Redner(in): Thomas de Maizière
Datum: 19.05.2006
Untertitel: Gehalten von Thomas de Maizière am 19. Mai im Deutschen Bundestag.
Anrede: Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2006/05/2006-05-19-rede-zur-aktuellen-stunde-im-bundestag-zu-aktivitaeten-des-bnd,layoutVariant=Druckansicht.html
Frau Präsidentin!
Lassen Sie mich nüchtern und knapp den Sachverhalt und die bisherigen Konsequenzen aus meiner Sicht darstellen. Es trifft auch nach meiner Auffassung zu, dass Mitarbeiter im Bundesnachrichtendienst bei den in Rede stehenden Aktivitäten gegenüber Journalisten in einigen Fällen nicht korrekt gearbeitet haben. Ich lege Wert auf die Feststellung: Es handelt sich um Fälle der Vergan-genheit.
Die Bundesregierung bedauert diese Vorfälle. Sie hat nach Bekanntwerden der Fälle Maß-nahmen zur Verhinderung ähnlicher Fälle in der Zukunft eingeleitet. So habe ich unter anderem Anfang dieser Woche entschieden, dass der Bundesnachrichtendienst in Zukunft zum Zwecke der Eigensicherung auf operative Maßnahmen gegen Journalisten verzichtet. Das bedeutet insbesondere, dass in diesem Zusammenhang künftig keine Journalisten als nachrichtendienstliche Quellen geführt werden.
Für den Bereich des Bundesamtes für Verfassungsschutz und den Militärischen Abschirm-dienst haben sich die zuständigen Minister dieser Meinung angeschlossen. Diese Entschei-dung, die ich getroffen habe, ist - ich werde das gleich begründen - rechtlich nicht zwin-gend geboten. Ich hielt und halte sie aber aus Respekt vor dem hohen Gut der Pressefreiheit in unserer Demokratie für politisch geboten und politisch richtig.
Lassen Sie mich aber zur Einordnung dennoch ein paar Bemerkungen machen. Zum Zwe-cke der Eigensicherung - dazu gehört auch die Aufklärung von Indiskretionen - ist der BND gesetzlich befugt, auch im Inland nachrichtendienstliche Mittel anzuwenden; das ist unstreitig. Dazu können auch Maßnahmen gegen Journalisten gehören. Es gibt keinen An-spruch unbegrenzter Freiheit der Medien. Das entspricht gesicherter Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Der BND ist jedoch stets gehalten, die Verhältnismäßigkeit der eingesetzten Mittel zu prüfen. In einigen der jetzt diskutierten Fälle hat sich der Bundes-nachrichtendienst nach meiner Auffassung an diese gesetzlichen Vorgaben gehalten. Rechtlich ist dem BND in diesen Fällen in der Vergangenheit nichts vorzuwerfen. Auch wenn ich wiederhole, dass solche Fälle für die Zukunft politisch und rechtlich durch Weisungslage ausgeschlossen sind.
Es hat allerdings auch Fälle gegeben, in denen das Gebot der Verhältnismäßigkeit nicht beachtet worden ist. Die Bundesregierung nimmt diese Rechtsverstöße sehr ernst. Dass sie ermittelt wurden, ist ein Ergebnis des Zusammenwirkens von Medien, Parlament und auch der Bundesregierung. Dies ist ein Beispiel funktionierender Kontrolle in der Demokratie.
Herr Stadler, Sie wissen ganz genau, dass die Bundesregierung vom Parlamentarischen Kontrollgremium aufgefordert worden ist, eine entsprechende Bewertung vorzulegen. Sie wird das rechtzeitig zur nächsten Sitzung des PKGr tun. Einer erneuten Aufforderung von diesem Pult aus hätte es nicht bedurft.
Eine umfassende Gefährdung unserer Pressefreiheit sehe ich in diesen Fällen der Vergan-genheit allerdings nicht. Ich bin sicher, dass auch viele andere das so sehen werden, wenn der Bericht des Sachverständigen in der nächsten Woche in geeigneter Weise veröffentlicht werden kann.
Mit Rechten korrespondieren aber auch Pflichten. Ich würde mich deshalb darüber freuen, wenn innerhalb der Medien eine Debatte auch darüber geführt würde, was sich für Journalisten gehört und was nicht.
Nach allem, was mir bekannt geworden ist, wurde keiner der Journalisten zu einer Zusam-menarbeit gezwungen. Andere Motive spielten wohl eine Rolle. Ich kann und will das an dieser Stelle nicht vertiefen. Aber Selbstkritik ist etwas, was sowohl dem Journalismus als auch uns allen gut zu Gesicht steht.
Zwei kurze Schlussbemerkungen. Erstens. Die Bundesregierung hat erklärt, dass sie in diesem Fall ihre Bedenken in Bezug auf den Geheimschutz zurückstellt und sich im Sinne einer Versachlichung der Diskussion nachhaltig für eine Veröffentlichung des Berichts des Sonderermittlers ausspricht. Dass dabei Persönlichkeitsrechte zu schützen sind, ist selbst-verständlich. Die Entscheidung darüber hat nicht die Bundesregierung, sondern das Parla-mentarische Kontrollgremium zu treffen.
Zweitens. In den letzten Tagen ist von Leuten, die davon viel, und von Leuten, die davon wenig verstehen, viel Kritik am Bundesnachrichtendienst geäußert worden.
Bis zu einem gewissen Grade muss man das ertragen, wenn man im und für den BND Verantwortung trägt. Nicht jede Kritik war unberechtigt. Aber ich will hier - auch in Richtung des Abgeordneten Maurer - klar und deutlich sagen: Ein Vergleich des Auslands-nachrichtendienstes in unserem freiheitlichen Rechtsstaat mit dem Geheimdienst einer Diktatur geht zu weit.
Ich verwahre mich gegen diesen Vergleich und möchte damit unser Land und die Institutionen des Bundesnachrichtendienstes schützen.
Der Bundesnachrichtendienst, Frau Abgeordnete Künast, ist auch kein "Sauladen".
Er leistet für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland eine unverzichtbare Arbeit. Überall dort, wo Soldaten im Auslandseinsatz sind - heute Morgen ist darüber gesprochen worden - , tragen auch BND-Mitarbeiter dazu bei, deren Sicherheit zu gewährleisten.
Der BND befindet sich seit dem Ende des Kalten Krieges in einem gewaltigen, keineswegs abgeschlossenen Transformationsprozess. Er ist ein geachteter Dienst im Kreise unserer Partner. Er braucht natürlich Kontrolle wie jede Institution in einer Demokratie. Aber er verdient auch Vertrauen und unseren Schutz.
Vielen Dank.