch verstärken. Die Voraussetzungen dafür sind in unseren beiden Ländern gut. Bei den weltmarktrelevanten Patentanmeldungen gehört Deutschland mit den USA und Japan zur Spitzengruppe, und gleich nach den USA ist Deutschland zweitgrößter Exporteur forschungsintensiver Waren.

Meine Damen und Herren, unsere beiden Volkswirtschaften sind in ganz besonderem Maße auf den Welthandel angewiesen, und zwar auf einen freien Welthandel. Kein Land hat im letzten Jahr mehr exportiert als Deutschland. Insgesamt haben wir Waren im Wert von rund 750 Milliarden US-Dollar ausgeführt. Auch wechselkursbereinigt haben wir seit Mitte der neunziger Jahre wieder Weltmarktanteile hinzu gewonnen. Dies haben wir erreicht, obgleich wir die Riesenaufgabe haben, unser wiedervereinigtes Land nicht nur staatsrechtlich zusammenzubringen - das ist geschehen - , sondern auch ökonomisch und sozial. Das ist eine Aufgabe, der sich kein anderes Land der Welt stellen muss. Ungeachtet dessen haben wir Weltmarktanteile im Export hinzugewinnen können. Das zeigt, welch enorme Kraft die deutsche Volkswirtschaft hat. Exporte und Importe fallen bei uns mit mehr als zwei Dritteln des Bruttoinlandsprodukts ins Gewicht. Die starke Einbindung der deutschen, aber auch der amerikanischen Wirtschaft in den Welthandel verpflichtet uns, die Rahmenbedingungen stabil zu halten. Die großen Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft und die Wechselkursschwankungen bereiten uns ernste Sorgen. Europas Leistungsbilanz ist nahezu ausgeglichen. Ersparnisbildung und Sachkapitalinvestitionen halten sich bei uns weitgehend die Waage. Die gegenwärtigen Euro-Dollar-Paritäten, das heißt die Schwäche des Dollar, machen uns vor diesem Hintergrund wirtschaftlich ernste Sorgen. Sie machen im Übrigen mittel- und langfristig betrachtet keinen Sinn, auch nicht für die amerikanische Wirtschaft.

Unsere Länder eint nicht zuletzt die Grundüberzeugung, dass ein freier Welthandel entscheidende Impulse für Wachstum und Beschäftigung gibt. Deswegen treten wir gemeinsam für eine weitere Liberalisierung des Waren- und Dienstleistungsverkehrs ein. Im vergangenen Jahr wurde auf der WTO-Konferenz in Cancún dazu eine große Chance vertan. Das lag nicht an Amerika oder Deutschland. Trotzdem: Wir wollen gemeinsam mit unseren europäischen Partnern, dass die Verhandlungen so schnell wie möglich wieder aufgenommen werden. Wir brauchen das, um den Welthandel frei zu halten. Die jüngsten handelspolitischen Initiativen Ihrer Regierung sind ein positives Signal, das ich gern aufgreife: Wir sollten auf beiden Seiten des Atlantiks, in Europa und in Nordamerika, Exportsubventionen vollständig abbauen. Deutschland ist dazu bereit. Gerade hier, in der Heimat der so genannten "Chicagoer Schule" der Nationalökonomie, sollte dieser Vorschlag auf besonderes Interesse fallen.

Meine Damen und Herren, in einer globalisierten Weltwirtschaft brauchen wir klare Abgrenzungen der gerichtlichen Zuständigkeiten. Zunehmende Sorge bereiten mir deshalb Fälle, in denen sich Gerichte für zuständig erklären, obwohl weder Kläger, Beklagter noch der Sachverhalt eine echte Beziehung zum Gerichtsort aufweisen. Wenn nationales Recht, egal wo, immer mehr und immer öfter exterritorial angewandt wird, würde dies im Ergebnis zu einem echten Stolperstein für alle global agierenden Unternehmen werden. Gerade in einer weltweit vernetzten Wirtschaft müssen Streitfälle dort entschieden werden, wo sie tatsächlich hingehören. Das heißt dort, wo sich der rechtliche Schwerpunkt des Falles befindet. Ich sage das wohlwissend, dass wir in den USA und in Deutschland unterschiedliche Rechtskulturen haben. Es wird deshalb womöglich nicht ganz leicht sein, Lösungen zu finden - und es wird auch nur Pragmatische geben - , aber wir müssen sie finden. Übrigens sollten uns die Erfahrungen mit Konfliktlösungen in der Vergangenheit und die große Verbundenheit in den wirtschaftlichen Zielen auch hier einen richtigen, vernünftigen Weg zeigen.

Meine Damen und Herren, aus unserer Geschichte und Geographie ergibt sich, dass nicht nur Deutschlands Politik, sondern auch unsere Wirtschaft in erster Linie an Europa orientiert ist. Das liegt im Übrigen auch im Interesse der transatlantischen Partnerschaft. Ein wirtschaftlich starkes Europa, das Stabilität exportieren kann, ist ein wesentlicher Faktor für die internationale Stabilität, auf die auch die Wirtschaft der Vereinigten Staaten angewiesen ist. Aber ein solches Europa ist auch ein sehr gutes Beispiel für die Überwindung von Unfreiheit und Feindschaft - und daraus resultierend für das gemeinsame Gewinnen einer guten Zukunft. Wir haben gemeinsam einen großen und freien Binnenmarkt geschaffen und uns auf eine gemeinsame Währung geeinigt, den Euro. Die Fortschritte in Europa - zum Beispiel die vereinbarte Öffnung der Energiemärkte - werden die Wettbewerbsfähigkeit und die Dynamik auf diesem Binnenmarkt weiter erhöhen. Am 1. Mai 2004, weniger als 15 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer - das Symbol für den Eisernen Vorhang - , werden zehn Länder, die meisten aus Mittel- und Osteuropa, der Europäischen Union beitreten. Damit überwinden wir endgültig den Eisernen Vorhang, der unseren Kontinent in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts so bitter geteilt hat. Natürlich kostet das Kraft und zusätzliche Anstrengungen, gerade für Deutschland. Aber es lohnt sich - nicht nur, aber auch wirtschaftlich.

Mit 450 Millionen Menschen, die mehr als ein Viertel des Weltsozialprodukts erarbeiten, wird der europäische Wirtschaftsraum zu einem der stärksten Binnenmärkte der Welt. Dadurch verbessern wir die Voraussetzungen für mehr Wettbewerb, mehr Produktivität und damit auch für mehr Wohlstand. Das gilt vor allem für die Beitrittsländer. Deutschland - das will ich nicht verschweigen - kann und wird in der Mitte dieses zusammenwachsenden Kontinents von dieser Entwicklung in besonderem Maße profitieren. Das ist auch der Grund, warum wir den Menschen immer wieder erklären, dass Strukturwandel auch Arbeitsplätze, die nicht mehr konkurrenzfähig sind, in Frage stellt, und wir dafür sorgen müssen, dass durch Forschung und Entwicklung Arbeitsmöglichkeiten in den Zukunftstechnologien und aus ihnen heraus entstehen.

Meine Damen und Herren, wir müssen auf die Globalisierung unserer Wirtschaft, aber auch auf den demographischen Wandel in unseren Gesellschaften reagieren. Dies sind zwei Entwicklungslinien, die in unseren Gesellschaften den Menschen große Sorgen bereiten. Unsere Strukturen - vor allem auf dem Arbeitsmarkt und bei den Systemen der sozialen Sicherung - müssen auf die damit verbundenen Veränderungen an der ökonomischen Basis unserer Gesellschaften eingestellt werden. Diesen Prozess haben wir in Deutschland mit den Reformen der so genannten "Agenda 2010" begonnen. Wir werden unseren Sozialstaat, der ein vorzüglicher Garant für Teilhabe, Sicherheit und sozialen Frieden ist, so umgestalten, dass er auch für künftige Generationen bezahlbar und damit funktionsfähig bleiben kann. Dazu gehört die gezielte Förderung jedes Einzelnen - auch wenn er seinen Job verloren hat oder in Not geraten ist - , aber dazu gehört auch, dass wir mehr Flexibilität und Selbstständigkeit einfordern. Wir fördern die Menschen, die in Schwierigkeiten sind. Aber wir fordern von ihnen auch etwas. Das entspricht übrigens unserem Leitbild von einer sozialen, offenen Gesellschaft, die von Selbstbestimmung, aber auch von Solidarität geprägt wird.

Das ist ein ungemein schwieriger Prozess, der übrigens in allen Ländern Europas notwendig ist. Ich sage mit einem gewissen Stolz, dass wir weiter sind als manch anderes Land. Allerdings: Wer in entwickelten, wohlhabenden Gesellschaften grundlegende Veränderungsprozesse beginnt und durchsetzt, stößt auf Schwierigkeiten, diese Prozesse zu legitimieren. Eine der wesentlichen Schwierigkeiten ist, dass die nötigen Reformmaßnahmen heute Belastungen mit sich bringen, die positiven Folgen dieser Reformmaßnahmen aber erst zukünftig eintreten werden. Diese zeitliche Kluft im Reformprozess führt häufig zur Delegitimation von Reformmaßnahmen, und erfordert deswegen viel Kraft. Dennoch gibt es hierzu auf Grund der zwei Entwicklungslinien, die ich Ihnen beschrieben habe, keine Alternative. Wir müssen und werden bei dieser Linie bleiben, damit wir nicht nur für uns Wohlstand und gutes Leben schaffen, sondern auch für unsere Kinder und deren Kinder.

Meine Damen und Herren, die deutsch-amerikanischen Wirtschaftsbeziehungen haben ein stabiles Fundament. Deutschland ist Amerikas stärkster Wirtschaftspartner in Europa. Für die USA sind wir mit Abstand der wichtigste Absatzmarkt auf dem Kontinent. Jahr für Jahr gehen US-Exporte im Wert von mehr als 50 Milliarden Dollar nach Deutschland. Umgekehrt sind die USA auch für uns der bei weitem wichtigste Handelspartner außerhalb Europas. Bei den Direktinvestitionen sind die USA erste Wahl. Deutsche Unternehmen haben hier mehr als 350 Milliarden Dollar investiert, und sie beschäftigen mehr als eine drei Viertel Million Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auf der anderen Seite sind die USA der größte ausländische Investor in Deutschland. Fast eine halbe Million Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland verdienen ihr Geld bei US-Unternehmen.

Erst in der letzten Woche hat die Amerikanische Handelskammer in Deutschland durchaus bemerkenswerte Ergebnisse ihrer alljährlichen Umfrage vorgestellt. Danach äußern sich die Mehrzahl der in unserem Land aktiven US-Unternehmen sehr positiv über ihr Engagement in Deutschland. Das ist natürlich nicht nur - ich sage das in aller Bescheidenheit - , aber auch eine Folge unserer Reformpolitik: Wir haben Bürger und Unternehmen steuerlich kräftig entlastet. Anfang 2005 werden die Steuersätze noch einmal sinken. Die Steuerquote in Deutschland gehört mittlerweile zu den niedrigsten in Europa. Unsere Steuersätze sind international wirklich wettbewerbsfähig. Unser Problem, die Lohnzusatzkosten, gehen wir an. Wir haben die Beiträge zur Kranken- , Arbeitslosen- und Rentenversicherung stabil gehalten. Stabile Preise und langfristig niedrige Zinsen - da kann, ich sage das natürlich in allem Respekt vor der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank, auch der eine oder andere Schritt noch nützlich sein - machen einen weiteren Teil der guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland aus. Hinzu kommt, dass die Lohnstückkosten sich - gerade im internationalen Vergleich - ausgesprochen moderat entwickeln. So hat Deutschland in den letzten Jahren vermehrt ausländische Direktinvestitionen angezogen - und das trotz eines weltweiten Rückgangs der Investitionstätigkeit.

Viele amerikanische Unternehmen haben diese Vorteile erkannt und auch genutzt: Dow Chemical zum Beispiel betreibt im Osten Deutschlands eines seiner weltweit produktivsten Chemiefabriken. Das Gleiche gilt für General Motors mit einem hochmodernen Automobilwerk in Thüringen. Das Investitionsvorhaben von AMD - Advanced Micro Devices - wird die Region Dresden zum bedeutendsten Zentrum für Mikro-Elektronik in Europa machen. Die Bundesregierung will es erleichtern, dass interessierte Investoren sich optimal über die Investitionschancen in Deutschland informieren und Kontakte knüpfen können. Wir haben deshalb die Agentur "Invest in Germany" als Anlaufstelle eingerichtet. Wir haben einen international bekannten Manager gewinnen können, diese Initiative "Invest in Germany" im amerikanischen Raum zu vertreten. Viele von Ihnen werden ihn kennen: Es ist Jürgen Weber, ehemals Vorsitzender des Vorstands der Lufthansa und jetzt Vorsitzender des Aufsichtsrats dieses Unternehmens.

Meine Damen und Herren, wir können die wirtschaftlichen Beziehungen nicht losgelöst von den politischen Problemen in der Welt sehen. Ohne politische Stabilität und Sicherheit kann es kein dauerhaftes Wachstum und keinen freien Welthandel geben, von dem dann alle profitieren. Andererseits kann die Wirtschaft einen erheblichen Beitrag leisten, Konflikte zu entschärfen und Wege zur friedlichen Entwicklung zu finden. Deshalb ist es gut, dass Präsident Bush als Gastgeber des diesjährigen Weltwirtschaftsgipfels die Themen Wachstum und Sicherheit zum Schwerpunkt unserer Gespräche machen wird. Ich begrüße es ausdrücklich, dass Ihre Regierung den G 8-Gipfel intensiv mit der Entwicklung im Nahen und Mittleren Osten befassen will und dazu Vorschläge gemacht hat. Mein Außenminister hat diese Vorschläge auf der Münchner Sicherheitskonferenz ergänzt. Er hat auf die Möglichkeiten einer wirtschaftlichen Komponente - etwa durch die Schaffung einer großen Freihandelszone - in dieser Region hingewiesen. Mir liegt daran, dass wir den notwendigen Prozess der Reformen, der Demokratisierung und Stabilisierung in dieser Krisenregion gemeinsam mit den Partnern in der Region selbst auf den Weg bringen. Wir dürfen dabei weder den eigentlichen Nahostkonflikt ausklammern, nämlich den Streit zwischen Israelis und Palästinensern, noch dürfen wir zulassen, dass dieser Konflikt andere Perspektiven ausschließt oder gar verhindert.

Die Lösungslinien für diesen Konflikt sind vorgezeichnet: Zwei Staaten, Israel und Palästina, die in sicheren Grenzen, in Sicherheit vor Gewalt - das gilt besonders für die Menschen in Israel, die fürchterlichen Selbstmordanschlägen ausgesetzt sind - und in Selbstbestimmung miteinander leben. Wir werden weiterhin verstärkte Anstrengungen unternehmen müssen, um diese Lösung zu erreichen. Wenn wir den Blick dabei auf die gesamte Region wenden - und auch die ökonomischen und zivilgesellschaftlichen Potenziale beherzt nutzen und unterstützen - , dann wird uns das nicht nur bei der Konfliktlösung helfen, sondern es wird einen entscheidenden Beitrag leisten im Kampf gegen Terrorismus und Extremismus, für Stabilität, Freiheit und Toleranz. Deutschland vertraut in diesem Prozess auf die Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten von Amerika und den anderen Partnern in der westlichen Welt, und die Vereinigten Staaten von Amerika haben in Deutschland einen starken Partner in Europa.

Ich danke Ihnen sehr für Ihre Aufmerksamkeit.