Redner(in): Gerhard Schröder
Datum: 09.12.2004

Untertitel: Rede von Bundeskanzler Gerhard Schröder gehalten vor dem deutsch-japanischen Wirtschaftsforum von Nikkei am 9. Dezember 2004 in Tokyo.
Anrede: Sehr geehrter Herr Sugita, sehr geehrter Herr Minister, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/58/757758/multi.htm


Zunächst möchte ich mich - auch im Namen meiner gesamten Delegation - sehr herzlich für die freundliche Begrüßung bei Ihnen, verehrter Herr Sugita, bedanken. Wir alle wissen, dass Japan und Deutschland eine lange, historisch gewachsene Freundschaft verbindet. Unsere beiden Volkswirtschaften sind sehr stark und sehr leistungsfähig. Das wird daran deutlich, dass sich unsere Exportindustrien in einem sehr viel härter gewordenen internationalen Wettbewerb erstklassig behauptet haben. Unsere beiden Länder verbinden grundlegende Werte von Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit, und wir treten gemeinsam für eine multilaterale, auf dem Völkerrecht und dessen strikter Beachtung gegründete Weltordnung ein. Deutschland und Japan - das sieht man in vielen Regionen der Welt - sind willens und fähig, wichtige Beiträge zur internationalen Friedenssicherung zu leisten. Wir helfen mit, Armut in der Welt zu bekämpfen, und wir engagieren uns, um Demokratie und der Achtung der Menschenrechte weltweit zum Durchbruch zu verhelfen. Japan und Deutschland sind gewillt, nicht zuzulassen, dass Unterentwicklung und Hoffnungslosigkeit ganzer Nationen zum Nährboden für Gewalt, für Intoleranz und für Fundamentalismus werden. Meine Damen und Herren, Deutschland und Japan haben seit Jahrzehnten gewachsene enge und sehr gute Wirtschaftsbeziehungen. Unser gemeinsamer Handel hat inzwischen ein Volumen von rund 31 Milliarden Euro erreicht. Das ist beachtlich, aber das kann uns nicht zufrieden stellen. Wir haben die Möglichkeiten, die unsere beiden Volkswirtschaften bieten, auch bilateral längst nicht ausgeschöpft. Das gilt vor allem für die deutschen Exporteure, die daran mitwirken wollen, dass unser Handelsbilanzdefizit mit Japan in den nächsten Jahren abgebaut wird. Auch mit Blick auf die Direktinvestitionen ist ein beachtlicher Weg zurückgelegt worden. Ich hatte gestern Abend die Ehre, mit einer Reihe von Vorstandsvorsitzenden großer japanischer Unternehmen sprechen zu dürfen, die in Deutschland erhebliche Investitionen getätigt haben. Mich hat beeindruckt, wie kenntnisreich und gut informiert sie sind und wie sie die Vorteile des Standorts Deutschland - nicht zuletzt mit Blick auf die erstklassige Qualifikation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland - bewerten. Aber auch beim Blick auf das deutsche Engagement in Japan gibt es Erfreuliches festzustellen. Japan hat in den vergangenen Jahren erheblich von Investitionen deutscher Unternehmen profitiert, nicht nur, aber z. B. auch in der Automobilindustrie. Diese Unternehmen sind hier in Japan, weil sie sich mit den besten und härtesten Wettbewerbern messen wollen, um selbst noch leistungsfähiger - zu Hause und auf den Märkten der Welt - zu werden; denn eines ist klar: Wer sich in diesem Markt behaupten will, der muss schon sehr gut sein, und wenn er es schafft, dann hat er alle Voraussetzungen erfüllt, um auf den Märkten der Welt erfolgreich zu agieren. Meine Damen und Herren, erstmals seit vielen Jahren verzeichnen wir in den drei großen Wirtschaftsregionen der Welt - Amerika, Asien und Europa - gleichzeitig ein deutliches und beachtliches Wachstum. Deutschland hat wegen der exzellenten Wettbewerbsfähigkeit seiner Unternehmen diese Entwicklung befördert. Gemeinsam mit Japan haben wir einen maßgeblichen Anteil am Welthandel. In den ersten sieben Monaten dieses Jahres sind unsere Exporte nochmals um 10 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum gewachsen. Sie weisen damit eine höhere Dynamik als der gesamte Welthandel auf. Die Unternehmen in Deutschland schöpfen dabei aus den Vorteilen eines höchst konkurrenzfähigen Standorts: Bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung liegt Deutschland an der Spitze der großen Industriestaaten in Europa. Nur die deutlich kleineren skandinavischen Länder sind besser. Aber wir haben den Ehrgeiz, bei diesen Zukunftsaufgaben und -ausgaben noch besser zu werden. Wir müssen und wollen es in dieser Dekade schaffen, 3 % des Bruttoinlandsproduktes Deutschlands für Forschung und Entwicklung auszugeben. Jeder, der sich mit Deutschland beschäftigt, weiß, wie hoch die Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist und wie gut das System der beruflichen Ausbildung in Deutschland ist. Hinzu kommt, dass wir eine vorzüglich entwickelte Infrastruktur haben, die zurecht weltweit gerühmt wird. Infrastruktur meint übrigens nicht nur Verkehrsinfrastruktur, sondern z. B. auch die Infrastruktur für Kommunikation, die in Deutschland sehr gut ist. Im Übrigen entwickeln sich die ökonomischen Erfolge, die wir vorzuweisen haben, nicht zuletzt aus der Tatsache, dass wir Lohnstückkosten haben, die besser als in den meisten übrigen Industrieländern sind, die mit uns im Wettbewerb stehen. Die Wechselkurse zu unseren wichtigsten Handelspartnern im Euroraum sind unverrückbar fest. Mit den neuen Bundesländern verfügt Deutschland darüber hinaus über einen Wirtschaftsraum mit noch einmal deutlich niedrigeren Lohnkosten bei gleichzeitig sehr hoher Produktivität. Viele internationale Konzerne - auch japanische - haben diesen Vorteil erkannt und nutzen ihn. Meine Damen und Herren, Deutschland wird in diesem und auch im nächsten Jahr wieder ein nachhaltiges und solides Wirtschaftswachstum aufweisen, das uns zwar noch nicht zufrieden stellt, das aber für eine so entwickelte Volkswirtschaft, wie es die deutsche ist, durchaus beachtlich ist. Hinzu kommt ein Aspekt, der in der internationalen Diskussion immer wieder verschwiegen wird, den ich aber hier deutlich machen möchte: Deutschland gibt zur Herstellung der inneren Einheit und der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse im Westen wie im Osten seines Landes jährlich rund 4 % seines Bruttoinlandsproduktes aus. Etwa 90 Milliarden Euro transferieren wir jedes Jahr von West nach Ost, um die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse im ganzen Land wiederherzustellen, als Konsequenz aus der glücklichen Wiedervereinigung unseres Landes. Dass dies Auswirkungen auf die Wachstumsdynamik hat, muss nicht besonders betont werden. Gleichwohl haben wir nicht etwa Anteile auf den Weltmärkten verloren, sondern wir haben Marktanteile gewonnen, und dies im Übrigen auch in Phase der Stagnation, die nun hinter uns liegt. Um diese Wachstumsdynamik und diese ökonomischen Erfolge aufrecht zu erhalten, müssen wir unsere Volkswirtschaften weiterhin auf die strukturellen Herausforderungen einstellen, denen wir uns in Deutschland und in Europa ausgesetzt sehen, die aber ganz ähnlich auch in Japan existieren. Die eine Herausforderung hat mit der Globalisierung zu tun, im Grunde ein anderes Wort für den härter gewordenen Wettbewerb der Unternehmen untereinander, inzwischen aber auch ganzer Volkswirtschaften miteinander. Die andere Herausforderung ist ein radikal veränderter Altersaufbau der spätindustriellen Gesellschaften. Beiden Herausforderungen müssen wir begegnen, und zwar mit einer strukturellen Anpassung von Volkswirtschaft und Gesellschaft in unseren beiden Ländern. In Deutschland haben wir begonnen, diesen Strukturwandel zu gestalten, um Wohlstand und Beschäftigung auch langfristig zu sichern. Unser Reformprogramm zur Erneuerung unseres Landes ist als "Agenda 2010" über die Grenzen unseres Landes hinaus ein Begriff geworden. Worum geht es dabei? - Unsere Aufgabe ist es, die Grundlagen der sozialen Sicherungssysteme - Gesundheit, Pflege und Rente - zu stabilisieren. Wir müssen sie reformieren, damit sie auch künftig das Maß an Sicherheit bieten können, das die Menschen in unseren Gesellschaften haben wollen und brauchen. Gleichzeitig müssen wir sie verändern, damit sie bezahlbar bleiben. Auch bezahlbar bleiben müssen die Lohnnebenkosten, die die Unternehmen zu tragen haben; denn beides ist eine zentrale Voraussetzung für mehr Beschäftigung. Mit der "Agenda 2010" erhöhen wir darüber hinaus die Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt in unserem Land entsprechend einem Leitbild, das wir "Fördern und Fordern" nennen: Fördern der Qualifikation von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, um dort einzugreifen, wo ihre Qualifikationen verloren gegangen sind oder nicht mehr ausreichen, um einem härter gewordenen Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt standzuhalten, und zum anderen Fordern, indem wir deutlich machen, dass jemand, der arbeitslos ist, jede zumutbare Arbeit - die in Deutschland unter deutschen Bedingungen angebotene Arbeit ist zumutbar - auch anzunehmen hat. Die "Agenda 2010" hat noch eine andere Komponente. Sie ist nicht nur das Instrument zur Absicherung der Systeme durch Anpassung an veränderte Bedingungen. Die andere Seite dieser Medaille besteht darin, dass wir durch den Reformprozess Ressourcen freisetzen wollen, um sie in drei wesentliche Bereiche zu investieren: erstens in Forschung und Entwicklung, zweitens in die Verbesserung des Bildungssystems und drittens in die Betreuung von Kindern. Denn wir sind fest davon überzeugt, dass wir Wohlstand nur erhalten können, wenn wir in die Rohstoffe investieren, über die wir verfügen, in den Köpfen unserer Menschen, übrigens von Männern wie von Frauen. Deswegen sagen wir: Es ist ein Gebot ökonomischer Vernunft, das an Kreativität und Leistungsbereitschaft für die Wirtschaft zu mobilisieren, was in den Frauen in Deutschland steckt. Das funktioniert dann und nur dann, wenn es uns gelingt, dafür zu sorgen, dass Frauen Familie und Beruf besser als jemals in der Vergangenheit in Übereinstimmung bringen können. Das bedeutet, in breitem Maße in die Betreuung von Kindern zu investieren. Wir haben, meine Damen und Herren, durch eine große Steuerreform - die größte in der Geschichte des Landes - die steuerliche Belastung von Bürgern und von Unternehmen deutlich gesenkt. Das schafft zusammen mit der verbesserten Gewinnsituation der Unternehmen in Deutschland Spielräume für vermehrte Investitionen. Meine Damen und Herren, ein weiteres wichtiges Feld einer noch engeren bilateralen Zusammenarbeit zwischen Japan und Deutschland kann ein vernünftig organisierter Umweltschutz sein. Wir haben uns gemeinsam für die Umsetzung des Kyoto-Protokolls engagiert. Wir sind gemeinsam der Auffassung, dass die Industrie- und Schwellenländer ihre Anstrengungen zur Einsparung von Energie nachhaltig verstärken müssen, und wir sind bereit, dafür Technologien zur Verfügung zu stellen. Das ist ein Gebot ökonomischer Vernunft, hilft aber auch, Konflikte zu minimieren. Auch die Öl- und Erdgasvorräte müssen für die kommenden Generationen gesichert bleiben. Wir in Deutschland verfolgen mit Sorge die Entwicklung des Ölpreises in den vergangenen Monaten, und das gilt auch dann, wenn sie sich aktuell wieder ein wenig beruhigt hat. Diese Entwicklung ist eine zusätzliche Bürde für die Volkswirtschaften. Zu einem beachtlichen Teil sind die hohen Preise nach Einschätzung von Experten nicht zuletzt spekulationsbedingt. Die hierdurch entstandenen Belastungen für die Verbraucher sind volkswirtschaftlich nicht sinnvoll und unerwünscht. Wir sind deshalb der Meinung, dass man mit größerer Transparenz über zentrale Preisfaktoren wie beispielsweise die Nachfragesituation in China und Indien dieser Spekulation den Boden entziehen kann. Das geht nur, wenn die wichtigsten Wirtschaftsnationen der Welt gemeinsam handeln. Ich habe mich deshalb bereits auf dem Weltwirtschaftsgipfel im Juni dafür eingesetzt, dass die bereits laufenden Arbeiten zur Gewinnung besserer Informationen über die reale Entwicklung von Angebot und Nachfrage intensiviert und beschleunigt werden. Ich freue mich sehr, dass der internationale Dialog zwischen Produzenten- und Verbraucherländern Fortschritte macht. Meines Erachtens ist die Zeit jetzt reif dafür, dass die G8 -Staaten auf ihrem nächsten Gipfel in Großbritannien eine gemeinsame Initiative für mehr Transparenz auf den Ölmärkten ergreifen. Ich werde meinen Kollegen demnächst entsprechende Vorschläge unterbreiten. Ich will noch einen Hinweis geben, der mich besorgt macht, was die Entwicklung der Weltwirtschaft angeht. Das ist die Relation der unterschiedlichen Währungen, bei uns natürlich insbesondere des Euros zum Dollar. Natürlich weiß ich, meine Damen und Herren, dass es sich für einen amtierenden Politiker nicht gehört, sich allzu viele Gedanken über diese Disparitäten zu machen; denn jeder von uns weiß um die Unabhängigkeit der Zentralbanken. Erst Recht weiß ich um die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank und achte sie natürlich strikt. Aber einen Hinweis will ich doch geben, nämlich den, dass man gelegentlich auch von Japan und seiner vorzüglichen Geldpolitik etwas lernen kann. Aber mehr kann und darf ich zu diesem Thema naturgemäß nicht sagen. Meine Damen und Herren, im bilateralen Verhältnis haben wir in den vergangenen Monaten wichtige Fortschritte erzielt. Bei meinem Treffen mit Ministerpräsident Koizumi vor mehr als einem Jahr in Berlin waren wir uns einig, insbesondere den wissenschaftlichen Austausch zwischen unseren Ländern weiter auszubauen. Inzwischen sind zahlreiche gemeinsame Forschungsprojekte auf den Weg gebracht worden, und mir scheint, dass das ein ganz wichtiger Bereich ist, in dem zwei so hoch entwickelte und exportstarke, aber auch auf den Export angewiesene Länder zusammenarbeiten können und müssen. Wir haben die Zahl der Stipendien erhöhen können, und wir haben ein Aktionsprogramm für Nachwuchsforscher aufgelegt. Ich freue mich, dass das Projekt "Deutsches Haus" in Tokyo weiter vorangetrieben werden konnte. Dort sollen künftig Handelskammer, Goethe-Institut und der Deutsche Akademische Austauschdienst untergebracht werden. Wir sind sicher, dass wir damit ein neues Forum für einen noch intensiveren kulturellen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Austausch schaffen können. Ein solches Haus liegt auch im öffentlichen Interesse Japans. Meine Damen und Herren, mit dem "Deutschlandjahr", das wir 2005 und 2006 in Japan organisieren, werden wir ein modernes, fortschrittliches und innovatives Deutschland präsentieren. Mit unserem Land werden in Japan oft und, wie ich finde, zurecht technische Perfektion und Zuverlässigkeit verbunden. Kulturell wird nicht zuletzt in Japan großer Wert auf deutsche Literatur und klassische Musik gelegt. Wer z. B. einmal versucht, beim Thema Richard Wagner mit Ihrem Ministerpräsidenten mitzuhalten, der muss sich schon sehr anstrengen, wenn er nicht ins Hintertreffen geraten will. Unvorbereitet sollte man das nicht versuchen, weil er wirklich ein Kenner und großer Liebhaber Wagners im Besonderen, aber auch der klassischen deutschen Musik ist. Das "Deutschlandjahr" wird daneben auch deutlich machen, welche großen Fortschritte wir Deutschen bei der gesellschaftlichen Modernisierung, bei innovativen Technologien und vor allen Dingen in der Forschung erzielt haben. Bislang sind mehr als 350 Veranstaltungen geplant. Es ist eine der umfassendsten Darstellungen, die Deutschland je im Ausland präsentiert hat, und es ist unsere Antwort auf das außerordentlich erfolgreiche Japanjahr in Deutschland, das 1999 stattgefunden hat. Wir wollen damit auch deutlich machen, welch große Bedeutung wir den Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern beimessen. Wir sind allen japanischen und deutschen Unternehmen dankbar, die sich am "Deutschlandjahr" finanziell beteiligen. Ganz besonders möchte ich an dieser Stelle Herrn Sugita für sein großes Engagement für die Ausstellung der Dresdner Kunstsammlung im "Deutschlandjahr" danken. Das Gleiche gilt natürlich auch für das, was Sie mir heute bezüglich der Veranstaltung mit der Bayerischen Staatsoper gesagt haben. Ich bin sicher, dass es uns mit den vielen großartigen Projekten gelingen wird, das gegenseitige Verständnis weiter zu fördern und noch mehr Interesse füreinander zu entwickeln. Meine Damen und Herren, Deutschland und Japan sind in der internationalen Politik sehr enge Partner. Unsere gemeinsamen Anstrengungen für Frieden und Stabilität gründen auf einem umfassenden Verständnis von Sicherheit. Sicherheit - das weiß Japan wie Deutschland - ist nicht ausschließlich mit militärischen Mitteln zu gewährleisten. Es geht immer auch um soziale, wirtschaftliche und kulturelle Fragen, wenn man über Sicherheit redet. Dies erfahren wir gerade in den Ländern, in denen Deutschland und Japan gemeinsam besonders aktiv sind: beim Wiederaufbau in Afghanistan und im Irak. Die Afghanistan-Konferenzen in Bonn, Tokyo und Berlin haben dem Land eine politische und eine ökonomische Perspektive gegeben. Der friedliche Verlauf der Anfang Oktober durchgeführten Präsidentschaftswahl hat gezeigt: Dieser Weg ist richtig, und er ist erfolgreich. In Afghanistan wirken Japan und Deutschland seit nunmehr zwei Jahren bei der Wiederherstellung von Sicherheit und ziviler Ordnung eng zusammen: Deutschland durch den Aufbau der Polizei, Japan bei der Entwaffnung und Wiedereingliederung ehemaliger Kämpfer. Ich würde mich freuen, wenn wir unsere erfolgreiche Kooperation auch außerhalb Kabuls, etwa in der Provinz Kunduz im Rahmen des von uns geführten regionalen Wiederaufbauteams, weiterführen könnten. Meine Damen und Herren, auch bei der Stabilisierung des Irak erfüllen unsere beiden Länder wichtige Aufgaben. Deutschland bildet nicht im Irak, aber in einem Nachbarland, den Vereinigten Arabischen Emiraten, irakische Polizisten und auch Militärkräfte aus. Japan engagiert sich ebenfalls bei der Ausbildung und Ausstattung der irakischen Streitkräfte. Wir tun das, damit die Iraker zu einem möglichst baldigen Zeitpunkt ihre Sicherheitsaufgaben in die eigenen Hände nehmen können; denn das ist doch das ganz selbstverständliche Ziel unserer Bemühungen. Das ist ein richtiger Ansatz. Der Aufbau irakischer Sicherheitskräfte ist eine wesentliche Voraussetzung zur Stabilisierung des Landes und natürlich auch zur Verbesserung der Sicherheitslage im Irak. Ein entscheidender Abschnitt im politischen Fahrplan der Vereinten Nationen sind Vorbereitung und Durchführung umfassender und freier Wahlen, aus denen eine breit legitimierte irakische Regierung hervorgehen soll. Für die weitere Entwicklung im Irak ist dieser Wahlprozess von ganz herausragender Bedeutung. Deutschland und Japan wissen das und sind daher gemeinsam bereit, den Wahlprozess im Irak über die Vereinten Nationen und, soweit möglich, direkt zu unterstützen. Meine Damen und Herren, unsere beiden Länder finanzieren rund ein Drittel des Haushaltes der Vereinten Nationen. Wir stellen damit sicher, dass die Vereinten Nationen die enormen Herausforderungen für Sicherheit und Stabilität in der Welt auch bewältigen können. Als große Geberländer haben wir selbstverständlich ein unmittelbares Interesse an der Stärkung der Vereinten Nationen. Wir unterstützen daher nachdrücklich die Reformbemühungen des Generalsekretärs der Vereinten Nationen. Übrigens unterstützen wir sehr nachdrücklich auch die untadelige Person Kofi Annans. Bei den Reformbemühungen kommt es in besonderer Weise auf den Sicherheitsrat an, der zentral für Fragen von Frieden und Sicherheit ist. Er wird von vielen Staaten - besonders von denen der südlichen Hemisphäre - als nicht mehr repräsentativ für die Staatengemeinschaft im 21. Jahrhundert angesehen, und dies nach meiner Auffassung völlig zurecht. Das beeinträchtigt seine Legitimität, und es beeinträchtigt die Durchsetzungskraft der Entscheidungen des Sicherheitsrates. Ein reformierter Sicherheitsrat, dem auch neue ständige Mitglieder angehören müssen, hat daher der globalen Bedeutung wichtiger Staaten des Südens Rechnung zu tragen. Aber ebenso gilt dies für die Industrieländer, die wesentliche Beiträge zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit leisten. Es ist gewiss ein großes Verdienst von Ministerpräsident Koizumi, dass es auf seine Initiative hin gelungen ist, Japan, Deutschland, Indien und Brasilien zusammenzubringen. Diese vier Länder wollen mehr Verantwortung im Sicherheitsrat übernehmen und unterstützen ihre Kandidaturen gegenseitig und mit Nachdruck. Ich hoffe im Übrigen, dass wir auch bald zwei Länder des afrikanischen Kontinents zu dieser Initiative einladen können. Meine Damen und Herren, die Globalisierung und die Sicherheit in unserer einen Welt stellen unsere Gesellschaften und Länder vor große Herausforderungen. Wir wissen, dass der Prozess der Globalisierung ungeheure Chancen bietet, die Welt gerechter zu gestalten und Armut und Hunger wirksamer als in der Vergangenheit zu bekämpfen. Dies wird uns aber dann und nur dann gelingen, wenn wir uns den Herausforderungen gemeinsam stellen und die Globalisierung politisch gestalten. Deutschland und Japan sind hierzu bereit, zum Wohle und Nutzen unserer beiden Länder, aber nicht nur im eigenen Interesse, sonder wir arbeiten auch eng für eine gerechte und gedeihliche Entwicklung der Völker der Welt zusammen.