Redner(in): Gerhard Schröder
Datum: 14.04.2000

Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/17/8117/multi.htm


Anrede.

Gerne bin ich der Einladung in die Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte in Heidelberg gefolgt.

Ich habe schon immer das Geburtshaus Friedrich Eberts besuchen wollen, der aus kleinen beengten Verhältnissen kam und nach der Revolution als Sozialdemokrat an die Spitze der ersten deutschen Republik gewählt worden ist.

Ich finde es imponierend, dass Ebert trotz dieses steilen Aufstieges zum ersten demokratisch gewählten Reichspräsidenten nie seine Herkunft verleugnet hat, nie den Kontakt zu dem einfachen Volk, heute würden wir sagen: nie die Bodenhaftung verloren hat.

Auch mit seiner unprätentiösen, aber würdevollen Amtsführung hat er nach dem Pomp des kaiserlichen Hofes Maßstäbe für die Repräsentation der demokratischen Weimarer Republik durch das Staatsoberhaupt gesetzt.

Blickt man vom Beginn des 21. Jahrhunderts zurück, so zeigt sich Friedrich Ebert als ein Politiker, der Politikelemente vorweggenommen hat, die sich erst nach 1949 in der Bundesrepublik durchgesetzt haben.

Nicht den klassenlosen Zukunftsstaat hat er verfochten, sondern er ist eingetreten für den sozialen Ausgleich zwischen Arbeiterschaft und Bürgertum, für die Aufhebung von Privilegien und die Gleichberechtigung aller Staatsbürger.

Von hier läßt sich eine Brücke schlagen zu dem modernen Projekt der zivilen Bürgergesellschaft, in der möglichst alle am Haben und Sagen teilhaben sollen.

Als Staatsoberhaupt hat er sich bei aller emotionalen Bindung an die Arbeiterschaft nicht einer Partei verpflichtet gefühlt, sondern dem gesamten deutschen Volk. Er hat nicht Partikularinteressen gedient, sondern dem Gemeinwohl. Rastlos hat er sich für Demokratie und Republik eingesetzt.

Dabei ist er bis zu seinem viel zu frühen Tod allen Verdächtigungen und Anwürfen der extremen Rechten und Linken entgegengetreten, die in seiner Person zugleich die ungeliebte Republik verunglimpfen wollten.

Aber leider hat es in der Weimarer Republik eben zu wenige Demokraten gegeben, die sich wie er vorbehaltlos für die Republik eingesetzt haben. Friedrich Ebert hat hier Maßstäbe gesetzt, die noch immer gültig sind.

Heute wissen wir, dass Demokratie eben nie endgültig gesichert ist, sondern immer wieder und von jeder Generation aufs Neue erkämpft und mit Leben erfüllt werden muss. Dieses Vermächtnis Friedrich Eberts bleibt für uns alle Verpflichtung.

Ich begrüße es daher sehr, dass in der heutigen Bundesrepublik zwei Institutionen dieses wichtige Erbe in besonderer Weise pflegen.

Neben der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin und Bonn, die diese Botschaft in alle Welt trägt, ist dies auch die Bundesstiftung "Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte" in Heidelberg.

Und für diese Aufgabe wünsche ich Ihnen und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gedenkstätte weiterhin gutes Gelingen.