Redner(in): Christina Weiss
Datum: 03.06.2005
Untertitel: Kulturstaatsministerin Christina Weiss hielt zur Eröffnung des Pommerschen Landesmuseums am 3. Juni 2005 in Greifswald ein Grußwort.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/18/839818/multi.htm
Greifswald bricht auf " : dieses optimistische Motto scheint auf den Anlass unseres heutigen Treffens wie zugeschnitten. Wir erleben einen Tag der Freude, der für die alte Hansestadt und die ganze Region einen kulturellen Zugewinn bedeutet. Die Eröffnung des Pommerschen Landesmuseums - die wir heute feiern - ist das verheißungsvolle Ziel eines langen, aber konsequent beschrittenen Weges, der von politischen Visionen wie wissenschaftlichen Vorarbeiten gleichermaßen geprägt war. Ein Weg, der verdeutlicht, zu welchen glänzenden Ergebnissen es führen kann, wenn sich Bund und Land als gleichberechtigte Partner in der Kulturförderung akzeptieren. Ein ähnlich fruchtbringendes Beispiel eines ertragreichen Miteinanders darf für die Stadt und die Universität konstatiert werden. Dass dabei alles andere als kulturelle Lokal- oder Regionalpolitik entstand, belegt das Museum nun selbst.
Dieses Haus soll die Menschen in Pommern diesseits und jenseits der Grenze zueinander bringen. Dieser verbindende Gedanke, der sowohl in die Geschichte als auch in die Zukunft weist, war für den Bund und die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern ein wesentlicher Anlass, das Greifswalder Haus aufwändig zu fördern. Wie Sie wissen, hat die Bundesregierung seit dem Jahr 2000 die Erforschung und Vermittlung deutscher Kultur im östlichen Europa auf eine neue konzeptionelle, vor allem aber wissenschaftliche Grundlage gestellt. Dieses Museum profitiert davon in erheblichen Maße und bestätigt unseren Weg. Jenseits heimattümelnder Erinnerungsarbeit geht es uns um die europäische Dimension der gemeinsamen Geschichte, ohne die die Zukunft verbaut bleibt. Die Ausstellungen des Greifswalder Museums werden künftig für den sozialen Großraum, der von Stralsund bis ins polnische Kolberg oder nach dem Süden Schwedens reicht, eine integrative Faszination und Kraft entfalten. Das Pommersche Landesmuseum besitzt den Anspruch, ein Forum für den gesamten Ostseeraum zu sein. Dies verlangt nach einer besonderen Partnerschaft mit polnischen oder schwedischen Institutionen und einem besonderen Zugang zum Publikum. Geradezu vorbildlich präsentieren sich daher die Sammlungen in vier Sprachen: neben Deutsch und Englisch steht ganz selbstverständlich auch Polnisch und Schwedisch auf Tafeln und Beschriftungen.
Pommern und Mecklenburg, meine Damen und Herren - hier sage ich Ihnen nichts Neues - galt lange als gehätscheltes und klischeebeladenes Synonym für Rückständigkeit. Was anderswo als Neuigkeit gepriesen wurde, wurde hier erst einhundert Jahre später gefeiert. So ging jedenfalls die Rede. Dass dies schon immer nur üble Nachrede war, die eher die Schöpfer in ein schlechtes Licht rückte, als das bespöttelte Objekt, liegt auf der Hand. Denn das geschichtsträchtige Land an der Ostsee war und ist weit mehr als ein Arkadien für Sommerfrischler. Die alten pommerschen Hansestädte, nicht zuletzt Greifswald, bildeten immer Zentren eines wirtschaftlich starken Handelsraumes, der auch kulturell aufgeladen war. Eine der wichtigsten Universitäten des Nordens stand und steht in Greifswald, ihr Ruf machte die Stadt als Wissenschaftsstandort in aller Welt bekannt.
An diese weit gespannten Beziehungen aus Geschichte und Wissenschaft knüpft die 1996 gegründete Stiftung Pommersches Landesmuseum an. Sie begleitete den Neubau des Museums und schufen mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine tragfähige Struktur sowie eine besondere inhaltliche Ausrichtung. Die Präsentation der Geschichte und Kultur Pommerns, ihrer Stationen, Strukturen und Zusammenhänge wird das Interesse der Menschen erwecken - weit über die Grenzen der Region hinaus. Insbesondere der Beitrag, den das Museum zur Verständigung mit Polen leisten kann, ist bei der Selbstverständlichkeit des grenzüberschreitenden Tourismus zwischen den pommerschen Gebieten östlich und westlich der Oder von besonderer Größe. Wenn nach 1945 hier und dort unterschiedliche, gar konträre Geschichtsbilder konstruiert wurden, so ist es die Aufgabe des Greifswalder Museums und seiner Partnerinstitute in Polen, nach einem neuen Ansatz der Erinnerung und Aufarbeitung zu suchen. Auch die Einrichtung der Stelle eines pommerschen Kulturreferenten am Greifswalder Museum unterstützt dieses das Vorhaben, wird die Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn fördern und gemeinsame Projekte im Sinne einer europäischen Geschichtsbetrachtung realisieren helfen. Dabei bleibt die aufklärerische Kraft, die dieses Haus besitzt und entfalten will, nicht auf die ständige Sammlung und die geplanten Sonderausstellungen begrenzt. Eingebunden sind kulturelle Veranstaltungen oder museumspädagogische Angebote für Jugendliche und Erwachsene, die auf die Vermehrung unseres Wissens zielen. Diese komplexe und umfangreiche Tätigkeit des Museums ist in der Lage, eine hohe Dynamik zu entfalten: eine Dynamik, mit der das Museum zur Bühne politischen Geschehens avanciert.
Meine Damen und Herren,
die hier skizzierte Wirksamkeit von Museumsarbeit trifft sich mit den Bemühungen meines Hauses, in einem kooperativen Bündnis deutsche und osteuropäische Institutionen und Universitäten, öffentliche und private Initiativen zu einem Zusammengehen anzuregen. Gemeinsam mit meinen Amtskollegen aus Polen, Ungarn und der Slowakei habe ich am Anfang dieses Jahres das "Europäische Netzwerk Erinnerung und Solidarität" ins Leben gerufen, das noch in diesem Monat in Warschau seine Tätigkeit aufnehmen soll. Ich bin überzeugt davon, dass man der Geschichte von Flucht und Vertreibung, von Teilung und Wiedervereinigung Europas nur in einem internationalen Kontext diskutieren kann. Europa braucht kein "Zentrum gegen Vertreibung", sondern ein lebendiges, diskursives Netzwerk der Erinnerung, in dem auch Museen wie dieses integriert sind.
Meiner sehr verehrten Damen und Herren,
hin und wieder zweifelt der eine oder andere, Museen könnten tatsächlich einen effektiven, über die engen Zirkel der Bildungsbeflissenen hinausreichen Beitrag zum kulturellen Selbstverständnis einer Region leisten. Ich gehöre nicht dazu. Museen, so meine feste Gewissheit, sind Landmarken und Grundfeste unserer Gesellschaft, die Bildung und Erkenntnis hinaustragen zu den Menschen, die sie nicht hochmütig belehren, sondern deren Neugier sie kenntnisreich bedienen. Das ist ihr Auftrag, das ist es auch, was wir von ihnen erwarten. Daher sei an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich betont, welch hohen Stellenwert Museen in der Eigen- und Außenwahrnehmung eines Landes besitzen. Die Attraktivität einer Stadt wird häufig nicht zuletzt daran bemessen, welche Qualität ihr Museum besitzt. Ihr Ruf kann - fast möchte ich sagen: muss! - zu einem Standortfaktor werden, der neue kulturelle Angebote generiert. Das gilt nicht zuletzt für Greifswald, und ich bin sicher, dass dieses Museum zu den besonderen in Deutschland gehören wird, weil es in der Lage ist, eine außergewöhnliche Strahlkraft zu entfalten. Das wünsche ich Ihnen jedenfalls von Herzen und viele glückliche Besucher dazu! Vielen Dank!