Redner(in): Angela Merkel
Datum: 18.10.2006

Untertitel: am 18. Oktober 2006 in Berlin-Schwanenwerder
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2006/10/2006-10-18-rede-bkin-mittelstandspreis,layoutVariant=Druckansicht.html


Sehr geehrter Herr Professor Würth,

sehr geehrter Herr Sturm,

sehr geehrter Herr Professor Berger,

sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Dieter Althaus,

liebe Frau Althaus,

liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Deutschen Bundestag,

vertreten ganz besonders durch die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und den Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder,

werte Festversammlung aus Wirtschaft, Politik und vielen anderen Bereichen!

Ich freue mich, heute Abend hier zu sein. Ich bin beeindruckt von dem Gebäude, in dem wir diese Preisverleihung feiern können. Ich glaube, dass dies genau der Ort ist, an dem ein solcher Preis auch richtigerweise verliehen wird. Deshalb ein ganz herzliches Dankeschön, Herr Professor Würth, dass Sie das hier ermöglicht haben, dass Sie uns auch durch Ihre persönliche Anwesenheit hier beehren.

Es ist sozusagen die Anwesenheit eines Mannes, der eine prägende Kraft der Sozialen Marktwirtschaft darstellt und der für Menschen sichtbar macht, was sich hinter dem theoretischen Konstrukt der Sozialen Marktwirtschaft verbirgt? z. B. Schrauben; eben Dinge, die man verkaufen kann. Dahinter verbirgt sich ein Glaube daran, dass man ein Produkt hat, das andere Menschen interessiert, und der unermüdliche Elan, zu überlegen, wie man es noch ein ganz kleines bisschen besser machen kann.

Es gab sicherlich viele Momente in Ihrer Firmengeschichte, in denen Sie hätten stehen bleiben und sagen können: Ich habe mehr geschafft als die, die vor mir da waren. Aus einer inneren Antriebskraft heraus, die wir, die wir der Sozialen Marktwirtschaft verpflichtet sind, für eine wesentliche Eigenschaft des Menschen halten, haben Sie aber immer weiter gedacht. Dafür ein herzliches Dankeschön, denn das ist etwas, das auch diesen Preis auszeichnet.

Was die einen in der Wirtschaft machen, auch wenn sie vielleicht manchmal Zweifel haben, tun die anderen in der Politik. Auch sie überlegen, wie es besser sein kann. Deshalb danke ich dafür, dass sich die UMU dafür entschieden hat, Dieter Althaus den Mittelstandspreis 2006 zu verleihen. Vorneweg, lieber Dieter, möchte ich Dir ganz herzlich gratulieren, denn ich glaube, dass es viele gute Gründe dafür gibt? sie sind aus Sicht der Wirtschaft eben schon genannt worden? , dass Du diesen Preis bekommst.

Die UMU hat auch einen Schritt hin zur Deutschen Einheit getan. Zum ersten Mal erhält nämlich ein ostdeutscher Politiker diesen Preis. Ich würde sagen, dass es an der Zeit war, sich so zu entscheiden. Die vielen Vertreter des Freistaates Thüringen? auch eine hoch interessante Entscheidung, sich damals nach der Deutschen Einheit zum Freistaat zu bekennen? zeigen, dass dies auch ein Stück weit ein Preis für das ganze Bundesland ist - ein Bundesland, das den Wandel von der Plan- zur Sozialen Marktwirtschaft gut gemeistert hat, mit all den Schwierigkeiten, denen man da begegnet. Auch das darf ich vielleicht aus eigener Erfahrung sagen.

Es ist sicherlich sehr spannend, an der Gesamtgeschichte einer Republik wie der Bundesrepublik Deutschland teilhaben zu können. Aber wenn sie auf einem relativ hoch entwickelten Stadium dazustoßen, dann ist das nicht immer nur einfach, weil eigentlich alles schon einmal vorher gedacht, ausprobiert und die Überlegenheit der Ordnung der Sozialen Marktwirtschaft niemals in Frage gestellt wurde. Aber die, die wir aus der früheren DDR und dann aus den neuen Bundesländern kamen, hatten doch irgendwie den Eindruck, dass wir uns ab und zu auch schon einmal etwas überlegt hatten. Doch wie bringt man das unter Menschen, die doch glauben, dass sie im Wesentlichen alles schon einmal bedacht haben?

Bevor ich auf die wirtschaftliche Kraft Deutschlands zu sprechen komme, möchte ich noch festhalten, dass zu den herausragenden Eigenschaften sicherlich der Aspekt des Bildungssystems gehört. Dieter Althaus war Kultusminister. Das, was man ganz einfach machen konnte, war, alles eins zu eins aus dem Westen zu übernehmen. Man hat dafür im Allgemeinen auch Lob bekommen. Aber Dieter Althaus gehörte zu denen, die sich nicht ganz sicher waren, ob das auch tatsächlich die beste Möglichkeit war. Dann hat er sich dafür eingesetzt, dass z. B. das Abitur in 12Jahren geschafft werden sollte. Das galt Anfang der 90er Jahre als eine ziemliche Ungeheuerlichkeit. Bayern hatte dabei Bremen im Visier. Ich will nicht sagen, dass Thüringen gleich danach kam, aber man wusste noch wenig über Thüringen. Deshalb dachte man, dass die, die sozusagen keine Leistung abfordern, sich jetzt noch mit denen kombinieren, die nur noch 12Jahre bis zum Abitur in der Schule sitzen bleiben wollten. Man hatte damals verkannt, dass Bremen wahrscheinlich an den 13Schuljahren mehr gehangen hat als andere Länder. Jedenfalls hat man damals unglaublich streng von den ostdeutschen Kultusministern verlangt, dass 12Jahre Abitur nur dann erlaubt sind, wenn die gleiche Stundenzahl auch wirklich abgearbeitet wird, die andere bis zum 13. Schuljahr haben. Aber Sachsen, Thüringen und andere haben daran geglaubt und haben gesagt: Das machen wir.

Ich muss Ihnen sagen: Die Einführung des "grünen Pfeils" war okay. Wenn er für den Westen ein Stück Freiheit bedeutet, dann soll mir das recht sein. Aber die Tatsache, dass sich heute selbst der geschätzte Freistaat Bayern für 12Schuljahre bis zum Abitur entschieden hat, ist der eigentlich historische Sieg, würde ich sagen. Dass es ein Land wie Thüringen geschafft hat, mit Sachsen zusammen in der Spitzengruppe der deutschen Bundesländer bei der PISA-Studie zu sein, trotz oder vielleicht wegen der 12Schuljahre, gehört zu den wirklich guten Resultaten.

Ich kann das fortsetzen. Das waren die ersten politischen Schritte von Dieter Althaus, die er mit klarem Kopf, guter Argumentation und einer Portion Sturheit, die man auch braucht, um Überredungskünsten widerstehen zu können, gemeistert hat. Ich kann das auch mit der wirtschaftlichen Entwicklung Thüringens fortsetzen, für die er sich immer eingesetzt hat und für die er als Ministerpräsident natürlich jetzt auch in einem hohen Maß verantwortlich ist.

Das wirtschaftliche Wohlergehen Thüringens hängt nahezu ausschließlich vom Mittelstand ab. Dass sich der von der Industrie erwirtschaftete Umsatz in den letzten 15, 16Jahren vervierfacht hat, dass sich die Exportquote nahezu verdoppelt hat und dass 80 % dieser Umsätze aus den kleinen und mittleren Unternehmen stammen, sind sozusagen die Kennziffern, die zeigen, wie hart für eine solche Dynamik auch gearbeitet werden musste. Deshalb hat die Stärkung des Mittelstandes für einen Politiker wie Dieter Althaus natürlich oberste Priorität. Aber das sagt sich in der Überschrift so leicht. Das muss dann ja auch mit Taten ausgefüllt werden, die von einer Bundesregierung sicherlich vorgegeben werden können, die aber in einem Bundesland, das im Wettbewerb mit anderen steht, immer wieder auch heruntergebrochen werden müssen.

Thüringen hat sich entschieden, Verbundprojekte durchzuführen und Netzwerke aufzubauen, d. h. , den Gedanken des Mittelstandes nicht durch Zentralisierung zu ersetzen, sondern Möglichkeiten der Kooperation zu finden, die aus einzelnen Stärken eine größere gemeinsame Stärke machen. Da gibt es z. B. Cluster und Netzwerke für

die Bereiche Biotechnologie, Kfz-Technik und Photonik. Es ist angesichts des Standes, den wir in Bezug auf die Realisierung Ende der 80er Jahre bzw. Anfang der 90er Jahre hatten, nicht so ganz einfach gewesen, das auch wirklich in Spitzenleistungen umzusetzen. Der Wettbewerb ist natürlich hart.

Es ist in Thüringen immer klar gewesen, dass wir das nur mit Innovation und Kreativität schaffen können. Durch diese beharrliche Präsenz innovativer mittelständischer Unternehmen hat es Thüringen jetzt auch geschafft, sich einen Ruf zu erwerben, bei dem auch größere Investoren den Fuß in das Land setzen. Ich durfte dabei sein, als Lufthansa und Rolls-Royce die Grundsteinlegung für ihr Instandhaltungswerk für Triebwerke der Flugzeugtechnologie in Thüringen gefeiert haben. Auch das ist ein Meilenstein für neue Möglichkeiten. Zu verdanken ist das dem beharrlichen Einsatz von Dieter Althaus und anderen aus Thüringen dafür, dass Infrastruktur gebaut werden muss, dass man sich dazu bekennen muss, dass Mobilität ein Teil unserer Welt des 21. Jahrhunderts ist, in der wir erfolgreich sein wollen. Das hat natürlich auch die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Thüringen heute gut angebunden ist, dass Thüringen mit Hessen eng verwoben ist, dass man schnell zu den Zentren des Rhein-Main-Gebietes gelangen kann, dass man erreichbar ist und immer wieder gesagt hat, dass man das auch sein will.

Nun ist die Frage: Wie kann eine Laudatorin wie ich einen Beitrag dazu leisten, dass das, was in Berlin geschieht, nicht konterkarierend auf das wirkt, was Dieter Althaus in Thüringen möchte? Ich möchte erst einmal für eine wirklich gute Zusammenarbeit danken. Ordnungspolitik und das Verständnis dafür ist die eine Sache. Aber Mittelständler wissen andererseits auch zu schätzen, wenn bei einer generell gut ausgeprägten ordnungspolitischen Linie ab und an noch ein Herz für den Einzelfall vorhanden ist. Auch das hat schon viel zustande gebracht. Wenn einer einmal in Not ist, wenn die Gesamtheit einmal etwas braucht, muss man auch als Politiker, vielleicht anders als ein Finanzexperte, in der Lage sein, menschliche Schicksale zu erkennen, Entscheidungen darüber treffen, ob man jemandem etwas zutraut oder nicht.

Ich muss Ihnen sagen: Mir wird bei aller Achtung vor BaselII und allem, was wir haben, manchmal ein kleines bisschen Bange. Soziale Marktwirtschaft in Deutschland hat immer nur funktioniert, weil der Mensch dort auch zu Gange sein durfte, weil es noch ein paar Freiräume gab, in denen man Zutrauen, Vertrauen oder Misstrauen wirken lassen konnte. Wenn alles nach Schablonen gerichtet wird, wird es für Deutschland nicht besser werden. Deshalb muss ein Stück Mut zur Lücke auch in einer globalen Welt möglich sein. Ansonsten wird manches nicht klappen.

Deshalb führen wir auf Bundesebene Initiativen zum Bürokratieabbau durch. Das, was vielleicht theoretisch anmutet, ist vielleicht eine der qualitativ großen Veränderungen. Wir haben eine rechtliche Grundlage dafür geschaffen, einen Normenkontrollrat einzusetzen, der sich mit Bürokratieabbau befasst. Wir haben sicherheitshalber die rechtliche Grundlage so strukturiert, dass der Bundespräsident die Mitglieder beruft und auch darüber wacht, wie sie arbeiten. Er hat uns also sozusagen noch eine unabhängige Instanz geschaffen. Das Ziel ist, 25 % der Berichts- und Statistikpflichten, die sich in Deutschland angehäuft haben, abzuschaffen. Um zum ersten Mal eine quantifizierbare Form des Bürokratieabbaus durchführen zu können, haben wir uns der Erfahrungen aus Holland und Großbritannien bedient. Dort hat man solche Normenkontrollräte.

Man muss dann? das wird Ihnen als Mittelständler sofort einleuchten? erst einmal einen Basis-Check durchführen, also eine Standardkostenmessung, damit man weiß, was überhaupt alles an Kontroll- und Berichtspflichten vorhanden ist, um dann auch quantifizierbar nachweisen zu können, ob man etwas reduziert hat oder nicht. Ich möchte Sie alle hier in diesem Raum auch um tätige Mithilfe für ein solches Unterfangen bitten, weil bei uns etwas längerfristig angelegte Projekte? es geht hier um zwei Jahre? manchmal gar nicht mehr die Chance haben, überhaupt erst zu starten, weil bereits vorab gesagt wird, dass es überhaupt keinen Sinn habe. Es endet dann, wie es schon so oft geendet hat. Das ist eine der großen Gefahren der Bundesrepublik Deutschland. Wir haben schon viel an Misserfolgen erlebt, weil wir dazu neigen, den Erfolg als eine Möglichkeit gar nicht mehr genug zu protegieren. Sie wissen aber als Mittelständler: Wenn Sie ein Konzept erstellen und sich überlegen, welche Risiken es geben könnte, aber nicht mehr über die Chancen nachdenken, dann führt das nicht weit. Positives Denken ist etwas, was Dieter Althaus immer ausgezeichnet hat und was ihn auch in den Beratungen der Bund-Länder-Fragen, die wir haben, auszeichnet. Dafür auch ein herzliches Dankeschön.

Bürokratieabbau ist also etwas, was für den Mittelstand wichtig ist. Ich habe einen Unterstützer bei der Frage der Novelle der Erbschaftsteuer. Ich darf Ihnen sagen, dass wir noch im Oktober die Veränderung des Erbschaftsteuerrechts ins Kabinett einbringen werden, mit dem Ziel, dass Personengesellschaften für das mindestens über 10Jahre im Betrieb verbleibende Vermögen keine Erbschaftsteuer mehr zahlen werden.

Ich glaube, dass das neben der faktischen Entlastung, die sich dahinter verbergen wird, auch ein symbolisches Thema ist, weil natürlich gerade die, die in Familienunternehmen tätig sind, sich heute bei den schnellen Möglichkeiten von Gewinn und Verlust in der modernen Kapitalmarktgesellschaft oft fragen: Lohnt sich eigentlich unser langfristig angelegtes Engagement? Deshalb glaube ich, dass Zeichen und Gesetze wie dieses von allergrößter Wichtigkeit sind. Deshalb werden wir das auch gemeinsam im Bundestag und Bundesrat durchsetzen.

Wir werden uns auch dem Thema Unternehmensteuerreform zuwenden. Wir werden in die Körperschaftsteuer keine neuen Substanzbesteuerungselemente einbauen. Da muss keiner Sorge haben. Aber wir erleben bei der Diskussion um die Unternehmensteuerreform natürlich auch, dass von der Diskussion bei der UMU bis zur Diskussion beim BDI ein weites Feld ist. Ich habe heute bei anderer Gelegenheit, bei der auch Herr Prof. Berger anwesend war, gesagt, dass es angesichts der angehäuften Besitzstände in Deutschland zu den inspirierendsten und ein bisschen Intuition verlangenden Aufgaben gehört, zwischen den ganz Großen, den Mittleren und den Kleineren immer die richtige Schneise zu finden. Die Frage, wer zum Schluss zufrieden und wer unzufrieden ist, wird natürlich von jedem einzelnen Partizipanten genau überprüft. Wir als Politiker stehen dann für die Gesamtverantwortung.

Für mich ist aber eines klar: Wir haben? und das ist auf die Kommastelle fast gar nicht zu realisieren? eine rechtsformneutrale Besteuerung der Unternehmen in Deutschland versprochen. Deshalb wird es klar sein, dass bei einer Unternehmensteuerreform z. B. die Thesaurierung von Vermögen auch eine ganz besondere Rolle spielen wird, um einfach ein Äquivalent zu der Tatsache zu setzen, dass Personengesellschaften, Familienbetriebe Einkommensteuer zahlen müssen. Wenn wir uns alle große Mühe geben, glaube ich, dass wir hier einen Weg finden, um zwischen endlichen Entlastungen, internationalen Forderungen nach Vergleichbarkeit von Steuersystemen und der Rechtsformneutralität einen vernünftigen Ausgleich zu setzen.

Meine Damen und Herren, ich habe die Punkte Unternehmensteuerreform, Erbschaftsteuerreform und Bürokratieabbau angesprochen. Ich möchte ein viertes Element nennen, was mit Thüringen ganz eng verbunden ist. Das ist die Kraft der Innovation. Wir haben mit dem Forschungsscheck, der erwähnt worden ist, ein Instrument in Thüringen, das aus meiner Sicht sehr wichtig dafür ist, um im Mittelstand die Möglichkeit der Innovation fester zu verankern. Wir alle wissen, dass das Problem von mittelständischen Unternehmen oft die schwache Eigenkapitalbasis ist, d. h. die mangelnde Fähigkeit, über Jahre hinweg beliebig viel in Forschungsaktivitäten zu investieren, weil man die Ergebnisse noch nicht kennt und damit auch sehr begrenzte Spielräume hat.

Wir haben das Problem jetzt im Rahmen unserer "High-Tech-Strategie Deutschland" aufgenommen, indem wir auch neue Instrumente gerade für den Mittelstand entwickelt haben und z. B. die Forschungsprämie installieren werden. Sie hat eine ähnliche Wirkung wie der Forschungsscheck. Wenn Mittelständler an Fachhochschulen oder Universitäten Forschungsaufträge vergeben, werden 25 % Zuschüsse durch die Bundesregierung gewährt. Das ist ein Beitrag dazu, dass wir von der ausgeprägten Neigung des Deutschen zur Theorie? ich darf das als theoretische Physikerin sagen? wegkommen. Die Idee ist gut, das Patent ist angemeldet, aber leider haben wir es nicht immer geschafft, vom Patent auch wirklich zum Produkt zu kommen. Richtig Geld verdient man im Allgemeinen erst, wenn man das Produkt auch an den Mann oder an die Frau bringt. Deshalb darf uns das, was uns beim Computer, beim MP3 -Player oder beim Fax passiert ist, nicht unendlich oft wieder passieren, nämlich dass andere das Geschäft mit unserer Idee machen.

Deshalb muss der Bogen von der Idee zum Produkt gespannt werden. Das ist ein großer Wesenszug dessen, was wir mit der "High-Tech-Strategie Deutschland" machen. Wir setzen in dieser Legislaturperiode sechs Milliarden Euro mehr für diesen gesamten Bereich ein. Ich glaube, dass das ein ganz wichtiges Zeichen ist. Es ist allerdings auch damit verbunden, dass wir von der Wirtschaft erwarten, ihren Beitrag dazu zu leisten, dass in Deutschland im Jahre 2010 3 % unseres Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Innovation aufgewendet werden.

Die, die hier sitzen, sind sich darin einig, dass das Wort des Bundespräsidenten richtig ist: Wir können nur so viel teuerer sein, wie wir besser sind. Alles andere ist ein Leben von der Substanz. Unser Schicksal liegt deshalb in der Fähigkeit zur Innovation. Hier muss sich etwas im Denken ändern. Ich denke, dass die neuen Bundesländer hierfür ein Beispiel sind? Thüringen in ganz besonderer Weise? und dass wir an dieser Stelle mental noch einen weiten Weg in Deutschland zu gehen haben. Die Tatsache, dass wir uns jetzt in Deutschland zur Exzellenz bekannt haben, ist auch ein solcher mentaler Schritt, auch wenn der Süden dabei gut wegkommt. Aber das muss man einfach einmal hinnehmen, um dann noch motivierter kämpfen zu können. Ich glaube, dass es der richtige Schritt ist. So zu tun, als ob nach den Humboldtschen Idealen alle Universitäten gleich gut sind, hilft Deutschland insgesamt nicht weiter. Ich bin davon jedenfalls überzeugt.

Lieber Dieter Althaus, Du bist Ministerpräsident von Thüringen. Du führst dieses Land auf einem guten Weg. Die Kennziffern sind genannt worden. Eine davon ist die geringste Arbeitslosigkeit unter den neuen Bundesländern. Das ist eine abstrakte Größe. Die Arbeitslosigkeit ist immer noch viel zu hoch. Die Frage, wo die Wachstumspotentiale der nächsten Jahre herkommen, drängt uns. Als jemand, der aus einem Land wie Mecklenburg-Vorpommern kommt, in dem heute schon die Zahl derer, die von Leistungen abhängen, auf deren Höhe sie selber keinen Einfluss mehr haben, größer ist als die Zahl der Erwerbstätigen, weiß ich, wie wichtig es ist, die Kräfte des Unternehmertums und des Eingehens von Risiken zu stärken. Denn wenn man erst einmal in einer Demokratie eine Mehrheit hat, die diese Erfahrungen nicht mehr kennt, wird es auch immer schwieriger, für diese Erfahrung zu werben. Ganz Deutschland ist einem demographischen Wandel unterworfen, d. h. , dass sich dieses Problem insgesamt verstärkt.

Die Kraft, die Dich leitet, ist aus meinem Verständnis heraus die Kraft eines Christen, der tief verwurzelt in der Katholischen Kirche den Sozialismus relativ schadlos überlebt hat. Das ist nur möglich gewesen, weil es so etwas wie Familie, Bindung, gelebtes Christentum in der früheren DDR gab. Die staatlichen Kräfte haben nicht dazu geführt, solche Fähigkeiten zu entwickeln. Aber die Deutsche Einheit konnte auch deshalb gelingen, weil es diese jenseits des Staates existierenden gemeinsamen Grundüberzeugungen gab. Diese sozusagen zu kräftigen? das haben wir dann nach der Deutschen Einheit auch gelernt? , ist nicht nur eine Aufgabe der neuen Bundesländer, sondern inzwischen auch zu einer gesamtdeutschen Aufgabe geworden.

So bist Du über die katholische Soziallehre der Sozialen Marktwirtschaft zutiefst verpflichtet. Wenn wir beide diskutieren, sind wir uns auch einig darin, dass angesichts der Globalisierung das Erfolgskonzept der Sozialen Marktwirtschaft vor einer schweren Bewährungsprobe steht. Die Soziale Marktwirtschaft ist in der Demokratie akzeptiert worden, weil die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wussten: Wenn es meinem Betrieb gut geht, geht es mir als Arbeitnehmer auch gut. Diese einfache Botschaft gilt in der Welt der Globalisierung so nicht mehr. Es kann einem Betrieb heute sehr gut gehen und den Arbeitnehmern in Deutschland trotzdem nicht besonders gut. Das verursacht Verunsicherung. Deshalb wird es eine unserer großen politischen Aufgaben sein, die wir nur mit Ihnen aus dem Mittelstand gemeinsam lösen können, ein Stück Langfristigkeit, Beständigkeit und auch Werthaltigkeit in die Ordnung des Wirtschaftens zu bringen, ohne dabei die Ordnungspolitik zu verraten.

Das ist das, was Dich auch kennzeichnet, wo Du neu denkst. Das ist z. B. der Gedanke des Bürgergeldes, zu dem ich Dir heute noch nicht gratulieren kann, zu dem ich aber eine faire Überprüfung und faire Diskussion verspreche. Das ist ein sehr neuer Gedanke mit vielen Fragezeichen, die von allen Seiten gesetzt werden. Ich bin aber sehr überrascht; Herr Professor Berger, wenn Sie sich in die Kämpferschar für dieses Bürgergeld einreihen und alle Unternehmer davon überzeugen, wäre das eine gute Botschaft. Ich glaube, wir müssen im 21. Jahrhundert neu denken, um die Akzeptanz der Sozialen Marktwirtschaft wieder zu vergrößern.

Deshalb, lieber Dieter Althaus, wünsche ich Dir, dass Du diesen Preis als eine persönliche Beglückwünschung zu Deinem geradlinigen Weg annimmst, Politik für Menschen mit Herz, mit Verstand und mit Mut zur Neuerung zu gestalten. Zum Zweiten für die Menschen, die Du in Thüringen hast und die Dich begleiten, die Dich stärken, die Dir gute Tipps geben und für all die, die in Thüringen dafür sorgen, dass dieser Freistaat eine gute Entwicklung im Reigen der Länder in Deutschland nimmt. Herzlichen Dank, dass ich heute hier dabei sein darf. Herzlichen Glückwunsch an Dieter Althaus!