Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 04.10.2006

Untertitel: Kulturstaatsminister Bernd Neumann würdigt in seiner Rede den großen und lang anhaltenden Erfolg von Rebecca Horn, der für ihn in der Sinnlichkeit und Anschaulichkeit ihres Werkes liegt.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2006/10/2006-10-04-rede-neumann-ausstellung-rebecca-horn,layoutVariant=Druckansicht.html


auf die Frage nach ihrem Wohnsitz soll Rebecca Horn stets zur Antwort geben: "Rebecca Horn reist." Das ist durchaus zutreffend, wenn man ihren Lebenslauf, die Schauplätze ihrer kleinen und großen Ausstellungen, ihrer Ehrungen und Auszeichnungen betrachtet:

Hamburg und London, New York und San Diego, Paris und Zürich, Venedig und Kassel. Das sind nur einige der Etappen auf den Reisen Rebecca Horns. Die wichtigste Etappe aber ist Berlin.

Hier in Berlin hatten Sie, verehrte Frau Horn, 1973 ihre erste Einzelausstellung, hier lehren Sie seit 1989 an der Hochschule der Künste, hier fand in der Neuen Nationalgalerie vor zwölf Jahren ihre letzte umfassende Werkschau statt. Hier wurden Sie kürzlich in Anwesenheit des Bundespräsidenten mit dem Piepenbrock-Preis ausgezeichnet, und hier in Berlin eröffnen wir heute Ihre große Ausstellung, die uns Ihr wunderbares, aufregendes, verstörendes Oeuvre in neuer Zusammenstellung präsentiert und besonders Ihr zeichnerisches Werk würdigt.

Ich möchte Sie alle sehr herzlich zur heutigen Ausstellungseröffnung im Martin-Gropius Bau begrüßen.

Die Affinität Rebecca Horns zu Berlin, das inzwischen einer ihrer Lebensmittelpunkte ist, das mag mit der besonderen Aura der Hauptstadt zu tun haben, jener unvergleichlichen Mischung aus Tradition und Aufbruch, aus Repräsentation und Provisorium, aus Weltmetropole und Provinz. Hier in Berlin sind die Narben der deutschen Geschichte ebenso sichtbar wie die glanzvollen Spuren Preußens, die Probleme der Gegenwart wie die positiven Veränderungen seit der Wende. Berlins Schönheit hat keine glatten Oberflächen. Berlin ist eine Baustelle im besten Sinn, weil hier ständig Neues entsteht.

Hier sind die Spannungen spürbar, aus denen Künstler und Kreative Anregungen und Impulse gewinnen. Auf dem Art Forum Berlin, das ich letzten Freitag besucht habe, konnte man sich von der Vitalität und von der Attraktivität der Stadt gerade für die Bildende Kunst und für eine junge Szene überzeugen.

Berlin besitzt einen unerhörten Reichtum an Kultureinrichtungen von Weltrang. Und weil Berlin die Hauptstadt der Kulturnation Deutschland ist, wandern jährlich 340 Millionen Euro aus dem Kulturetat der Bundesregierung in diese Metropole, ein Drittel des Haushaltes des Beauftragten für Kultur und Medien. Davon fördern wir Traditionelles ebenso wie Zeitgenössisches, die Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ebenso wie das Haus der Kulturen der Welt, die Berlinale ebenso wie das Deutsche Sinfonie Orchester.

Denn neben dem Bewahren muss immer auch das Neuerfinden stehen. Auch zu dieser Ausstellung hat der Bund als Finanzier der Berliner Festspiele und des Hauptstadtkulturfonds mit über 300.000 Euro entscheidend beigetragen, und darauf können wir besonders stolz sein.

Wir können auf diese Ausstellung stolz sein, nicht nur, weil Rebecca Horn eine weltweit gefeierte Künstlerin ist und eine der wichtigsten Persönlichkeiten der zeitgenössischen Kunstszene. Sondern vor allem, weil hier ein Werk vorliegt, dass über Jahrzehnte in seiner stilistischen Vielfalt, in seiner Kühnheit und in seiner Konsequenz unvergleichlich und einzigartig geblieben ist. Rebecca Horns Reiselust und Mobilität scheinen im breiten Spektrum ihrer Arbeiten eine Entsprechung gefunden zu haben.

Sie ist Perfomancekünstlerin und Filmemacherin, Zeichnerin und Poetin, Bildhauerin und Erfinderin so fantastischer Apparaturen wie der "Pfauenmaschine", dem "Ballett der Spechte" oder der "Chinesischen Verlobten". Damit verbinden sich kluge, vielschichtige Reflexionen über Zeit und Raum, Individuum und Gesellschaft oder über Körperbilder und Geschlechterrollen. Immer wieder hat die Künstlerin dabei die Grenzen der Genres überschritten und wichtige Impulse für die Weiterentwicklung der Künste gegeben.

Der große und lang anhaltende Erfolg von Rebecca Horn liegt aber, so glaube ich, vor allem an der Sinnlichkeit und Anschaulichkeit ihres Werks. Rebecca Horn bietet dem Betrachter dazu vielerlei Zugänge:

Sie verführt mit der Poesie der Werktitel, fasziniert durch die präzise Mechanik der Maschinen oder fesselt uns mit der Lust am Spielerischen. Und dieses Staunen und Sich-Wundern ist ja stets die schönste Vorstufe zum Nachdenken und Erkennen.

Die eigens für diese Ausstellung geschaffene Arbeit "Das Universum in einer Perle" ist dafür ein schönes Beispiel. Und ich freue mich, dass hier im Gropius-Bau mit der "Paradieswitwe" auch eine Leihgabe der Bundeskunstsammlung zu sehen ist, eine Erwerbung, die dem Bund zur Ehre gereicht und beweist, welche Qualität von Kunstwerken in der Sammlung vorzufinden ist.

Die Ausstellung von Werken Rebecca Horns ist ein Gemeinschaftsprojekt von vier Museen und Ausstellungsinstitutionen. Ihnen sowie allen Leihgebern gilt mein besonderer Dank. Danken möchte ich auch Herrn Dr. Joachim Sartorius von den Berliner Festspielen und Herrn Gereon Sievernich vom Martin-Gropius-Bau, der uns mit dieser Ausstellung einmal mehr beweist, was für ein vielseitiger Kunstraum dieses Gebäude ist. Die Rebecca Horn-Ausstellung wird, da bin ich sicher, den Ruf der Kunstmetropole Berlin eindrucksvoll unterstreichen.

Ich wünsche uns allen nun spannende Begegnungen mit den Arbeiten Rebecca Horns. Der Ausstellung wünsche ich viel Erfolg und zahlreiche Besucher.

Verehrte Frau Horn, Sie haben einmal gesagt: "Der Weg hört nie auf, man ist immer ein Lernender." Ich danke Ihnen für die Reisen, von denen Sie uns Ihr fantastisches, bewegendes Werk mitgebracht haben.

Vielen Dank.