Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 30.01.2007
Untertitel: Kulturstaatsminister Bernd Neumann eröffnet in der Berliner Akademie der Künste die transmediale.07.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2007/01/2007-01-30-neumann-transmediale,layoutVariant=Druckansicht.html
unfinish! "lautet das Motto der diesjährigen, der 20. transmediale, und dieser Imperativ ist für ein Kunstfestival mindestens ungewöhnlich. Denn nach traditioneller Vorstellung ist das Ziel des Künstlers eher das" Finish "als das" Unfinish ", eher die Vollendung eines Werks als deren Gegenteil. Wobei ja keineswegs sicher ist, was denn das Gegenteil von Vollendung eigentlich wäre.
Keine Sorge, ich werde nicht den Versuch machen, diese Frage zu beantworten. Aber ich glaube, dass vieles von dem, was im Motto der transmediale. 07 anklingt, auch die Voraussetzung für Kreativität und Phantasie ist: die Offenheit für Neues, die Lust am Experiment, der Mut, alte Gewissheiten gegen neue Fragen einzutauschen. Das gilt auch für die transmediale selbst, die genau mit solchen Tugenden zu einem Erfolgsmodell geworden ist.
Begonnen hat sie 1988 als "VideoFilmFest", als Ausgründung der Berlinale. Damals stand jene Kunst im Mittelpunkt, mit der seit den frühen 60er Jahren Filmemacher und vor allem bildende Künstler die ästhetischen Möglichkeiten des Mediums Video auszuloten versuchten. Mit Beginn der 90er Jahre wurde dann die Entwicklung der Computertechnik immer rasanter und die neuen elektronischen Möglichkeiten und die die Digitalisierung von Ton und Bild haben einen ähnlichen Prozess künstlerischer Neugier und Produktivität ausgelöst, wie seinerzeit die Videokunst.
Und wenn man sich heute schon allein die verschiedenen Unterbegriffe anschaut - Computerkunst - Roboterkunst - Digitalkunst - Netzkunst - dann wird deutlich, dass der Begriff "Medienkunst" kaum mehr in der Lage ist, die vielfältigen Entwicklungen zu umfassen und zu beschreiben. Wohl deshalb hat sich die transmediale vom "Festival für Medienkunst" zum "Festival für Kunst und digitale Kultur" gewandelt.
Die transmediale ist das wichtigste Festival seiner Art in Deutschland und ich bin sehr froh darüber, dass dies die Gremien der Kulturstiftung des Bundes ebenso sahen: Das Festival wird seit 2005 für die Dauer von 5 Jahre als "kultureller Leuchtturm" gefördert, und zwar mit 450.000 Euro jährlich. Ein "Leuchtturm" ist die transmediale deshalb, weil hier mutig wie bei keinem anderen Kunstfestival im Bereich der Neuen Medien jene Fragen aufgegriffen werden, die die Gesellschaft bewegen, und weil sich hier ein großes internationales Publikum versammelt, um die künstlerische Auseinandersetzung um diese Fragen zu verfolgen.
Wir brauchen die transmediale, weil vieles, was an technischer Innovation in den neuen Medien geschieht, oftmals erst in seiner künstlerischen Überhöhung für die Gesellschaft erahnbar oder erfahrbar wird. Andreas Broeckmann hat dafür einmal den Begriff des "Frühwarnsystems des technischen Fortschritts" gebraucht.
Für die Gesellschaft und für die Politik - sind solche Warnsysteme unverzichtbar, weil deren Sondierungen auch bei der Gestaltung von Rahmenbedingungen berücksichtigt werden können, z. B. bei der Prüfung und Formulierung von Gesetzesnovellierungen. Denn rasant und umfassend wie Digitalisierung und Vernetzung unser Leben und unsere Welt verändern, müssen wir diese Veränderungen aktiv und bewusst mitzugestalten und mitzusteuern versuchen.
Ich freue mich, dass die Medienkunst in der transmediale ein so klug und gut konzipiertes Podium findet. Denn es ist mehr als an der Zeit, Medienkunst auch in ihrer gesellschaftlichen und politischen Relevanz - als Teil der zeitgenössischen Kunst stärker wahrzunehmen! Ich danke dem Team um Andreas Broeckmann herzlich für die ideenreiche und engagierte Vorbereitung. Wie schon im letzten Jahr konnte ich mir auch diesmal bei einem Rundgang ein Bild vom Festival machen und bin beeindruckt vom breiten Spektrum, der visuellen Kraft und der Konsequenz der gezeigten Arbeiten.
Professor Staeck, dem Präsidenten der Akademie der Künste, danke ich für die Gastfreundschaft hier im Hanseatenweg. Ich finde, die transmediale steht der Akademie sehr gut zu Gesicht.
Professor Herzogenrath, meinem guten Bekannnten aus Bremen, grüße ich als Mitglied des künstlerischen Beirats der transmediale besonders herzlich und danke ihm stellvertretend für alle fünf Beiratsmitglieder für seine Mitwirkung in dem Gremium.
Abschließend wünsche ich der transmediale. 07 einen erfolgreichen Verlauf, viele Besucher, und dass sie der Mut zum Unvollendeten, zum Überarbeiten und Überdenken, kurz zum "unfinish!", nie verlassen möge.