Redner(in): Thomas de Maizière
Datum: 29.05.2007

Untertitel: am 29. Mai 2007 in Schwerin
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2007/05/2007-05-29-grusswort-chefbk-schwerin,layoutVariant=Druckansicht.html


Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin Bretschneider,

sehr geehrter Herr Ministerpräsident Ringstorff,

sehr geehrte Abgeordnete des Bundestages und des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern,

meine sehr geehrten Geburtstagsgäste,

als vor 150 Jahren Friedrich Franz II. in sein Schweriner Schloss einzog, war auch das preußische Königspaar dabei. Heute haben wir keine Monarchie mehr. Preußen gibt es nicht mehr. Wir sind ein föderaler Bundesstaat. Ich komme gern hierher als Gast der Bundesregierung und ich überbringe gerne zu diesem festlichen Akt die Grüße der Bundesregierung.

Das Schloss Schwerin ist ein leuchtendes Denkmal der deutschen und europäischen Kulturgeschichte, ein stolzes Bürgerschloss und ein Denkmal des freiheitlichen Parlamentarismus und in dieser Kombination einzigartig. Ich beneide die Abgeordneten des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern, dass sie dort tagen und arbeiten dürfen. Wie einige von Ihnen wissen, meine Damen und Herren, habe ich ja auch selbst einige Jahre in Schwerin verbracht. Ich habe stets das Schloss im Blick gehabt: vom Büro aus, jeden Morgen.

Auch der Marstall und die Staatskanzlei sind wunderbare Gebäude, aber an das Schloss reichen sie natürlich nicht heran.

Als bedeutendes Kulturdenkmal liegt das Schloss Schwerin dem Bund sehr am Herzen, auch wenn die Pflege dieses Denkmals natürlich in erster Linie Sache des Landes Mecklenburg-Vorpommern ist. Das ist eine logische Folge des deutschen Kulturföderalismus und der Kulturhoheit der Länder. Die Kultur in Deutschland verdankt ihre Dichte und ihre Vielfalt in besonderem Maße der Regionalität auf kleinstem Raum.

Kulturföderalismus bedeutet jedoch nicht, dass Kulturförderung eine reine Angelegenheit der Länder ist. Vielmehr hat sich in Deutschland für die Kulturförderung ein effektives, aber auch komplexes Zusammenspiel von Bund, Ländern und Gemeinden entwickelt.

Deutschland ist ein demokratischer Staat und eine europäische Kulturnation. Es gibt auch bei der Kulturförderung eine nationale Dimension. Und für sie hat der Bund eine besondere Verantwortung, der er vor allem in zweierlei Hinsicht nachkommt: zum einen durch die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur in Deutschland, zum anderen durch die gezielte Förderung von Kultureinrichtungen von nationaler Bedeutung. Interessanterweise nimmt der Widerspruch gegen Kompetenzübergriffe potenzielll mit der Höhe der Förderung durch den Bund ab.

Ganz besonders bedurften und bedürfen natürlich die national bedeutsamen Kultureinrichtungen in den ostdeutschen Bundesländern der Unterstützung des Gesamtstaates. Darum hat sich der Bund schon im Einigungsvertrag besonders verpflichtet, die kulturelle Substanz in den östlichen Bundesländern zu erhalten.

Dass es hier einige großartige Kulturdenkmäler und Einrichtungen gibt, die unbedingt erhalten werden müssen, muss ich in Schwerin nicht hervorheben. Davon zeugt nicht nur das Schloss Schwerin.

Das können wir beispielsweise daran ablesen, dass die UNESCO im Jahr 2002 die Altstädte von Stralsund und Wismar gemeinsam in ihre "Liste des Welterbes" aufgenommen hat. Die über Jahrhunderte gewachsene Kulturlandschaft in Mecklenburg-Vorpommern wie auch in den ostdeutschen Ländern insgesamt muss noch mehr gewürdigt werden.

Auch deswegen fördert der Bund seit Jahren in den ostdeutschen Bundesländern, die "kulturellen Leuchttürme". Verzeichnet sind sie im Blaubuch von Professor Paul Raabe. Es liegt inzwischen schon in der dritten Auflage vor.

In Mecklenburg-Vorpommern profitiert zum Beispiel das Meeresmuseum in Stralsund von der Leuchtturmförderung. Allein am Bau des Ozeaneums, der spektakulären Erweiterung des Meeresmuseums, beteiligt sich der Bund mit zusätzlichen 25 Millionen Euro. Als zweiter "Kultureller Leuchtturm" in Mecklenburg-Vorpommern wird vom Bund das Staatliche Museum Schwerin mit den Mecklenburgischen Kunstsammlungen, Schlössern und Gärten gefördert, zu denen auch vier Räume unseres heutigen Geburtstagskindes, des Schlosses Schwerin, gehören. Ich freue mich, dass diese Räume vor ziemlich genau einem Monat wiedereröffnet und an das Staatliche Museum übergeben werden konnten.

Über die Förderung der Leuchttürme, die gleichsam die Spitze dessen bilden, was die ostdeutschen Bundesländer kulturell zu bieten haben, dürfen aber auch all die anderen Kultureinrichtungen, Baudenkmäler und Kunstschätze nicht vergessen werden. Das Land Mecklenburg-Vorpommern und der Bund haben nach der Wiedervereinigung große Anstrengungen unternommen, all diese Kulturgüter instand zu setzen.

Das gilt auch für das Schweriner Schloss. Nachdem das Land Mecklenburg-Vorpommern wiedergegründet und das Schloss zum Sitz des Landtages bestimmt worden war, boten sich dem Gebäude ganz besonders vorteilhafte Entwicklungschancen.

Gleichwohl blieb die Sanierung des Schlosses, die schon zu DDR-Zeiten begonnen hatte, eine fortdauernde Aufgabe, eine Aufgabe, die bis heute nicht abgeschlossen ist.

Sie wird bis weit in das nächste Jahrzehnt reichen, denn die Komplexität des Gebäudes und die baukünstlerischen, technischen und handwerklichen Herausforderungen, die sich in solch einem Fall stellen, fordern ihren Tribut.

Wer jedoch das Schloss in seinem heutigen Zustand betrachtet, bekommt einen Eindruck davon, welch große Leistung schon vollbracht wurde.

Viel Geld ist hier im guten Sinne des Wortes im Wasser versenkt worden, um den Grund für das Schloss zu befestigen und die Substanz zu erhalten. Man könnte sagen: ohne feste Basis rutscht die Kultur weg. Ich erinnere mich auch damals an die Debatte über das Gold auf den Kuppeln. Es hieß: in einem Land mit hoher Arbeitslosigkeit, können wir es uns da leisten, die Kuppel zu vergolden? Heute zeigt sich: die Entscheidung war richtig. Eine Demokratie kann sich auch selbstbewusst präsentieren.

Ich jedenfalls war bei meinem heutigen Besuch sehr beeindruckt. Und ich bin zuversichtlich, dass es gelingen wird, die Sanierungsarbeiten an dem Schloss so schnell wie möglich abzuschließen, was immer abschließen bei einem Gebäude heißt. Immer mit dem Ziel, dass der "schönste Parlamentssitz Deutschlands", wie Richard von Weizsäcker ganz zu Recht gesagt hat, dauerhaft seine Ausstrahlung bewahrt:

als Denkmal der Kultur, als Ort demokratischer Parlamentskultur und als starkes Bürgerschloss für alle Bürger.