Redner(in): Angela Merkel
Datum: 30.08.2007

Untertitel: am 30. August 2007 in Tokyo
Anrede: Sehr geehrter Herr Präsident Sugita, meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2007/08/2007-08-30-rede-merkel-wirtschaftssymposium-nikkei,layoutVariant=Druckansicht.html


auch im Namen unserer gesamten Delegation, die aus Bundestagsabgeordneten, aus Mitarbeitern der Regierung und aus Vertretern der deutschen Wirtschaft besteht, möchte ich mich ganz herzlich dafür bedanken, dass wir heute bei Ihnen zu Gast sein können. Ich möchte mich auch im Namen der Journalisten bedanken, die ebenfalls in unserer Delegation sind. Wir sind natürlich sehr froh darüber, Herr Präsident Sugita, dass wir heute bei Ihnen, bei der Tageszeitung "Nikkei", zu Gast sein dürfen.

Wir alle wissen, dass eine breite Diskussion über unsere politischen Ziele und den Weg dorthin nicht möglich wäre, wenn wir nicht Medien hätten, die zur Verbreitung beitragen. Ich möchte mich deshalb in besonderer Weise bei Ihnen bedanken, aber auch bei den Vielen, die heute als Zuhörerinnen und Zuhörer hierher gekommen sind, um dieser Veranstaltung beizuwohnen.

Unsere beiden Länder gehören seit Jahrzehnten zu den größten und erfolgreichsten Marktwirtschaften der Welt. Wir haben unseren heutigen Wohlstand in unseren beiden Ländern, in der Bundesrepublik Deutschland und in Japan, nach der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges sehr hart erarbeitet. Wir wissen, dass auch heute, am Anfang des 21. Jahrhunderts, der Wohlstand nicht einfach so zu erhalten sein wird, sondern dass wir unseren Wirtschaftsmotor immer wieder am Laufen halten müssen.

Deshalb ist es, auch wenn unsere beiden Länder im Augenblick ein besseres Wirtschaftswachstum haben, als es vor einigen Jahren der Fall war, ganz notwendig, dass wir uns öffnen und gemeinsam Projekte angehen. Ich habe heute bei einem vom Keidanren gegebenen Mittagessen mit Freude gesehen, dass unsere beiden Industrieverbände, der Bundesverband der Deutschen Industrie und der Keidanren, sehr intensiv zusammenarbeiten wollen und dies auch in einem Dokument niedergelegt haben, das mir heute übergeben wurde. Ich glaube, dies ist ein wichtiger Markstein auf dem Weg der deutsch-japanischen Zusammenarbeit. Denn wir sind uns einig, dass wir das Potenzial der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, das es in unseren beiden Ländern gibt, noch nicht ausgeschöpft haben.

Ich will vielleicht auch darauf hinweisen, dass wir heute von den beiden Industrieverbänden darum gebeten wurden, uns dafür einzusetzen, dass zwischen der Europäischen Union und Japan eine engere Handelszusammenarbeit stattfindet, und zwar in dem Maße, dass wir versuchen, Handelshemmnisse zwischen unseren beiden Ländern abzubauen.

Das geschieht auf der einen Seite dadurch, dass wir die Welthandelsorganisation stärken. Das heißt, dass wir alles daransetzen, die Doha-Runde möglichst erfolgreich zu Ende zu bringen. Dabei stehen uns noch sehr harte Verhandlungen bevor. Ich persönlich plädiere ausdrücklich für ein multilaterales Handelssystem mit Erleichterungen im Bereich der Zölle und Subventionen. Ich halte es bei gutem Willen aller Beteiligten auch für möglich, diese Doha-Runde erfolgreich zu Ende zu bringen.

Aber es gibt zwischen den Industrieländern eben auch eine Vielzahl von Handelshemmnissen, die nicht im Zollbereich liegen, also die nicht tarifären Handelshemmnisse. Diesbezüglich haben wir als Europäische Union mit den Vereinigten Staaten von Amerika bereits eine Zusammenarbeit begonnen und diese wollen wir jetzt auch mit Japan verstärken. Ich glaube, dass wir viele Schranken abbauen könnten, wenn wir wirklich hart daran arbeiten.

Dabei geht es erstens darum, dass man für innovative Bereiche, die heute noch nicht geregelt sind, vielleicht gleich versucht, ähnliche Regelungen zu finden. Ich nenne das Beispiel Biokraftstoffe und eine diesbezügliche Normierung. Bei der Einführung könnten wir gleich absprechen, dass wir diesen Bereich ähnlich gestalten und nicht wieder unterschiedliche Zulassungen, Motoren und Ähnliches brauchen. Zweitens wollen wir versuchen, eine gegenseitige Anerkennung bestimmter Prozeduren zu erreichen. Das haben wir jedenfalls zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Europäischen Union schon vereinbart. Zum Beispiel werden die Rechnungslegungsvorschriften für die Unternehmen in Zukunft gegenseitig anerkannt werden. Drittens kann man auch Sorge dafür tragen, dass man dort, wo wir unterschiedliche Verfahren haben, diese auch Schritt für Schritt harmonisiert.

Dieser Weg ist wichtig. Einer unserer Unternehmer Herr Hambrecht, der hinterher auch in der Diskussion zur Verfügung stehen wird hat noch einmal darauf hingewiesen, dass ein Land in einem globalen Wettbewerb natürlich nicht mehr alles schaffen und in allen Bereichen innovativ sein kann, sondern dass die Länder zusammenarbeiten müssen vor allen Dingen die Länder, die auch gemeinsame Werte teilen. Ich glaube, dabei ist die Möglichkeit der Kooperation von Deutschland und Japan auch eine sehr wichtige.

Es gibt ein Thema, das uns gleichermaßen bewegt, das ich mit dem Ministerpräsidenten Abe immer wieder ausführlich bespreche, das auch in unsere Agenda für die G8 -Präsidentschaft eingegangen ist und das von Japan im nächsten Jahr weiter verfolgt wird. Das ist das Thema des Schutzes des geistigen Eigentums. Innovation kann nur in einem gesicherten rechtlichen Umfeld und in der Akzeptanz stattfinden, dass Innovation harte Arbeit ist. Deshalb habe ich dieses Thema natürlich bei meinem Besuch in China ausführlich angesprochen und werde das in dem gesamten G8 -Prozess auch weiterhin tun.

Wir haben als G8 -Präsidentschaft unter den Mitgliedstaaten der G8 -Gruppe vereinbart, dass wir in Zukunft einen strukturierten, intensiven Dialog über solche und andere Fragen auch mit den Schwellenländern, den so genannten O5 -Ländern, führen wollen das sind Indien, China, Mexiko, Brasilien und Südafrika. Wir haben uns dafür die Plattform der OECD ausgesucht und werden Themen wie Innovation, Entwicklungszusammenarbeit und auch den Schutz des geistigen Eigentums genauso wie das Thema des Klimaschutzes dann nicht nur einmal im Jahr auf dem G8 -Gipfel, sondern permanent in den nächsten zwei Jahren miteinander besprechen. Damit werden wir eine engere Verzahnung zwischen den Themen finden und ihnen sozusagen auch auf die Sprünge helfen.

Wir haben die Sorge, dass der Welt heutzutage dadurch, dass das geistige Eigentum nicht ausreichend geschützt wird, etwa 150Milliarden Euro oder Dollar verloren gehen. Wenn wir das in die Forschung, Entwicklung und Produktion innovativer Produkte stecken könnten, dann hätten wir ein unglaubliches Potenzial, mit dem wir Vieles voranbringen könnten.

Ich bin also unseren beiden Industrieverbänden sehr dankbar und möchte noch darauf hinweisen, dass Japan nächstes Jahr das Gastland auf der weltgrößten Industriemesse sein wird, nämlich auf der HANNOVER MESSE. Wir setzen große Hoffnungen in die Präsenz Japans. Ich habe den Ministerpräsidenten eingeladen und hoffe, dass auch die Wirtschaftsverbände einen nächsten Schritt zur Intensivierung unserer gegenseitigen Beziehungen machen werden. So können Deutschland und Japan einen Beitrag zu einer globalen Entwicklung leisten, die mit Wachstum, mit Offenheit verbunden ist und die nicht aus Abschottung besteht.

Meine Damen und Herren, jedes unserer Länder muss Reformen unternehmen, um Wachstum zu sichern. Unsere Länder, die ähnliche Probleme haben z. B. bei der Bevölkerungsstruktur und bei den demografischen Herausforderungen, müssen darauf reagieren, und zwar beizeiten. Ich verfolge sehr wohl, dass der demografische Wandel in Japan durchaus auch als eine Chance begriffen wird. Ich glaube, in diesem Bereich können wir voneinander sehr viel lernen. Ich glaube aber auch, dass wir uns einig darin sind, dass beim demografischen Wandel, den unsere beiden Gesellschaften erleben werden, das Thema der Innovation von entscheidender Bedeutung ist. Für mich ist es der Schlüssel zu der Frage, ob wir unseren Wohlstand erhalten und vielleicht sogar mehren werden können.

Deutschland hat sich vorgenommen, 3 % des Bruttoinlandsprodukts bis 2010 für Forschung und Entwicklung auszugeben. Das ist ein sehr anspruchsvolles Ziel. Dazu müssen Politik und Staat ihren Beitrag leisten, indem sie Forschung fördern und unterstützen, die Rahmenbedingungen für Forschung so setzen, dass die Besten unterstützt werden, damit Forschung in möglichst vielen Bereichen möglich ist darüber gibt es immer wieder Diskussionen, auch kontroverse Diskussionen, in unseren Gesellschaften. Außerdem muss natürlich auch die Wirtschaft ihren Beitrag dazu leisten, indem sie ihre Produktpalette immer wieder dem Innovationszyklus anpasst, denn die Veränderungen gehen heute unglaublich schnell vor sich.

Wenn wir den Bereich Forschung und Entwicklung ernst nehmen die Forschungsministerin Deutschlands wird Japan noch in diesem Herbst besuchen; auch das ist ein Hinweis darauf, dass wir jetzt wieder intensiver zusammenarbeiten, dann haben wir, davon bin ich zutiefst überzeugt, die Chance, in unseren Gesellschaften und weltweit Maßstäbe zu setzen, um neue Produkte auf die Märkte zu bringen.

Aber wir alle spüren: In bestimmten Bereichen, die nicht ausreichend innovativ sind, wird der Wettbewerb immer härter. Sie wissen natürlich, dass auch die Schwellenländer den Anspruch haben, ihr Innovationspotenzial zu stärken. Deshalb müssen wir uns sputen und deshalb haben wir überhaupt keine Zeit zu verlieren. Denn wir haben in der Geschichte immer wieder erlebt, dass man eine führende Rolle in bestimmten Bereichen nicht per Rechtsanspruch im Gesetz festschreiben kann, sondern dass man sie sich immer und immer wieder erarbeiten muss. Dazu sind unsere Länder bereit, aber dazu sollten wir auch zusammenarbeiten.

Meine Damen und Herren, natürlich spielt in der Frage der G8 -Arbeit auch das Thema "Klimaschutz und effiziente Verwendung von Energie" eine Rolle. Ich bin sehr dankbar dafür, dass die japanische Regierung im Vorfeld der deutschen G8 -Präsidentschaft mit uns sehr konstruktiv zusammengearbeitet hat und dass es uns deshalb in Heiligendamm im Juni gelungen ist, festzulegen, dass alle G8 -Mitgliedstaaten davon überzeugt sind, dass wir ein Abkommen brauchen, das auf das Kyoto-Abkommen folgt, dass wir also, wenn das Kyoto-Abkommen 2012 auslaufen wird, dann ein Nachfolgeabkommen haben müssen. Für mich ist unabdingbar, dass dieses Nachfolgeabkommen im Rahmen der UN-Klimakonvention angesiedelt sein muss. Auch das haben wir in unseren G8 -Beschlüssen festgelegt.

Japan wird von uns am Anfang des nächsten Jahres den Staffelstab für die nächste G8 -Präsidentschaft übernehmen. Wir werden unseren G8 -Gipfel in Japan abhalten. Der Premierminister hat mir erzählt, dass er diesen Gipfel sehr eng mit dem Thema der effizienten Energieverwendung verbinden möchte. Das wird eine ganz spannende Sache, denn Japan hat, was technologische Produkte anbelangt, großes Wissen und großes Können. Ich will nur daran erinnern, dass Japan das Land ist, das weltweit die meisten Solarzellen herstellt. Das heißt, z. B. im Bereich der erneuerbaren Energien können wir sehr gut zusammenarbeiten.

Wir haben in Heiligendamm auf der Grundlage der ernsten Berichte des wissenschaftlichen Forums der Klimakonvention, des IPCC, festgelegt, dass wir uns in Richtung konkreter Reduktionsraten bewegen müssen. Wir alle wissen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika die Kyoto-Konvention leider nicht ratifiziert haben. Dies entsprach eine Zeit lang auch einer parteiübergreifenden Meinung in den Vereinigten Staaten von Amerika. Aber es hat sich in der Diskussion über das Klimaproblem überall auf der Welt etwas verändert.

Das hat aus meiner Sicht auf der einen Seite mit den erdrückenden wissenschaftlichen Erkenntnissen zu tun, die wir immer wieder präsentiert bekommen. Das hat aber auf der anderen Seite auch etwas mit der Tatsache zu tun, dass wir spüren, dass die Rohstoffe auf dieser Welt insbesondere auch die energetischen Rohstoffe nicht unendlich sind und dass mit dem Wirtschaftswachstum der großen Schwellenländer natürlich eine Situation eintritt, in der die Energiepreise zu einem relevanten Faktor werden können. Deshalb liegt es vor dem Hintergrund der Effekte der Klimaveränderung durch den Menschen im Interesse der Industrienationen, auch den sparsamen Ressourcenverbrauch zur Normalität zu machen, um mit den begrenzten Ressourcen wirtschaften zu können.

Ich bin in China immer wieder darauf angesprochen worden, dass China dadurch, dass es so ein starkes wirtschaftliches Wachstum hat, von manchen als Bedrohung angesehen wird. Natürlich möchte es Wachstum haben, will dies aber nicht als Bedrohung verstanden wissen. Ich habe dann immer gesagt: Ich verstehe das; wir müssen auch anerkennen das entspricht auch ganz einfach unseren Werten, dass jedes Land auf der Welt das gleiche Recht hat, sich zu entwickeln und seiner Bevölkerung Wohlstand zu ermöglichen. Aber die Rohstoffe auf dieser Welt sind begrenzt. Das heißt, wir müssen lernen, diese Rohstoffe gemeinsam zu verwalten. Daraus resultiert die Notwendigkeit, gemeinsame Spielregeln zu erarbeiten, nach denen wir miteinander handeln, agieren und umgehen.

Deshalb brauchen wir internationale Konventionen, z. B. im Bereich der Artenvielfalt und genauso im Bereich des Klimaschutzes. Deshalb brauchen wir ein gemeinsames Verständnis für den Umgang mit geistigem Eigentum. Deshalb brauchen wir ein möglichst faires Handelssystem. Deshalb brauchen wir gleiche Regeln auch im Umgang mit Entwicklungsländern, z. B. im afrikanischen Raum, wo es selbstverständlich ist, dass Entwicklungszusammenarbeit auch auf gute Regierungsführung ausgerichtet ist.

Diese gemeinsamen Spielregeln in dieser einen Welt zu erarbeiten, ist im Bereich des Klimaschutzes jetzt eine Aufgabe, die wir möglichst bis Ende 2009 lösen sollten. Denn wir wissen, dass wir im Bereich des Klimaschutzes noch Zeit haben, um zu handeln. Wir wissen aber auch: Je mehr Zeit verstreicht, umso schneller müssen wir dann später die Veränderungen vornehmen. Ich werde in Deutschland oft gefragt: Das kostet doch etwas; können wir uns das leisten, wo wir doch noch so viele soziale und andere Probleme haben? Dann verweise ich auf den Stern-Report, der uns noch einmal vor Augen führt, was es kostet, wenn wir nichts tun. Dann wird es vielleicht andere treffen, einzelne Länder stärker als andere Länder. Aber das wird auch riesige Kosten verursachen. Das heißt, die Alternative ist nicht, der Frage nachzugehen, ob das etwas kosten wird, sondern die Alternative ist die Klärung der Frage, was die vernünftigere Herangehensweise an ein globales Problem ist.

Vielleicht hat der Klimaschutz auch deshalb eine so weltumspannende Bedeutung erlangt, weil die Menschen hinsichtlich dieses Themas spüren, dass kein Land dieses Problem für sich alleine lösen kann. Europa hat heute einen Anteil an den weltweiten CO2 -Emissionen in Höhe von 15 % . Europa wird in 10 oder 15Jahren einen noch geringeren Anteil daran haben der japanische Anteil wird auch sinken, weil die chinesischen und indischen Anteile natürlich steigen werden. Das heißt also, wenn es uns nicht gelingt, alle davon zu überzeugen, dass sie ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten müssen, dann werden alle darunter leiden.

Oft werden wir auch gefragt: Ist es denn richtig, dass die Industrieländer in Vorleistung treten? Die Europäische Union hat beschlossen, dass sie nach 2012 bis 2020 die CO2 -Emissionen, bezogen auf 1990, um 20 % reduzieren will wenn andere Länder mitmachen, sogar um 30 % . Das sind sehr anspruchsvolle Ziele. Im Kyoto-Abkommen, das ungefähr vor zehn Jahren verabschiedet wurde, haben wir uns nämlich vorgenommen, die Emissionen innerhalb der Europäischen Union bis 2012 um 8 % zu reduzieren. Wenn wir einmal ganz ehrlich sind, dann hat die Europäische Union bis heute gerade einmal 2 % geschafft. Sie muss bis 2012 also noch um weitere 6 % zulegen. Das ist sehr anspruchsvoll. Deshalb haben wir jetzt auch begonnen, in den einzelnen Bereichen sehr detaillierte Beschlüsse zu fassen, um auf diesem Weg endlich auch wirklich voranzukommen.

Ich glaube, dass wir unsere Erfahrungen bei der Ausarbeitung der nächsten Klimarahmenkonvention berücksichtigen sollten. Wir werden davon ausgehen müssen, dass die Schwellenländer natürlich nicht sofort die gleiche Verantwortung übernehmen können. Aber eines ist auch klar: Ich kann mir nicht vorstellen, wenn wir zu einem gerechten Abkommen kommen wollen, dass die Schwellenländer eines Tages mehr CO2 pro Kopf emittieren dürfen, als wir in den Industrieländern. Das heißt also, es wird auf der Zeitachse einen bestimmten Punkt geben, an dem man den gleichen Pro-Kopf-Ausstoß erreicht haben wird, weil die Industrieländer ihr Pro-Kopf-Aufkommen an CO2 reduziert haben werden und der Pro-Kopf-CO2 -Ausstoß der Schwellenländer langsam gestiegen sein wird.

Nun liegt es auf der einen Seite an den Industrieländern, wie schnell sie ihn reduzieren, und auf der anderen Seite an den Schwellenländern, dass ihr Pro-Kopf-Ausstoß mit einem vernünftigen Wirtschaftswachstum nicht so schnell steigt. Daran sieht man, dass dem Einsatz von intelligenten Technologien die Tür offen steht, wenn wir diese Herausforderung ernst nehmen. Hierbei sehe ich riesige Kooperationschancen für Deutschland und Japan, weil beide Länder ein erhebliches Erfahrungspotenzial bei der Entwicklung solcher Technologien haben.

Für Umwelttechnologien kann es heute einen riesigen Markt geben. Wir in Deutschland haben damit auf den verschiedenen Gebieten auch jenseits der CO2 -Emissionen sehr gute Erfahrungen gemacht, z. B. bei der Abwasserreinigung, beim Recycling von Abfall, zukünftig natürlich auch bei den CO2 -Emissionen im Bereich der erneuerbaren Energien, aber auch im Bereich des Wärmeverbrauchs, also z. B. bei der Isolation von Häusern. Wenn Herr Hambrecht nachher auf dem Podium sitzen wird, wird die Rede vielleicht auch einmal darauf kommen, welche herausragenden Dämmstoffe die BASF inzwischen herstellen kann.

Es wird immer, wenn es um CO2 -Reduktionen geht, sehr schnell über die Stromwirtschaft und über die große Industrie gesprochen. Aber wenn wir einmal schauen, wo in unseren Gesellschaften CO2 -Emissionen entstehen, dann gilt das sehr stark für den Wärmeverbrauch, respektive im Sommer für die Kälteerzeugung. In Japan hat man ja im Augenblick eher das Problem, wie man es kühler bekommt. Deshalb ist auch der Modeartikel Schlips etwas in den Hintergrund getreten und schon wird die Klimaanlage jetzt etwas weniger gebraucht. Aber bei intelligenter Isolierung der Häusersubstanz kann man das z. B. sehr viel besser ausgleichen. Ich habe in China immer wieder gesagt, dass in einem Land, in dem noch so viel Wohnungsbau stattfinden wird bei uns findet ja nicht mehr so viel Wohnungsbau statt, die Potenziale dafür natürlich riesig sind. Wenn wir schnell zu der Einführung bestimmter Normen kommen, dann können wir Fehler, die wir alle gemacht haben, vermeiden und gleich in die Zukunft schauen.

Meine Damen und Herren, deshalb gibt es auf dem Gebiet der Umweltzusammenarbeit eine riesige Möglichkeit, die Beziehungen zwischen unseren Ländern zu verstärken. Wir haben die Absicht, dies wirtschaftlich intelligent zu tun und dabei, was die rechtlichen Mittel anbelangt, nicht immer nur auf Ordnungsrecht zu setzen, also Gesetze zu machen, sondern zum Teil auch Anreize zu setzen, um die Menschen zu motivieren, sich umweltfreundlich und gleichzeitig ökonomisch zu verhalten. Wenn wir uns auf diesem Weg austauschen, dann werden wir sicherlich gut vorankommen.

Bis 2009 wird es harte Verhandlungen geben; da darf man sich keinen Illusionen hingeben. Aber Japan ist Gastgeber einer Klimavertragskonferenz gewesen und der Klimaschutz ist auf lange Zeit mit dem Namen Kyoto verbunden. Deshalb freue ich mich, dass Japan auch heute wieder eine Motorenrolle einnehmen will. Gemeinsam mit der Europäischen Union werden wir alles daran setzen, die Menschen zu überzeugen, rechtzeitig zu handeln, damit uns ausreichend Zeit für vernünftige Schritte bleibt, um die notwendigen Ergebnisse zu erreichen.

Ich bedanke mich für Ihr Interesse und werde jetzt gerne noch einige Fragen beantworten.