Redner(in): Angela Merkel
Datum: 24.10.2006
Anrede: sehr geehrter Herr Deppe, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Georg Milbradt, meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2006/10/2006-10-24-rede-bkin-amd,layoutVariant=Druckansicht.html
insbesondere auch die Mitglieder des Board of Directors von AMD,
die Bundesforschungsministerin und ich sind heute sehr gern zu dieser Festveranstaltung nach Dresden gekommen. Denn ein solches Jubiläum "10 Jahre AMD in Dresden" sucht seinesgleichen in den neuen Bundesländern und, ich sage hinzu, auch in ganz Deutschland.
AMD hat in den vergangenen zehn Jahren insgesamt rund 8 Mrd. USD in den Standort Dresden investiert. Es ist vom Ministerpräsidenten geschildert worden, wie sich das Vertrauen schrittweise immer besser herausgebildet hat. Es sind die Produktionsstätten "Fab 30" und "Fab 36" entstanden. Qualität aus Dresden? das ist inzwischen für AMD etwas ganz Natürliches geworden. Es sind neue Produktionslinien in Angriff genommen worden. Doppelt so viele Prozessoren wie bisher können hergestellt werden. Diese Erfolgsgeschichte spricht für Dresden, sie spricht für den Mut von AMD und sie spricht dafür, dass wir hier etwas geschaffen haben, was der Entwicklung im Bereich der Chips sicherlich weltweit voranhilft.
Das ist möglich gewesen, weil AMD Vertrauen in inzwischen 3.000 hoch qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hatte. Ich habe mir? Herr Deppe hat mich gerade daran erinnert, dass es bereits ganz schön lange her ist? 2001 die Dinge hier schon einmal angeschaut. Natürlich ist ein solches Vertrauen nur möglich gewesen, weil der Standort Dresden ein herausragendes Umfeld für einen Mikroelektronikstandort bietet - Wissenschaft, Erfahrung und Infrastruktur sowie eine Landesregierung, die um die Bedeutung solcher Investitionen weiß, die eine vernünftige und sinnvolle Einstellung zu strategischen Investitionen hat. Deshalb kann auch ich nur wiederholen: Sie können alle miteinander unglaublich stolz auf das sein, was hier erreicht wurde.
Ich möchte darauf hinweisen, dass AMD nicht das einzige Unternehmen von internationaler Bedeutung ist, das sich dazu entschieden hat, in den neuen Bundesländern zu investieren, und dass der Freistaat Sachsen unter den Regionen, in denen investiert wird, eine herausragende Rolle spielt. Ich will nur an BMW in Leipzig oder an DHL erinnern. Auch der Freistaat Thüringen mit Rolls-Royce und Lufthansa hat inzwischen die neuen Bundesländer weltweit bekannt gemacht. Ich glaube, das zieht immer wieder andere, zum Teil auch kleinere Investoren nach, die aus diesen Erfolgsgeschichten die Lehre ziehen, dass eine Investition in den neuen Bundesländern eine große Chance auf Erfolg bedeutet.
Wir arbeiten natürlich daran? die Bundesregierung und die Regierungen der neuen Bundesländer? , den neuen Bundesländern einen Aufschwung zu ermöglichen, der eines Tages aus eigener Kraft geschafft werden kann. Wir wissen, das ist ohne Starthilfe nicht möglich. Der Freistaat Sachsen hat seine Gelder, auch die Bundesgelder, immer so eingesetzt, dass er in die Zukunft investiert hat. Wir wissen, dass mit dem SolidarpaktII bis 2019 ein Zustand erreicht werden muss? das ist alles andere als selbstverständlich? , bei dem wir guten Gewissens sagen können: Die neuen Bundesländer können aus eigener Kraft ihre Wertschöpfung erbringen. Das ist das Ziel der Menschen in den neuen Bundesländern. Dieses Ziel ist im Raum Dresden schon an bemerkenswert vielen Stellen erreicht, in anderen Regionen aber noch nicht.
Wir haben im Augenblick in der Bundesrepublik Deutschland glücklicherweise eine günstige wirtschaftliche Entwicklung. Darauf aufbauend wollen wir unsere Politik gestalten. Als erstes möchte ich Ihnen, Herr Ruiz, sagen, was auch der Ministerpräsident des Freistaates Sachsen eben angesprochen hat: Wir wissen darum, dass Ihr Erfolg auch davon abhängt, dass Sie auf faire Wettbewerbsbedingungen stoßen. Wir werden bei den Ausschreibungen der öffentlichen Hand? dafür hat die Bundesregierung gesorgt? dafür eintreten, dass es keine Diskriminierung gibt. Jeder, der sich in Ihrer Branche auskennt, weiß, worum es geht.
Wir haben deshalb noch einmal auf der Basis des geltenden Vergaberechts eine Erläuterung für ausschreibende Behörden veröffentlicht, die die nötige Klarheit bezüglich des Bereichs der Mikroprozessoren gebracht hat. Wir glauben, dass AMD damit faire Wettbewerbschancen bekommt. Daneben setzt sich in Brüssel nicht nur Sachsen, sondern auch die Bundesregierung dafür ein, dass faire Wettbewerbsbedingungen auch europaweit gegeben sind.
Wir haben ein grundsätzliches Interesse daran, dass es in diesem Bereich Wettbewerb gibt. Das ist schwer genug; Herr Milbradt hat das dargestellt. Wir haben natürlich ein besonderes Interesse daran, weil AMD hier in Dresden diese Erfolgsgeschichte aufweist und wir wissen, dass eine solche Erfolgsgeschichte ohne einen fairen Wettbewerb nicht möglich ist.
Wir wollen politisch dafür Sorge tragen, dass das Innovationstempo, mit dem Sie konfrontiert sind, sich auch in den politischen Rahmenbedingungen wiederfindet. Deshalb haben wir in der Bundesregierung mit der Bundesforschungsministerin Annette Schavan die Innovationspolitik zu einem zentralen Element unseres Handelns gemacht.
Wir werden in dieser Legislaturperiode 6Milliarden Euro mehr für Forschung und Innovation ausgeben. Wir tun dies, weil wir davon überzeugt sind, dass Bundespräsident Horst Köhler Recht hat, wenn er über ein Land wie Deutschland sagt: Wir können nur so viel teurer sein, wie wir besser sind. Dieses "Bessersein" steht jeden Tag auf dem Prüfstand. Was wir an dieser Stelle nicht schaffen, wenn wir also nicht besser sind, dann heißt das nichts anderes, als von der Substanz zu leben; und von der Substanz zu leben, geht auf Dauer nicht gut.
Wie können wir also unsere Innovationskraft steigern? Ich glaube, dabei gibt es in Deutschland eine mentale Komponente zu beachten. Sie ist in den neuen Bundesländern im Grunde weniger auszuprägen, weil sie bereits vorhanden ist - gerade hier im Raum Dresden. Aber deutschlandweit gibt es hier Nachholbedarf, nämlich beim Bekenntnis zu Exzellenz und zu Innovation. Deshalb halte ich es für richtig und gut, dass wir bei der Auswahl von Elitehochschulen und Forschungsclustern jetzt in einen Prozess eingetreten sind, in dem wir zum ersten Mal in Deutschland klar aussprechen, wer spitze ist und wer noch etwas nachholen muss. Das ist vom Prinzip her ein völlig neues Herangehen. Der Gedanke der Humboldtschen Universität hat über viele Jahrzehnte den Eindruck erweckt, alle seien im Grunde gleich, universal und gut. Die Wahrheit ist eine andere. Deshalb wird in Deutschland das, was Sie von den Vereinigten Staaten von Amerika schon seit langem kennen, also das Bekenntnis zu Eliteuniversitäten, in Zukunft möglich sein - auch hinsichtlich Eliteforschungsgruppen.
Der zweite Punkt ist, dass wir zum ersten Mal unter Leitung der Bundesforschungsministerin gesagt haben: Die zusätzlichen 6Milliarden Euro in dieser Legislaturperiode dienen dem Ziel, insgesamt 3 % unseres Bruttoinlandsproduktes für Forschung und Innovation auszugeben. Der Staat? zumindest der Bund? leistet also seinen Beitrag dazu, dass dieses Drei-Prozent-Ziel bis 2010 erreicht werden kann.
Wir haben uns überlegt, wie wir das anstellen müssen. Die Bundesforschungsministerin hat sehr viel Wert darauf gelegt, zu sagen: Es geht nicht nur darum, mit diesen 6Milliarden Euro irgendetwas zu erforschen, sondern es geht darum, aus den Ideen, die Deutschland traditionell in großer Vielzahl hat, auch wirklich Produkte zu machen, so dass wir die Chance haben, mit unseren guten Ideen, guten Patenten und dann auch mit Produkten Wertschöpfung und Arbeitsplätze zu schaffen.
Der Weg von der Idee zum Produkt verlangt neue Instrumente. Solche neuen Instrumente wird es geben, vor allen Dingen für den Mittelstand, der sich schwerer tut, mit dem heutigen Innovationstempo mitzuhalten. Deshalb wird es eine Forschungsprämie geben. Das heißt, für mittelständische Unternehmen, die Forschungsaufträge an Hochschulen und Universitäten vergeben, wird es einen staatlichen Zuschuss geben. Es wird auch die Möglichkeit geben, Risikokapital für Existenzgründungen besser einzusetzen. Das heißt, mit diesen Instrumenten richten wir uns sehr stark darauf aus, nicht nur Ideen zu haben, sondern auch Produkte zu generieren.
Außerdem haben wir in der High-Tech-Strategie 17 wichtige Technologiefelder ausgesucht - dem entsprechend, was Herr Milbradt darüber gesagt hat, was heute notwendig ist. Wir haben sehr nüchtern analysiert, wo Deutschland steht, wo wir spitze sind, wo wir etwas nachholen müssen und wo wir Chancen haben, wirklich weltweit mitzubestimmen. Entlang dieser 17 Felder werden wir die Kooperation mit der Wirtschaft suchen, um damit dann auch wirklich sicherzustellen, dass die Forschungsmittel nicht für alles und jedes eingesetzt werden, sondern für solche Bereiche, die strategisch Erfolg versprechend für Deutschland sind.
Wir werden im ersten Halbjahr 2007 die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union innehaben. Dann werden auch das 7. Rahmenforschungsprogramm gestaltet und strategische Entscheidungen in Europa getroffen, und dies auf der Folie dessen, was wir an Erfahrungen in Deutschland gewonnen haben. Das heißt, wir sind uns vollkommen einig, dass auch Europa solche strategischen Innovationsentscheidungen zu fällen hat, Cluster zu bilden hat und sich klar werden muss, wo wir über die Gemeinsamkeit der Europäischen Union auch wirklich Weltspitze sein können. Damit will sich Europa nicht abschotten, etwa von Amerika. Aber wir müssen unsere Stärken bündeln und gerade in Europa lernen, aus dem nationalstaatlich verankerten Denken herauszukommen und zu sehen, dass Wettbewerbsfähigkeit nur in Gemeinsamkeit zu erreichen ist.
Was die IT-Branche anbelangt, so wollen wir im Dezember zum ersten Mal einen nationalen IT-Gipfel stattfinden lassen, bei dem wir Vertreter von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik an einen Tisch bringen, weil wir glauben, dass Deutschland in diesem Bereich noch mehr aus den Kapazitäten dieses Landes machen kann. Wir haben mit Konrad Zuse in Deutschland immerhin denjenigen gehabt, der den ersten Computer gebaut hat. Danach ist nicht mehr allzu viel, was den Bau von Computern anbelangt, in Deutschland geblieben. Deshalb sind wir auch so stolz, dass, was die Chipherstellung anbelangt, ein Stück zurückgekehrt ist. Auch wenn man sich anschaut, wo die großen Software-Entwicklungen der Welt stattfinden, ist der deutsche Markt eher schwach ausgebildet - im Übrigen auch der gesamte europäische Markt. Auch diesbezüglich wird man in Europa noch einmal diskutieren müssen und inwieweit strategische Entscheidungen noch möglich sind. Zumindest müssen wir bei den Anwendungen der verschiedenen Software-Produkte wieder aufholen. Europa darf sich nämlich von diesem gesamten Technologiebereich nicht zu sehr weltweit abkoppeln, was aber aus meiner Sicht an vielen Stellen schon in einem leider hohen Maße geschehen ist.
Meine Damen und Herren, damit sage ich Ihnen seitens der Politik einfach, dass wir festen Willens sind, die Frage der Innovation zu der zentralen Frage der Zukunft eines Lebens in Wohlstand in Deutschland zu machen und darauf hinzuwirken, dass sich das Klima in diesem Lande, was Innovationsfreudigkeit anbelangt, verändert, nämlich zum Positiven. Dazu haben Erfolgsgeschichten wie die von AMD in Dresden ganz wesentlich beigetragen. Dass wir heute dabei sein dürfen, wenn Sie "10 Jahre AMD in Dresden" feiern, freut uns. Wir werden die weitere Entwicklung mit Argusaugen beobachten. Wir wissen, dass auf dem Chipmarkt der Wettbewerb hart und sich die Entwicklungen rasch vollziehen, weil andere auf der Welt auch nicht schlafen. Aber wir werden für Dresden kämpfen - nicht im protektionistischen Sinne, sondern selbstbewusst und in der festen Überzeugung, dass wir etwas können. Deshalb zum Schluss auch noch einmal ein herzliches Dankeschön an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter!
Sehr geehrter Herr Ruiz,