Redner(in): Angela Merkel
Datum: 10.11.2006

Untertitel: zur Zukunft der Städte am 10. November 2006 in Berlin
Anrede: Sehr geehrter Herr Ackermann, sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister, sehr geehrte Bürgermeister, Oberbürgermeister, meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2006/11/2006-11-10-rede-urban-age-bkin,layoutVariant=Druckansicht.html


ich bedanke mich sehr herzlich, dass ich hier zu Ihrer Konferenz "Urban Age" eingeladen wurde. Ich komme im Grunde zeitlich wieder auf Ihren Anfangsblock zurück. Ich glaube, Sie waren schon in die Fachdebatte eingestiegen. Aber der Deutsche Bundestag erforderte es, dass ich meine Rede hier etwas später halte. Aber ich wollte sehr gerne hier sein, weil ich glaube, dass die Frage der großen Städte eine der zentralen Fragen des 21. Jahrhunderts ist. Wie kann das Leben in den Metropolen der Zukunft gestaltet werden? Das muss nicht nur diskutiert, sondern natürlich auch umgesetzt werden. Aber es ist notwendig, hier überzeugende Antworten zu finden.

Wenn ich hier zu Ihnen spreche, dann spreche ich als Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, aber auch als jemand, der in ländlichen Räumen groß geworden ist und der die Vorzüge des kleinteiligen Lebens sehr wohl zu schätzen gelernt hat, der aber deshalb trotzdem immer wieder von Metropolen fasziniert war und ist. Deshalb glaube ich, dass die Alfred Herrhausen Gesellschaft zusammen mit der London School of Economics hier ein Projekt in Angriff genommen hat, das von außerordentlicher Wichtigkeit ist und das deshalb auch zu Recht die politische Unterstützung verdient hat.

Sie haben Konferenzen in New York, Shanghai, London, Mexiko City und Johannesburg durchgeführt. Es sind viele Bürgermeister hier. Ich bin jedes Mal, wenn ich Auslandsreisen durchführe und in diese Mega-Cities komme, völlig fasziniert von der Frage: Wie muss das Leben eines Verantwortlichen für eine 8, 10 oder 12-Millionen-Metropole sein? Ich habe äußerste Hochachtung davor, wie unter materiell oft schwierigeren Bedingungen, als wir sie in Deutschland kennen, solche Metropolen gemanagt werden und wie dafür Sorge getragen wird, dass die Grundbedürfnisse der Menschen einigermaßen zufrieden gestellt werden und Stabilität herrscht. Ich glaube, dass hier ganz mutige Menschen Verantwortung für Metropolen übernehmen, die zum Teil größer sind als viele Mitgliedsstaaten der Europäischen Union.

Sie haben Berlin als Tagungsort ausgesucht. Das erfüllt uns mit Stolz. Zu den Größten der Großen gehören wir, was die Einwohnerzahl anbelangt, nicht. Aber wir glauben, dass Berlin eine Stadt ist ‑und der Regierende Bürgermeister wird Ihnen das sicherlich auch schon gesagt haben‑ , die stellvertretend dafür steht, wie Wandel vor sich gehen kann. Berlin hat einen rasanten Wandlungsprozess erlebt, seitdem die Mauer gefallen ist. So kann Berlin davon erzählen, welche Veränderungen möglich sind, wie unterschiedliche Kulturen zusammengeführt werden. Aber Berlin spricht auch davon, wie viele Probleme 17Jahre nach dem Fall der Mauer ‑gestern vor 17Jahren fand der Fall der Mauer statt‑ auch noch übrig bleiben. Ich finde, dass die Kreativität Berlin wandlungsfähig gemacht hat - eine Kreativität auf der Grundlage einer engen Verwobenheit mit der eigenen Geschichte. Egal, wie groß eine Metropole ist, wie jung oder wie alt sie ist: Die Geschichtsbezogenheit ist eine der wichtigen Wurzeln dafür, die Identifikation mit der eigenen Metropole zu erhalten.

Was kann Politik überhaupt tun, um Menschen zu helfen, ihre Kreativität zu entfalten? Politik muss in die Bildung investieren. Politik muss versuchen, ein kulturelles Klima der Toleranz zu schaffen, weil in großen Städten immer Kulturen unterschiedlicher Art leben werden. Politik kann Offenheit für neue Technologien schaffen. Die Globalisierung fordert uns natürlich alle mehr denn je dazu heraus. Denn in einer zusammenwachsenden Welt weiß heute der eine vom anderen sehr schnell, wie es geht. Es ist immer besser, sich als eine Metropole zu fühlen, als wenn verschiedene Teile von Metropolen sich besser miteinander verstehen als die Metropolen untereinander.

In den großen Städten ‑und das ist die Chance‑ können aufgrund der Möglichkeiten, die bestehen, gleichsam immer wieder Leuchttürme für Fortschritt und Innovation errichtet werden. Die Infrastruktur macht dies oft viel schneller möglich, als das im ländlichen Raum der Fall ist. Wenn wir heute in Europa über die Breitbandtechnologie sprechen, dann haben natürlich die großen Städte einen Infrastrukturvorteil, weil sich hier die Investitionen sehr viel schneller rentieren. Das ist auch richtig so, denn Mitte unseres Jahrhunderts werden sogar zwei Drittel der Menschen ‑heute wohl etwa die Hälfte‑ in Städten leben. Diese Entwicklung ist natürlich auch eine Entwicklung ‑und deshalb ist Kreativität so notwendig‑ , von der ‑ich glaube, damit übertreibe ich nicht‑ die Zukunft der Menschheit insgesamt abhängt.

Die Städte sind unterschiedlich. Sao Paulo oder Kalkutta haben sicherlich ganz andere Probleme als Sydney oder Berlin. Aber Kofi Annan hatte schon recht, als er unser 21. Jahrhundert einmal "Jahrhundert der Städte" genannt hat. Wir wissen auch, dass es keine Patentlösungen gibt. Deshalb müssen Sie auch so lange darüber sprechen und diskutieren. Es gibt weder Patentlösungen für die Bewältigung der Probleme der Explosion der Bevölkerung in Asien, Südamerika und Afrika und auch nicht für die Städte mit einer hohen Wachstumsdynamik in Südostasien oder China. Aber es gibt eben auch keine Patentlösung für die Probleme der Städte Europas, die mit ganz anderen Sorgen umzugehen haben, nämlich mit einer abnehmenden bzw. alternden Bevölkerung.

Trotzdem gibt es jenseits der unterschiedlichen Gegebenheiten einige Gemeinsamkeiten: Überall sind die Städte Zentren wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklung. Dort wird ein wesentlicher Teil der Wertschöpfung erzielt, der die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Länder ausmacht. Aber in den Städten konzentrieren sich eben auch ‑und auch das ist eine Gemeinsamkeit‑ die ökonomischen, sozialen und ökologischen Probleme. Das heißt, hier bündeln sich im Grunde die großen Fragen der Zukunft, die überall gestellt sind, in ganz besonderer Weise wie unter einem Brennglas.

Deshalb ist die Befassung mit der Frage der Städte nicht irgendeine Befassung, sondern es ist die Befassung mit den Problemen, mit denen die gesamte Menschheit zu tun hat. Dazu müssen Erfahrungen ausgetauscht werden. Es müssen insbesondere Erfahrungen zwischen den industrialisierten Ländern und den Schwellenländern ausgetauscht werden. Ich denke dabei an Konzepte des Städtebaus, an technische und rationelle Lösungen. Ich glaube, dass Deutschland hier sehr, sehr gute Beispiele für die Ver- und Entsorgung, bei der Gebäudetechnik und beim Transportwesen geben kann.

Wenn ich ein Thema, das uns in den nächsten Jahren noch intensiver als bisher beschäftigen wird, nennen darf, nämlich den Klimaschutz, dann kann man auch gerade in den Städten unglaublich viel erreichen, was den Energieverbrauch anbelangt. In Deutschland finden 70 % des Energieverbrauchs ‑das gilt für ganz Europa‑ im Verkehrsbereich und im Wohnungsbereich, also im privaten Konsum, statt. Das heißt, hier kann man die Reduktionsraten durch bessere Energieeffizienz sehr schnell auch erhöhen.

Deutschland hat interessante Technologien zu bieten, gerade was CO2 -arme Energiequellen, Energieeffizienz, Gebäudeisolierung und interessante Verkehrstechnologien anbelangt. Wir werden natürlich versuchen, dies auch als eine Exportchance in andere Regionen mit Metropolen zum Wohle unseres Landes, aber auch zum Wohle der Städte zu nutzen, in die wir exportieren.

Wir wissen ‑ich weiß es jedenfalls noch sehr gut aus meiner Zeit als Umweltministerin‑ , dass es einen interessanten Zusammenhang zwischen Rechtssetzung und Technologien gibt. Auch hier muss Deutschland besser werden. Denn es passiert heute noch sehr häufig ‑ich denke an große Städte, die ich selbst besucht habe, so z. B. Mexiko-City‑ , dass die Bundesrepublik Deutschland wunderbare Studien über Wasserversorgung und Gebrauchtwasserentsorgung erstellt und anschließend andere ‑und das ist sehr interessant‑ dann über die Regulierung, die sie vorschlagen, das Geschäft machen. Das muss nicht immer so sein. Auch wir sind anspruchsvoller geworden. Nicht nur die Idee soll das Markenzeichen Deutschlands sein, sondern auch das Produkt. Das werden wir auch in den nächsten Jahren fortsetzen.

Meine Damen und Herren, es gibt neben der Infrastruktur und der Effizienz ein weiteres Thema, wenn wir über große Städte sprechen. Städte sind auch Orte politischer, sozialer und kultureller Teilhabe. Das Leben in den Städten entscheidet darüber, ob Integration gelingt und ob die Teilnahme und Teilhabe der Menschen in einer aktiven Bürgergesellschaft gewährleistet werden kann.

Wir haben hierbei sicherlich unterschiedliche Ausgangsbedingungen. Aber wir kennen trotz des relativ guten Wohlstands auch eine Vielzahl von Problemen aus unseren Städten. Wir kennen Vereinzelung in den Städten. Die Bauweise reizt an vielen Stellen nicht gerade zu Kontakten an. So sind wir inzwischen wieder auf dem Wege, auch generationenübergreifende Strukturen zu schaffen, damit sich Generationen begegnen. Denn eines unserer Probleme ist ‑ich habe über den demographischen Wandel gesprochen‑ , dass es sehr, sehr viele Singles gibt, dass es auseinander gerissene Familienverbünde gibt und dass Kontakte erst über ganz neue Formen der Stadtplanung überhaupt wieder hergestellt werden können. Aber es gibt auch einen zweiten Punkt, nämlich das, was wir unter Toleranz und Gemeinsinn verstehen. In Städten leben Menschen verschiedener Herkunft. Auch das muss berücksichtigt werden. Ich komme darauf noch einmal zurück.

Gibt es spezifische Eigenschaften von Städten in Europa, von Städten in Deutschland? Ich würde sagen: Ja. Es gibt eine Stadtgeschichte, eine Stadttradition in Europa."Die" europäische Stadt gibt es sicher nicht. Aber es gibt Gemeinsamkeiten. Diese Gemeinsamkeiten sind aus einer jahrhundertealten Geschichte entstanden. Unsere Städte heute sind durch die Industrialisierung stark geprägt, so auch Berlin.

Unsere Städte von morgen werden durch die Veränderung der Wirtschaftsformen geprägt sein und insbesondere durch die Tatsache, dass wir einen größeren Dienstleistungssektor und sehr viel weniger klassische industrielle Produktion und Wertschöpfung in anderen Bereichen haben werden. Aber Europa hatte immer den Anspruch, das zu entwickeln, was ich eine "soziale Stadt" nennen würde. Wir sind durch schwierige Zeiten gegangen, wenn man sich nur einmal die Berliner Hinterhofstruktur aus dem 19. und 20. Jahrhundert anschaut. Wenn man sich anschaut, wie viel Kraft man später investieren musste, um diese sehr enge und sehr naturferne Struktur zu überwinden, glaube ich, dass man in Städten, die solche Entwicklungen noch vor sich haben, viel davon lernen kann, um diese Fehler nicht zu wiederholen und hinterher alles neu machen zu müssen.

Viele europäische Städte stehen vor der Sorge und Aufgabe, dass sich Produktion aus den Städten zurückzieht, dass die industrielle Produktion stärker im ländlichen Raum stattfindet, dass entweder sehr weite Arbeitswege zu bewältigen sind oder dass die Menschen in die Produktionsgegenden wegziehen. Das heißt, dass Arbeitslosigkeit ein großes Problem gerade auch städtischer Strukturen ist. Insbesondere Regionen mit Strukturwandel haben natürlich oft über Jahre und Jahrzehnte irrsinnige Probleme zu überwinden.

Dann komme ich zu dem Punkt Bildung. Wenn Sie es nicht schaffen, Regionen, die unabwendbar vom Strukturwandel betroffen sind, in kurzer Zeit durch Bildungsinitiativen auch für Ältere ‑und nicht nur für die Jungen, die einen neuen Beruf lernen‑ auf die neuen Herausforderungen vorzubereiten, dann werden Sie keine Ansiedlungen bekommen, die zukunftsfähig sind. Man kann ja in Städten nicht so verfahren, dass man immer eine glückliche Generation hat und dann bei jedem anstehenden Strukturwandel erst einmal eine ‑in Anführungsstrichen "verlorene" Generation produziert, um anschließend wieder die nächste junge Generation auf den Strukturwandel vorzubereiten. Das heißt natürlich für die wachsenden Städte jenseits Europas, dass man auch versuchen muss, diversifizierte Arbeitsangebote zu haben. Aber das ist oft leichter gesagt als getan.

Meine Damen und Herren, wir haben eine Reihe negativer Symptome, die Ausdruck solcher Strukturwandlungsprozesse sind. Das ist das Leerstehen von Gebäuden, eine geringe Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen und natürlich das große Problem Vandalismus und Kriminalität. Sie werden sich mit diesen Fragen ja auch befassen, insbesondere mit letzterer.

Die Fragen der inneren Sicherheit gewinnen noch einmal durch das Wissen an Bedeutung, dass durch die neuen Bedrohungen des Terrorismus Städte mit Sicherheit sehr viel stärker betroffen sein werden. Deshalb ist meine und unsere Devise: Null Toleranz gegenüber kriminellen Handlungen, weil Sicherheit für die Menschen in einer Stadt natürlich die elementare Anforderung ist, um das Leben in einer Stadt lebenswert zu machen.

Wir wissen in Deutschland inzwischen, dass die besten kulturellen Angebote ‑wie subventionierte Theater und Museen‑ überhaupt nicht helfen, wenn ein Teil der Menschen nicht die Chance hat, diese Angebote wahrzunehmen, weil sie sich z. B. nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr aus ihrer eigenen Wohngegend heraustrauen. Der Zugang zu solchen kulturellen Angeboten darf nicht davon abhängen, ob man sich ein Taxi leisten kann. Das ist eine der großen Herausforderungen, vor denen wir stehen.

Jetzt haben wir in Deutschland ein weiteres großes Problem, das aber in vielen anderen Ländern ähnlich ist, nämlich dass der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in den westdeutschen Großstädten in Zukunft auf bis zu 50 % steigen wird. Das heißt, Städte sind die Orte, in denen in Deutschland im Wesentlichen die Integrationsaufgaben zu leisten sind. Der Regierende Bürgermeister von Berlin weiß wie jeder andere Oberbürgermeister in Deutschland, wie schwierig das ist, wie viel Kraft das braucht und welche kulturellen Barrieren überwunden werden müssen. Ich glaube, es ist eine richtige Initiative, dass sich die Bundesregierung das Thema Integration zusammen mit den Ländern vorgenommen hat ‑obwohl es keine direkte Zuständigkeit auf der Bundesebene dafür gibt‑ , weil wir auch hier in Deutschland einen klaren Mentalitätswandel brauchen.

Auf der einen Seite brauchen wir einen Wandel der Mentalitäten derer, die zu uns kommen und die zum Teil quasi in Parallelgesellschaften versuchen, ihr Leben zu gestalten, und von vornherein nicht bereit sind, die deutsche Sprache zu lernen. Aus unserer Sicht ist es eine der unabweisbaren Forderungen, dass diejenigen, die dauerhaft in unserem Land leben wollen, insbesondere die jungen Menschen, auch die deutsche Sprache lernen. Alles andere führt zur nicht akzeptablen Entwicklung, dass die Kinder von Eltern mit Migrationshintergrund nicht die gleichen Lebenschancen wie Kinder ohne Migrationshintergrund haben.

Vor dieser Aufgabe steht Deutschland in besonderer Weise, weil wir angesichts des demographischen Wandels im Grunde jeden jungen Menschen dringend brauchen. Heute haben wir noch die Situation, in der wir darum kämpfen, dass jeder junge Mensch einen Ausbildungsplatz bekommt. In wenigen Jahren wird eine große Suche nach ausbildungsfähigen Jugendlichen beginnen. Es ist die Aufgabe ‑vom Kindergarten an bis zur Schule‑ , hier die notwendigen Vorkehrungen zu treffen.

Wir brauchen also einen Mentalitätswandel bei denen, die einen Hintergrund aus anderen Ländern haben. Aber ‑ich sage auch hinzu‑ es bedarf auch eines Mentalitätswandels bei denen, die seit langem in Deutschland als Deutsche leben und die ein gewisses Maß an Offenheit aufbringen müssen, auch gegenüber anderen Kulturen. Ansonsten wird Integration nicht funktionieren. Integration verändert alle ein Stück. Von dieser Offenheit hat Deutschland in vielen Phasen profitiert. Und das sollten wir auch heute wieder so sehen.

Wir wissen, vor welchen Gefahren wir stehen, wenn wir Integration nicht schaffen. Die Unruhen in den französischen Vororten sind ein Beispiel dafür. Solche Entwicklungen können dann mit Repressionen allein nicht mehr gestoppt werden, sondern sie erfordern ein sehr langfristiges, im Übrigen auch sehr teures Engagement. Deshalb müssen wir zusehen, dass sich Stadtteile einigermaßen ähnlich entwickeln.

Die Bundesregierung hat keine direkte Zuständigkeit. Es ist ihr sogar verboten, direkt Gelder und Aufgaben an Kommunen zu überweisen. Wir haben immer die Länder als Mitfühlende; sie sind sozusagen ein mit den Städten mitfühlendes Zwischenglied. Die Länder allerdings glauben, dass sie die Interessen der Städte sehr gut wahrnehmen, indem sie vom Bund hinreichend finanzielle Mittel fordern. Aber diese Auseinandersetzung haben Sie sicherlich in vielen Ländern der Welt. Da sind wir wahrscheinlich nicht das Einzige.

Aber es gibt die Möglichkeit, dass bundesweit bestimmte symbolische Programme durchgeführt werden, die ich für wichtig halte. Da ist auf der einen Seite das Förderprogramm "Die soziale Stadt". Der Bundesbauminister wird ja auch noch zu Ihnen sprechen. Ich habe vom "Nationalen Integrationsplan" gesprochen, in dem wir Integration vor Ort modellhaft demonstrieren wollen. Ich habe von den Mehrgenerationenhäusern gesprochen, die für unsere demographische Entwicklung von allergrößter Bedeutung sind.

Meine Damen und Herren, es ist wichtig, dass sich die Alfred Herrhausen Stiftung und die London School of Economics diesem Thema widmen: Politik für Städte, Stadtpolitik. Um die Herausforderungen der Metropolen zu bewältigen, bedarf es einer gemeinsamen Aktion von Politik, Wirtschaft und Menschen, die ein Herz für Städte haben. Es bedarf kultureller Aktivitäten und vor allen Dingen auch des Bewusstseins aller Bürgerinnen und Bürger eines Landes ‑in Deutschland lebt etwa die Hälfte in Städten, die Hälfte im ländlichen Bereich‑ , dass sich die Probleme einer Gesellschaft frühzeitig in den Städten zeigen und dass die Lösung der Probleme in den Städten nicht nur eine Aufgabe der jeweils dort Regierenden ist, sondern ‑im Sinne der Zukunft‑ eines jeden einzelnen Landes ist.

Wenn ich Reisen unternehme und mit Staats- und Regierungschefs in verschiedensten Regionen der Welt spreche, dann versuche ich auch immer, genau über dieses Problem zu sprechen. Es gibt ja hoch interessante Entwicklungen und es gibt ausgesprochen weitsichtige Verantwortliche in den Städten, die mit langer Planungsdauer versuchen, die Probleme der Zukunft zu erahnen und die der Gegenwart zu bewältigen. Ich glaube, ohne Zukunftsdenken machen wir zu viele Fehler in der Ist-Zeit. Deshalb ist es so wichtig, dass Sie diese Diskussion hier miteinander führen ‑angesichts von vielen real existierenden Problemen, aber auch angesichts von hoch interessanten Lösungen für Entwicklungen, wie ich sie zum Teil auf der Welt antreffe.

Deshalb wünsche ich Ihnen für Ihre Tagung weiterhin einen fruchtbaren Austausch. Ich bedanke mich noch einmal für all die Aktivitäten."Urban Age" ist die Zukunftsaufgabe. Ich bin deshalb auch sehr gern heute zu Ihnen gekommen.

Alles Gute. Herzlichen Dank, dass ich hier sein darf, Herr Ackermann, Herr Davies.