Redner(in): k.A.
Datum: 18.03.2004

Untertitel: "Mit E-Democracy können öffentliche Institutionen in bestimmten Problemzonen des politischen Prozesses - wie etwa beim Thema Politikverdrossenheit oder bei der mangelnden Transparenz von politischen Entscheidungsprozessen - zu einer Verbesserung der politischen Kultur beitragen." so Staatssekretär Anda.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/89/623989/multi.htm


Die CeBIT genießt zu Recht ihren Ruf als einer der wichtigsten internationalen Marktplätze, auf denen nicht nur über Zukunft diskutiert wird, sondern anhand der präsentierten Produkte und Dienstleistungen Zukunft auch sichtbar wird.

Was heißt das für E-Democracy in Deutschland? Ein Blick auf den Begriff mag da weiter helfen: E-Democracy fasst zunächst alle neuen, IUK-gestützten Formen und Prozesse von Bürgerbeteiligung zusammen. Das gilt u. a. für Entscheidungsvorbereitungen wie etwa öffentliche Planungsvorhaben. Für das Bundespresseamt aber steht etwas anderes im Mittelpunkt: nämlich politische Willensbildung durch IUK-gestützte Information, Kommunikation und Dienstleistung.

Welche gewaltigen Entwicklungen es in den letzten Jahren auf allen öffentlichen Ebenen ( Bund, Länder und Kommunen ) in diesem Bereich gegeben hat, zeigt die Präsentation unterschiedlichster öffentlicher Anbieter in dieser Halle. Die im Jahr 2000 von Bundeskanzler Gerhard Schröder gestartete Initiative "BundOnline 2005" ist ein voller Erfolg. Die Verwaltungen bieten inzwischen auf allen Ebenen immer mehr Dienstleistungen online an. Sie verstehen den Bürger immer stärker als Partner, der einen schnellen und direkten Service beansprucht.

Diese Entwicklung ist ein wichtiger Bestandteil des E-Government, sie gehört aber eben auch zum Thema E-Democracy. Die Umstellung vieler öffentlicher Verwaltungen auf elektronische Kommunikation ist nämlich nicht nur eine Frage der Effizienz. Sie ist auch längst eine Frage der Demokratie, der gleichen Augenhöhe zwischen Politik und Bürger.

Mit E-Democracy können öffentliche Institutionen in bestimmten Problemzonen des politischen Prozesses - wie etwa beim Thema Politikverdrossenheit oder bei der mangelnden Transparenz von politischen Entscheidungsprozessen - zu einer Verbesserung der politischen Kultur beitragen. Es geht wie immer bei diesem Thema um Beschleunigung, Interaktion, Beteiligung und Vernetzung!

Was heißt das für das Bundespresseamt? Für uns bedeutet E-Democracy die konsequente Vermittlung von aktuellen und verlässlichen Informationen aus erster Hand. Ziel ist die politikbegleitende Berichterstattung im Internet und damit die Erhöhung der Transparenz von politischem Handeln. Dazu gehört aber auch die Interaktion mit dem Bürger. Regierungskommunikation ist längst keine Einbahnstrasse mehr, sondern bisweilen eine Strasse mit heftigem Gegenverkehr. Und das ist auch gut so.

Kaum ein öffentliches Internet-Angebot kommt deshalb heute noch ohne interaktive Anwendungen aus. Für das Bundespresseamt nur zwei Beispiele:

Monat für Monat erhalten wir 12.000 Mailanfragen von Bürgerinnen und Bürgern, die alle beantwortet werden müssen und natürlich auch beantwortet werden. Längst hat das Internet den Postweg abgelöst. Gleiches gilt im übrigen für alle Bundesministerien.

Zweitens haben wir im Bundespresseamt im letzten Jahr eine neue Form der interaktiven Kommunikation erprobt, die wir auch hier auf der CeBIT präsentieren. Diese Aktion nennt sich "Adlerauge", bei der Bürgerinnen und Bürger beispielhaft ihre Meinung zur Agenda 2010, ihre Hoffnungen und Wünsche für Deutschland im Jahre 2010, in die Kamera sprechen können. Diese ungewöhnliche Video-Mitteilung an die Bundesregierung wird - die Zustimmung der jeweiligen Akteure vorausgesetzt - bei uns in das Internet-Angebot eingestellt. Wir geben also den Bürgerinnen und Bürgern nicht nur die Möglichkeit, sich an die Bundesregierung zu wenden, sondern wir geben ihnen auch ein Forum, um sich anderen Menschen mitzuteilen. Das Internet-Angebot der Bundesregierung, www. bundesregierung.de wird immerhin von über 2,5 Millionen Usern pro Monat besucht.

Dieses Internet-Angebot ist vor wenigen Monaten mit dem Politikaward 2003 als bestes Internet-Portal ausgezeichnet worden. Eine solche Auszeichnung in Konkurrenz zu den Online-Angeboten auch von etablierten Medien ist für eine Regierung nicht selbstverständlich. Und ich bin darauf auch sehr stolz. Dies zeigt aber zugleich, wie ernst wir die Möglichkeiten der Information der Bürger via Internet nehmen und wie viel Energie wir dafür aufwenden.

Inzwischen wird im Bundespresseamt rund ein Viertel des Etats für Öffentlichkeitsarbeit nur für das Internet verwendet. Die Zahl der Printprodukte ist im gleichen Umfang erheblich zurückgegangen. Wir haben sie vielfach durch E-Magazine ersetzt, die aktueller und zielgruppengerechter sind.

Unser wichtigstes Produkt, quasi unser Flaggschiff, ist die Seite www.bundesregierung.de mit Artikeln zur aktuellen Politik der Bundesregierung. Das Programm wird zum großen Teil auch in englisch und französisch übersetzt, wirkt also auch über die Landesgrenzen hinaus. Anlässlich der CeBIT haben wir gerade im Rahmen von bundesregierung.de unsere Informationsplattform zur Agenda 2010 unter dem Motto "Innovation und Wachstum" neu gestaltet. Ebenfalls neu ist unsere Plattform "Europa - eine gute Wahl". Sie können sich diese neuen Angebote an unserem Stand erläutern lassen.

Darüber hinaus gestalten wir im Bundespresseamt die Seite www.bundeskanzler.de auf der wir über die Arbeit des Bundeskanzlers und der Bundesregierung informieren.

Eines unser erfolgreichsten, aber öffentlich wenig bekannten Produkte ist schließlich unsere Seite cvd.bundesregierung.de. Dies ist ein passwortgeschütztes Internetangebot ausschließlich für Journalisten. Es war bei seiner Einführung weltweit einzigartig. Diese Seite spiegelt die Kommunikationsleistung des Bundespresseamtes für Journalisten wider. Das geht von Terminvorschauen über Nachrichtenspiegel bis zu Wortlautmitschriften von Pressekonferenzen oder Kanzlerreden. Nach dem Relaunching im letzten Jahr bieten wir dort auch O-Töne für lokale Radiostationen an, einen SMS-Service für eilige Informationen per Handy, und außerdem ist das Angebot auch auf Handhelds abrufbar. Durch cvd.bundesregierung.de können auch Redaktionen, die nicht direkt in der Hauptstadt arbeiten oder dort Korrespondenten haben, viel näher am Berliner Geschehen sein.

Lassen Sie mich kurz ein Zwischenresümee ziehen: Das Bundespresseamt hält Informationsleistungen und Kommunikationsleistungen für die Info-Elite der Medienschaffenden und für interessierte Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen bereit. Diese Balance in der Information und Kommunikation wollen wir auch künftig erhalten und intensivieren.

Das Thema E-Democracy wirft aber Fragen auf: Die vielleicht wichtigste Frage ist, ob die genannten positiven Entwicklungen auf dem Gebiet der Kommunikation zwischen Bürgern und Staat zu einer nachhaltigen Verbesserung demokratischer Strukturen beitragen. Und wenn ja, in welchem Umfang wird dies möglicherweise geschehen.

Wichtig für die Beantwortung dieser Frage ist eine realistische Einschätzung der Kommunikationssituation. Da ist zum einen das Problem des digital divide, also der Kluft zwischen Internetnutzern und Nichtnutzern. Dies ist vor allem weltweit ein ernstes Problem, zwischen dem reicheren Norden und dem ärmeren Süden, aber es ist auch in unserer Gesellschaft ein Problem. Der Anteil der Internet-Nutzer beträgt rund 50 Prozent. Und von diesen nutzt nur ein kleiner Teil im Internet die angebotenen politischen Informationen. Würden wir also nur Internet-Informationen bereitstellen, dann würden wir eine Hälfte der Bevölkerung erst gar nicht mehr ansprechen und noch mehr Menschen nicht mehr erreichen. Das wäre wohl das Gegenteil von Demokratie. Es heißt nämlich: "One man, one vote" und nicht: "one user, one vote".

Die Kommunikationsleistungen des Bundespresseamtes, das ist auch unser verfassungsrechtlicher Auftrag, richten sich an alle Bürgerinnen und Bürger, vor allem an die 90 Prozent, die nach wie vor die klassischen Medien Zeitung, Zeitschrift, Fernsehen und Radio für ihre Information nutzen. Das Presseamt bleibt also ein Presseamt und wird nicht zu einer dot-com-Zentrale.

Was heißt das konkret? Ich will Ihnen das am Beispiel der Agenda 2010 erläutern. Als der Bundeskanzler vor ziemlich genau einem Jahr im Bundestag am 14. März 2003 seine Agenda-Rede gehalten hat, waren die zahlreichen dort aufgeführten Reformen noch nicht viel mehr als eine politische Ankündigung. Es gab weder Gesetzentwürfe noch Kabinettsbeschlüsse, noch Parlamentsberatungen. Es entstand eine heftige Diskussion in der gesamten Gesellschaft über diese Reformen, die bis heute anhält. Im Verlauf dieser Debatte konkretisierten sich die Reformprojekte, bis sie schließlich im Herbst zu Bundestagsbeschlüssen wurden und dann Ende Dezember im Vermittlungsausschuss endgültig verabschiedet wurden.

In dieser fließenden Phase hätten wir keine Broschüren drucken können, denn sie wären schnell veraltet gewesen. Wir haben in dieser ersten Phase voll auf das Internet gesetzt und dort mit dem Starttag 14. März 2003, übrigens damals hier auf der CeBIT, unsere Plattform zur Agenda 2010 präsentiert. Wir haben mit Plakaten und Anzeigen auf dieses Internet-Angebot hingewiesen. Auf unserer Agenda-Plattform gab es viele interaktive Elemente wie Bürgerforen, Chats, und später auch das Adlerauge, denn wir wollten wissen, was die Bürger über die Reformvorhaben denken. Das Internet war also das adäquate Medium für diese Phase. Wir haben damals sprunghaft steigende Nutzerzahlen auf unserer homepage gehabt.

Als die Agenda-Reformen dann zu Bundestagsbeschlüssen geronnen waren, haben wir eine Broschüre gedruckt und sie in Millionenauflage verteilt. Als Beileger in Zeitungen und mit Verteilteams an den größten deutschen Bahnhöfen. Ich glaube dieses Beispiel macht deutlich, dass politische Kommunikation, wenn sie ihrem demokratischen Anspruch gerecht werden will, die ganze Breite der Möglichkeiten nutzen muss. Da ist das Internet ein Teil, vielleicht mittlerweile sogar ein Abschnitt, aber das Aushändigen einer Broschüre, in der die Agenda-Reformen und ihre Notwendigkeit und ihr Ziele im Zusammenhang dargestellt werden, bleibt ebenso eine wichtige Aufgabe des Presse- und Informationsamtes.

Insofern lautet meine These: Das Internet wird die bestehenden Kommunikationsstrukturen in unserem Land nicht ersetzen. Das Internet ist aber auf der anderen Seite auch nicht nur eine bloße Ergänzung der vorhandenen Kommunikationsstrukturen. Es verändert vielmehr nachhaltig diese Kommunikationsstruktur, die ein komplexes und flexibles System ist, und es ist zudem ein eigener Kommunikationsstrang der Informations- und Wissensgesellschaft.

Die Folgen dieser Entwicklung sind heute bereits überall spürbar und sie sind gravierend. Zum einen bieten die neuen Techniken große Möglichkeiten der Selbstorganisation und der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürger. Das bedeutet vom Grundsatz her eine Stärkung der Demokratie.

Zum anderen erschwert das Internet das Agenda-Setting durch Politik und / oder Medien.

Heute haben wir es mit einer viel größeren Vielfalt von heftig miteinander konkurrierenden Medien zu tun, die unter großen Druck Nachrichten produzieren. Die Teilprivatisierung der elektronischen Medien hat dazu beigetragen, das Internet selbst, aber ebenso, unter dem ökonomischen Einfluss der Internet-Konkurrenz im Anzeigengeschäft, der wachsende wirtschaftliche Druck auf die Printmedien.

Wir haben es also gleichzeitig mit einer enormen Beschleunigung der Information zu tun, mit einer enormen Vielfalt widerstreitender Informationen und mit reduzierter redaktioneller Prüfung und Einordnung. Auf der anderen Seite aber sitzt ein Publikum, das inzwischen durch mehr als 30 Fernsehsender zappen kann und sich mal hier, mal da informiert. Allerdings: Wie alles zwei Seiten hat, so hat auch diese Entwicklung eine positive. Das Internet ist nämlich auch eine Chance für die Demokratie, denn es bietet allen die Möglichkeit, Informationen viel schneller als früher, direkt und ohne den Umweg über ein Printmedium an die Bürgerinnen und Bürger zu bringen. Und es bietet zugleich die Möglichkeit für vertiefende Sachinformationen.

Das Bundespresseamt legt in seinen Online-Angeboten großen Wert darauf, dass die Menschen dort die Möglichkeit haben, ausführlich das nachzulesen, was sie woanders nicht mehr oder nur verkürzt erfahren können. Wir begreifen das Internet hier als einen Weg, Informationen verlässlich, schnell und direkt aus erster Hand zur Verfügung zu stellen.

Zusammenfassend möchte ich festhalten: Für die Bundesregierung bietet E-Democracy die Chance einer stärkeren Information und Beteiligung mündiger Bürger am demokratischen Prozess. Die Bundesregierung stellt sich dieser Herausforderungen mit großem Engagement. E-Democracy erfordert aber auf der anderen Seite von den Bürgerinnen und Bürgern ein viel größeres Maß an Selbstorganisation bei der Beschaffung und bei der Verarbeitung von Informationen als früher. Deshalb ist die Vermittlung von Medienkompetenz eine der wichtigsten Aufgaben der Zukunft, der sich nicht nur der Staat zu stellen hat, sondern auch die privaten Marktanbieter.

Die Bundesregierung begreift es als ihren Auftrag mitzuhelfen, die vielfältigen technischen Möglichkeiten der Information einzusetzen, sie effizient in die Organisation von Verwaltung und in die Kommunikation von Politik einzubinden. Dagegen ist es Aufgabe von Industrie und Dienstleistern, sinnvolle und an den Bedürfnissen der Anwender und Zielgruppen ausgerichtete Softwareprodukte und Plattformen zu entwickeln - und zwar, so wie auf der CeBIT auch in diesem Jahr präsentiert werden. Insofern sitzen Politik und Wirtschaft in Sachen E-Democracy in einem Boot.

Beide, Politik und Wirtschaft, könnten von der Dividende der digitalen Demokratie profitieren. Vor allem dann, wenn die Bürgerinnen und Bürger diese neuen Möglichkeiten gegenüber den Institutionen und untereinander in der Vernetzung nutzen. Die Bundesregierung, allen voran das Bundespresseamt, will dabei nicht nur mithelfen, sondern an der Spitze sein. Wir verstehen dies als Beitrag, den demokratischen Prozess durch neue Technologien und neue Formen von Teilhabe wieder zu beleben und zu stärken.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.