Redner(in): Angela Merkel
Datum: 08.03.2007
Untertitel: am 8.März 2007 in Brüssel
Anrede: Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Frau Kommissarin, liebe Frau Ferrero-Waldner, Frau Flitner, Frau Limbach, meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2007/03/2007-03-08-rede-merkel-europaeerinnen,layoutVariant=Druckansicht.html
die Sie heute Morgen hier zu dieser Ausstellungseröffnung gekommen sind!
Ich bin gerne hierher gekommen. Ich hatte auch schon das Vergnügen bzw. die Aufgabe, von Frau Flitner fotografiert zu werden. Mit ihrem klaren Blick und ihrer Kamera als Arbeitsinstrument schaut sie sozusagen in die Persönlichkeiten hinein. Auch wenn man kein Liebhaber davon ist, fotografiert zu werden, macht die Zusammenarbeit unter dem Strich doch immer Spaß.
Dass wir an diesem Morgen hier in Brüssel diese Ausstellung eröffnen, ist natürlich auch ein Stück Programm. Es ist der 30. Internationale Frauentag. Die Bundesrepublik Deutschland hat die Ratspräsidentschaft inne. Die Bundeskanzlerin ist eine Frau. Und die Ausstellung handelt von Frauen. Insofern passt vieles zusammen.
Das Projekt "Europäerinnen", das schon über viele Stationen gereist ist, ist, wie ich finde, wunderbar erdacht. Es lebt von der Kombination der Fotografien. Insgesamt werden 65Frauen portraitiert und an vielen Stellen in Brüssel sichtbar. Es ist natürlich sehr interessant, dass Sie hier in diesem Raum drei dieser 65Portraits sehen können.
Einmal ist das Simone Veil. Sie ist sozusagen eine der Mütter der europäischen Bewegung, und zwar insbesondere, wenn man sich die parlamentarische Geschichte Europas anschaut. Sie ist 1979 in das erste Parlament gewählt worden und war dann auch gleich zweieinhalb Jahre Präsidentin dieses Europäischen Parlaments. Für mich steht sie für Aussöhnung zwischen den europäischen Völkern und den Geist der Toleranz, den sie durch ihr Wirken in Europa hineingebracht hat.
Dann gibt es ein Portrait von Ayaan Hirsi Ali. Sie kennen sie alle aus den Niederladen. Sie ist in Somalia geboren und eine Frau, die sich im umfassenden Sinne für Zivilcourage, Freiheit und die Rechte der Frauen in allen Regionen eingesetzt hat und die immer wieder für ihre Überzeugungen tapfer und mutig eingetreten ist.
Dann Susanna Agnelli, die Journalistin und Außenministerin Italiens war und sich- gerade auch hier in Brüssel- für Werte eingesetzt hat, die uns allen wichtig sind: Gerechtigkeit und Solidarität.
Wenn man sich diese drei Biografien anschaut, dann umspannen sie das Wertefundament, das uns in der Europäischen Union gemeinsam auszeichnet, das uns treibt und das uns hoffentlich auch zu guten Ergebnissen beim diesjährigen Frühjahrsrat bringen wird.
Diese Bilder von Frauen, die in der Ausstellung "Europäerinnen" zu sehen sind, zeigen auch etwas im wahrsten Sinne des Wortes: Es sind Vorbilder. Das heißt also, es sind Bilder, die zeigen, wie es gehen kann und was man als Frau unternehmen kann. Wir brauchen solche Ausstellungen, weil wir noch nicht damit zufrieden sein können, wie Frauen in unserer Gesellschaft mitgestalten. Denn Frauen stellen die Hälfte der Europäer, Europäerinnen machen also die Hälfte der Bewohner Europas aus. Immerhin war "Europa" eine weibliche Person. Das muss auch in der heutigen Zeit herausgestellt werden.
Wenn es heute unter den nationalen Parlamentariern und Regierungsvertretern in Europa weniger als ein Viertel, nämlich nur 23 % , Frauen gibt, wenn es nur 15 % Frauen in Spitzenpositionen in der Wissenschaft und nur 10 % in der Wirtschaft gibt, dann muss man ganz einfach sagen: Da muss noch etwas passieren. Deshalb sind Themen wie Vereinbarkeit von Beruf und Familie- im Übrigen für Väter und Mütter- und Themen der Bildung und Weiterbildung von Frauen ganz wichtige Themen im Rahmen der Lissabon-Strategie- also der Strategie, um Europa dynamisch und kreativ zu machen. Deshalb ist dies nicht nur eine Ausstellung von Frauen über Frauen, es ist mit Sicherheit keine Ausstellung allein für Frauen, sondern auch für alle Europäer, d. h. auch für die Männer.
Wer Lust hat, kann alle Gebäude abgehen, in denen die 65Portraits aufgehängt sind. Ich wünsche Ihnen viel Spaß dabei. Informieren Sie sich über diese Frauen. Sie lernen sicherlich viel Spannendes. Herzlichen Dank, dass Sie heute so zahlreich heute Morgen bei uns sind und mit uns diese Ausstellung eröffnen.