Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 26.03.2006
Untertitel: Im Rahmen der "Tage der Chor- und Orchestermusik 2006" verleiht Kulturstaatsminister Bernd Neumann die Zelter-Plakette und die Pro Musica-Plakette im Thüringer Landestheater in Eisenach.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2006/03/2006-03-26-verleihung-der-zelter-plakette-und-der-pro-musica-plakette,layoutVariant=Druckansicht.html
wir befinden uns hier - grosszügig gerechnet - im Schatten der Wartburg. Der Zufall will es, dass vor genau 800 Jahren der Sage nach auf eben dieser Wartburg der berühmte Sängerkrieg stattgefunden hat, von dem Richard Wagners Oper "Tannhäuser" erzählt. Damals soll der Sänger den Wettstreit verloren haben, der nicht den richtigen Herzog besungen hat. Heute, bei der Verleihung der Zelter-Plakette und der Pro Musica-Plakette lege ich Wert auf die Feststellung, es gibt nur Gewinner und, auch darauf lege ich Wert, ein Loblied auf die Bundesregierung ist auch nicht die Voraussetzung für den Erhalt dieser begehrten Auszeichnungen. Ich freue mich also, bei Ihnen sein zu können.
Bundespräsident Theodor Heuss stiftete 1956 die Zelter-Plakette. Es ist mir eine besondere Freude und Ehre, im fünfzigsten Jahr des Bestehens dieser Ehrung die Verleihung vornehmen zu dürfen. Nicht ganz so alt, aber gleichermaßen bedeutend, ist die Pro Musica-Plakette. Beide Auszeichnungen sind Ausdruck der Anerkennung für ein besonderes Engagement für die Musik und für das Musizieren.
Ich betone das "besondere" Engagement, denn Musik ist für jeden von uns allgegenwärtig - nicht immer als Quell steter Freude, wenn man an manche Telefonwarteschleifen und manche Kaufhaus-Berieselung denkt. Aber das Konzertangebot der Städte - zumindest ab mittlerer Größe - berücksichtigt nahezu alle Stilrichtungen, es gibt auch ein umfangreiches und vielfältiges Musikangebot der Rundfunk- und TV-Sender, längst ist auch das Internet zu einer unerschöpflichen Quelle für Musik geworden. Musik gehört zu unser aller Alltag.
Es fragt sich nur: Wie nehmen wir die Musik wahr? Welchen Stellenwert hat Musik für den Einzelnen?
Jüngste Untersuchen zeigen: Nahezu alle bekunden, die Musik zu lieben, aber deutlich weniger Menschen sind bereit und in der Lage, selbst zu musizieren.
Natürlich tragen zu diesem Befund die vielen anderen Freizeitangebote bei, die es heute gibt. Natürlich ist auch nicht jeder Mensch musikalisch. Und natürlich erfordert es einiges an Engagement, um ein Instrument zu lernen oder seine Stimme zu bilden. Viele von Ihnen werden gelesen haben, dass ich selbst Akkordeon spiele. Sie können mir also glauben: ich weiß, wovon ich rede, wenn ich sage, es braucht Zeit und Mühe, ein Instrument zu lernen. Auch die Schulung der Stimme, um in einem Chor und dann als Chor bestehen zu können, setzt Geduld und Einsatz voraus.
Dennoch weiss ich, und jeder, der hier sitzt, wird es bestätigen können:
Jeder, der sich das Vergnügen gönnt, Musik zu hören, jeder, der sich der Mühe unterzieht, ein Instrument zu lernen, wird reich belohnt. Jede Minute, die man, ob aktiv oder passiv mit der Musik verbringt, ist ein Gewinn für den Menschen, für seinen Geist, für seine Seele und seinen Körper. Wer musikalische Kompetenzen erwirbt, erwirbt zugleich auch menschliche Kompetenzen. Er lernt, auf den anderen zu hören, und das kommt der gesamten Gesellschaft zugute.
Und weil das so ist, müssen wir die kulturelle Bildung insgesamt wieder mehr in den Focus rücken: Die Vereine leisten hier vor allem durch ihre Nachwuchsarbeit Hervorragendes.
Ich bin mir der Schwierigkeiten bewusst, die sicher manche von Ihnen bei den Versuchen haben, Kinder und Jugendliche für die Chöre und Ensembles zu gewinnen. Die Vielzahl der Angebote zur Freizeitgestaltung habe ich schon erwähnt. Leider kommt auch häufig genug der Musikunterricht an den Schulen zu kurz. Eltern können und wollen sich oft privaten Musikunterricht nicht leisten. Ich bin aber zutiefst davon überzeugt: Jeder Euro, der in kulturelle Bildung investiert wird, ist gut angelegtes Geld - für den einzelnen, aber auch weit darüber hinaus für unser Gemeinwesen. Sie werden für diese Belange bei mir nicht nur ein offenes Ohr finden, ich werde auch von mir aus das Gespräch suchen.
Ich bin der Überzeugung - und ich weiß mich da mit der Bundeskanzlerin und den anderen Mitgliedern der Bundesregierung in Übereinstimmung - , Bildung insgesamt ist eine Investition in die Zukunft und die Leistungsfähigkeit unserer Gesellschaft. Die geistigen Grundlagen der Kulturnation Deutschland zu kennen, ist eine der Voraussetzungen, um ein Gefühl gemeinsamer Identität und Zugehörigkeit zu entwickeln, um Verantwortung zu übernehmen, Werte und Orientierungen herauszubilden.
Die musikalischen Fähigkeiten allein sind aber nicht ausschlaggebend für die heutigen Auszeichnungen.
Die Chöre und Ensembles müssen eine mindestens hundertjährige Geschichte und damit die Stetigkeit der Musikpflege nachweisen können. Dies ist eine Grundvoraussetzung für die Vergabe der Plaketten.
Mit wie viel Herzblut müssen Menschen an ihrem Verein, an ihrem Chor hängen, wenn sie ihnen über Generationen die Treue halten! Erhalt, Pflege und Weitergabe von Generation zu Generation: das macht die Arbeit der Musikvereine, der Chöre und Orchester von Laienmusikern, das macht Ihre Arbeit so wertvoll für unsere Gesellschaft und für die Kulturlandschaft Deutschlands - gerade in unserer so schnelllebigen Zeit.
Und die musikalischen Darbietungen des heutigen Tages zeigen eindrucksvoll, auf welch hohem Niveau dies geschehen kann. Wir dürfen es auch deshalb nicht zulassen, dass Hochkultur und Breitenkultur als Gegensätze betrachtet werden. Sie ergänzen einander und sind Ausdruck einer kulturellen Vielfalt.
Die staatliche Förderung von Breitenkultur - und dies gilt selbstverständlich für alle Kunstformen - ist Aufgabe der Länder und der Kommunen. Das bedeutet aber nicht, dass sich der Bund nur auf lobende Worte beschränkt: Wenngleich mein Haus keine Breitenmusikförderung betreibt, so stellen wir doch auch im Spitzenbereich der Laienmusik Fördermittel bereit.
Der Bund finanziert Wettbewerbe wie den Deutschen Chorwettbewerb und den Deutschen Orchesterwettbewerb. Er stellt Mittel für Projekte der Dachorganisationen der Laienmusikverbände zur Verfügung.
Die Zelter-Plakette und die Pro Musica-Plakette sind im Rahmen der Fördermaßnahmen ein besonderer Ausdruck des Dankes an die aktiven Laienmusiker und ihre Vereine. Die Plaketten, liebe Musikerinnen und Musiker, sollen Zeichen der Anerkennung sein und Ihnen deutlich machen, dass man staatlicherseits um Ihre großen Verdienste für die Kultur und die Gesellschaft weiß.
Für die Organisation und die Durchführung von Veranstaltungen wie dieser bedarf es des Engagements und des Einsatzes vieler. Leider kann ich allein aus Zeitgründen nicht jedem einzeln danken - dies ginge auch zu Lasten des weiteren musikalischen Programms, was wir alle nicht wollen.
Die "Tage der Chor- und Orchestermusik" werden vom Dachverband Deutscher Chöre und Orchester veranstaltet und von dessen Mitgliedern gestaltet. Gestatten Sie mir deshalb, stellvertretend für alle den Verbandspräsidenten zu danken.
Ich darf also dem Präsidenten der Bundesvereinigung Deutscher Orchesterverbände, Herrn Ernst Burgbacher, der zudem turnusmäßig Präsident des Bundes Deutscher Chöre und Orchester ist, und dem Präsidenten der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Chorverbände, Herrn Hans-Willi Hefekäuser, meinen Dank für die hervorragende Organisation aussprechen. Ein "Extra-Dankeschön" sei mir noch an Herrn Erik Hörenberg für die Moderation dieses Festaktes gestattet.
Insbesondere gelten zudem meine Anerkennung und mein herzlicher Dank den über 700 Musikerinnen und Musikern aus 15 vokalen und instrumentalen Ensembles.
Die Gestaltung des musikalischen Programms an diesem Wochenende und bei diesem Festakt belegt eindrucksvoll, auf welch hohem Niveau sich die Laienmusik in Deutschland befindet.
Zu danken habe ich auch der Stadt Eisenach, die als Gastgeberin einen beziehungsreichen Rahmen gesetzt hat. Natürlich ist Eisenach die Stadt der Wartburg und Luthers Bibelübersetzung. Darüber sollte man jedoch nicht vergessen, dass Eisenach auch eine bedeutende musikalische Tradition pflegt: Es ist die Geburtsstadt Johann Sebastian Bachs, hier haben Johann Pachelbel und Georg Philipp Telemann gewirkt.
Im Jahr 2006 erhalten 133 Chöre die Zelter-Plakette und 43 Instrumentalensembles die Pro Musica-Plakette. Es ist eine schöne Übung, dass im Rahmen des Festaktes jeweils ein Chor und ein Orchester die Plaketten stellvertretend für alle ausgezeichneten Ensembles ausgehändigt bekommen. Ausgewählt wurden dafür in diesem Jahr der Musikverein 1906 Östringen aus Baden-Württemberg und der Männerchor Tabarz aus Thüringen. Auf der Bühne stehen bereits die Mitglieder des Musikvereins 1906 Östringen aus Baden-Württemberg, die mit Stücken von Alfred Reed den heutigen Festakt abschließen werden.
Zur Verleihung der Zelter-Plakette an den Männerchor Tabarz darf ich den 1. Vereinsvorsitzenden, Herrn Dieter Rollert, und den 2. Vereinsvorsitzenden, Herrn Dieter Leining, zu mir bitten.
Zur Verleihung der Pro Musica-Plakette an den Musikverein 1906 Östringen bitte ich nun den Dirigenten Markus Mauderer und den Vereinsvorsitzenden Alfred Ruf zu mir.
Meine Gratulation an den Männerchor Tabarz und den Musikverein 1906 Östringen verbinde ich mit einem Glückwunsch an alle Ensembles, die in diesem Jahr die Zelter- und Pro Musica-Plakette verliehen bekommen.
Ich wünsche Ihnen für Ihre Vereine alles Gute und allen Vereinsmitgliedern weiterhin viel Spaß an der Musik und am Musizieren.