Redner(in): Christina Weiss
Datum: 17.12.2004

Untertitel: Kulturstaatsministerin Weiss äußerte sich im Deutschen Bundestag zur Einführung einer Musikquote im Radio.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/68/761868/multi.htm


seit einigen Monaten bewegt uns die für Künstler und Publikum gleichermaßen relevante Frage, ob die deutsche Musik in unseren Medien unterrepräsentiert sei. Ich weiß, dass die Lage von vielen Musikerinnen und Musikern als unbefriedigend empfunden wird und sie in einer sogenannten Quote den einzigen Ausweg aus diesem Dilemma sehen. Wir diagnostizieren inzwischen eine gewisse Ohnmacht, die ein Großteil der Künstlerinnen und Künstler gegenüber den Rundfunkveranstaltern empfindet. Zu häufig haben sie das Gefühl, von den auf internationale Hits schielenden Programmmachern links liegengelassen zu werden. So vehement die Quote von Kunst und Teilen der Phonoindustrie gefordert wird, so vehement wird sie von den Rundfunkanstalten bekämpft. Trotz dieses deutlichen Unentschieden bin ich dankbar dafür, dass wir in Anlehnung an Frankreich eine Diskussion über den Wert unserer Musik in den hiesigen Programmen führen. Es geht schließlich um den Stellenwert von musikalischer Vielfalt und um Nachwuchsförderung. Es geht um Kunst, nicht um Deutschtümelei. Ich freue mich, dass alle Fraktionen die Art, wie wir mit Musik umgehen - auch mit Rock und Pop aus Deutschland - nicht auf die Quotenfrage allein reduzieren. Denn Musik ist eines unserer wichtigsten Kulturgüter. Das Lebensgefühl ganzer Generationen ist von ihr bestimmt. Die Popkultur gilt längst als kulturwissenschaftliches Phänomen, ja sogar als Klassiker. Meine Damen und Herren, die heutige Diskussion zeigt, dass sich ein ganz großes Bündnis gebildet hat, die der Musik in Deutschland eine größere Bühne bauen will. Dies ist auch mir ein ganz wichtiges Anliegen, denn der Rundfunk ist immer noch das wichtigste Medium, um Musik einem breiten Publikum bekannt zu machen. Diesem Ansatz folgte auch ein Symposium, das ich im Frühjahr vorigen Jahres gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Rundfunkkommission der Länder, Ministerpräsident Kurt Beck, veranstaltet habe. Gekommen waren Rundfunkveranstalter, Vertreter der Musikwirtschaft, der Politik, der Presse und nicht zuletzt Musikerinnen und Musiker, um über musikalische Vielfalt im Hörfunk zu diskutieren. Unser Ziel war es, eine ausgewogene Präsenz der deutschen Musikszene zu erreichen. Seitdem sind die Gespräche weitergegangen und haben gute Ergebnisse gezeitigt. Eine Reihe von Hörfunkprogrammen der ARD - z. B. auch Bayern 3 und SWR 3, also durchaus sogenannte Mainstream-Kanäle - stellen in speziellen Sendungen vorwiegend neue Musiktitel und -interpreten aus Deutschland vor. Zum Teil laufen diese Sendungen sogar jeden Abend. Auch NDR 2 wird ab März nächsten Jahres eine neue zweistündige Sendung starten, in der einmal wöchentlich Nachwuchskünstler und Produzenten zu ihrem Recht und zu Interviews kommen. Titel, die in der Hörergunst bestehen, sollten zudem ins Tagesprogramm übernommen werden. Mehrere Hörfunkprogramme der ARD bieten überdies auch Nachwuchskünstlern, die noch keinen Plattenvertrag ihr eigen nennen können, die Chance, ihre Musik im Radio vorzustellen. Diese neuen Sendeformate sind ein Schritt in die richtige Richtung, ein Plädoyer für die musikalische Vielfalt in unseren Medien. Ziel dieser Konzepte muss es aber immer sein, nach und nach auch mehr deutschsprachige Titel in das "normale" Tagesprogramm einzuspeisen. Natürlich werden diese Sendungen das deutsche Radioprogramm nicht von heute auf morgen revolutionieren, aber es ist immerhin ein Anfang ohne Zwang. Ich wünsche mir, dass die ARD diesen guten Weg weiter geht und weiß, dass sich der Vorsitzende der ARD-Hörfunkkommission bei den Landesrundfunkanstalten dafür einsetzten will. Das ist ein verheißungsvolles Signal. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Gespräche mit Musikwirtschaft und Rundfunkveranstaltern - übrigens auch den privaten - gehen weiter. Meine Behörde ist gern bereit, diesen Prozess in Abstimmung mit den Ländern zu befeuern und zu moderieren. Es wird nicht gelingen, zu pauschalen Lösungen zu kommen. Dafür sind unsere Hörfunkprogrammen zu zahlreich und zu vielfältig in ihren Klangfarben. Hinzu kommen ausgetüftelte regionale Strukturen bei den Landesrundfunkanstalten und unterschiedliche musikalische Ansätze. Wir sollten uns mit den Rundfunkveranstaltern auf einen Weg einigen, der zu einem Mehr an deutscher Musik im Radio führt. Das können im übrigen auch individuelle Lösungen sein. Der Programmanteil muss aber ein relevanter, ein messbarer sein. Selbstverpflichtungen sind das modernste Instrument, um dieses Ziel zu erreichen. Ich danke Ihnen.