Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 20.04.2006

Untertitel: Kulturstaatsminister Bernd Neumann äußerte sichzur Eröffnung des Tanzkongresses Deutschland 2006 am 20.4.2006 im Haus der Kulturen der Welt in Berlin zur Tanzszene in Deutschland. Er würdigte den Tanzplan der Bundeskulturstiftung, der den ersten Tanzkongress nach fünfzig Jahren in Deutschland ermöglicht hat.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2006/04/2006-04-20-kulturstaatsminister-neumann-zur-eroeffnung-des-tanzkongresses-deutschland-2006,layoutVariant=Druckansicht.html


ich möchte Sie herzlich willkommen heißen zu einem Ereignis, das wir schon jetzt historisch nennen können. Allein deshalb, weil es so oder ähnlich seit rund 50 Jahren nicht stattgefunden hat. Zuletzt hat es in den Jahren der Weimarer Republik und dann in den 50er Jahren Tänzerkongresse in Deutschland gegeben, die aber bis heute keine Fortsetzung fanden. Das mag viele verschiedene Gründe gehabt haben, aber vor allem lag es wohl daran, dass die Tanzszene in verschiedene Lager und Interessengruppen zerfiel, die keine Gemeinsamkeiten formulieren konnten - oder wollten. Heute ist die Tanzszene in den choreographischen Handschriften, Arbeitsweisen und Stilrichtungen differenzierter denn je, aber mir scheint, dass sie angesichts ähnlicher Probleme seit den neunziger Jahren wieder näher zusammengerückt ist. Ich bin deshalb sehr froh darüber, dass nun die Kulturstiftung des Bundes mit dem Tanzplan Deutschland als Impulsgeber für einen neuen Tanzkongress gewirkt hat und einmal mehr einen gewichtigen kulturpolitischen Akzent setzt. Im Mittelpunkt des Tanzplanes Deutschland steht die Kunstform Tanz in all ihren faszinierenden Facetten. Gleichwohl zielt das Programm des Tanzplans nicht in erster Linie auf die Förderung und Präsentation herausragender Einzelprojekte. Es geht vielmehr um ein Signal für die Tanzszene in Deutschland insgesamt. Schon jetzt wird der Tanzplan Deutschland als entscheidender Schritt zur Verbesserung der Situation des Tanzes in Deutschland gesehen: Er hat bereits für Selbstbewusstsein und Aufbruchsstimmung gesorgt. Daher freut es mich umso mehr, dass für den "Tanzplan Deutschland" bis zum Jahr 2010 insgesamt 12,5 Mio. € aus Mitteln der Kulturstiftung des Bundes bereitgestellt werden können. Meine Damen und Herren, vom Dichter Christian Morgenstern stammt der schöne Satz: "Der Körper ist der Übersetzer der Seele ins Sichtbare." Vielleicht ist das auch einer der Gründe für die besondere Faszination der Kunstgattung Tanz. Denn der menschliche Körper auf einer Bühne, die Bewegung zu Klängen oder Musik, das Unmittelbare einer Sprache, die ohne Worte auskommen kann, all das öffnet unserer Phantasie Spielräume, wie sie so keine andere Kunst bietet. Dennoch hat es die Kunstform Tanz nicht immer leicht, die ihr gebührende öffentliche Anerkennung zu finden. In Drei-Sparten-Häusern bildet der Tanz allzu oft die schwächste Säule, in der freien Szene sind die Arbeitsbedingungen nicht selten prekär und drängen die Tänzerinnen und Tänzer bis an die Grenzen der Selbstausbeutung. Dennoch zeichnet sich der Tanz in Deutschland - vom Staatsballett bis zur freien Compagnie - durch ein hohes Niveau und eine beeindruckende Vielfalt aus. Seit den 70er Jahren haben die Innovationen und die bahnbrechenden Erfolge des zeitgenössischen Tanzes auch das Sprech- und Musiktheater maßgeblich beeinflusst und dem Tanz eine neue gesellschaftliche und auch politische Relevanz verschafft. Die allgemeine Förderung des Tanzes, der Unterhalt von Ausbildungsstätten, von Theatern und Ensembles ist bekanntlich Aufgabe der Länder und Kommunen. Die Bundesregierung hat sich deshalb nur bei länderübergreifenden Projekten engagiert, so bei der Finanzierung der alle zwei Jahre stattfindenden Tanzplattform Deutschland und der Gründung und Finanzierung des beispielhaften Nationalen Performance Netzes. Die Einsparungen in den Kulturhaushalten der Länder kann der Bund nicht ausgleichen. Aber mit dem Tanzplan zeigen wir, wie durch Vernetzung und durch Kooperationen wirksame Anregungen für die Tanzförderung und Tanzausbildung gegeben werden können. Und wir setzen ein kulturpolitisches Zeichen für den Stellenwert und die gesellschaftliche Bedeutung des zeitgenössischen Tanzes in unserem Land. Der "Tanzkongress Deutschland" markiert den Beginn des mit dem Tanzplan beschriebenen Prozesses. Ein deutschlandweites Forum dieser Art mit internationalem Zuspruch ist - ich sagte es eingangs - seit langem überfällig. Der Auftakt heute zeigt, dass die Initiative auf fruchtbaren Boden fällt. Unter dem viel versprechenden Titel "Wissen in Bewegung" werden beim Kongress zahlreiche hochkarätige Experten den Tanz aus ganz unterschiedlichen Perspektiven betrachten und dieser Kunst auch aus wissenschaftlicher Sicht eine noch stärkere Stimme geben. Ich freue mich besonders darüber, dass sowohl beim Tanzkongress als auch beim Tanzplan insgesamt ein Schwerpunkt auf der Vermittlung liegt, auf dem Wissen durch und über den Tanz im umfassenden Sinn. Es geht hier zum einen um die Wechselbeziehungen des Tanzes innerhalb des Feldes der Kultur. Und es geht um die Stellung des künstlerischen Tanzes in der Gesellschaft. Gerade unter dem Gesichtspunkt der kulturellen Bildung wird nach meinem Eindruck der Tanz immer noch unterbewertet. Dabei ist er ein einzigartiges Medium, nicht nur für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Der Tanz prägt unser Bewusstsein und unser Bild vom Körper, und der Tanz erschafft sich ganz eigene, nicht-verbale Sprachen. Er zeigt kulturelle Differenzen auf und bietet zugleich spielerisch die Möglichkeit zu ihrer Überschreitung. Der Tanz bietet für die kulturelle Bildung vielfältige Anknüpfungspunkte, die wir besser nutzen sollten. Der Film "Rhythm is it" hat uns dafür ein fabelhaftes Beispiel vorgeführt. Es geht dabei nicht nur um das Publikum von morgen, sondern um eine Investition in die Zukunft unserer Gesellschaft insgesamt. Ich wünsche dem Kongress eine breite Resonanz und bin überzeugt, dass er wichtige Anregungen für die weitere Entwicklung der deutschen Tanzlandschaft geben wird.