Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 30.05.2006
Untertitel: Staatsminister Bernd Neumann referiert bei der MediaNight der CDU im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2006/05/2006-05-30-qualitaet-vielfalt-und-verantwortung-der-medien-eckwerte-einer-zukunftsgerichteten-medienpoliti,layoutVariant=Druckansicht.html
wenn wir uns fragen, was wir über die Welt wissen und aus welchen Quellen dieses Wissen stammt, müssen wir feststellen: Der weitaus größte Teil unseres Welt-wissens beruht nicht auf eigener Anschauung und Erkenntnis, sondern auf medial vermittelten Informationen und Erfahrungen. Von Kindesbeinen an speist sich unsere Sicht der Wirklichkeit entscheidend daraus, wie sie andere Menschen wahrnehmen und in Wort, Schrift und Bild der Wahrnehmung darstellen und bewerten.
Die Produkte der Medien, die wir hören, sehen, lesen und aufnehmen, sind für Individuum und Gesellschaft von herausragender Bedeutung und keine bloße Ware. Deshalb bedarf es politischer, rechtlicher, gesellschaftlicher, kultureller und wirtschaftlicher Voraussetzungen, damit die Medien ihren unverzichtbaren Beitrag zur Demokratie leisten können. Hier ist der Ort der staatlichen Medienpolitik, die nicht nur angesichts der Digitalisierung vor großen Herausforderungen steht.
Unser Medienangebot aus öffentlich-rechtlich und privat organisierten Medien ist - auch international gesehen - eines der vielfältigsten der Welt. Dessen Grundlagen verteidigen Bund und Länder daher in Brüssel Hand in Hand. Die Schwierigkeiten mit der EU entstehen durch die Doppelfunktion des Rundfunks als Kultur- und Wirtschaftsgut. Als Kulturgut ist der Rundfunk allein in nationaler Obhut - als Wirtschaftsgut Teil des europäischen Binnenmarktes. Die Kultur und damit das Kulturgut Rundfunk muss in der Kompetenz der Mitgliedstaaten bleiben. Nach dem Amsterdamer Protokoll sind die Mitgliedstaaten befugt, die Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu bestimmen und ihn entsprechend zu finanzieren. Uns geht es dabei vor allem darum, dafür zu sorgen, dass sich beide Säulen des dualen Systems fair entwickeln können.
Insbesondere die technische Entwicklung erfordert eine Revision der EU-Fernsehrichtlinie. Die Folge der digitalen Konvergenz der Kommunikationsnetze, der Medieninhalte und Geräte ist, dass praktisch alle Dienste auf allen Endgeräten genutzt werden können. Die technischen Veränderungen zeigen: Wir brauchen eine funktionale Begriffsdefinition, wie sie auch die Generaldirektion Medien und Informationsgesellschaft will: Die Definition muss dynamisch, entwicklungsoffen und technologieneutral sein. Wir brauchen einen kohärenten europäischen Rechtsrahmen für die Medien, gleichviel auf welchen Übertragungswegen oder Plattformen sie verbreitet werden. In manchen Punkten ist die EU-Kommission allerdings über das Ziel hinausgeschossen. Ich nenne hier exemplarisch nur das Thema Product Placement. Das werden wir, so wie es vorgesehen ist, nicht zulassen. Programm und Werbung müssen auch weiterhin getrennt bleiben.
Die Bundesregierung unterstützt die Entscheidung der Kommission, Hörfunk und elektronische Presse ausdrücklich von der Harmonisierung auszunehmen. Denn dafür gibt es keinen Bedarf. Ich begrüße es, dass alle Dienste, bei denen die Verbreitung audiovisueller Inhalte lediglich eine Nebenerscheinung ist, nicht von der Richtlinie erfasst werden sollen. Dadurch wird sichergestellt, dass die Industrie für ihre Internetauftritte audiovisuelle Elemente nutzen kann, ohne Gefahr zu laufen, den Regelungen der erweiterten Richtlinie zu unterliegen.
Die Printmedien sind nach wie vor eine tragende Säule unserer Informationsgesellschaft. Sie sind privat organisiert, und das ist gut so. Sie haben nichts desto trotz eine besondere Verantwortung. Gerade das geschriebene Wort ist prädestiniert, die Menschen differenziert, profund und nachhaltig zu informieren und ihnen verlässliches Orientierungswissen zu vermitteln. Ein gravierender Bedeutungsverlust dieser Medien würde deshalb in letzter Konsequenz die kulturelle Substanz unseres Gemeinwesens bedrohen.
Bei den Printmedien stellt sich die Frage, inwieweit die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu verbessern sind. Dabei werden sicher auch die Bedeutung des Pressevertriebs und crossmedialer Verwertungsketten für die Meinungsvielfalt sowie die Rolle ausländischer Investoren auf dem deutschen Medienmarkt zu bedenken sein.
Anlässlich des gescheiterten Fusionsfalles Springer / ProSiebenSat1 möchte ich betonen: Medien sind keine beliebige Ware, sondern auch wichtige Elemente unserer Kultur und unserer demokratischen Gesellschaftsordnung mit einer herausgehobenen Verantwortung. Dies muss nicht nur der Staat, sondern auch jeder private Investor beachten, der sich im Medienbereich engagiert. Für deutsche Unternehmen ist dieses wohl selbstverständlich. Ob das ebenso und von vorneherein von ausländischen Investoren so gesehen wird, ist zu hinterfragen. Ich würde es deshalb für keine zufriedenstellende Lösung halten, wenn die negativen Entscheidungen des Bundeskartellamtes und der KEK zur Folge hätten, dass beim Erwerb von in Deutschland ansässigen Unternehmen ausschließlich ausländische Investoren zum Zuge kommen können. Eine sorgfältige Analyse der Entscheidungen wird zeigen, ob das geltende Medienrecht die Medienvielfalt und die internationale Konkurrenzfähigkeit deutscher Medienunternehmen angesichts sich verändernder Medienmärkte auch in Zukunft noch sichern kann, oder ob ggf. der Gesetzgeber gefordert ist.
Das Stichwort "rechtlicher Schutz" als Instrument der Medienpolitik spielt derzeit besonders in der Diskussion über die laufende Reform des Urheberrechts eine große Rolle. Dies betrifft nicht nur den Film in besonderer Weise, sondern auch die Musikproduktionen. Selbst wenn einige Probleme der Musikwirtschaft hausgemacht sind, darf man das Phänomen von Peer-to-Peer-Tauschbörsen und der so genannten Raubkopien nicht unterschätzen. Daher geht es uns bei der Novellierung des Urheberrechts aus kultur- und medienpolitischer Sicht gerade darum, die Rechte der Urheber im digitalen Umfeld zu wahren, sie vor Diebstahl ihres geistigen Eigentums zu schützen.
Dabei wäre aus meiner Sicht die von der ehemaligen rot-grünen Bundesregierung vorgesehene Einführung der so genannten Bagatellregelung fatal gewesen, weil der Eindruck entstanden wäre, bei ausschließlich privater Nutzung sei die Verletzung fremder Urheberrechte legitim. Auch auf anderen Gebieten - etwa beim "Schwarzfahren" oder "Ladendiebstahl" - ist eine gesetzliche Strafausschließung für "private Gelegenheitstäter" nicht hilfreich. So etwas hinsichtlich der Verletzung geistigen Eigentums einzuführen, liefe einem der eigentlichen Ziele des Gesetzentwurfs diametral entgegen, nämlich der Absicht, das Bewusstsein für geistiges Eigentum und die Anerkennung der kreativen Leistung zu stärken. Mit dem Verzicht auf die Bagatellklausel, den ich gegenüber Frau Zypries durchgesetzt habe, treten wir deshalb einer weiteren, nicht hinnehmbaren Aushöhlung der Urheber- und Leistungsschutzrechte entschieden entgegen. Weitere Schritte müssen folgen. Denn wenn wir geistiges Eigentum und Wissen nicht ausreichend schützen, wird auch der wissenschaftliche Fortschritt letztlich darunter leiden.
Ich hatte zu Beginn meiner Rede bereits darauf hingewiesen, dass gerade den Medienschaffenden - und hier besonders den Journalisten - eine hohe Verantwortung für eine lebendige, vielfältige und demokratische Medienlandschaft zufällt. Wir werden dieses Thema im Panel gleich noch ausführlich behandeln. An dieser Stelle deshalb nur so viel: Journalismus ist und bleibt eine besondere Profession. Nimmt man sie ernst, erfordert sie nicht nur eine solide fachliche Ausbildung. Sondern - mehr als in manch anderem Beruf - auch demokratisches Bewusstsein, Wahrheitsliebe, Toleranz, Unbestechlichkeit, Mut, Respekt vor der Menschenwürde. Und - sicher nicht zuletzt - die persönliche Souveränität, die Macht des öffentlichen Wortes und Bildes nicht zu missbrauchen. Die verfassungsrechtlichen Medienfreiheiten sind Privilegien, denen aber besondere Pflichten entsprechen.
Unsere freiheitliche Medienordnung ist keine Selbstverständlichkeit, sondern eine politische und kulturelle Leistung, die immer wieder neu erbracht, ja erkämpft werden muss. Das lehrt uns etwa der aktuelle "Karikaturenstreit". Wie immer man die Kollision von Pressefreiheit einerseits und Religionsfreiheit andererseits im Einzelfall lösen mag: Es darf in einer Demokratie keinem ernsthaften Zweifel unterliegen, dass die Pressefreiheit - freilich innerhalb der von der Verfassung selbst gezogenen Schranken - auch die satirische und damit ihrer Natur nach überzeichnende Darstellung schützt.
Es mag bisweilen politisch unklug sein, alles zu tun, was man darf. Aber es gehört eben zum Wesen unserer durch die Grundrechtsordnung verbürgten Demokratie, die legitime Grundrechtsausübung anderer auch dann zu ertragen, wenn sie einem selbst politisch falsch oder aus religiöser Sicht gar unerträglich erscheint. Diese "Urnorm" unseres Gemeinwesens ist in der europäischen und deutschen Geschichte über Jahrhunderte unter großen Opfern erstritten worden. Sie darf als eine der großen Errungenschaften der politischen Kultur Europas gelten. Und sie darf nicht in Frage gestellt werden. Ansonsten würden wir unsere Identität aufgeben.