Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 21.02.2007

Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2007/02/2007-02-21-rede-bernd-neumann-anlaesslich-der-vorstellung-des-buches-heinz-rudolf-kunze-meine-eigenen-wege,layoutVariant=Druckansicht.html


dass ein überaus erfolgreicher Rockmusiker im Umfeld eines runden Geburtstages in Form einer Biografie gewürdigt wird, bedarf keiner großen Erläuterung. Dass ein Politiker an der Vorstellung dieser Biografie mitwirkt, ist dagegen vielleicht erläuterungsbedürftig, zumal am Aschermittwoch. Ich habe sehr gern zugesagt, und zwar aus mehreren Gründen. Diese Gründe schließen die persönliche Wertschätzung ein, reichen aber über sie hinaus.

An erster Stelle steht natürlich die Musik. In über 25 Jahren auf der Bühne hat Heinz Rudolf Kunze die Rock- und Popmusik in Deutschland vielfach bereichert und dauerhaft geprägt. Und er führt einen Nachweis, nämlich den, dass auch Lieder mit Texten von literarischer Qualität überaus populär werden können. Will man den Musiker Kunze knapp charakterisieren, landet man schnell bei Formulierungen, die leicht paradox anmuten: Heinz Rudolf Kunzes Musik ist unverwechselbar, obwohl er sich der Einordnung in die gängigen stilistischen Schubladen stets erfolgreich widersetzt hat. Er ist mit der Zeit gegangen, ohne sich dabei dem Zeitgeist anzubiedern. Und er verbindet die hintergründige, komplexe Sprache des Lyrikers mit dem Wesentlichen der Popkultur, mit Einfachheit, Kürze und Prägnanz. Wer mit diesen Fähigkeiten ausgestattet ist, kann sich sogar sehr chancenreich in den europäischen Schlagerwettbewerb begeben. Ich hoffe sehr, Herr Kunze, dass Ihre Liedzeile "Im Kanzleramt ist Modenschau" dann am 8. März vom Publikum auch richtig interpretiert wird.

Der Plural im Untertitel des Buches "Meine eigenen Wege" ist sicherlich sehr bewusst gewählt. Er verweist auf Heinz Rudolf Kunzes Unabhängigkeit, seinen produktiven Eigensinn, mit dem er das Korsett des Rockstars immer wieder abgelegt hat.

Ich denke hier an den Buchautor, den Journalisten, den Übersetzer und Verfasser von Musicals und den Kabarettisten, dessen Entwicklung Karl-Heinz Barthelmes in seinem Buch einfühlsam nachzeichnet. Ich denke aber auch an den Christen, der für einen Popmusiker eher ungewöhnlich öffentlich zu seinem Glauben steht und 2005 ein Lied für den Evangelischen Kirchentag geschrieben hat. Herr Markmeier wird uns vielleicht gleich noch erläutern, wie es zur Veröffentlichung dieser Biografie in einem theologischen Fachverlag kam.

Eigensinn und Geradlinigkeit sind auch Charakteristika des Homo politicus Kunze. In vielen Texten und öffentlichen Stellungnahmen hat er Position bezogen, häufig auch dann, wenn der Beifall des Publikums nicht zu erwarten war.

Heinz Rudolf Kunze verwendet oft ironische Brechungen, und er kann durchaus sehr sarkastisch sein. Aber er weiß genau, was den Sarkasmus vom Zynismus trennt, und das ist nicht zuletzt die klare Haltung.

Heinz Rudolf Kunze hat es nicht bei Stellungnahmen zu politischen Fragen belassen. Einer parteipolitischen Festlegung hat er sich entzogen, nicht jedoch der Einladung, im Deutschen Bundestag als sachverständiges Mitglied der Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" mitzuwirken. Er ist damit der einzige Künstler, der in der Enquete vertreten ist. Ich denke, dieser Einsatz verdient hohe Anerkennung, und zwar völlig unabhängig davon, dass Herr Kunze von meiner Fraktion vorgeschlagen wurde. Die Arbeit in einer Enquete ist nicht nur zeitaufwändig, sondern stellt auch hohe Anforderungen an das Lektürevermögen.

In einem persönlichen Bericht am Ende der vergangenen Legislaturperiode im Jahr 2005 hat Heinz Rudolf Kunze diesen Punkt so formuliert: "Was es hier zu lesen gibt, hat bisweilen die Anschaulichkeit von Sichtbeton und den Nährwert von Esspappe". Trotz dieser Form der Ernährung und trotz seiner zahlreichen Verpflichtungen als Künstler hat Heinz Rudolf Kunze nicht aufgesteckt, sondern sein Wissen und seinen Erfahrungsschatz beharrlich in die Arbeit der Enquete eingebracht. Und trotz aller Schwierigkeiten, die er in dem eben zitierten Bericht offen schildert, kommt er zu einem positiven Fazit: "Ich habe es bislang uneingeschränkt genossen, bei der Unternehmung Enquete-Kommission dabei sein zu dürfen. Selten in meinem beruflichen Leben habe ich so viel geschwiegen und dabei so viel gelernt."

Mit diesem Lob des Parlamentarismus aus berufenem Munde möchte ich schließen allerdings nicht, ohne Ihnen vorher die Biografie über Heinz Rudolf Kunze ans Herz zu legen. Karl-Heinz-Barthelmes hat sich damit sehr verdient gemacht.