Redner(in): Gerhard Schröder
Datum: 04.05.2000

Anrede: Sehr geehrter Herr Professor Landfried, sehr geehrter Herr Professor Klockner, sehr geehrte Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/03/8403/multi.htm


diese Jahresversammlung der Hochschulrektorenkonferenz steht unter dem Motto "Studium und Beruf". Damit ist eines der zentralen Themen, die uns in der Hochschulpolitik beschäftigen, benannt.

Nur ein ausgesprochen geringer Anteil aller Studierenden verbleibt auf Dauer an den Hochschulen und übernimmt dort wichtige Aufgaben in Forschung und Lehre.

Der weit überwiegende Anteil will und muss nach Abschluss des Studiums Eingang in die Berufswelt außerhalb der Hochschulen finden.

Der Wissenschaftsrat hat deshalb nicht von ungefähr dafür plädiert, dass die Hochschulen den Arbeitsmarkterfolg ihrer Absolventen als ein Kriterium ihrer eigenen Leistungsfähigkeit verstehen sollten.

Es ist oft zu hören, dass es den deutschen Hochschulabsolventen nicht an spezifischen Fachkenntnissen mangelt. Vielmehr werden fehlende soziale und kommunikative Kompetenzen beklagt.

Ich bin mir bewusst, dass die Aufgaben der Hochschulen in einem Spannungsfeld zwischen Erwartungen der Studierenden, Selbstverständnis der Hochschulen und Forderungen der Gesellschaft stehen.

Die Hochschulabsolventen erwarten eine Qualifikation, die ihnen langfristig gute Arbeitsmarktchancen eröffnet. Die Wirtschaft fordert nach neuestem Stand ausgebildete, bereits berufsfertige Absolventen.

Gleichzeitig verstehen sich die Hochschulen zu Recht als Zentren der geistigen Auseinandersetzung und prägen unser gesellschaftliches Leben wesentlich mit. Sie sind, wenn man so will, Laboratorien der Zukunftsgestaltung.

Eine solche Gratwanderung ist nicht einfach. Das zeigt sich zum Beispiel auch an der aktuellen Diskussion.

Das Sofortprogramm zur Deckung des Fachkräftebedarfs in den Informationstechnologien, das von mir gemeinsam mit Vertretern der Informations- und Kommunikationsbranchen ins Leben gerufen wurde, soll diesen unterschiedlichen Anforderungen Rechnung tragen.

Ich weiß, dass die Hochschulrektorenkonferenz seit langer Zeit auf den drohenden Nachwuchsmangel in Technik- und Naturwissenschaften hingewiesen hat.

Ihre Forderung, angesichts des Mangels an Fachkräften im IT-Bereich nachhaltig in den Hochschulen tätig zu werden, halte ich für sehr berechtigt.

Deshalb haben wir im Sofortprogramm zur Deckung des IT-Fachkräftebedarfs festgelegt, dass die Bundesregierung im Zusammenwirken mit den Ländern eine Qualifizierungs-Offensive starten wird.

Zu dieser Strategie gehört es unter anderem, zusätzliche Kapazitäten in den Universitäten und Fachhochschulen zu schaffen.

Ich biete deshalb den Ländern an, unverzüglich ein gemeinsames Sofortprogramm zurFortentwicklung der Studienangebote in der Informatik aufzulegen. Ich kann mir vorstellen, dass wir hierzu einen Wettbewerb starten.

Die Hochschulen entwickeln Konzepte zur Steigerung von Effizienz, Niveau und Betreuung der Informatikausbildung.

Die besten werden wir mit Hilfe einer Jury auswählen und fördern. Ich denke hier an eine 5-jährige Laufzeit und ein Finanzvolumen von 100 Millionen DM. Der Bund ist bereit, sich mit 50 Millionen DM zu beteiligen.

Meine Damen und Herren,

es ist kein Geheimnis, dass die Bundesregierung für den Hochschulbereich nur in begrenztem Umfang Verantwortung trägt. Aber wir nehmen diese Verantwortung sehr ernst.

Wir haben deshalb nach Jahren der Stagnation für den Hochschulbereich die Ausgaben von 1998 auf 1999 um rund 400 Millionen DM also auf 3,8 Milliarden DM erhöht.

Wir werden diesen Weg, Forschung und Bildung mit Vorrang zu fördern, weiter beschreiten. Das wird uns aber nur gelingen, wenn wir genauso entschieden an unserer Konsolidierungspolitik festhalten.

Sparen ist für uns kein Selbstzweck.

Erst das Sparen verschafft uns wieder Spielräume zur Gestaltung von Politik. Sparen ist also nichts anderes als ein Akt bewusster Zukunftsvorsorge.

Deswegen werden wir auch eventuelle staatliche Mehreinnahmen konsequent zum Schuldenabbau verwenden. Nur so werden wir die drückende Zinsenlast dauerhaft abbauen und noch mehr in Bildung, Forschung und Infrastruktur investieren können.

Sparen und Investieren gehören für die Bundesregierung untrennbar zusammen. Mit unserer Politik aus Sparen und Investieren stärken wir die Wachstumskräfte, machen wir unser Land innovativ und wettbewerbsfähig, schaffen wir eine neue Balance zwischen wirtschaftlicher Modernisierung und sozialem Ausgleich.

Meine Damen und Herren,

auch die Hochschulen stehen im globalen Wettbewerb. Und sie müssen drei große Aufgaben bewältigen, wenn sie in diesem Wettbewerb um die besten Köpfe und die innovativsten Ideen bestehen wollen.

Sie müssen: nach innen flexibler und leistungsorientierter werden; - der Lehre deutlich mehr Gewicht beimessen, ohne die Qualität der Forschung zu vernachlässigen; - sich verstärkt den internationalen Anforderungen stellen.

Mit der jüngsten Novelle zum Hochschulrahmengesetz wurde bereits ein wichtiger Schritt in Richtung Modernisierung getan. Durch weniger staatliche Einflussnahme mehr Leistung, Qualität und Vielfalt zu ermöglichen, wird von Bund, Ländern und von großen Teilen der Hochschulen unterstützt.

Ein weiterer, besonders wichtiger Baustein ist die Reform des Hochschuldienstrechts.

Noch in dieser Legislaturperiode werden wir eine umfassende Modernisierung herbeiführen. Die von der Bundesbildungsministerin berufene Expertenkommission hat hier bereits Wegweisendes geleistet. Dafür möchte ich allen Mitwirkenden danken. Ich weiß, dass dieses Engagement den Beteiligten teilweise heftige Kritik aus den eigenen Reihen eingebracht hat. Dass Sie sich hiervon nicht beirren ließen, verdient Respekt. Die Bundesregierung wird die Empfehlungen und auch die abweichenden Voten einzelner Kommissionsmitglieder sorgsam prüfen.