Redner(in): Angela Merkel
Datum: 29.05.2006

Untertitel: Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel anlässlich des ersten Spatenstichs für Vattenfalls CO2-freies Braunkohlekraftwerk am 29. Mai 2006 in Spremberg
Anrede: Lieber Herr Josefsson, sehr geehrter Herr Rauscher, Herr Platzeck, meine Herren Minister, Herr Freeseund vor allen Dingen Sie, meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2006/05/2006-05-29-bundeskanzlerin-merkel-beim-ersten-spatenstich-des-co2-freien-braunkohlekraftwerks-der-firma-v,layoutVariant=Druckansicht.html


die Sie heute alle hierher gekommen sind,

Herr Josefsson hat uns eben gesagt, er gehe davon aus, dass heute ein wunderbarer Tag sei. Ich glaube auch, gerade wenn wir an diesem Kraftwerksstandort "Schwarze Pumpe" sind, dass es ein Wunder ist, was hier in den letzten Jahren geleistet wurde.

Es ist eben von Herrn Rauscher daran erinnert worden, in welchen Etappen man hier vorgegangen ist. Dass wir heute mit einer klimaverträglichen Kohleverstromung schon riesige Schritte mit höchsten Wirkungsgraden gegangen sind, ist ein großer technischer Erfolg. Das ist gut für diesen Standort und das ist gut für die ganze Region. Aber das ist natürlich auch für die Kraftwerkstechnologien insgesamt und für den Braunkohlebergbau wichtig. Denn die innovativen Technologien werden gerade in Ostdeutschland, wo die Braunkohle eine feste Heimat hat, ganz besonders gebraucht, weil die Braunkohle natürlich immer wieder Gegenstand von kontroversen Auseinandersetzungen ist.

Ich glaube, die Lausitz und das Land Brandenburg können sehr stolz auf das sein, was hier erreicht wurde. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben dazu erhebliche Beiträge geleistet. Aber die Bedeutung dieses Vorhabens - das will ich sehr deutlich sagen - reicht über Brandenburg hinaus.

Die Zukunftsfähigkeit der Verstromung von Braunkohle ist eine generelle Frage an die Bundesrepublik Deutschland. Deshalb freue ich mich, wenn diese Frage der Braunkohleverstromung zu den Ideen gehört, die wir immer wieder weiterentwickeln und aus denen wir vor allen Dingen Produkte machen, die ihresgleichen suchen und die weiter vermarktbar sind.

Die deutsche Stromerzeugung beruht derzeit zu mehr als einem Viertel auf der Nutzung von Braunkohle. Ich bin davon überzeugt, dass die Braunkohle im deutschen Energiemix auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird. Es werden aus klimapolitischer Sicht zwar immer wieder Bedenken geäußert. -Aber wir wollen uns vielleicht doch noch einmal auf die Vorzüge der Braunkohle konzentrieren.

Die Braunkohle ist ein kostengünstiger heimischer Energieträger. Das ist ja nun angesichts von anderen Kohlearten nicht ganz unwichtig. Sie ist ein Energieträger, von dem wir mit Fug und Recht behaupten können, dass wegen der immer wieder diskutierten Klimabelastung gerade hier die technologischen Entwicklungen in Deutschland besonders weit gediehen sind und die Umwelttechnologie besonders ausgeprägt ist. Man kann sagen, dass insbesondere der ostdeutsche Braunkohlebereich zu den effizientesten und umweltfreundlichsten Technologien weltweit gehört. Dies ist auch eine wichtige Voraussetzung für den Export. Wir können davon ausgehen, dass Braunkohle auch weltweit eine wichtige Rolle spielen wird.

Ich bin jetzt gerade aus China zurückgekommen. Man kann auch viele andere Länder als Beispiele nennen, in denen die Technologie sicherlich mit großer Aufmerksamkeit verfolgt wird und in die sie exportiert werden kann. Das ist für Deutschland immer wieder sehr wichtig.

Nun hat Vattenfall sich mit dem nicht zufrieden gegeben. Dafür möchte ich Ihnen danken. Sie denken über den Tag hinaus. Das ist die Voraussetzung dafür, Technologien auch langfristig nutzbar zu machen. Deshalb mein herzlicher Glückwunsch zu Ihrer Entscheidung, heute hier für eine Pilotanlage einen Grundstein zu legen, die dann hoffentlich im Jahre 2008 in Betrieb gehen kann.

Ich bin sehr gern dabei, wenn eine Weltneuheit ausprobiert wird und Sie versuchen, die Vorteile der Energieerzeugung aus Braunkohle zu nutzen, und Sie sich gleichzeitig auch mit den Nachteilen auseinandersetzen, weiterdenken und fragen: Wie wird das in zehn oder zwanzig Jahren aussehen, und was müssen wir bis dahin geleistet und erprobt haben?

Bei der Erarbeitung eines in sich schlüssigen Energiekonzepts, an dem ja Vattenfall beteiligt ist, an dem auch die Gewerkschaften beteiligt sind, wollen wir uns seitens der Bundesregierung bis zum zweiten Halbjahr 2007 vor Augen führen: Was sind die Herausforderungen, vor denen wir bis 2020 stehen?

Für zu viele Menschen kam über zu viele Jahre hinweg der Strom einfach aus der Steckdose, ohne sich darüber Gedanken gemacht zu haben. Wir sehen ja auch an dieser Pilotanlage: Die Technologieentwicklung hat einen weiten Vorlauf. Man kann nicht von einem Tag auf den anderen entscheiden, dass man das anders machen will. Deshalb muss man sich genau überlegen: In welchem Energiemix wollen wir voranschreiten?

Dabei ist natürlich das Thema CO2 -freie Energieerzeugung ein ganz wichtiges Thema. Wir haben in Deutschland durchaus kontroverse Diskussionen über die Zukunft der Kernenergie. Aber wir haben mit Sicherheit - unbeschadet der Frage, wie man darauf schaut - ein hohes Interesse daran, auch andere Energieerzeugungsarten CO2 -frei zu machen.

Wir wissen nicht, wie sich die Preisstrukturen entwickeln werden. Sie wissen, dass sich die CO2 -Lizenzen preislich ganz anders entwickelt haben, als man sich das dachte. Es kann angesichts von Klimaerwärmungen sehr schnell dazu kommen, dass die CO2 -Emissionen noch einmal sehr viel stärker bewertet werden. Dann haben natürlich diejenigen einen Vorsprung, die sich beizeiten mit der Frage der CO2 -freien Kraftwerke auseinandergesetzt haben.

Also: Es geht um moderne Technologien; es geht darum, in die Zukunft zu blicken. Mit dieser Pilotanlage tun Sie genau das. Ich bin ganz sicher: Man wird nicht nur in Deutschland auf Sie schauen, sondern man wird sich das auch international genau ansehen.

Nun gibt es wie bei jedem Versuch auch wieder Kritik. Diese sollte man von ihrer produktiven Seite nehmen und überlegen: Was kann man noch besser machen? Aber richtig ist auch: Wer gar nichts tut, der wird mit Sicherheit zum Schluss keine Erfolge haben.

Deshalb bedanke ich mich dafür, dass Sie in eine Pilotanlage investieren, ohne die 100-prozentige Gewissheit zu haben, dass diese Art der CO2 -Abscheidung erfolgreich sein wird, und Sie nicht darauf warten, dass diese Art der Pilotanlage schon alle Fragen beantwortet hat, bevor sie überhaupt in Betrieb geht. Es ist doch so: Man hat die Idee; man hat den kleinen Labormaßstab. Dann braucht man eine Pilotanlage und dann muss man entscheiden, ob und unter welchen Rahmenbedingungen man das großtechnisch machen kann. Diesen Weg muss man durchschreiten.

Ich glaube, dass dies ein Beitrag zum weltweiten Klimaschutz ist. Nicht umsonst sind aus Brandenburg heute der Umweltminister und der Wirtschaftsminister hier. Für beide bedeutet dies eine wichtige Investition. Wir haben natürlich auch als Bundesregierung ein sehr hohes Interesse daran, dass wir von Ihren Erfahrungen lernen. Ich glaube, dass wir Ihren Weg mit der Pilotanlage mit Aufmerksamkeit begleiten sollten. Ich werde mich dann in absehbarer Zeit danach erkundigen, wie die Sache läuft. Wir wissen, dass Sie die Ersten sind, dass aber andere Energieerzeuger auch über solche Themen nachdenken. Wenn aber Deutschland in solchen Bereichen vorn ist, dann wird es uns hier für Jahre und Jahrzehnte die Technologieführerschaft sichern. Ich bin davon zutiefst überzeugt.

Wenn man sich anschaut, welche umweltpolitischen Fragestellungen sich jetzt in Ländern mit hohem Wirtschaftswachstum -ich muss noch einmal auf China zurückkommen- in aller Macht und in aller Härte stellen, dann kann ich nur sagen: Dann sind wir gut daran, wenn wir vorgebaut haben.

Deshalb freue ich mich, dass Sie mit diesem Projekt einen Beitrag dazu leisten, dass a ) die Braunkohle eine Zukunft hat und dass Sie b ) dem Image Deutschlands, dessen Markenzeichen es ist, Wirtschaftlichkeit, Effizienz und Umwelttechnologien zusammenzubringen, wieder einen guten Dienst erweisen. Ich sage auch: Ich freue mich, dass die neuen Bundesländer mit dabei sind. Wenn in Brandenburg etwas Gutes passiert, dann ist es für mich immer besonders schön, weil ich da aufgewachsen bin.

Ich kann nur sagen: Herzlichen Glückwunsch. Ich freue mich, heute hier dabei zu sein. Ich wünsche all denen, die an dieser Anlage mitarbeiten, ein gutes Gelingen und neugierige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Schauen Sie, dass der Wirkungsgrad möglichst hoch wird. Das wird dann Eindruck machen.

Herzlichen Dank.