Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 28.05.2006
Untertitel: Kulturstaatsminister Bernd Neumann würdigt in seinerRedeim Hotel Intercontinental in Berlin die Mitglieder des Ordens Pour le mérite, die am 28. und 29. Mai in Berlin ihre Jahresversammlung abhalten.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2006/05/2006-05-28-tischrede-beim-essen-fuer-die-mitglieder-des-ordens-pour-le-m_C3_A9rite,layoutVariant=Druckansicht.html
im Namen der Bundesregierung begrüße ich Sie ganz herzlich. Ich freue mich, dass Sie meiner Einladung gefolgt sind. Die Mitverantwortung meines Ressorts für den Orden Pour le mérite, dieser traditionsreichen Institution, und die Ausrichtung seiner Tagungen gehört zu den ehrenvollsten Aufgaben meines Amtes. Schon deswegen habe ich mich auf die Begegnung mit Ihnen gefreut.
Gefreut habe ich mich aber auch angesichts des erlesenen Kreises, den Ihr Orden bildet. In den Orden Pour le mérite wird man nicht ohne Grund aufgenommen.
Wer in diesen Kreis gewählt wird, hat seine Meriten schon verdient und, so sagt es die Satzung,"seine Leistung in Wissenschaft und Kunst" hat "breite Anerkennung gefunden".
Auf diejenigen, die aufgrund ihres Lebensalters über besondere Erfahrung verfügen, kann kein Gremium, kann keine Gesellschaft verzichten. Sie, sehr geehrter Herr Professor Baltes, haben schon 2004 festgestellt, dass das Gemeinwohl allein durch "das orchestrierende Zusammenspiel der Wissenskörper und Entscheidungsparitäten der verschiedenen Lebensalter und Generationen optimiert" werde.
Damit sei, so fuhren Sie fort, die Exklusivität von Jugend und die Abwesenheit des Alters im derzeitigen Deutschen Bundestag ein Problem für das Gemeinwohl geworden. Ich weiß nicht, lieber Norbert Lammert ) , ob das eine auf mich und das andere auf Sie gemünzt ist, ob auch wir Teil dieses Problems sind.
Sie, meine Damen und Herren, gehören alle jener gesellschaftlichen Gruppierung an, für die sich seit dem 18. Jahrhundert der Begriff einer Elite herausgebildet hat.
Der Bundespräsident schreibt treffend im Vorwort zum Katalog der Ausstellung über den Orden, die heute Abend in der Alten Nationalgalerie eröffnet wird: "Die Satzung des Ordens verwendet das Wort Elite nicht, aber sie handelt davon."
Der Begriff und dessen positiver Gehalt waren lange tabuisiert. Seit geraumer Zeit muss man ihn nicht mehr flüstern oder ganz vermeiden. Mittlerweile können wir offen sagen, dass unsere Gesellschaft Eliten hat und nur mit Eliten funktioniert. Wir können bekennen, dass die Gesellschaft Eliten braucht, um die Probleme der Zukunft zu lösen.
Darüber sind sich heute alle einig. Eliten sind nach dem Philosophen Helmuth Plessner Gruppen, die das Ergebnis einer Selektion darstellen, die zugleich zu ihrer Rechtfertigung dient. Unsere offene demokratische Gesellschaft hat die alten Rekrutierungsformen von Eliten im Großen und Ganzen ersetzt durch das Prinzip der Auswahl nach bester Qualifikation und Leistung. Und das ist erst einmal gar nicht so falsch. Man wird nun einmal kein weltberühmter Pianist ohne herausragende Fähigkeiten am Klavier. Ebenso wenig stößt man zur Wissenschaftselite, ohne hervorragende Leistungen zu erbringen, ohne neue Antworten auf alte Fragen zu geben, die uns auf den verschiedenen Sektoren ein Stück weit zukunftsfähiger machen.
Aber zur geistigen Elite gehören mehr als rein fachliche Qualifikation und Leistung. Ein Vorgänger des jetzigen Ordenskanzlers, der Rechtsgelehrte Helmut Coing, hat schon vor mehr als 20 Jahren in einer Studie über die Ausbildung von Elitebeamten in Frankreich, den angelsächsischen Ländern und Deutschland auf die Bedeutung der kulturellen Bildung hingewiesen. Zugleich stellte er schon damals Defizite im deutschen Ausbildungswesen fest.
Unser Land braucht auch in der Zukunft Eliten, die nicht nur als Spezialisten hochqualifiziert sind, sondern die kulturell gebildet sind.
Dabei ist kulturelle Bildung nicht zu verwechseln mit kulturellem Wissen. Kulturelle Bildung formt die Persönlichkeit, sie umfasst soziale Kompetenz ebenso wie moralisches Bewusstsein. Beides ist aus meiner Sicht unabdingbare Voraussetzung für diejenigen, die heute einer Elite angehören wollen, sei es durch Macht, Leistung oder fachliche Qualifikation. Kulturelle Bildung hat darüber hinaus auch etwas zu tun mit dem, was die Franzosen "education du coeur" nennen.
Niemand bezweifelt, dass das aktive Musizieren etwa der drei bedeutendsten deutschen Physiker des vorigen Jahrhunderts etwas mit deren mathematisch-physikalischer Genialität zu tun hatte.
Ich spreche von Einstein, Planck und Heisenberg, deren wissenschaftliche Intelligenz wesentliche Impulse eben auch aus kulturellen Traditionen und einer bestimmten Wertorientierung erhalten hat. Diese Definition von Eliten, das klare Bekenntnis dazu und die entsprechenden Konsequenzen in unserer Bildungs- , Hochschul- und Gesellschaftspolitik sind die Voraussetzungen dafür, unsere Gesellschaft zukunftsfähig zu machen und gleichzeitig den Abwanderungstrend von Akademikern, Wissenschaftlern und Kulturschaffenden aus Deutschland zu bremsen. Das ist ein wichtiges Ziel der Kultur- und Bildungspolitik dieser Bundesregierung.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich schließen mit einem Satz des preußischen Kultur- und Bildungspolitikers Wilhelm von Humboldt ( dessen Bruder Alexander der erste Kanzler des Ordens war ) : "Was verlangt man von einer Nation, einem Zeitalter, von dem ganzen Menschengeschlecht, wenn man ihm seine Achtung und seine Bewunderung schenken soll? Man verlangt, dass Bildung, Weisheit und Tugend so mächtig und allgemein verbreitet als möglich unter ihm herrschen, ( ... ) dass der Begriff der Menschheit ( ... ) einen großen und würdigen Gehalt gewönne."
Sie, meine Damen und Herren Ordensmitglieder, haben dieses Ziel mit Ihren künstlerischen und wissenschaftlichen Werken immer unterstützt. Ich denke, dass wird auch in Zukunft so sein. Darauf erhebe ich mein Glas.