Redner(in): Angela Merkel
Datum: 18.10.2006

Untertitel: am 18.Oktober 2006 in Berlin
Anrede: Sehr geehrter Herr Börner, sehr geehrte Frau Börner, sehr geehrte Kollegen aus dem Deutschen Bundestag!Stellvertretend begrüße ich Herrn Fuchs, den ich auch schon im Zusammenhang mit diesem Verband kennen gelernt habe.Meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2006/10/2006-10-18-rede-bkin-unternehmertag,layoutVariant=Druckansicht.html


ich freue mich, dass ich heute wieder bei Ihnen sein kann und darf. Ich habe gerade zu Herrn Börner gesagt, dass ich ein kontinuierlicher Gast bin. Ich beglückwünsche ihn schon fast kontinuierlich zu seiner Wiederwahl und nun noch dazu zu so einer überzeugenden Wiederwahl. Sie scheinen Ihre Sache gut zu machen. Glückwunsch und auf weitere gute Zusammenarbeit!

Der "Zentralverband des Deutschen Großhandels" wurde vor 90 Jahren gegründet. Vor 60 Jahren wurde der "Wirtschaftsverband des Groß- und Außenhandels für die britische Zone" gegründet. Es gibt also eine schon lange und mit der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland verwobene Gemeinsamkeit der Arbeit in einem Bereich, der immer zum Wachstum Deutschlands beigetragen hat; das will ich ausdrücklich so sagen. Ich glaube, wir sind uns vollkommen einig, dass protektionistische Anwandlungen Deutschland in keinem Falle gut tun würden. Groß- und Außenhandel gehören zu unserer Identität. Wir haben davon profitiert. Ich sage das in einer Zeit, in der die Herausforderungen des Wettbewerbs durch die Globalisierung härter geworden sind und die Wettbewerbsfähigkeit durch die Möglichkeiten des Internets unmittelbar überprüft werden kann. Wir müssen uns als Bundesrepublik hierbei natürlich immer wieder bewähren.

Hier in diesem Jahr bei Ihnen lese ich mit Freude das Motto, unter das Sie Ihre Diskussion gestellt haben: "Deutschland 2006? Das neue Wachstum nutzen? Arbeitsplätze schaffen". Das ist, wie ich meine, eine ganz wichtige Botschaft. Herr Börner, Sie haben gesagt, dass es nicht vordergründig um die Schaffung von Arbeitsplätzen geht. Es geht natürlich um den Verkauf von Waren, von Produkten, die irgendwo von anderen Menschen gewünscht und erwartet werden. Aber es geht für viele Menschen natürlich auch darum, ihre Lebensgrundlage zu finden. Sie haben das auch mit Ihrem Motto deutlich gemacht.

Die Soziale Marktwirtschaft, der wir uns gemeinsam verpflichtet fühlen, findet heute nicht mehr so die Akzeptanz in der Bevölkerung, wie das vor Jahrzehnten der Fall war, weil es in dem starken internationalen Wettbewerb Arbeitnehmer gibt, die natürlich wissen: Es kann meinem Unternehmen heute gut gehen und trotzdem ist mein persönlicher Arbeitsplatz in Deutschland in Gefahr. Früher dagegen gab es nahezu eine Identität: Geht es meinem Unternehmen gut, geht es auch mir als Arbeitnehmer gut. Da gibt es nun Sorgen und Ängste; Sie kennen das von Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Aber ich sage ausdrücklich? deshalb habe ich auch so begonnen? , dass Abschottung und die Verhaltensweise, sich nicht dem Wettbewerb zu stellen, mit Sicherheit die falsche Antwort ist. Deshalb müssen wir uns gemeinsam dem Wettbewerb stellen. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Rahmenbedingungen, die die Politik geschaffen hat und denen Sie begegnen.

Genau das ist der Grund, warum ich hier elf Monate nach Beginn der Arbeit der großen Koalition stehe. Ich bedanke mich für die Chance, Ihnen einmal darlegen zu können, wo wir aus unserer Sicht stehen, was wir tun können und welche Aufgaben vor uns liegen.

Zum Punkt "Nutzung des neuen Wachstums" : Damit deuten Sie darauf hin, dass wir uns jetzt glücklicherweise über mehr Wachstum freuen können, als es viele Jahre der Fall war. Wir wissen, dass das volatil ist. Man muss sich nur die Prognosen für dieses und das nächste Jahr anschauen. Wenn ich allerdings an die Prognosen des Frühjahrs für dieses Jahr denke, dann würde ich sagen: Ein bisschen mehr Vorsicht und ab und zu eine Fehlerangabe, um wie viel die jeweilige Wachstumsrate schwanken kann, würde vielleicht den Wirtschaftsforschungsinstituten auch ganz gut tun. Es kommt inzwischen durch die vielen Indizes, die durch die Welt geistern, auch manchmal ein Stück Unsicherheit in die ganze Debatte. Von Monat zu Monat kann sich das Bild wenden.

Ich glaube, wir können uns gut auf Folgendes einigen: Wir freuen uns über Wachstum. Ihre Branche kann sich besonders über Wachstum freuen. Aber wir wissen, dass wir noch mehr an den politischen Rahmenbedingungen ändern müssen, um es nachhaltig zu gestalten. Auf dem Erreichten kann man sich auf gar keinem Fall ausruhen.

Ich will auch ganz klar sagen: Ich gehöre nicht zu denen, die immer wieder anfangen, das Wachstum mit der eigenen politischen Tat automatisch und eins zu eins zu verbinden. Ich weiß, dass viele Betriebe selber umstrukturiert und sich verändert haben. Ich weiß im Übrigen auch, dass viele Arbeitnehmerinnern und Arbeitnehmer dazu einen Beitrag geleistet haben. Sie haben von den überhöhten Tarifabschlüssen gesprochen. Das ist einer der wenigen Bereiche, mit denen wir sozusagen wenig zu tun haben. Sie waren daran irgendwie beteiligt. Nun können Sie sagen: Es ist eben so in Deutschland, dass wir keine richtige Streitkultur haben; mehr als der Durchschnitt können wir uns auch nicht streiten. Aber insgesamt würde ich sagen, dass die Tarifautonomie etwas ist, was ein hohes Gut ist, wobei aber natürlich auch immer wieder hart verhandelt werden muss. -

Die Unternehmen haben also mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern selbst Beiträge zum Wachstum geleistet. Ich glaube, dass ebenso die in Gang gesetzten Reformen auch der Vorgängerregierung? übrigens wurden sie oft durch unsere Bundesratsmehrheit beeinflusst, wenn ich das als Unionspolitikerin sagen darf? dazu beigetragen haben. Es wäre ganz schlecht, wenn wir das nicht auch würdigen würden. Dann bekämen nämlich diejenigen Rückenwind, die sagen: Eigentlich bewirken Reformen nie etwas. Ich bin der festen Überzeugung, dass Veränderungen etwas bewirken.

Wenn Veränderungen in die falsche Richtung geführt haben, müssen wir eben überlegen, wie wir das wieder korrigieren. Zum Beispiel ist einer der Bereiche, über den wir im Augenblick sehr viel nachdenken, HartzIV. Wir haben immer gesagt, dass die Zusammenlegung von Arbeits- und Sozialhilfe ordnungspolitisch richtig ist. Das ist eine Idee, die seit langem auch von der CDU / CSU vertreten wurde. Aber wir haben jetzt gesehen, dass mit der Einführung von HartzIV auch eine Vielzahl von Missbrauchsmöglichkeiten eingetreten ist. Deshalb haben wir bereits eine erste Novelle in Kraft gesetzt, die zum Beispiel Kinder, Eltern und ihr Verhältnis zueinander, Missbrauchsregelungen sowie die Nicht-Annahme von Arbeitsverhältnissen betrifft.

Ich will nur darauf hinweisen, dass wir jetzt Folgendes festgelegt haben: Wenn jemand ein Arbeitsangebot erhält und es das erste Mal ablehnt, wird eine Kürzung der Hilfeleistungen um 30 % vorgenommen. Beim zweiten Mal wird eine Kürzung von 60 % vorgenommen und bei der dritten Ablehnung bekommt derjenige nur noch Sachleistungen. Das sind Regelungen, die dann aber auch praktiziert werden müssen. Ich halte das für sehr wichtig.

Es gibt in Deutschland unterschiedliche Situationen. Im Süden Deutschlands gibt es in bestimmten Regionen fast eine Vollbeschäftigung. Wenn dort Arbeitsangebote gemacht werden? und sie werden gemacht? , kann man diese sehr strengen Regeln durchsetzen. Es gibt andere Regionen, zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern, wo ich herkomme, wo man mit Arbeitslosenraten von über 20 % vielen Menschen kein Angebot machen kann und wo man dies natürlich auch in Betracht ziehen muss.

Deshalb sage ich: Wir werden weiter Veränderungen am HartzIV-Gesetz vornehmen, denn unsere Überschrift heißt "Fordern und Fördern". Fördern ist okay, aber wir müssen von den Menschen auch fordern, dass sie ihren Beitrag dazu leisten, dass sie das, was sie als Unterstützung aus Steuergeldern bekommen, nicht einfach annehmen, sondern, wo immer sie können, auch selbst dazu beitragen, ihren eigenen Lebensunterhalt zu finanzieren. Denn? und das kann man gar nicht oft genug sagen? es gibt viele Menschen, die jeden Tag zur Arbeit gehen. Sie leisten Hervorragendes, verdienen nicht allzu viel und bezahlen mit ihren Steuermitteln andere, die solche Transferleistungen in Anspruch nehmen. Deshalb müssen wir hier Gerechtigkeit walten lassen.

Wir werden auch überprüfen? das ist gerade in der Diskussion? , inwieweit die Hinzuverdienstmöglichkeiten zum ArbeitslosengeldII im Grunde das Gegenteil von dem sind, was wir uns vorgenommen haben, nämlich gerade kein Anreiz dafür, mehr Arbeit aufzunehmen, sondern dafür, gerade so viel hinzuzuverdienen, wie man darf, um noch das gesamte ArbeitslosengeldII in Empfang zu nehmen. Das kann nicht richtig sein. Deshalb werden wir sehr intensiv prüfen, was uns die Sachverständigen aufgeschrieben haben, und werden diese Hinzuverdienstmöglichkeiten verändern.

Meine Damen und Herren, Wachstum, Reformen und Überprüfung der Reformen -was müssen wir als Bundesregierung tun, welche Schritte sind notwendig? Die Antwort darauf haben wir in den Dreiklang Sanieren, Reformieren und Investieren gefasst; nicht als eine zeitliche Abfolge, sondern als ein paralleles Vorgehen. Das soll immer unter dem Motto stehen: Wir müssen aus einem Zustand herauskommen, in dem wir schon in der Gegenwart unsere Zukunft verbrauchen. Wir haben das bei vielen Dingen getan. Wir tun es auch heute noch, was zum Beispiel die sozialen Sicherungssysteme, die Frage des Haushalts und die Frage des Verbrauchs von Ressourcen angeht.

Ausgangspunkt war für uns ein Haushalt, in dem es ein nicht mehr und nicht weniger strukturelles Defizit von etwa 50 bis 60Milliarden Euro gab. Unser Ansatzpunkt war, die Haushaltsentwicklung auf einen Pfad zu bringen, auf dem ein ausgeglichener Haushalt eines Tages keine Utopie mehr ist. Im Augenblick geht es nur um die Frage, Art. 115 des Grundgesetzes so einzuhalten, dass wir nicht jedes Jahr eine Ausnahme in Anspruch nehmen müssen. Das heißt nichts weiter als: Wir machen nicht mehr Schulden, als wir in die Zukunft investieren. Damit haben wir schon alle Hände voll zu tun. Ich freue mich über jede gute Meldung über sprudelnde Steuerquellen. Ich muss Ihnen nur sagen: Bei aller Freude über das Sprudeln bringen sie uns noch nicht in die Lage, auf die schwierigen, aber aus unserer Sicht unabänderlichen Notwendigkeiten zu verzichten, so zum Beispiel auf die Mehrwertsteuererhöhung.

Sie können davon ausgehen, dass Politiker nicht darauf aus sind, möglichst schwierige Entscheidungen zu fällen, um den Menschen möglichst viel zuzumuten und damit ein auch nicht immer nur erfreutes Publikum zu haben. Wenn wir uns zu solchen Maßnahmen entscheiden? und ich weiß, dass wir den Menschen und auch den Unternehmen damit etwas zumuten? , dann haben wir uns das sehr, sehr gut überlegt. Ich glaube, dass es zu der Frage der Mehrwertsteuererhöhung keine Alternative gibt. Sie dient im Übrigen mit 1 % der Sanierung des Bundeshaushalts, mit 1 % der Sanierung der Länderhaushalte und mit 1 % der Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge zum 1. Januar 2007. Die Bundesagentur für Arbeit wird erfreulicherweise ein weiteres Prozent dazu tun, so dass wir im Bereich der Arbeitslosenversicherung um 2 % heruntergehen können. Sie werden also eine Entlastung spüren. Insgesamt wird die Entlastung leider nicht ganz 2 % betragen, weil es wahrscheinlich eine Erhöhung der Renten- und Gesundheitsbeiträge geben wird. Darauf komme ich gleich noch zu sprechen. Ich habe auch immer wieder gesagt: Wenn es im Laufe der Legislaturperiode im Bereich der Arbeitslosenversicherung weitere Spielräume gibt, werden wir die Beiträge hier weiter senken. Wir sind der Meinung, dass die Senkung der Lohnzusatzkosten neben der Solidität des Haushalts ein ganz, ganz wichtiger Punkt ist.

Bei der Haushaltssanierung heißt es immer: Ihr müsst mehr sparen. Ich habe mich wirklich viele Monate und sehr eindringlich mit dem Bundeshaushalt befasst. Ich kann nur sagen, dass die Spielräume geringer sind, als es aus der Ferne aussieht. Die Zuzahlungen in die Rentenversicherung sind erheblich. Die Zinszahlungen sind fest und leider anwachsend. So bleiben im Grunde genommen nur wenige Spielräume. Wir haben im Bereich des Sparens eine ganze Menge beschlossen, das die Menschen auch wieder trifft. Sparen heißt eben, zum Beispiel bei der Entfernungspauschale und beim Sparerfreibetrag etwas zu unternehmen. Das ist für den Einzelnen alles andere als eine gute Nachricht. Sparen heißt auch, eine Milliarde Euro im Bereich der Bundesbediensteten zu sparen. Das ist aber auch nicht so ganz einfach, wenn man die Soldaten in den Libanon mit der Mitteilung verabschiedet, dass das Weihnachtsgeld gekürzt wird. Auch das bedeutet Sparen. Aber einfach ist es nicht, weil die Aufgaben auch nicht abnehmen.

Wenn ich sage, dass die Aufgaben des Staates nicht abnehmen, dann ist das nicht nur deshalb so, weil wir uns dauernd neue Regelungen einfallen lassen, sondern weil die Gesamtgefährdung der Menschen, was die innere und äußere Sicherheit angeht, nicht abgenommen hat. Die Aufgaben Deutschlands haben auch insofern nicht abgenommen, wenn Sie an den Fleischskandal oder Ähnliches denken. In vielen Dingen hat man auch eine sehr hohe Erwartung an den Staat. So sollen zum Beispiel Lebensmittelkontrollen durchgeführt und es sollen entsprechende Verbraucherinformationen geleistet werden.

All dies zeigt, dass wir die Aufgaben des Staates nicht einfach zurückschrauben können. Gerade deshalb ist eine Milliarde Euro an Einsparungen im Bereich der Bundesbediensteten viel. Die Arbeitszeit wurde bei den Beamten, bei denen wir das konnten, auf über 40 Stunden erhöht. Wenn wir dann zu den Tarifverträgen kommen, stehen wir ungefähr vor ähnlichen Problemen, von denen Sie schon gesprochen haben.

Meine Damen und Herren, die Sanierung ist keine rein fiskalische, sondern auch eine moralische Aufgabe. Denn bei unter 9 % an Investitionen im Bundeshaushalt haben wir die Aufgabe, für zukünftige Generationen diesen Spielraum nicht immer weiter einzuschränken und damit immer weiter von der Substanz zu leben. Ich glaube, dass wir es erreichen, nicht nur die Maastricht-Kriterien endlich wieder einzuhalten, sondern auch den Art. 115 des Grundgesetzes. Im Übrigen hat das auch etwas mit der Wertschätzung der eigenen Verfassung und des eigenen Grundgesetzes zu tun. Wie soll ich Menschen Achtung vor unserem eigenen Rechtssystem beibringen, wenn ich jedes Jahr irgendwelche Ausnahmen in Anspruch nehmen muss, um am Jahresende erklären zu können, warum es leider nicht geklappt hat, einen soliden Haushalt zu erreichen?

Jetzt komme ich zum Punkt Reformieren. Ich glaube, dass wir dabei einige wichtige Schritte gegangen sind und gehen werden. Ich will darauf hinweisen, dass wir im Zusammenhang mit der Frage, was der Staat tun soll und was er nicht tun soll, eine rechtliche Grundlage geschaffen haben, um einen so genannten Normenkontrollrat zu gründen. Das hört sich sehr bürokratisch an, ist aber ein vom Bundespräsidenten berufenes Gremium, das sich nach den Erfahrungen der Niederlande und der Briten mit dem Bürokratieabbau beschäftigt. Es beschäftigt sich nicht nur damit, einfach einmal Bürokratie abzubauen, sondern zum ersten Mal damit, wie Bürokratie quantifizierbar abgebaut werden kann.

Wir haben im Übrigen auch erreicht, dass ein ähnliches Procedere auf der Ebene der Europäischen Union durchgeführt werden wird. Das heißt, dass sich auch die Kommission dazu verpflichtet, so vorzugehen. Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass das gesamte Regelwerk heute nicht mehr nur national ist, sondern dass Brüssel inzwischen auch erhebliche Beiträge dazu geleistet hat.

Jetzt wird eine so genannte Standardkostenmessung durchgeführt. Es wird der gesamte Gesetzesbestand bezüglich der Statistikpflichten, der Kontrollpflichten erfasst. Wir haben uns vorgenommen, 25 % dieser Kontroll- , Statistik- und Überwachungspflichten abzuschaffen. Das ist unser Programm für diese Legislaturperiode. Es ist dann nicht so, dass man zum Schluss Ausflüchte haben kann, sondern das ist wegen dieser Standardkostenmessung ganz klar nachvollziehbar. Ich finde, dass wir damit einen qualitativ neuen Schritt gegangen sind. Diese Aufgabe ist in Angriff genommen worden. Der ehemalige Staatssekretär Ludewig ist der Vorsitzende dieses Gremiums. Es sind so wichtige Leute wie Professor Snower vom Kieler Wirtschaftsinstitut und andere dabei, die sich mit Verve und Elan dieser Aufgabe widmen werden.

Wir haben im Übrigen bereits ein erstes Mittelstands-Entlastungs-Gesetz verabschiedet. Herr Fuchs wird sagen, dass das ein kleiner Schritt ist. Wir können das aber weiter fortführen. Das zweite Gesetz ist jetzt in der Mache. Ich habe gerade heute die Kollegen im Kabinett aufgefordert, nicht zu beschützerisch in Bezug auf ihre eigenen Gesetze zu sein, sondern sehr wohl auch bereit zu sein, hier weiter beim Bürokratieabbau mitzuhelfen.

Wir werden in der nächsten Woche die Erbschaftsteuer novellieren. Das Kabinett wird das beschließen. Es ist eine lange und, wie ich finde, berechtigt erwartete Gesetzesnovelle, die den Personengesellschaften, die ihr Vermögen im Betrieb behalten, die Möglichkeit der Vererbung des Betriebes erleichtert. Im Laufe von zehn Jahren kann die Erbschaftsteuer ganz erlassen werden, wenn dieses Betriebsvermögen im Betrieb gehalten wird.

Wir sind dabei auf ein verfassungsrechtliches Problem gestoßen. Die Frage ist: Warum behandle ich ein Erbe, das im Betrieb verbleibt, anders als vererbtes Kapital, das nicht im Betrieb verbleibt? Deshalb müssen wir diese Sonderregelung für im Betrieb verbleibendes Vermögen an bestimmte Maßgaben, die uns politisch wichtig sind, binden. Das ist die Frage der Arbeitsplätze. Aber wir haben eine Lösung gefunden, die kein bürokratisches Monstrum darstellt, sondern die auch an anderer Stelle, nämlich beim Umwandlungssteuergesetz, schon erprobt wurde, so dass wir eine Lösung finden, der Sie in Ruhe entgegensehen können und die trotzdem ein richtiges und wichtiges Zeichen ist.

Meine Damen und Herren, auch das ist eine Erfahrung aus der Globalisierung: Deutschland tut gut daran, alles für seine Personengesellschaften und Familienunternehmen zu tun, die eine sehr, sehr hohe innere Bindung an das eigene Unternehmen haben und deshalb Widrigkeiten des Weltmarktes oft aus übergeordneten Gründen ganz anders begegnen als Körperschaften. Diese Unternehmen dürfen wir in der Globalisierung nicht verprellen, sondern wir müssen sagen: Wir wollen euch helfen. Wir setzen hier ein ganz bewusstes Signal.

Wir beschäftigen uns auch mit der Unternehmensteuerreform. Das ist eine nicht ganz einfache Diskussion - um es ganz vorsichtig zu sagen. Das Schwierige ist, dass jeder der Meinung ist, dass das heutige Unternehmensteuerrecht nicht besonders gut ist und dass Entlastungen her müssen, dass aber die verschiedenen Firmenarten und Firmengrößen sich in dem bestehenden und nicht gerade sehr übersichtlichem Steuersystem auch recht gut eingerichtet haben.

Wenn wir einerseits den Haushalt konsolidieren? d. h. , dass wir auch keine unendlichen Steuerausfälle akzeptieren können und es also geringe Entlastungsspielräume gibt? , aber anderseits wissen, dass man für die international agierenden Körperschaften vergleichbare Steuersätze einrichten muss und es gleichzeitig Kommunen gibt, die nicht einfach auf ihre Gewerbesteuer verzichten können, und dass es einen Entlastungsspielraum von fünf Milliarden Euro geben soll, wie wir uns vorgenommen haben, dann müssen wir sehr genau sehen, dass wir nicht die Falschen belasten, sondern die Richtigen entlasten. Man entlastet immer die Richtigen. Aber wenn man irgendwo etwas verändert und jemand belastet wird, dann muss es wenigstens einer sein, der an einer anderen Stelle auch entlastet wird. Wenn manche belastet und andere stark entlastet werden, dann kommt Ärger in der Branche auf.

Ich kann nur sagen: Die Unternehmensvielfalt in Deutschland ist groß und die Nutznießer bestimmter Maßnahmen oder die unter bestimmten Maßnahmen Leidenden sind sehr vielfältig. Dabei sozusagen die Schneise zu finden, entlang der man mit 5Milliarden Euro Entlastung genau den Weg findet, mit dem alle glücklich sind, das gehört fast in das Reich der Quadratur des Kreises. Wir bemühen uns dennoch. Und ich glaube, es ist gut, dass wir dabei auch die Vertreter der verschiedenen Interessengruppen sehr genau anhören. Wir haben uns jetzt eine Vielzahl von Steuerakten angeschaut und ich glaube, wir werden eine Lösung erreichen, bei der wir nicht Dinge machen werden, die Sie zu Recht kritisiert haben, also zum Beispiel eine neue Substanzbesteuerung bei der Körperschaftsteuer einzuführen. Das ist zu den Akten gelegt worden, das wird es nicht geben. Ich glaube, das ist eine gute und richtige Botschaft.

Wir haben uns auch entschieden? das ist in diesen Kreisen, glaube ich, unstrittig? , dass wir auf einer bestimmten Zeitachse zu einem Renteneintrittsalter von 67Jahren kommen müssen. Ich habe in diesem Zusammenhang zwei Bitten an Sie. Die eine ist: Ich glaube, wir müssen es wieder schaffen, auch älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine Chance zu geben. Ich weiß, dass das prinzipiell leicht gesagt ist, aber nicht in jedem Bereich der technischen Innovation möglich ist. Aber ich glaube schon, dass sich ganz zum Schluss ergeben wird, dass Lebenserfahrung, Routine und das, was an Wissen innerhalb einer Erwerbsbiographie angesammelt wird, auch nicht einfach so immer nur zugunsten der Jüngern aussortiert werden können. Unsere Gesellschaft, die dem demographischen Wandel unterworfen ist, wird die Älteren wieder mehr brauchen. Deshalb lassen Sie uns lieber gemeinsam an dem Thema "Lebenslanges Lernen" und daran arbeiten, wie man Menschen dazu bringt, Qualifikationsmaßnahmen auch eigenständig für sich als Arbeitnehmer immer wieder in Anspruch zu nehmen. Es gibt inzwischen interessante Tarifverträge, die eben dieses Thema beinhalten. Auf diesem Weg sollten wir konsequent weitergehen.

Meine zweite Bitte in diesem Zusammenhang? das hat jetzt nichts mit älteren Arbeitnehmern zu tun? heißt Ausbildung für jüngere Leute. Es sind jetzt noch drei, vier Jahre, in denen wir viele junge Leute haben werden, die die Schule verlassen werden. Von dann an wird es ein großes Wehklagen geben, dass nicht mehr genügend Auszubildende zu finden sind. Wo immer Sie in Ihren Unternehmen Spielräume haben? inzwischen sind die staatlichen Leistungen hinsichtlich Ausbildungshilfen sehr hoch? , stellen Sie junge Leute ein und geben Sie ihnen eine Chance. Wenn diese erst jahrelang durch bestimmte Programme gegangen sind oder keine Chance hatten, dann wird es mit der Motivation und den Fähigkeiten nicht besser. Aber in einigen Jahren werden wir alle händeringend junge Leute suchen. Insofern denken Sie daran, dass Ausbildung eine ganz wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe ist. Rente mit 67 Jahren " ist etwas, was man den Menschen sehr, sehr schwer erklären kann, weil heute schon so viele unter 55Jahren arbeitslos sind. Trotzdem gibt es dazu keine Alternative. Wir haben uns jetzt viele Monate lang mit der Gesundheitsreform beschäftigt, um die ich hier auch keinen Bogen machen möchte, sondern zu der ich Folgendes sagen möchte: Diese Gesundheitsreform findet in einem Bereich statt, dessen Reformierung in allen westlichen Industrienationen zu den schwierigsten Aufgaben zählt.

Wir haben den Anspruch, dass es keine Zwei-Klassen-Medizin gibt. Die Realität? Wartezeiten und sehr unterschiedliche ärztliche Versorgung in den verschiedenen Regionen Deutschlands? geht aber in diese Richtung; man muss das ganz nüchtern sagen. Wie kann man aber diesen Anspruch verwirklichen? Das, was Sie immer wieder unter dem Stichwort Fonds gehört haben, ist im Grunde genommen erst einmal nichts anderes, als dass wir in Deutschland erreichen werden? dazu stehe ich? , dass pro Krankheitsfall und Krankheitsart in jeder Region Deutschlands das gleiche Geld für die Behandlung zur Verfügung steht. Das ist heute nicht so. Heute entsprechen die zur Verfügung gestellten Leistungen oder Mittel nicht unbedingt der Krankheit, dem Alter der Person und dem gesamten Status der Person. Es gibt außerdem einen relativ undurchschaubaren Zusammenhang mit der Grundlohnsumme der Region, in der dieser Mensch lebt. Das ist eine der großen Fragen, die wir zwischen Bayern, den neuen Bundesländern und den norddeutschen Regionen diskutiert haben: Ist das gerecht oder ist das nicht gerecht? Es gibt Leute, die sagen: In Stuttgart oder in München ist die Miete teurer als in Neubrandenburg und daraus ergibt sich, dass man mehr Geld braucht. Dem kann man aber zum Beispiel entgegenhalten, dass die Rechtsanwaltshonorarordnung auch nicht nach Regionen gestaffelt ist. Man muss sich also entscheiden. Das ist einer der großen Diskussionspunkte über die Wirkungsweise des Fonds. Es geht um eine Verteilung der Einnahmen, die zu 100 % nur noch nach den Kranken, den Patienten und den Versicherten geordnet ist.

Der zweite Punkt ist die Frage eines bundeseinheitlichen Beitrages und die Widerspiegelung des Wettbewerbs durch Zu- und Abschläge der Kassen. Wenn das ordentlich funktioniert, ist das der beste Ausdruck der Güte und der Arbeit einer Kasse. Nun gibt es sehr viele Diskussionen über eine Kappung bei 1 % , darüber, wie das ausgeglichen wird, darüber, wie viel Euro an Zu- und Abschlägen man am Anfang erheben kann usw. Aber vom Grundsatz her ist auch das wieder richtig. Es gibt die Vermutung, dass es heute zum Teil Kassen gibt, die ein Spektrum von Versicherten haben, die geringere Löhne verdienen und schlechter gestellt sind, als dies bei anderen Kassen der Fall ist. Zum Beispiel bei der Arbeitslosenversicherung gibt es dabei keine Unterschiede. Wenn es in einer Region viele Arbeitslose und wenige Verdienende gibt, dann fragt man nicht danach, ob sie weniger arbeitsmarktpolitische Maßnahmen erhalten sollten. Das war nie eine Diskussion. Es gibt einen einheitlichen Beitrag.

Im Übrigen gibt es einen bundeseinheitlichen Beitrag aller Ersatzkassen. Aber das Problem liegt heute bei den Allgemeinen Ortskrankenkassen. An dieser Stelle werden wir in Zukunft auch einen einheitlichen Beitrag haben. Der wird dann eben als solcher nicht mehr Auskunft über die Einnahmensituation geben, aber die Zu- und Abschläge müssen dann eine Auskunft darüber geben, ob die Kasse gut, effizient und vernünftig arbeitet, interessante Programme anbietet, Chronikern und anderen passende Tarife anbietet? all dies wird möglich sein? und kluge Preisverhandlungen führt oder nicht? hierbei gibt es ein großes wettbewerbliches Spektrum.

Jetzt sage ich Ihnen: Es gibt berechtige Kritik? ich will das hier nicht in allen Facetten ausmalen? und es gibt viel unberechtigte Kritik. Die unberechtigte Kritik hat nach meiner festen Überzeugung auch etwas mit höherer Transparenz zu tun. Dass die Kassen nicht erwarten können, dass wir für sie eine Reform machen, sondern dass wir als Politiker verpflichtet sind, eine Reform für die Versicherten zu machen, das kann ich, glaube ich, in diesem Kreise auch mit Unterstützung sagen.

Jetzt komme ich zu der Aufgabe, die wir uns auch gestellt haben, Herr Börner, nämlich der Entkoppelung der Arbeitskosten von den Lohnzusatzkosten. Wir werden das ein Stück weit machen, nämlich dadurch, dass wir schrittweise die Kinder aus den gesamtgesellschaftlichen Einnahmen finanzieren werden. Nun kann man sagen, die Schritte gingen zu langsam voran. Ich sage Ihnen aus voller Überzeugung: Zusätzlich zu den 3 % an Mehrwertsteuer sind keine weiteren Steuererhöhungen machbar das ist keine Möglichkeit und das habe ich auch voller Überzeugung vertreten. Deshalb findet die Finanzierungsumstellung langsamer statt, aber sie findet statt. Das wird uns bei steigenden medizinischen Kosten den Spielraum geben, für einen überschaubaren Zeitraum die Beiträge konstant zu halten. Sie können das danach überprüfen; das Ganze wird ja erst 2009 in Kraft treten.

Diesbezüglich wird auch wieder gefragt: Warum dauert das so lange? Wenn Sie sich mit den Details beschäftigen, dann kann ich Ihnen sagen: 2009 werden wir zum ersten Mal eine Gebührenordnung für Ärzte in Euro haben, nicht in irgendwelchen Punktwerten, bei denen zum Schluss keiner weiß, was er dafür am Jahresende bekommt. Wir werden einen funktionierenden und erweiterten Risikostrukturausgleich haben. Wir werden dann in den Krankenhäusern auch Aussagen über die so genannten DRGs haben, über Leistungserbringung in Euro und Cent. Dann werden wir zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland auch in der Lage sein zu vergleichen, wie hoch die Kosten einer ambulanten Behandlung und die Kosten einer stationären Behandlung sind. Das ist zum Beispiel auch dafür wichtig, wenn man sich entscheiden will, wie man weiter vorgeht. Das heißt, wir bekommen hierbei Schritt für Schritt ein viel höheres Maß an Transparenz und? davon bin ich überzeugt? auch an Wettbewerb.

Wir werden im nächsten Jahr die Pflegeversicherung reformieren müssen. Spätestens hierbei wird sich die Frage nach der Demographiefestigkeit stellen. Natürlich sind wir in einer komplizierten Lage, weil es in den sozialen Sicherungssystemen aus Demographiegründen und aus Gründen steigender technischer Möglichkeiten und einer längeren Lebenserwartung eine unglaubliche Dynamik gibt. Jetzt ist es immer so, dass man sich politisch fragen muss: Was kann ich den Menschen zumuten und wie gehe ich dabei vor? Ich kenne Ihre Aussage, dass wir uns sputen müssen, weil wir im internationalen Wettbewerb stehen und weil die Lohnzusatzkosten letztendlich natürlich auch Kosten sind, die den Preis unserer Produkte bestimmen. Deshalb werden wir uns auch an dieser Stelle um vernünftige Lösungen bemühen. Ich glaube, wir sind hierbei auf einem guten Weg.

Wir haben außerdem Folgendes gemacht: Wir haben uns dazu verpflichtet, 3 % unseres Bruttoinlandsprodukts in Zukunft für Forschung und Entwicklung auszugeben, und dafür den Bundesanteil zur Verfügung gestellt. Die Wirtschaft muss nachziehen. Ich weiß, dass das auch mit den Bedingungen, unter denen Wirtschaft stattfindet, zu tun hat. Ich habe mit Herrn Börner viel darüber gesprochen, in welch langen Zeiträumen Sie Ihre Investitionsplanung machen. Wir müssen uns hierbei also sehr sputen. Aber wir werden in dieser Legislaturperiode 6Milliarden Euro mehr für Forschung und Entwicklung ausgeben. Und wir werden sie nicht einfach nur ausgeben, sondern wir werden versuchen, damit besser zu werden: Nicht nur bei der Entwicklung von Ideen und bei Patentanmeldungen, sondern auch auf dem Weg von der Idee zum Produkt. Es hat in Deutschland viel zu viele Fälle gegeben, in denen wir etwas Schönes erfunden haben? wir haben den ersten Computer, den ersten MP3 -Player, das erste Fax gebaut? , aber andere das Geschäft gemacht haben. Das heißt, wir werden mit diesen 6Milliarden Euro auch Instrumente finanzieren, die uns helfen, schneller von einer Idee zu einem Produkt zu kommen, zum Beispiel eine Forschungsprämie, durch die mittelständische Unternehmen angereizt werden sollen, mit Hoch- und Fachhochschulen gemeinsam Projekte der Forschung und Innovation zu finanzieren. Dann gibt es jeweils 25 % Zuschuss, um einerseits die Forschungsinstitutionen an die Praxis zu binden und andererseits dem Mittelstand die Möglichkeit zu eröffnen, sich stärker der Innovation zu öffnen, was aus meiner Sicht auch ganz wichtig ist.

Wir haben auch eine High-Tech-Strategie entwickelt: 17Bereiche, in denen sehr nüchtern analysiert wird, wo Deutschland steht und was Deutschland an dieser Stelle tun muss, um dort, wo wir es nicht sind, wirklich Weltspitze zu werden. Das wird überprüft und es wird jetzt mit der Wirtschaft besprochen, was man tun kann. Wir gehen dabei als Kabinett zum ersten Mal gemeinsam vor. Das heißt, hierbei hat nicht jedes Ressort seine kleinen Forschungsvorhaben, sondern wir haben hierbei eine gemeinsame High-Tech-Strategie entwickelt, was ich für sehr wichtig halte. Das? gekoppelt an das, was wir letzte Woche erlebt haben, nämlich einem erstmaligen Bekenntnis zur Exzellenz in diesem Lande? wird nach meiner festen Überzeugung einen Mentalitätswandel mit sich bringen. Für eine Norddeutsche ist das Ergebnis der Exzellenzinitiative natürlich bitter. Da hat man nicht viel zu lachen und muss ein großes Herz für den Süden haben. Aber, meine Damen und Herren, ich glaube, es ist gut, dass wir endlich die Augen aufmachen und sagen: Es ist nicht alles gleich in Deutschland, sondern es gibt bessere, die gestärkt werden müssen, und es gibt solche, die sich anstrengen müssen und die dazu motiviert werden müssen. Mit diesem Gedanken der Exzellenz haben wir einen ganz wichtigen Schritt getan; denn wenn der in allen Bereichen Einzug hält, dann haben wir auch endlich wieder etwas gewonnen.

Ich will eine letzte Reform nennen, nämlich die des Elterngeldes. Das Elterngeld ist eine spannende Sache, die, wie ich finde, zum Teil auch noch nicht in ihrer vollen Blüte erkannt worden ist. Das Elterngeld ist nämlich zum ersten Mal in jüngster Zeit eine Familienleistung, die nicht rein sozial motiviert ist. Denen, die weniger verdienen, muten wir mit dem Elterngeld etwas zu, weil es das, was es früher zwei Jahre lang gab, jetzt nur noch ein Jahr lang gibt. Aber gleichzeitig sagen wir: Menschen, die sich für Kinder entscheiden, entscheiden sich zwar natürlich vorrangig privat, aber auch ein Stück für unsere Gesellschaft. Es ist nicht einzusehen, dass man Lohnersatzleistungen für viele Dinge bekommt, aber ausgerechnet für diese Entscheidung nicht. Das heißt, die Gewinner dieses Elterngeldes sind im Grunde genommen die, die mehr verdienen, die also ein höheres Qualifikationsniveau haben. Aber wir haben das ganz bewusst so geregelt. Die Entscheidung für ein Kind soll Menschen nicht nur nicht in die Sozialhilfe führen, sondern sie soll auch nicht den Lebensstandard von Menschen in einem unverantwortbar großen Maß einschränken. Deshalb ist das Elterngeld an den Verdienst gekoppelt, den man vorher hatte. Das ist ein Schritt hin zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Das führt zu Diskussionen bei denen, die sich für Familienarbeit entscheiden und fragen, ob das eigentlich gerecht ist, was wir da machen. Dazu will ich ausdrücklich sagen: Wir sind dafür, dass jeder für sich entscheidet, aber die vielgelobte Wahlfreiheit gibt es heute nicht für junge Frauen oder Männer. Darum haben wir etwas ganz Spannendes gemacht, was ich Ihnen in diesem Kreis auch nicht verschweigen möchte. Wir haben die Möglichkeit geschaffen, das Ganze auszudehnen, wenn sich auch der Vater oder der zweite Elternteil? im Allgemeinen ist es der Vater? für die Erziehung der Kinder entscheidet. Ich bitte Sie, die Sie Arbeitgeber sind, hierbei großherzig zu sein und die Chancen zu sehen. Denn Väter, die sich zwei Monate für die Erziehung ihrer Kinder entscheiden, bringen vielleicht auch wieder Fähigkeiten in die betriebliche Praxis mit, die kein Fehler sein können. Ich glaube, es wird sowieso unterschätzt, wie diversifiziert unsere Arbeitnehmer eigentlich Lebenserfahrungen machen sollten. Und zwei Monate sind auch kein allzu langer Zeitraum. Also benachteiligen Sie bitte keinen Vater, der diese Möglichkeit in Anspruch nimmt, und wenn Sie selbst noch diese Möglichkeit haben, nutzen Sie sie. Ich glaube, es wird Ihnen nicht schaden.

Ich sage es jetzt einmal ganz nüchtern: Wir werden wirtschaftspolitisch, wenn wir auf Wachstum setzen, aus demographischen Gründen die Frauen in der Erwerbswelt stärker brauchen. Wir haben unglaublich viele hoch qualifizierte Frauen, aber wir vergeuden an dieser Stelle viele Möglichkeiten. Es muss nicht jeder sein ganzes Leben lang Vollzeit arbeiten, aber es muss möglichst jeder am Beruf dranbleiben. Es wird außerdem mit Sicherheit nicht die Möglichkeit bestehen, alles durch Einwanderung und Zuwanderung zu lösen. Sie wissen, welche Nebeneffekte das hat. Das heißt, wir tun gut daran, das, was wir in unserer Gesellschaft an Ressourcen haben? das ist jetzt nur die nüchterne Betrachtungsweise? , auch wirklich zu nutzen.

Meine Damen und Herren, über das Investieren habe ich als dritten Punkt schon im Zusammenhang mit der Forschung gesprochen. Ich will nur noch einen weiteren Punkt nennen: Wir haben die Abschreibungsregelungen verbessert, die Absetzbarkeit von Handwerkerrechnungen verbessert, um hier mehr aus der Schwarzarbeit herauszukommen, und wir haben die Kinderbetreuung im Haushalt verbessert. Wir wollen überhaupt den Haushalt zu einem Arbeitgeber machen. Das wird ein langwieriger Prozess sein. Aber in einer alternden Gesellschaft ist der Haushalt als Dienstleistungsort? also gewissermaßen als Betrieb und auch als eine Form des Zusammenlebens von Menschen, die nicht schon ein ganzes Leben zusammen verbracht haben? ein ganz wichtiger Punkt. Die Entwicklung des Haushalts zum Arbeitgeber sozusagen als Endziel dessen, was wir tun, halte ich für eine der spannendsten Arbeitsmaßnahmen, die wir durchführen können; gerade auch für Menschen, die wir nicht zu Nobelpreisträgern machen werden, sondern die einfache Tätigkeiten und Aufgaben haben müssen. Die Einstellung in Deutschland zu Dienstleistungen muss sich grundlegend ändern. Deshalb sind diese Maßnahmen auf diesem Gebiet auch ganz wichtig.

Last but not least investieren wir mehr in die Verkehrsinfrastruktur - das dürfte Sie freuen. Das ist auch aus meiner Sicht sicherlich noch erweiterungsfähig; das ist gar keine Frage. Aber auch hierbei weise ich darauf hin: Die ideologischen Streitigkeiten darüber, ob wir jetzt mehr Bahn, mehr Schiene oder mehr Straße brauchen, sind in den Hintergrund getreten. Mobilität ist ein Grundgut für Wachstum. Das ist innerhalb dieser Bundesregierung nicht nur verinnerlicht worden, sondern wird auch praktiziert. Wir werden im Übrigen? das befindet sich jetzt in der parlamentarischen Beratung? aus dem Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz, das nur für die neuen Bundesländer galt, ein Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz machen. Wenn wir nicht diese Erd-Strom-Kabel hätten, dann wären wir damit auch schon fertig. Jedenfalls ist es mit diesem Gesetz zum ersten Mal bei mehr als 80Infrastrukturprojekten in der Bundesrepublik Deutschland so, dass bei der Planung eine Gerichtsinstanz weniger genommen werden muss; also so, wie es in den neuen Bundesländern ist. Wir glauben, dass wir hiermit erhebliche Beschleunigungen bei großen Verkehrsinfrastrukturprojekten und auch bei großen Elektrizitätsprojekten mit Spannungsleitungsbau und ähnlichem erzielen werden.

Wenn Sie sich anschauen, wie lange wir in Deutschland für die Realisierung bestimmter Infrastrukturprojekte brauchen, wenn Sie wissen, dass um den Frankfurter Flughafen herum Zehntausende von Arbeitsplätzen entstehen können, dann ist es bei 4, 2Millionen Arbeitslosen eben nicht egal, ob man in fünf, in zehn oder in 15Jahren fertig wird. Deshalb ist das Gesetz richtig. Die Diskussion im Zusammenhang mit diesem Gesetz war am Anfang aber auch skurril. Es wurde gefragt: Wie viele Projekte können wir denn nehmen und aus dem normalen, stufenförmigen Beschwerdeverfahren herausnehmen, ohne dass das Bundesverwaltungsgericht überfordert ist? So wurde das Thema von einer falschen Betrachtungsebene angegangen. Wir müssen stattdessen fragen: Wie viele Verkehrsinfrastrukturprojekte brauchen wir, die möglichst schnell fertig sein sollen? Das sind im Grunde genommen eigentlich alle. Aber wir machen mit diesem Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz einen ganz wichtigen Schritt.

Ich habe Ihnen jetzt in Ausschnitten das benannt, was wir gemacht haben. Wir wissen, dass wir noch viel vor uns haben. Aber ich glaube, dass eine Vielzahl von Dingen entstanden ist, mit denen wir weiterarbeiten und auch Mentalitäten werden ändern können. Wir werden viel von dem, was wir in diesem Jahr in Deutschland gemacht haben, auch nach Brüssel tragen; ich habe Ihnen das am Beispiel des Normenkontrollrates genannt. Ich sehe eine ganz große Aufgabe darin, das Thema "better regulation", also bessere Rechtsetzung? das bedeutet auf gut Deutsch den Wegfall von Richtlinien? , in Brüssel zu diskutieren. Wir befinden uns hierbei im Gespräch mit dem Parlament und mit der Kommission. Wir werden auch unsere G8 -Präsidentschaft nutzen, um Fragen wie die des Schutzes des geistigen Eigentums und viele andere Fragen, die weltweit von allergrößter Bedeutung sind, in den Blick zu nehmen.

Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Ich wünsche weiterhin konstruktive, kritische Diskussionen, so dass wir sie noch als Anfeuerung begreifen können und nicht verzagen. In diesem Sinne auf gute Zusammenarbeit!