Redner(in): Michael Naumann
Datum: 13.05.2000

Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/23/10823/multi.htm


Sieben Hügel - sieben Themenbereiche - ein Katalog mit sieben Bänden und ein Etat in Höhe von vier mal sieben Millionen Mark: Ich möchte Ihnen zunächst versichern, dass ich der Versuchung widerstehen werde, ein Grußwort mit sieben Sätzen zu halten.

Die Ausstellung im Martin-Gropius-Bau markiert aus meiner Sicht mehrere Zäsuren. An der Schwelle zum dritten Jahrtausend setzt mit einer gewissen Zwangsläufigkeit die Reflexion darüber ein, welches Erbe unsere Zivilisation prägt und welche Perspektiven sie hat. Eine Zäsur, wenn Sie so wollen, eher numerisch-statistischer Provenienz, die uns nebenbei auch vor Augen führt, wie eurozentristisch geprägt unsere Wahrnehmung ist, handelt es sich doch um das dritte Jahrtausend lediglich der christlich geprägten Zeitrechnung. Einen extremen Umbruch verzeichnen aber die Lebens- und Arbeitswelten der meisten Weltbewohner nicht nur in Deutschland und Europa, sondern weltweit, ungeachtet ihrer religiösen und kulturellen Herkunft.

An die spektakulären Veränderungen, die in immer kürzeren Zeiträumen unsere Wissenschaftswelt revolutionieren, haben wir uns inzwischen so gewöhnt, dass sie fast schon selbstverständlich erscheinen. Obwohl sie immer schwer faßbar sind.

Der Titel dieser Ausstellung "Sieben Hügel" weist über Europa hinaus und zielt auf Kontinuität: - die Symbolkraft der Zahl Sieben lässt sich bis in die frühen Kulturen des vorderen und mittleren Orient zurückverfolgen. Der Sieben haftet nur Gutes an - Glück, Freude, Kraft - mithin etwas, was wir in der Welt im allgemeinen und in Berlin im besonderen ( namentlich in der Berliner Kulturpolitik ) gut gebrauchen können.

Die Zahl Sieben verweist aber auch auf Vollständigkeit. Die Ausstellungsmacher waren gut beraten, sich über diesen Anspruch souverän hinwegzusetzen. Denn in einer Welt, die auf geradezu beängstigende Weise alle Energien darauf verwendet, ihre Dynamik zu beschleunigen, auch wenn sie keine Vorstellung davon hat, wohin die Reise eigentlich geht, muss jeder wie auch immer geartete Versuch,"epochale Übersichtlichkeit" herzustellen, zwangsläufig scheitern.

Für die Ausstellungsmacher stellte sich die Frage, wie sie jenseits einer "Fin-de-siècle" -Stimmung mit der Fülle des heutigen Wissens, der unzähligen technischen Innovationen und dem Zerfasern von Begriffen wie "Kunst","Kultur" und "Wissenschaft" umgehen. Versucht wird eine kritische Bestandsaufnahme unseres Wissen von der Welt und unseres Verhältnisses zu der Welt. Das ist ein tastendes, zögerliches, aber auch fröhliches und selbstbewusstes Suchen, eine Vergewisserung über unsere Herkunft ebenso wie ein leicht ironisch gebrochener Blick auf die Zukunft.

Im Bewußstsein unseres Nicht-Wissens und von unserer Natur begrenzten Wahrnehmungsmöglichkeiten ist damit Mut zu Realismus ebenso verbunden wie Abstand von Hybris. Das schmälert freilich nicht die skeptische Vorfreude auf die "Verheißungen des elektronischen Zeitalters", in der Kunst und Wissenschaft, wenn man den Ausstellungsmachern glauben darf, eine "Neue Allianz" eingehen werden.

Mit diesem wohl beispiellosen Projekt präsentieren uns die Ausstellungsmacher eine "Archäologie des Wissens". Eine Archäologie allerdings, die jedem Besucher die Chance bietet, seine eigenen Forschungen anzustellen, sich mit staunender Lust und vergnügtem Wissensdrang den Schatzkammern zu nähern, die hier in der Ausstellung für sie angehäuft sind.

Die Ausstellung "Sieben Hügel" ist Zenit und krönender Abschluß einer Fülle ambitionierter Projekte zum sogenannten Millenium. Auf einen Gipfelpunkt folgt ganz selten ein Hochplateau, manchmal gibt es auch rasante Talfahrten, werden Abgründe sichtbar, folgen, um mit Brecht zu sprechen, die "Mühen der Ebenen".

Seien Sie versichert, dass der Bund sich seiner Verantwortung für die Kultur in Berlin und gegenüber der Berliner Festspiele GmbH auch bewusst sein wird, wenn diese Ausstellung ihre Pforten längst geschlossen haben wird. Wir haben den Ehrgeiz, dass von den großartigen Kulturprojekten Berlins nicht nur im Präteritum gesprochen wird. Und wir sind stolz darauf, dass wir mit unserer finanziellen Unterstützung dazu beitragen konnten, dass diese Ausstellung realisiert werden konnte.

Ich danke deshalb allen Beteiligten für ihre Arbeit, für ihren Mut und ihre Kreativität und wünsche der Ausstellung einen langanhaltenden Erfolg!