Redner(in): Gerhard Schröder
Datum: 01.03.2000
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/64/7364/multi.htm
Anrede!
In der Politik haben wir es häufig in der einen oder
anderen Form mit Indiskretionen zu tun. Deshalb freue ich mich sehr, heute in
einem Institut für "Diskrete Mathematik" zu sein.
Natürlich ist mir bewusst, dass diskret hier nicht der
Gegensatz von indiskret ist.
Und dass sich diese Mathematik auch nicht diskret zu
verstecken braucht, zeigen dieses wunderschöne neue Gebäude und der Weltruf, den Herr Professor Korte und seine
Arbeitsgruppe schon seit langem genießen.
Dieses Haus und insbesondere Sie, Herr Professor
Korte, haben es sich zum Ziel gesetzt, die Bedeutung der Mathematik für unsere
Welt von heute und morgen zu demonstrieren.
Dabei verbinden Sie wissenschaftliche Originalität mit
der Bereitschaft, sich den realen Problemen in Wirtschaft und Gesellschaft zu
stellen. Dies ist ein besonderer Verdienst, der nicht hoch genug eingeschätzt
werden kann.
Den viel zitierten "Elfenbeinturm" haben Sie schon vor
langer Zeit verlassen.
Sie sind ein Vertreter jener modernen Wissenschaft, die
es nicht nur als Pflicht ansieht, sondern die das Bedürfnis hat, die
Öffentlichkeit über ihre Arbeit und deren Konsequenzen zu informieren.
Dies tut der wissenschaftlichen Bedeutung des Instituts
und seines Direktors keinen Abbruch - im Gegenteil.
Die vielfältigen und hohen Ehrungen und Auszeichnungen,
die Sie, Herr Professor Korte, bisher erhalten haben, sprechen für sich.
Die Forschungsarbeiten dieses Instituts sind nicht nur
von hohem theoretischem Niveau, sondern auch auf Anwendung ausgerichtet.
Es ist mir nicht verborgen geblieben, dass das
Forschungsinstitut für Diskrete Mathematik schon seit vielen Jahren mit der
Firmengruppe Moeller aus Bonn und weltweit mit der IBM kooperiert.
Über 100 Höchstleistungschips sind von dieser relativ
kleinen Mannschaft entworfen und optimiert worden. Selbst das Guiness-Buch der
Rekorde berichtet darüber. Und natürlich finden Sie im
Arithmeum - wie mir glaubhaft berichtet wurde -
auch den Chip, gegen den Kasparov verloren hat!
Für ein relativ rohstoffarmes Land wie Deutschland ist es
wichtig, solche Bannerträger der Forschung wie dieses Institut und seinen
Direktor zu haben.
Deshalb danke ich Ihnen, Herr Professor Korte, besonders,
dass Sie trotzt verlockender und ehrenvoller Rufe ins Ausland Deutschland und
der Universität Bonn die Treue halten.
Lassen Sie mich nun noch einige Worte zu diesem
wunderschönen Haus und zum Arithmeum sagen.
Mir ist bekannt, dass viele Bewunderer es als
Gesamtkunstwerk betrachten. Das ist in der Tat nicht schlecht gesagt.
Die Transparenz und Offenheit dieses Gebäudes, seine
Stringenz und Klarheit sind ein herausragendes Beispiel gelungener,
unprätentiöser moderner Architektur.
Um ehrlich zu sein, selten hat mich ein Bauwerk in seiner
Verbindung von Funktionalität und Ästhetik so sehr beeindruckt.
Als mir dann Ministerpräsident Clement berichtete, dass
dieses neue Hochschulgebäude zu den preiswertesten Hochschulbauten seines Landes
gehört, ist meine Hochachtung noch gewachsen.
Natürlich hat er mir dann auch erzählt, dass dies - wie
könnte es auch anders sein - mit Herrn Professor Korte zusammenhängt, der dieses
Haus maßgeblich gestaltet und mitgebaut hat.
Wie man so hört, soll dies auch für den Bauleiter ein
beeindruckendes Erlebnis gewesen sein.
Entstanden sind dabei nicht nur die Arbeitsräume des
Forschungsinstituts, sondern auch das Arithmeum, ein in der Tat einzigartiges
Museum zur Geschichte des Rechnens.
Auf das Arithmeum bin ich natürlich besonders stolz, weil
es mit Ausgleichsmitteln des Bundes errichtet wurde. Und wenn ich mich hier
umschaue, kann ich nur sagen: es hat sich gelohnt.
Das Arithmeum hat nicht nur die weltweit größte Sammlung
historischer Rechenmaschinen, die dann heute noch einmal vergrößert wird. Das
Arithmeum zeigt in einem zweiten Teil auch in anschaulicher Weise die
Faszination der Mikroelektronik.
Aber nicht nur mit Wissenschaft und Technik wartet das
Arithmeum auf, sondern auch und in besonderem Maße mit Kunst.
Hier wird die Konzertreihe "concerto discreto" des
Deutschlandfunks aufgeführt. Die laufenden Kunstausstellungen tun dann ein
übriges.
Wenn ich hier die Werke des Berliner Künstlers Horst
Bartnig sehe, dann, Frau Oberbürgermeisterin, ist mir um die gedeihliche
Zusammenarbeit von Berlin und Bonn nicht Bange.
Das Arithmeum wird heute um ein Prunkstück, die
Rechenmaschine von Johann Christoph Schuster, bereichert.
Es war nicht einfach, dieses Juwel wieder nach
Deutschland zurückzubringen. Sie, Herr Professor Korte, haben fast sieben Jahre
lang mit vielen Mitstreitern hartnäckig darum gekämpft.
Trotz knapper Kassen konnte der Ankauf in gemeinsamer
Anstrengung der Kulturstiftung der Länder, der Alfried Krupp von Bohlen und
Halbach-Stiftung, von Bund, Land und Universität realisiert werden.
Ich freue mich, dass die Rechenmaschine von Johann
Christoph Schuster nach langen Irrwegen über Indien und Australien hier im
Arithmeum eine sehr schöne und dauerhafte Heimat finden wird.