Redner(in): Angela Merkel
Datum: 04.02.2007

Untertitel: am 4. Februar 2007 in Kairo
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2007/02/2007-02-04-bkin-wirtschaftsforum-kairo,layoutVariant=Druckansicht.html


Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

sehr geehrte Minister,

sehr geehrte Abgeordnete

und vor allen Dingen sehr geehrte Gäste dieses Deutsch-Ägyptischen Wirtschaftsforums,

ich freue mich sehr, dass es gelungen ist, dieses Deutsch-Ägyptische Wirtschaftsforum heute in Kairo durchzuführen. Ich bin der ägyptischen Regierung, insbesondere Ihnen, Herr Ministerpräsident, auch sehr dankbar, dass wir beide dieses Forum eröffnen können.

Unsere beiden Länder, Deutschland und Ägypten, sind durch langjährige enge Freundschaft verbunden. Ägypten übt eine große Faszination auf uns in Deutschland aus. Ich erinnere nur daran, dass wir die Ausstellung "Ägyptens versunkene Schätze" in Deutschland hatten. Der ägyptische Präsident Mubarak hat diese Ausstellung persönlich eröffnet. 450.000 Besucher waren in dieser Ausstellung und haben damit die Geschichte dieses Landes besser kennen gelernt. Es ist ja kein Geheimnis, dass Ägypten zu den beliebtesten Urlaubszielen der Deutschen gehört.

Wir sind hier in eine Region gekommen, die politisch in einer sehr schwierigen und interessanten Phase ist. Ägypten ist natürlich wie alle anderen Länder auf Stabilität angewiesen. Ich habe gestern mit dem ägyptischen Präsidenten über die Möglichkeiten eines Friedensprozesses gesprochen. Ich erwähne das hier auf diesem Wirtschaftsforum, weil natürlich Stabilität und Frieden die Voraussetzungen für eine prosperierende wirtschaftliche Entwicklung in der ganzen Region sind.

Ägypten hat zu einem sehr frühen Zeitpunkt den Friedensprozess mit Israel eingeleitet und hat damit heute Chancen auf eine gute wirtschaftliche Entwicklung, die anderen noch verwehrt sind. Ich glaube, Ägypten ist ein herausragendes Beispiel dafür, den Menschen in der Region zu zeigen: Frieden ist auch die Voraussetzung für eine vernünftige Entwicklung. Dies soll allen zuteil werden, insbesondere auch dem palästinensischen Volk.

Hier ist heute nicht der Ort, über die Friedensbemühungen zu sprechen, die wir in Zukunft eng zwischen der Europäischen Union, den Mitgliedern des Quartetts, vor allen Dingen auch den Vereinigten Staaten von Amerika und den Akteuren in der Region verzahnen wollen. Ich möchte mich hier heute morgen nur darauf beschränken, allen politischen Kräften in Ägypten ein herzliches Dankeschön zu sagen, die sich unermüdlich bemühen, den Friedensprozess voranzubringen.

Wir wissen, dass wir bei den freundschaftlichen Beziehungen insbesondere den wirtschaftlichen Austausch nach vorn bringen wollen. Ich habe gestern viele Gespräche geführt. Durch die Erweiterung der Europäischen Union und durch die vielen Verpflichtungen, die Deutschland auch in Richtung Mittel- und Osteuropa hat, kam manchmal die Frage auf: Ist Ägypten eigentlich noch ein interessanter Standort für deutsch-ägyptische Wirtschaftsbeziehungen?

Deshalb möchte ich sagen: Die Tatsache, dass wir heute hier sind und dass der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie in dieser Wirtschaftsdelegation ist, soll ein deutliches Signal dafür sein, dass wir die Kooperation wollen. Wir wollen sie bilateral und wir wollen sie auch im Rahmen der Europäischen Union, in der wir ja in diesem Halbjahr die Präsidentschaft innehaben.

Ich denke, die EUROMED-Kooperation, also die Kooperation im Rahmen des Barcelona-Prozesses mit den Anrainerstaaten des Mittelmeers, ist eine ganz wesentliche und auf die Zukunft ausgerichtete Kooperation, in der natürlich Ägypten eine wichtige Rolle spielen wird.

Wenn man sich die Zahlen anschaut, so sind die Entwicklungen sehr positiv. Die Zuwachsraten bewegen sich im zweistelligen Bereich den Tourismus noch gar nicht mitgerechnet, sondern allein im Warenhandel. Deutschland ist einer der wichtigen Handelspartner Ägyptens. Für Deutschland ist Ägypten auch einer der wichtigen Partner in der Region. Das heißt aber nicht, dass wir nicht noch mehr machen können.

Die Wirtschaftsdelegation unter Leitung unseres Wirtschaftsministers Michael Glos hat gestern die Zeit genutzt und wird das auch heute auf diesem Forum tun, um auszuloten, wo Erfolge, neue Potenziale und auch Schwierigkeiten sind. Wir haben darüber gestern Abend ein sehr offenes und intensives Gespräch geführt.

Dass wir diese Offenheit haben, dass wir diese Gespräche führen können, dass wir diese Zuwachsraten haben, das hängt mit der Politik Ihrer Regierung, Herr Ministerpräsident, zusammen. Sie haben Barrieren abgebaut und Sie haben mit Ihrer Reformpolitik einen großen Beitrag dazu geleistet, dass Regulierungen weggefallen sind und sich Ägypten zunehmend als attraktiver Wirtschaftsstandort präsentiert.

Wir haben gestern mit vielen Ministern in der Regierung über Ihre Arbeit gesprochen. Ich habe den Eindruck, dass es eine sehr effiziente Arbeit ist. Das bedeutet für uns als Deutsche auch, dass wir inzwischen in einem solch attraktiven Wirtschaftsstandort um Aufträge kämpfen müssen, dass wir unsere Stärken zeigen und Angebote machen müssen, die hier wirklich gebraucht werden, wobei die Bandbreite dessen, wo wir zusammenarbeiten können, wirklich groß ist.

Ich glaube, dass die Stärke der deutschen Wirtschaft darin besteht, komplette und sehr komplexe Lösungen anzubieten, die zum Schluss auch eine hohe Wahrscheinlichkeit des Funktionierens haben und von den Menschen hier in Ägypten langfristig genutzt werden können. Ich sage das in Bezug auf Infrastrukturprojekte; ich sage das in Bezug auf die Kooperation im Energiebereich; ich sage das auch in Bezug auf Kooperationen z. B. im Bereich des Gesundheitswesens, in dem in Ägypten, glaube ich, noch sehr große Marktchancen vorhanden sind.

Wir wollen gemeinsam einen Beitrag dazu leisten, dass der Handel weltweit besser funktionieren kann. Deshalb ist es in unserem gemeinsamen Interesse, einen Erfolg der Doha-Runde zu erzielen. Ich habe gestern gemerkt, dass Ägypten hier sehr hilfreich sein möchte. Wir sind uns auch darüber einig: Das kann nicht nur im Agrarbereich sein es muss auch im Agrarbereich sein, sondern es geht ganz wesentlich auch um Industriezölle und die Kooperationsmöglichkeiten zwischen Industrieländern, Schwellenländern und Entwicklungsländern. In allen drei Kategorien sind natürlich die Probleme sehr unterschiedlich.

Deutschland hat in diesem Jahr nicht nur die Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union, sondern auch den Vorsitz in der G8 -Gruppe. Das, was uns sehr beschäftigt, ist natürlich: Wie können wir das, was wir alle als Globalisierung erleben, politisch so gestalten, dass die Menschen in unseren Ländern davon auch profitieren und sie für ihr persönliches Leben etwas davon haben?

Natürlich verursacht Globalisierung gerade auch in Deutschland eine Vielzahl von Ängsten. Ich glaube, auch hier in Ägypten ist es so, dass nicht alle zum gleichen Zeitpunkt von den hervorragenden Wirtschaftswachstumsraten profitieren. So müssen wir miteinander überlegen, dass Wirtschaftswachstum kein Selbstzweck ist, sondern dass er letztlich den Menschen zugute kommt. Das wird eines der Themen sein, mit denen wir uns auf dem G8 -Gipfel im Juni in Heiligendamm beschäftigen werden."Wachstum und Verantwortung" heißt auch das Motto, unter dem wir unsere G8 -Präsidentschaft strukturieren.

Ein wesentlicher Punkt wird auch die Kooperation mit Afrika sein. Ich glaube, das ist auch sehr im Interesse der Länder in der Mittelmeerregion. Denn der afrikanische Kontinent hat bis jetzt oft mit am wenigsten von den Chancen der Globalisierung profitiert. Afrika ist der Nachbarkontinent von Europa. Deshalb ist es auch ganz wichtig, über diese Fragen den Meinungsaustausch fortzusetzen. Ich habe das mit dem ägyptischen Präsidenten Mubarak gestern sehr intensiv getan.

Wenn wir über Bereiche der Kooperation nachdenken, dann ist mit Sicherheit die Energiepolitik ein ganz wichtiges Feld. Es ist so, dass wir in Deutschland an einem Gesamtkonzept für unsere Energieversorgung bis zum Jahre 2020 arbeiten und wir auch innerhalb der Europäischen Union sehr viel stärker über unsere Energiestrategie diskutieren. Ich glaube, dass wir im Bereich der Öl- und Gasförderung sehr gute Möglichkeiten der Kooperation mit Ägypten haben. Es gibt ja heute bereits gemeinsame Projekte. Aus meiner Sicht sollten diese Projekte auch verstärkt werden.

Gleichzeitig begrüßen wir den Plan der ägyptischen Regierung, den Anteil erneuerbarer Energien zu erhöhen. Hier hat Deutschland immer wieder herausragende technologische Entwicklungen hervorgebracht. Gerade auch im Bereich der Windkraft verfügen wir über ein hohes Erfahrungspotenzial. Wir haben gestern darüber gesprochen, dass wir uns auch einmal die Gesetzgebung ansehen sollten, weil man natürlich im Umweltbereich auch durch Gesetzgebung Anreize setzen kann, um eine Implementierung erneuerbarer Energien durchzusetzen.

Wir beteiligen uns an der Finanzierung eines regionalen Ausbildungs- und Forschungszentrums für erneuerbare Energien. Ich will an dieser Stelle anmerken, dass das Volumen der Entwicklungszusammenarbeit, das die Bundesrepublik Deutschland in Ägypten zur Verfügung stellt, sich zwischen 2004 und 2006 nahezu verdoppelt hat. Jetzt geht es darum, die richtigen Felder der Kooperation herauszufinden.

In den Gesprächen am gestrigen Tag habe ich gemerkt, dass auch ein ganz großes Bedürfnis an einer engeren Kooperation in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Technologie vorhanden ist gerade auch in der Berufsausbildung. Sie haben eben auch darauf hingewiesen. Ägypten hat sehr viele junge Menschen; Ägypten hat einen Bevölkerungszuwachs. Aber Ägypten hat noch nicht immer die professionelle Ausbildung für die Menschen, die notwendig ist, um den Anforderungen auch in Hochtechnologie- oder Fachbereichen wirklich gut genügen zu können.

Es gibt eine Initiative, die Mubarak-Kohl-Initiative oder Kohl-Mubarak-Initiative wie auch immer man sie nennen möchte, mit der man sich der Berufsausbildung gewidmet hat einen Bereich, den ich sehr wichtig finde. Wir haben gestern auch mit den Vertretern der deutschen Wirtschaft darüber gesprochen, wie wir hier neben den staatlich zur Verfügung gestellten Mitteln noch ein bisschen Leben in private Initiativen hineinbringen können.

Wir haben in diesem Jahr das Deutsch-Ägyptische Jahr der Wissenschaften und Technologie. Wenn sich im Juni die europäischen Bildungsminister im Rahmen der EUROMED-Kooperation in Kairo treffen, dann werde ich unsere Bildungsministerin auch bitten, ein besonderes Augenmerk auf die Entwicklung der bilateralen Beziehungen in diesem Bereich zu legen.

Ich habe viel Gutes von den drei deutschen Schulen gehört. Ich hatte auch das Vergnügen, einen Absolventen einer solchen Schule kennen zu lernen und von ihm hier begleitet zu werden. Wir können an diesen Schulen ermessen, welchen prägenden Einfluss es haben kann, wenn Kinder ihre Studienwünsche daran ausrichten, was sie in der Schule gelernt haben. Deshalb muss ich sagen: Bei allen Investitionen in Waren und in Technologien sind doch die Investitionen in die Menschen das, was unsere Völker immer wieder zusammenbringt.

Es ist mein erster Besuch in Ägypten. Ich hoffe, es ist nicht mein letzter. Es ist ein spannendes Land. Es ist ein Land, auf das wir von Kindheitstagen an ich konnte mir gestern kurz die Pyramiden anschauen mit großem Fernweh geschaut haben, und es ist ein Land im Umbruch, ein Land, in dem 72Millionen Menschen Anteil an den Chancen der Globalisierung haben werden. Ich darf Ihnen versichern ich glaube, damit spreche ich auch im Namen der Teilnehmer unserer Delegation: Wir werden unseren Beitrag dazu leisten, dass dieses Land gute Chancen hat und wir unsere wirtschaftliche Kooperation verstärken können, das heißt also, wir wollen eine "win-win-Situation" aus diesen Beziehungen machen.

Deshalb wünsche ich allen Teilnehmern des Deutsch-Ägyptischen Wirtschaftsforums heute gute und ehrliche Diskussionen. Ich hoffe, dass wir, wenn wir einmal wieder kommen, sagen können: Es hat sich gelohnt, dieses Forum zu veranstalten.

Ihrer Regierung, Herr Ministerpräsident, wünsche ich allen Erfolg. Herzlichen Dank.