Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 06.03.2007

Untertitel: Staatsminister Bernd Neumann würdigte in seinem Grußwort beim Jahresempfang in Berlin am 6. März 2007 die Arbeit des Bundes der Vertriebenen.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2007/03/2007-03-07-rede-neumann-bdv,layoutVariant=Druckansicht.html


durch die Ausstrahlung des Zweiteilers "Die Flucht" in der ARD am Sonntag- und Montagabend wurde die Thematik "Flucht und Vertreibung" und ihre Folgen mehr als 12 Millionen Fernsehzuschauern in Deutschland eindrucksvoll vor Augen geführt. Für die Vielzahl der jüngeren Zuschauer war dieses sicher das erste Mal, dass sie auf diese Weise mit einem Kapitel deutscher Geschichte konfrontiert wurden, von dem bis zu 14 Millionen Deutsche betroffen waren. Mich selbst als Betroffenen hat dieser Film besonders berührt und aufgerüttelt, weil meine Eltern mit mir als kleinem Jungen im Januar 1945 unsere Heimat Elbing in Westpreußen verlassen mussten und uns bei 20 ° C Minus zu Fuß nur ausgerüstet mit einem Schlitten in den langen Flüchtlingstreck einreihten. Nach all dem, was wir erlebt hatten, möchte ich besonders würdigen, dass die Vertriebenen bereits 1950 mit der "Charta der Deutschen Heimatvertriebenen" ein überzeugendes Dokument der Versöhnung und Verständigung und ein Plädoyer für ein friedliches, vereintes Europas vorlegten. Der Bund der Vertriebenen hat dann jahrzehntelang eine erfolgreiche Integrationsarbeit für Flüchtlinge und Vertriebene geleistet. Darüber hinaus erfolgt bis heute eine umfangreiche Integrationshilfe und Betreuung von Spätaussiedlern. Heute ist der BdV über seine Landsmannschaften entscheidender Träger kulturellen Erbes aus ehemaligen deutschen Siedlungsgebieten in Mittel- , Ost- und Südosteuropa. Diese Arbeit ist im Hinblick auf das Zusammenwachsen des westlichen und östlichen Europas auf der Grundlage verbindender kultureller europäischer Identität gar nicht hoch genug einzuschätzen. Das ist auch der Grund, warum die neue Bundesregierung die Mittel für diese Projektarbeit beträchtlich, nämlich jährlich um 33 % erhöht hat. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, dem Bund der Vertriebenen für die langjährige Arbeit, die immer vom Gedanken der Versöhnung getragen war, herzlich zu danken. Auch über 60 Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges ist die Problematik von Flucht und Vertreibung aktuell geblieben. Leider gehören Vertreibungen nicht der Geschichte an, sondern finden immer wieder auch auf unserem Kontinent statt. Im Rahmen der Aufarbeitung der NS-Diktatur, des von ihr entfesselten Weltkrieges und dessen Folgen gehört es zum vollständigen Geschichtsbild, sich auch mit dem Kapitel "Flucht und Vertreibung" zu befassen. Das ist auch der Grund, weshalb die Regierungskoalition vereinbart hat, mit einem "Sichtbaren Zeichen", d. h. einer Dokumentationsstätte in Berlin, die Thematik Flucht und Vertreibung von Deutschen, aber auch anderen Europäern aufzuarbeiten. Die gegenüber im Deutschen Historischen Museum gezeigte Ausstellung des Hauses der Geschichte "Flucht, Vertreibung, Integration" hat dafür einen ersten Baustein geliefert. Die nebenan im Kronprinzenpalais veranstaltete Ausstellung "Erzwungene Wege" der Stiftung "Zentrum gegen Vertreibungen" hat auf die Notwendigkeit der europäischen Dimension bei der Behandlung dieses Themas hingewiesen. Eines ist völlig klar: Die Aufarbeitung dieser Thematik wird im Geiste der Versöhnung unter Beteiligung der osteuropäischen Partner erfolgen. Ich beabsichtige, dem Kulturausschuss des Deutschen Bundestages im Laufe dieses Jahres ein entsprechendes Konzept vorzulegen, das zurzeit unter Einbeziehung von Fachleuten wie auch Vertretern der Betroffenen erarbeitet wird. Lassen Sie mich mit einem Zitat von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel aus ihrer Festrede zum Tag der Heimat 2005 schließen: "Wir müssen die Geschichte von Flucht und Vertreibung als Teil unserer gesamtdeutschen Geschichte ansehen und wir müssen sie weitervermitteln. Dies gehört für mich zum historischen Bestand unserer Nation und zu einer zukunftsfähigen Kultur des Erinnerns."