Redner(in): Michael Naumann
Datum: 01.02.1999

Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/06/11806/multi.htm


Frage: Die neue Bundesregierung will der Kultur in der Bundespolitik einen neuen Stellenwert geben. Welche Bedeutung ordnen Sie als Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien zukünftig den gemeinnützigen Stiftungen und dem Kultursponsoring von Unternehmen für die Kultur bei?

Naumann: Die Institution der gemeinnützigen Stiftung als Mittel zur Förderung kultureller Einrichtungen hat für mich einen sehr hohen Stellenwert. Stiftungen leisten auf kulturellem Gebiet Herausragendes und erfüllen eine wichtige Funktion im gesellschaftlichen Leben. Aber ungeachtet der beachtlichen finanziellen Leistungsfähigkeit und Ersparnisse bleibt die Stiftungsfreudigkeit der Deutschen bislang noch weit hinter dem Engagement in vergleichbaren Ländern insbesondere im angloamerikanischen Raum zurück. Dabei bieten Stiftungen engagierten Bürgern, die es in unserem Land genauso wie in anderen Staaten gibt, die Möglichkeit, einen dauerhaften Beitrag zum Wohl der Allgemeinheit zu leisten. Nicht zuletzt wegen des unzureichenden Regelungsrahmens des deut-schen Stiftungs- und Steuerrechts werden die Chancen nicht ausreichend genutzt. Die Koalition plant daher eine Novellierung des Stiftungsrechts und möchte im Rahmen der Steuerreform neue Möglichkeiten für Mäzenaten, Stifter und Kultursponsoren eröffnen.

Dies gilt auch für das Kultursponsoring von Unternehmen, um dessen intensiveren Einsatz ich ausdrücklich werbe. Hier liegt ein großes kreatives Potential, das wir noch mehr nutzen sollten. Kultursponsoring ist auch ein Stück Unternehmenskultur. Damit meine ich, daß ein Unternehmen seine eigene innere Kultiviertheit mit seiner Aufgeschlossenheit gegenüber der Kultur durch Sponsoring dokumentieren kann. Und: Die Kultur kann zwischen den jeweiligen Firmen und den an Kunst und Kultur Interessierten vermitteln und auch als Werbeträger eine wichtige Rolle spielen.

Frage: Gemäß der Koalitionsvereinbarung von SPD und Bündnis 90 / Die Grünen sollen die Errichtung gemeinnütziger Stiftungen und das Kultursponsoring attraktiver gemacht werden. Welche Motive haben die Koalitionspartner dafür konkret?

Naumann: Den Hauptgrund für unsere Absicht, das Stiftungsrecht zu novellieren, bildet der unbefriedigende Zustand des bisherigen Stiftungs- und Steuerrechts. So besteht teilweise Rechtsunsicherheit über die Gründungserfordernisse einer rechtsfähigen Stiftung, und es mangelt an steuerlichen Anreizen für Stifter. Solche Anreize sollten aber gerade angesichts der Tatsache, daß in der Bundesrepublik in den nächsten Jahren Vermögen in großem Umfang vererbt werden, geboten werden. Mit unserer Gesetzesnovelle wollen wir die Rahmenbedingungen für Stiftungen in Deutschland wesentlich verbessern und vereinheitlichten. Zum einen verfolgen wir damit das Ziel, daß überhaupt mehr Stiftungen, die gemeinnützigen Zwecken dienen, errichtet werden. Außerdem wollen wir ein höheres Engagement von Bürgerinnen und Bürgern für und in Stiftungen erreichen. Selbstverständlich sollen von den geplanten Verbesserungen der Rahmenbedingungen nicht nur Stiftungen zur Förderung der Kultur profitieren, sondern auch die Stiftungen in anderen Bereichen, zum Beispiel im Umweltschutz, Jugend, Altenhilfe, Wissenschaft und Forschung.

Frage: Bei einer Reform des Stiftungswesens sollen auch steuerpolitische Hemmnisse beseitigt und im Rahmen der Steuerreform sollen neue Möglichkeiten für Mäzenaten, Stifter und Kultursponsoren eröffnet werden. Wie können attraktive steuerrechtliche Regelungen dafür aussehen?

Naumann: Zum Kernbereich der Reform gehört die Änderung von Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches. Nach geltendem Recht bedarf es für die Errichtung einer rechtsfähigen Stiftung des Privatrechts der Genehmigung. Diese Genehmigungen sind Verwaltungsakte und werden von den nach den Stiftungsgesetzen der Bundesländer dazu berufenen Genehmigungsbehörden erteilt. Durch eine umfassende Reform der Paragraphen 80 bis 88 des Bürgerlichen Gesetzbuches wollen wir dieses aus dem 19. Jahrhundert stammende staatliche Genehmigungsverfahren ersetzen - und zwar durch ein Eintragungsverfahren in das Stiftungsregister. Für die Eintragung einer Stiftung sollen in Zukunft die Amtsgerichte zuständig werden. Die Voraussetzungen für die Eintragung der Stiftung in dieses Register werden im Bürgerlichen Gesetzbuch abschließend geregelt und sind dann nicht mehr den unterschiedlichen Bestimmungen der Stiftungsgesetze der Länder unterworfen.

Auch steuerrechtlich müssen wir einiges ändern, um die Bereitschaft, Stiftungen zu gründen und in Stiftungen zu investieren, zu erhöhen. Nach meiner Ansicht läßt sich dies insbesondere dadurch erreichen, daß die Möglichkeiten zur Rücklagenbildung erweitert und zur Abzugsfähigkeit von Spenden verbessert werden. Außerdem sollte die Befreiung von der Erbschaftssteuer bei der Weiterleitung des ererbten Vermögens an eine Stiftung auf alle gemeinnützigen Zwecke ausgedehnt wird.

Frage: Erwarten Sie bei der Novellierung des Stiftungsrechts Abstimmungsprobleme mit oder gar Widerspruch von den Bundesländern?

Naumann: Ich bin gewiß, daß auch die Bundesländer ein Interesse daran haben, die Nachteile des derzeitig geltenden Stiftungsrechtes zu beseitigen. Die Kenntnisse und Erfahrungen, die die Länder nicht zuletzt bei der Anwendung der landesrechtlichen Stiftungsgesetze und der Genehmi-gungsverfahren erworben haben, werden in den weiteren Beratungen berücksichtigt werden. Auch eine entsprechende Abstimmung mit den Ländern wird erfolgen. Den Anregungen und Vorschlägen aus den Ländern sehe ich erwartungsvoll entgegen, und ich freue mich auf einen konstruktiven Dia-log.

Frage: Es soll auf Dauer eine aktive Sponsoring- und Stiftungskultur geschaffen werden. Wie stellen Sie sich eine solche Sponsoring- und Stiftungskultur vor? Was wünschen Sie?

Naumann: Ich hoffe, daß möglichst viele Unternehmen und Privatpersonen die verbesserten Rahmenbedingungen und erweiterten Möglichkeiten des neuen Stiftungsrechts nutzen und wir auf diese Weise dann zu einer größeren und vor allem auch selbstverständlicheren Stiftungsfreudigkeit in unserer Gesellschaft ge-langen werden. Das wird sehr positive Auswirkungen auf das kulturelle Leben in Deutschland haben. Verantwortungsgefühl, Engagement und die Kreativität aller Beteiligten werden wachsen. Ich bin überzeugt, daß dem Kulturstaat Deutschland gerade in finanziell schwierigen Zeiten mit der Novellierung des Stiftungsrechts wesentliche Impulse gegeben werden können; im übrigen sehe ich es als eine wichtige Aufgabe an, Kulturpolitik so zu gestalten, daß günstige Voraussetzungen geschaffen werden, die der Kulturentfaltung und -vermittlung förderlich sind. Und gleichzeitig glaube ich auch, daß Kulturpolitik durch die Arbeit von Stiftungen belebt werden kann, also eine fruchtbare Wechselwirkung besteht.

Frage: Auf vielen gesellschaftlichen Gebieten kann das Gemeinwohl gefördert werden. Wenn Sie aber Stiftern und Unternehmen raten sollten, warum sie gerade im Bereich der Kultur verstärkt tätig werden sollten, was sagten Sie ihnen?

Naumann: Ich würde versuchen, mich mit Stiftern und Unternehmern über die wichtige Rolle von Kunst und Kultur in unserer Gesellschaft zu verständigen. Kunst und Kultur sind Quellen der Selbstverwirklichung, Selbstentfaltung und Identität des einzelnen; beide wirken aber auch als Bindeglied zwischen den Individuen und dem Ganzen. Kunst steht für geistige Innovation, für intellektuelle Herausforderung, aber sie gibt auch Trost und Entspannung oder bietet Unterhaltung. Hier liegen gute Gründe dafür, warum sich ein Engagement von Unternehmern für die Kultur lohnt. Über die Möglichkeiten der Kommunikation, des Dialogs und der Werbung zwischen Firmen und Kunstinteressierten habe ich schon gesprochen.

Frage: Auch Stiftungen denken zunehmend "internationaler". Welchen Beitrag können Ihrer Auffassung nach Stiftungen allein oder in Kooperation mit anderen Stiftungen im Rahmen der auswärtigen Kulturpolitik und bei international angelegten Kulturprojekten leisten?

Naumann: Bereits jetzt gibt es Beispiele gelungener kultureller Aktivitäten von Stiftungen im Rahmen internationaler Projekte, die Künstler und Künstlerinnen im Ausland fördern oder an internationalen Kunstausstellungen beteiligt sind. Eine Ausweitung solcher Aktivitäten halte ich für sehr wünschenswert. Im Zuge der Novellierung des Stiftungsrechts werden sich hoffentlich noch mehr Stiftungen auf diese wichtigen Aufgabenfelder beziehen. Gerade jetzt, da Europa politisch, sozial und ökonomisch zusammenwächst, ist es notwendig, ein besonderes Gewicht auf die je eige-nen Kulturen zu legen, die kulturellen Dimensionen des Einigungsprozesses zu stärken und den kulturellen Austausch zu fördern. Das Europa der Zukunft wird nicht als reine Interessengemeinschaft bestehen können; seine kulturelle Vielfalt muß gegenüber einer erfolgreichen Wirtschafts- und Währungsunion, gegenüber der gemeinsamen Außenpolitik tatkräftig gefördert werden. Dabei spielt der Kulturaustausch eine bedeutende Rolle, und Stiftungen, die dazu beitragen, daß die Vielgestaltigkeit der europäischen Kulturen zum Ausdruck kommt, übernehmen einen wichtigen Part.