Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 03.05.2007
Untertitel: Kulturstaatsminister Bernd Neumann eröffnet zum 10jährigen Bestehen der Casa di Goethe in Romdie Ausstellung mit Zeichnungen von Max Beckmann und betont in seiner Rede die Bedeutung des Hauses als kleines, aber feines Schaufenster der deutschen Kultur.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2007/05/2007-05-03-rede-neumann-casa-di-goethe,layoutVariant=Druckansicht.html
vor kurzem tauchte eine Fotografie von 1986 auf, die zwei ältere Herren in andächtiger Betrachtung einer ruinösen Architektur zeigt. Der Blick beider ist sorgenvoll und skeptisch. Dies ist angesichts der erkennbaren Architekturdetails, eines brüchigen Balkongitters, einer maroden Fassade mit Unkrautbewuchs, verständlich. Eine Bildanalyse ergab: bei den Herren handelt es sich um den damaligen Vorsitzenden des Arbeitskreises selbständiger Kultur-Institute und einen Referatsleiter aus der Kulturabteilung des Bundesinnenministeriums. In der Tat sprach damals vor 20 Jahren wenig dafür, sich mit dem Projekt einer ruinösen Goethewohnung in Rom zu belasten und vieles sprach dafür, die Finger davon zu lassen. Zunächst war die Identität der Wohnung ungewiss. Botschaft und Auswärtiges Amt mahnten zur Vorsicht, auch mit dem Argument, dass die Bundesrepublik Deutschland im Ausland keine Museen oder Gedenkstätten unterhalte. Die meisten Beamten der Kulturabteilung des BMI und vor allem die Haushälter warnten. Angesichts des desolaten Zustandes schienen die Kostenrisiken unkalkulierbar.
Wenn heute der zuständige Kulturstaatsminister aus Anlass des zehnjährigen Bestehens der Casa di Goethe nach Rom kommt, dann hat sich das Bild doch erheblich gewandelt. Die Casa di Goethe ist kein Sorgenkind mehr, sondern der Glücksfall einer Kultureinrichtung, die sich in den vergangenen 10 Jahren in Deutschland und in Italien einen Namen gemacht hat und eine noble Visitenkarte unseres Landes in der heimlichen Kulturhauptstadt Europas ist. Ich bin gerne der Einladung des Arbeitskreises selbständiger Kultur-Institute gefolgt, mit Ihnen heute gemeinsam "10 Jahre Casa di Goethe" zu feiern. Viele haben dazu beigetragen, dass dieses Museum so großartig funktioniert und eine wachsende Zahl interessierter Besucher aus vielen Ländern hat.
Zunächst danke ich Frau Bongaerts und Ihrem kleinen aber höchst effektiven deutsch-italienischen Team Frau Hock, Frau Crea, Herrn Arangio und Herrn Matilli, dafür, dass Sie das Haus in den 10 Jahren zu dem gemacht haben, was es heute ist: Eine Perle der besonderen deutsch-italienischen Kulturbeziehungen, ein Ort an dem durch Dauer und Wechselausstellungen in einzigartiger Weise die jahrhundertealte Sehnsucht der deutschen Künstler anschaulich und fassbar wird. Denn die Casa di Goethe ist nicht nur irgendein Goethemuseum, sie markiert den Endpunkt einer kulturellen Achse zwischen Deutschland und Italien, die das moderne Europa des 21. Jahrhunderts als eine kulturelle Einheit wie eine Korsettstange mitträgt.
Zu danken ist dem Arbeitskreis selbständiger Kultur-Institute, der vor über 20 Jahren den Mut und die kulturpolitische Weitsicht bewies, eine Trägerschaft zu übernehmen, die damals niemand übernehmen wollte. Die Präsenz der Verantwortlichen der großen deutschen Goethemuseen beweist, dass das Konzept aufgegangen und die ursprüngliche Idee tragfähig ist. Eben dies beweist auch die heute zu eröffnende Ausstellung mit den kostbaren Goethezeichnungen Max Beckmanns aus dem Frankfurter Goethemuseum. Sie ist der Auftakt einer Reihe von Ausstellungen verschiedener Mitgliedsinstitute des AsKI. Zu meiner Freude habe ich gesehen, dass demnächst auch das Gerhard Marcks-Haus aus meiner Heimatstadt Bremen in Rom ausstellen wird.
Danken möchte ich bei dieser Gelegenheit auch noch einmal den beiden Architekten des Museums, Frau Zeli und Herrn Einaudi, die der großen Idee eines deutschen Museums auf römischem Boden eine ästhetische Gestalt gegeben haben.
Ein deutsches Museum im Ausland wäre kaum erfolgreich zu führen ohne ständige Hilfestellung vor Ort. Ich nutze die Gelegenheit, Herr Botschafter Gerdts, Ihnen und dem Auswärtigen Amt zu danken für langjährige vielfältige Unterstützung, die wir von Berlin und Bonn aus kaum leisten könnten. Aber mehr als das: Sie helfen nicht nur wo Sie können, sondern Sie haben dieses Haus so sehr in Ihr Herz geschlossen, dass schon das eine oder andere Mal im Auswärtigen Amt Bedauern darüber geäußert wurde, damals nicht selbst die Federführung übernommen zu haben.
Zu danken ist nicht zuletzt auch dem "senatus populusque romanus", der römischen Stadtverwaltung, die immer wieder hilfreich war und die Arbeit der Casa di Goethe nach Kräften unterstützt hat.
Vier deutsche Museen in Frankfurt, Weimar, Düsseldorf und Rom tragen Goethes Namen und er ist zugleich Patron der Auswärtigen Kulturpolitik unseres Landes. Er steht am Beginn des 21. Jahrhunderts unangefochten für die Kulturnation Deutschland. Der Name "Goethe" ist mehr als nur eine Marke und sein Gebrauch mehr als ein Ausborgen von Aura und Glanz. Goethe eignet sich durchaus eben auch als Repräsentant deutscher Gegenwartskultur. Ich sage dies weniger von einem Goethe, von dem das 19. Jahrhundert behauptete,"er sei unser", von dem kanonisierten, in Zitaten konservierten und auf zahlreiche Denkmalsockel enthobenen Dichterfürsten. Der Berliner Schriftsteller Thomas Brussig hat in seiner Weimarer Goethe-Rede sehr schön betont, dass Goethe trotz seines Konservativismus ein zutiefst moderner Mensch war, ein Mensch auch voller Widersprüche, ein Mensch universaler Begabungen und Interessen, der über weite Strecken seines Lebens eigentlich nur im Nebenberuf Dichter war. Vielleicht ist es neben dem Dichter Goethe ebenso die Persönlichkeit Goethes, die ihn zu einer Galionsfigur, zu einem Aushängeschild deutscher Kultur im Ausland tauglich macht.
Liebe Frau Bongaerts, wenn ich mir das Ausstellungs- und Veranstaltungsprogramm der Casa di Goethe der letzten 10 Jahre ansehe, dann ist hier viel mehr geleistet worden als die Pflege eines großen Klassikers. Die Casa di Goethe hat sich in Rom als kleines, aber feines Schaufenster deutscher Kultur etabliert. Besonders hervorheben möchte ich die Kooperationen nicht nur mit zahlreichen deutschen Museen, sondern vermehrt auch mit italienischen Kultureinrichtungen.
Es spricht nicht gegen die Casa di Goethe, dass ihre Arbeit nicht nur von mir und meinem Haus geschätzt und durch die institutionelle Förderung als gesamtstaatlich bedeutsam anerkannt wird; sie erfreut sich auch des Wohlwollens des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages. Auch dies sollte Ihnen Mut machen, den kommenden 10 Jahren gelassen entgegenzusehen, dabei nicht stehen zu bleiben, sondern den Blick in die Zukunft zu richten. Die Casa di Goethe, liebe Frau Bongaerts, für die Sie von Anfang an die Verantwortung tragen, ist eng mit Ihrem Namen verbunden. Gibt es ein besseres Geschenk zum 10. Geburtstag der Casa di Goethe, ein schöneres Kompliment für Sie, die Leiterin, als heute in einer Schlagzeile der FAZ als "Goethes Italienerin" bezeichnet zu werden.
Halten Sie es dabei bitte durchaus mit Goethe, der uns allen in seinem Faust II das Motiv nicht aufhörenden Bemühens und Strebens formulierte, das nämlich "Gestaltung, Umgestaltung, des ewigen Sinnes ewige Unterhaltung" sei.
Nun will ich es aber, liebe Frau Bongaerts, nicht ausschließlich bei lobenden Worten belassen, sondern möchte meine Anerkennung für die Arbeit der Casa di Goethe zu guter Letzt konkret und sinnfällig zum Ausdruck bringen. Gemeinsam mit Ihnen haben wir als Geschenk des Beauftragten für Kultur und Medien ein von Josua Reichert gestaltetes Blatt zum Nausikaa-Drama Goethes ausgewählt, eines Textes, den dieser gegen Ende seines römischen Aufenthaltes begann und der im Lande eines glücklichen und friedliebenden Volkes spielt, das durch die Weisheit seiner Könige vor Krieg und Elend bewahrt geblieben ist.
Für einen Moment habe ich den Eindruck, dass die Casa di Goethe zumindest heute Abend eine solche Insel der Seligen ist, und weil aller guten Dinge drei sind, dürfen Sie sich in Ergänzung dieses einen Blattes zwei weitere dieses großen Frankfurter Schriftkünstlers aussuchen, die Ihre Sammlung sinnvoll ergänzen.
Der Vers auf diesem einen Blatt, das ich Ihnen gleich überreiche, scheint in diesen Tagen mehr auf Deutschland als auf Italien zu passen: "Ein weißer Glanz ruht über Land und Meer / und duftend schwebt der Äther ohne Wolken". Ich wünsche Ihnen und Ihren Besuchern viel Freude damit.