Redner(in): Angela Merkel
Datum: 31.08.2007
Untertitel: am 31. August 2007 in Kyoto
Anrede: Sehr geehrter Herr Präsident Inamori, sehr geehrter Herr Präsident Kitamura, meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2007/08/2007-08-31-rede-merkel-inamori-stiftung,layoutVariant=Druckansicht.html
ich möchte mich ganz herzlich für die freundlichen Worte der Begrüßung bedanken. Ich weiß es natürlich sehr zu schätzen, dass dieses Symposium der Inamori-Stiftung und der "Mainichi-Shinbun" veranstaltet wird und dass wir, die Delegation aus Deutschland, bestehend aus Bundestagsabgeordneten, Vertretern der Wirtschaft und Journalisten, hier daran teilnehmen können. Ich bin sehr beeindruckt von dem großem Engagement Ihrer beiden Institutionen. Ich konnte mich eben im Vorgespräch, das wir geführt haben, davon überzeugen.
Die Inamori-Stiftung hat mit dem 1985 zum ersten Mal verliehenen Kyoto-Preis eine renommierte und wichtige Ergänzung zum Nobelpreis geschaffen. Der Kyoto-Preis wird nicht für eine Einzelleistung, sondern für ein Lebenswerk verliehen an Künstler, Geistes- und Naturwissenschaftler. Bedacht werden also Wirkungsbereiche, die für eine harmonische Entwicklung der Menschheit stehen. Ich glaube, im Charakter dieses Preises spiegeln sich auch die japanische Tradition und Geschichte in ganz eigener Weise wider.
In der KategoriePhilosophie hat vor drei Jahren der deutsche Philosoph Jürgen Habermas den Preis erhalten. Es freut mich natürlich, dass dieses Jahr in der Kategorie Kunst die deutsche Tänzerin und Choreografin Pina Bausch die Preisträgerin sein wird. Unser Botschafter wird selbstverständlich anwesend sein, wenn dieser Preis verliehen wird.
Die hoch angesehene Zeitung "Mainichi-Shinbun" ist ebenfalls eine wichtige Förderin der Kultur. Auch hier möchte ich Dank sagen, denn sie hat immer wieder Projekte in Deutschland unterstützt. So kamen z. B. japanische Schüler zu Betriebspraktika nach Deutschland und die Fußballspieler des FC Bayern München konnten nach Japan kommen. Auch das große "Deutschland in Japan" -Projekt aus den Jahren 2005/2006 konnte immer auf die Hilfe von "Mainichi-Shinbun" hoffen und setzen. Dafür ein ganz herzliches Dankeschön!
Meine Damen und Herren, natürlich freue ich mich, heute wieder in Kyoto zu sein und über das Thema "Deutschland und Japan in gemeinsamer Verantwortung für die Zukunft" zu sprechen. Kyoto ist auch in meinem Leben nicht irgendein Ort. Fast auf den Tag genau vor zehn Jahren war ich, als wir das Kyoto-Protokoll verhandelt haben, für etwa eine Woche in diesem internationalen Konferenzzentrum. Es gibt wenige Städte in der Welt, die derart von Geschichte, Philosophie, Religion, Wissenschaft und zugleich auch von modernen Entwicklungen durchdrungen sind. Der Reichtum Ihrer Stadt die Bauten, die Tempel und Schreine der geschichtsträchtigen Kaiserstadt ist für die Besucher überwältigend. Aber genauso beeindruckend sind die Leistungen von Kyotos Universitäten und der hier angesiedelten zahlreichen Technologie-Unternehmen, die zur Weltspitze gehören.
Als ich vor zehn Jahren hier war, haben wir Verhandlungen im Rahmen des UN-Prozesses der Klimarahmenkonvention geführt. Ich erinnere mich natürlich noch sehr gut an die zähen Diskussionen. Leider konnte ich mir die Stadt nicht ausreichend anschauen, weil wir viel gearbeitet haben. Aber damals ist ein Text entstanden, der bis heute seine Wirkung hat. Ich glaube, man kann schon sagen: Das Kyoto-Protokoll ist ein wichtiger Meilenstein in der internationalen Klimapolitik. Wir alle werden uns sehr bemühen müssen, dieses Protokoll zu erfüllen. Wir haben jetzt nur noch fünf Jahre Zeit dafür, die Verpflichtungen einzuhalten. Wenn ich mir anschaue, wo die Europäische Union und wo Japan, bezogen auf die Kohlendioxidemissionen des Jahres 1990, heute stehen, dann haben wir alle Hände voll zu tun, um unsere Ziele bis 2012 auch wirklich zu erreichen.
Schon damals ist sehr viel darüber gesprochen worden, wie das Verhältnis von Industrieländern zu den Entwicklungs- und den Schwellenländern ist. Mir ist es deshalb so wichtig, dass wir alles daransetzen, das Kyoto-Protokoll zu erfüllen, weil sich darin natürlich auch widerspiegelt, ob die Industrieländer in den Augen der Schwellen- und Entwicklungsländer wirklich in dem glaubwürdig sind, was sie sich vorgenommen haben.
In diesem Jahr ist durch neue Berichte des IPCC wieder deutlich geworden, dass dieses Problem in den letzten zehn Jahren überhaupt nichts an Aktualität verloren hat. Der letzte Bericht des IPCC lässt an Klarheit nichts zu wünschen übrig. In den letzten zehn Jahren sind die Prognosen sehr viel eindeutiger und vollkommener geworden. Sie sagen uns mit großer Deutlichkeit, dass wir eine erhebliche Reduktion der CO2 -Emissionen brauchen. Um es klar zu sagen: Wenn wir eine durchschnittliche Erderwärmung um nicht mehr als 2Grad erreichen wollen das wird natürlich unterschiedlich verteilt sein, dann müssen wir bis zur Mitte unseres Jahrhunderts, also bis 2050, etwa die Hälfte der CO2 -Emissionen einsparen. Das ist Konsens unter den Experten. Die Möglichkeit, dieses große Ziel zu erreichen, ist aus meiner Sicht technologisch vorhanden.
Wir wissen auch, dass alle anderen Varianten, wenn wir dies nicht schaffen sollten, uns teuer zu stehen kommen würden. Das heißt also, die volkswirtschaftlichen Kosten durch Untätigkeit wären weit höher als das, was wir aufbringen müssen, um die notwendigen Voraussetzungen zu erfüllen. Wir haben in diesem Jahr eine wissenschaftliche Studie eines Ökonomen vorgelegt bekommen, nämlich von Nicolas Stern, die ganz eindeutig aussagt: Die wirtschaftlichen Auswirkungen werden, wenn wir nicht handeln, für uns alle dramatisch sein. Deshalb ist es ein Gebot der wirtschaftlichen Vernunft, ökologisch richtig zu handeln.
Im Einzelnen rechnet Stern in seinem Bericht vor, dass wir unseren Wohlstand langfristig durchschnittlich um mindestens 5 % die Szenarien reichen bis zu 20 % mindern werden, wenn wir nichts gegen den Klimawandel unternehmen. Wenn wir jetzt handeln, dann werden nach seiner Ausarbeitung die Anstrengungen den Wohlstandsverlust auf ungefähr 1 % begrenzen. Das ist deutlich weniger, als wenn wir einfach abwarten und die Folgen auf uns zukommen lassen. Das heißt also, Klimaschutz und die Sicherung des Wohlstandes gehören ganz eng zusammen.
Ich weiß nicht, wie die Diskussion in Japan geführt wird. In Deutschland wird sie oft noch so geführt, dass wir viele Probleme haben und nun noch ein Problem hinzukommt, nämlich der Klimaschutz. So dürfen wir es nicht machen. Wenn es uns um den Wohlstand für die Menschen in unseren Ländern geht, dann ist Klimaschutz vielmehr eine unvermeidbare, notwendige Aufgabe.
Für unsere Länder, Deutschland und Japan, liegen in der Notwendigkeit, Kohlendioxidemissionen einzusparen, natürlich auch unglaubliche Chancen. Gerade für klassische Exportnationen das sind Deutschland und Japan ist die Möglichkeit, mit umweltfreundlichen Technologien neue Märkte zu besetzen, natürlich eine riesige Chance. Deshalb wetteifern wir um diese Zukunftsmärkte. Daraus werden zukunftsfähige Arbeitsplätze entstehen. Die Bundesregierung wird dem Thema "Umweltschutz und Arbeit" eine beachtliche Bedeutung zumessen, um einfach auch deutlich zu machen, dass wir hierbei Chancen für die Zukunft nutzen sollten.
Japan hat ein international viel beachtetes Programm das so genannte "Top-Runner" -Programm für seine Industrie entwickelt, mit dem Ziel, japanische Unternehmen für neue Märkte gut zu rüsten. Das ist deshalb ein interessantes Modell, weil Sie sich anschauen, welche Firma welche technischen Angebote mit einem höheren Effizienzgrad macht, das dann nach einiger Zeit sozusagen zum Standard erhoben wird. Das heißt, nach ein paar Jahren wird das bestentwickeltste Neuangebot zum Maßstab gemacht. Sie geben damit einen Anreiz, Neues zu entwickeln, und anschließend verlangen Sie auch von Anderen, dass sie sich an das, was möglich ist, halten. Das ist eine sehr intelligente Art, Klimaschutz zu praktizieren und das gleichzeitig mit einem Anreiz für Unternehmen zu verbinden.
Natürlich ist Klimaschutz ein Thema von globaler Bedeutung. Ich glaube, dass wir der Sache nur gerecht werden, wenn wir eine absolute Senkung der CO2 -Emissionen auch für die Zeit nach 2012 mit Zahlen festschreiben anders wird das nicht gehen. Deshalb hat der Rat der Europäischen Union im Frühjahr beschlossen: Wenn wir in die Verhandlungen für die Zeit nach 2012 gehen werden, dann werden wir mit einer Position auftreten, die aussagt, dass die Europäische Union bereit ist, 20 % der CO2 -Emissionen, bezogen auf das Basisjahr 1990, bis zum Jahr 2020 einzusparen. Wenn andere Akteure gemeinsam mit uns vorangehen, dann könnten wir uns auch vorstellen, 30 % Einsparung zu schaffen.
Wir tun dies in der Europäischen Union, obwohl wir wissen, dass wir an den gesamten CO2 -Emissionen heute nur einen Anteil von 15 % haben. Dieser Anteil wird sinken, weil die Anteile der Schwellenländer natürlich wachsen werden. Das heißt und das habe ich auch beim meinem Besuch in China immer wieder gesagt, dass Europa das gilt für Europa ebenso wie für Japan das CO2 -Problem allein selbst bei bestem Willen nicht lösen kann. Wir können aber auch nicht von Anderen erwarten, dass sie handeln, wenn wir uns dem Wandel verweigern. Deshalb wollen wir vorangehen und deshalb wollen wir die Chancen so, wie ich es dargestellt habe, auch nutzen.
Wenn wir uns vor Augen führen, wo wir heute stehen, dann ist es so, das sich die Pro-Kopf-Emissionen in den Vereinigten Staaten von Amerika jährlich auf 20Tonnen, in der Europäischen Union auf 9Tonnen und in China inzwischen auch schon auf 3, 5Tonnen pro Einwohner belaufen. Das heißt Sie sehen den Abstand zu den Industrieländern und insbesondere auch zum Beitrag der Vereinigten Staaten von Amerika, wir müssen erst einmal bei uns anfangen. Aber wir wissen auch: Wir müssen, wenn wir das Problem bewältigen wollen, diesen Weg gemeinsam mit den Schwellenländern gehen. Auch auf die Schwellenländer werden eines Tages wenn auch noch nicht jetzt Reduktionsverpflichtungen zukommen oder sie werden, um es anders zu sagen, nicht unbegrenzt wirtschaftlich wachsen können. Der Gedanke, dass China pro Kopf mehr CO2 als Japan, Deutschland oder Amerika ausstößt, wird nämlich kein Gedanke an eine gerechte Welt sein.
Deshalb müssen wir es zuerst einmal den Schwellenländern ermöglichen auch durch ein Zurverfügungstellen neuer Technologien; das ist im Kyoto-Protokoll auch so angelegt, das zu schaffen, was in unseren Ländern, Gott sei Dank, geschafft wurde, nämlich dass der Energieverbrauch und das Wirtschaftswachstum voneinander entkoppelt werden können. Die Sorge der Schwellenländer besteht nämlich darin, dass sie im Wachstum beschränkt werden. Wir in den Industrieländern haben inzwischen die Erfahrung gemacht, dass Wirtschaftswachstum nicht zwangsläufig an immer mehr Energieverbrauch und CO2 -Ausstoß gekoppelt ist.
Damit wir den Weg, den wir bis zur Mitte des Jahrhunderts gehen müssen, auch so gehen können, dass er kostengünstig ist, brauchen wir Planbarkeit und Vorsorge. Deshalb ist es unser Ziel, bis zum Ende des Jahres 2009 erreicht zu haben, dass wir dann wissen, wie es nach 2012 weitergehen wird. Das wichtige Signal von Heiligendamm war, dass auch die Amerikaner bereit sind, sich unter dem Dach der UNO der Verantwortung zu stellen. Denn Sie wissen alle, dass die Vereinigten Staaten von Amerika das Kyoto-Protokoll nicht ratifiziert haben. Sie haben es hier in Kyoto zwar unterzeichnet, aber zu einer Ratifizierung dieses Protokolls im parlamentarischen Verfahren ist es nie gekommen.
Ich begrüße ausgesprochen das war ein ganz wichtiger Beitrag Japans die Klimaschutzinitiative "Cool Earth 50" des Premierministers Abe, die er kurz vor dem G8 -Gipfel in Heiligendamm ins Leben gerufen hat. Nur das hat dazu geführt, dass Europa, Japan sowie dann auch Kanada darum geworben und die anderen G8 -Staaten dem auch zugestimmt haben, dass wir uns auch quantifizierbaren Zielen nicht verschließen.
Meine Damen und Herren, Klimaschutz ist ein Beispiel für die Tatsache, dass wir unsere Probleme in der heutigen Zeit nicht mehr alleine als Nationalstaaten lösen können. Deshalb gibt es eine Vielzahl von Bereichen, in denen Deutschland und Japan vor den gleichen Herausforderungen stehen und hinsichtlich derer wir im Rahmen der internationalen Gemeinschaft unsere Verantwortung wahrnehmen müssen. Ich will als ein zusätzliches, sehr eng mit dem Klima-Thema verbundenes Beispiel das Thema der Energieversorgung nennen. Hierbei gibt es ein doppeltes Problem: Auf der einen Seite gibt es steigende Preise durch eine steigende Nachfrage und auf der anderen Seite haben wir endliche Ressourcen, mit denen wir verantwortlich umgehen müssen.
Was können wir an Lösungsansätzen in Betracht ziehen? Erstens, denke ich, müssen wir auf den weltweiten Energiemärkten echte Marktbedingungen sicherstellen. Die Märkte für Energie sind sehr stark reguliert. Es gibt nicht das, was wir im Grunde aus allen anderen Industriebereichen kennen, nämlich Wettbewerb um die billigste und beste Lösung. Ich habe auch gestern Abend intensiv mit Vertretern der japanischen Gesellschaft über dieses Thema, wie wir zu Wettbewerb im Energiebereich kommen, gesprochen.
Zweitens müssen wir es schaffen, erneuerbare Energieträger zu erschließen Windenergie, Sonnenenergie und vieles andere. Japan und Deutschland sind hierbei weltweit technologische Vorreiter. Aber wir müssen in unseren Ländern natürlich nicht nur produzieren, sondern die Dinge auch implementieren.
Drittens müssen wir versuchen dieses Thema kommt mir immer ein bisschen zu kurz; ich finde, es gehört zu den wichtigsten Möglichkeiten, hier voranzukommen Energieverbrauch zu vermeiden und vernünftig und sparsam mit Energie umzugehen. Das macht uns unabhängiger von Rohstoffimporten. Gleichzeitig ist es im Übrigen auch hinsichtlich der CO2 -Emissionen gut. Japan und Deutschland sind beides Länder, die im Grunde nicht über rentable heimische Energieressourcen verfügen. Ich glaube daher, dass dieses Thema von außerordentlicher Wichtigkeit ist.
Meine Damen und Herren, Umwelt und Energie sind nicht die einzigen globalen Themen. Wir haben auf dem G8 -Gipfel auch eine Vielzahl anderer, uns alle berührender Themen diskutiert. Wir haben etwas begonnen, was wir den Heiligendamm-Prozess nennen und was Japan im nächsten Jahr als Vorsitzland der G8 -Gruppe auch fortsetzen wird, nämlich einen strukturieren Dialog über bestimmte Themen zwischen den G8 -Mitgliedstaaten auf der einen Seite und den O5 genannten Schwellenländern Indien, China, Mexiko, Brasilien und Südafrika auf der anderen Seite.
Wir wissen, dass diese Länder hinsichtlich ihrer Entwicklung natürlich auch Eigeninteressen haben und dass sie auf die globalen Bedingungen Einfluss nehmen wollen. Ich sage aber genauso: Sie müssen auch in die Verantwortung für die gemeinsame Welt eingebunden werden. Wenn wir uns nämlich überlegen, dass sowohl Indien als auch China jeweils mehr als 1Milliarde Einwohner hat, dann ist es gar nicht vorstellbar, dass wichtige globale Fragen ohne diese Länder diskutiert werden.
Wir haben die OECD, also die Organisation der Industrieländer, dafür gewonnen, dass dieser strukturierte Dialog im Rahmen dieser Plattform geführt werden kann. Das hat zum Vorteil, dass wir uns nicht nur einmal im Jahr treffen, sondern dass wir permanent über bestimmte Themen beraten können.
Das sind zum einen die Investitionsbedingungen und die soziale Verantwortung von Unternehmen. Sie alle wissen: Wenn wir keinen freien Zugang zu den Märkten in Schwellen- und Entwicklungsländern haben, dann ist es natürlich schwierig, unsere Produkte dort auf den Markt zu bringen. Zum anderen: Wenn wir nicht bestimmte soziale Mindeststandards haben das gilt genauso für ökologische Standards, dann werden die Produkte aus den Entwicklungs- oder Schwellenländern immer billiger angeboten werden. Ich habe mir sagen lassen, dass dies auch für die japanischen Unternehmen ein riesiges Problem ist. Das heißt, wir müssen eben schauen, dass die internationalen Vereinbarungen über Mindestarbeitsstandards z. B. in der Internationalen Arbeitsorganisation ILO auch wirklich in allen Ländern durchgesetzt werden. Ansonsten wird es nicht das geben, was ich als fairen Wettbewerb bezeichne.
Zweitens müssen wir uns um den Schutz von geistigem Eigentum kümmern. Ich habe darüber in China sehr häufig gesprochen. Wir müssen als innovative Länder China wird Stück für Stück auch immer mehr dazu gehören darauf achten, dass das Eigentum aus Gedanken genauso wie das Eigentum an materiellen Dingen geschützt wird. Das gehört einfach zu einem vernünftigen Umgang miteinander.
Wir wollen außerdem über Entwicklungszusammenarbeit und in diesem Zusammenhang auch über gute Regierungsführung reden. Wir wollen natürlich auch über Technologiekooperationen und Energieeffizienz reden.
Ich glaube, dass eine möglichst zügige Einbindung der Schwellenländer in unsere Diskussion im Rahmen der G8 -Gemeinschaft von großer Dringlichkeit ist. Das liegt in unserem eigenen Interesse. Ich glaube, jeder versteht, dass wir ein Interesse daran haben müssen, den Wettbewerb fair zu gestalten. Wir wissen: Wettbewerb, der keinen Ordnungsrahmen hat, wird zum Schluss nicht zu den richtigen Ergebnissen führen.
Meine Damen und Herren, Japan und Deutschland haben als Exportnationen natürlich ein gemeinsames Interesse daran, dass es weltweit einen freien Handel zu vernünftigen Bedingungen gibt sowohl, auch wenn es uns in der Europäischen Union und Ihnen in Japan, glaube ich, auch schwer fällt, im Agrarbereich, in dem wir selbst noch hohe Subventionen zahlen, als auch beim Export von Industriegütern. Hier gibt es in den Entwicklungs- und Schwellenländern zum Teil sehr hohe Einfuhrzölle, die wie eine Barriere, eine Mauer wirken, wenn es darum geht, die Waren auf den Markt zu bringen.
Wir verhandeln im Augenblick in der so genannten Doha-Runde. Die Frage lautet: Werden wir dabei noch einen weiteren Schritt hinbekommen? Werden wir diese Doha-Runde abschließen können? Wir sind davon überzeugt wenn ich "wir" sage, dann ist das auch die Meinung in den Gesprächen mit der japanischen Regierung gewesen, dass das zu unserem Nutzen ist und dass wir alle Kraft darauf lenken sollten, dies zu tun. Auch die Wirtschaftsvertreter unserer beiden Länder haben dies gestern noch einmal bestätigt. Deshalb hoffe ich, dass wir hierbei noch einen Durchbruch erreichen werden.
Wir brauchen des Weiteren über das hinaus, was in der Welthandelsrunde besprochen wird, Schritte, die die Hemmnisse zwischen unseren beiden Ländern abbauen. Diesbezüglich haben uns die Industrieverbände Keidanren und der Bundesverband der Deutschen Industrie gestern vorgeschlagen, doch ein Abkommen zwischen der Europäischen Union und Japan darüber zu schließen, wie man die so genannten nicht tarifären Hemmnisse abbauen kann, also z. B. Standards, Zulassungsprozeduren und Rechnungslegung besser aufeinander abzustimmen und zu harmonisieren, um unnötige Bürokratie zu vermeiden und damit mehr Ressourcen freizusetzen, um sie in Innovation, Forschung und Kreativität investieren zu können.
Ich glaube, die letzten Tage haben uns auch wieder einmal vor Augen geführt: Wir brauchen mehr Transparenz auf den internationalen Finanzmärkten. Wir wissen, dass die Kreditvergabe und die Kreditsituation in den Vereinigten Staaten von Amerika heutzutage unmittelbare Auswirkungen auf alle Länder der Welt haben. Deshalb ist es, wie ich finde, berechtigt, von Transparenz zu sprechen und zu sagen: Wir brauchen bei den neuen Finanzinstrumenten mehr Transparenz. Wir müssen auch einmal die Frage stellen dürfen, ob die Rating-Agenturen eigentlich qualitativ hinreichend arbeiten. Hierbei müssen einmal die Bewertungskriterien genannt werden.
Wir haben uns in unseren G8 -Diskussionen ganz besonders auf die so genannten Hedge-Fonds konzentriert. Ich bin davon überzeugt, dass es eine freiwillige Selbstverpflichtung der Hedge-Fonds zur Transparenz geben sollte, einen so genannten "Code of Conduct". Ich finde, das ist nicht zu viel verlangt. Wir hatten das in Heiligendamm noch nicht ganz geschafft, aber wir sollten das als G8 -Nationen doch fordern.
Alles das, was ich eben genannt habe, zeigt, dass wir miteinander in einem Boot sitzen und dass wir unserer Verantwortung gemeinsam Rechnung tragen müssen. Wir wissen natürlich, dass sich die Kräftepole weltweit immer weiterentwickeln. In diesem Zusammenhang spielt der asiatische Raum natürlich eine ganz besondere Rolle. Viele sprechen sogar davon, dass das 21. Jahrhundert das Jahrhundert Asiens sein wird. Man kann, glaube ich, auch sagen, dass hier, im asiatischen Raum, eine unglaubliche wirtschaftliche Dynamik herrscht. Wir schauen uns zum Teil mit großem Staunen die Wachstumsraten an, die es hier gibt. Wir erleben eine Anhäufung von Währungsreserven, wenn wir z. B. an China denken. Das heißt natürlich nichts anderes, als dass sich die weltweiten Kräfteverhältnisse ändern, dass der asiatisch-pazifische Raum sicherlich an Kraft gewinnt und damit auch eine stärkere Rolle spielt.
Europa muss darauf vor allem die Antwort finden, dass wir als Europäische Union gemeinsam auftreten. Das ist oft genug sehr schwierig. Wir sind froh, dass es uns während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft gelungen ist, dass wir jetzt einen Reformvertrag haben, mit dem wir für uns als 27Mitgliedstaaten endlich Klarheit darüber erlangt haben, mit welchen Regeln und auf welcher Grundlage wir in Zukunft arbeiten werden. Ich bin deshalb so froh, weil wir damit wieder mehr Kraft haben, um uns unseren internationalen Aufgaben zu widmen.
Wir schauen natürlich nach Asien und wir erleben, wie Asien langsam, aber doch spürbar viele Versuche unternimmt, wirtschaftlich zusammenzuwachsen. Die politischen Systeme sind hier ja grundverschieden. Deshalb ist dieser Prozess des Zusammenwachsens sicherlich ein anderer als innerhalb der Europäischen Union. Aber die asiatischen Staaten haben erkannt, dass es für sie von Vorteil ist, wenn sie ein möglichst hohes Maß an Durchlässigkeit und Offenheit besitzen. Sie werden auf diesem Weg sicherlich auch weitergehen.
Wir wissen auch, dass Sie bestimmte Probleme gemeinsam zu lösen haben, die zum Teil noch in Disputen über territoriale Fragen behandelt werden, ganz besonders natürlich das Nuklearprogramm Nordkoreas. Deshalb haben wir mit großem Interesse die Sechs-Parteien-Gespräche verfolgt, die stattgefunden haben. Ich finde, es gibt einigen Anlass zu Optimismus. Aber sicherlich muss man ganz genau beobachten, ob Nordkorea das, was in diesen Sechs-Parteien-Gesprächen versprochen wurde, auch wirklich umsetzt. Das ist für diesen Raum, aber auch für uns alle von allergrößter Bedeutung.
Es gibt auch die gemeinsame Herausforderung des Iran. Auch diesbezüglich bin ich dankbar, dass wir gemeinsam vorgehen und einerseits auf der Basis von UN-Resolutionen immer wieder versuchen, dem Iran zu sagen, dass das Vorgehen hinsichtlich seines Nuklearprogramms nicht akzeptabel ist, aber dass der Iran als eine Kulturnation, wenn er sich wieder in das internationale Kontrollregime einfügt, dann natürlich auch alle Entwicklungschancen bekommen soll. Ich glaube, dieser Gedankengang war richtig und wichtig.
Europa will zur Stabilität im Zusammenhang mit den Konflikten auf dieser Welt beitragen m Rahmen von Entwicklungszusammenarbeit und Beratungsprojekten, durch die Schaffung von multilateralen Regelungen sowie durch Beispiele für zivile Konfliktbeilegung. Ich glaube, dass eines der guten Beispiele europäischen Engagements die Sicherung des Friedens in der indonesischen Provinz Aceh ist, an dem wir sehen können, dass sich auch Erfolge einstellen.
Wir wollen das liegt sehr im europäischen Interesse die Zusammenarbeit mit den asiatischen Regionalorganisationen vertiefen und stärken. In Südasien erwirbt die EU bereits einen Beobachterstatus bei der Südasiengemeinschaft "SAARC". Im sicherheitspolitisch wichtigen "Asian Regional Forum" hat die Europäische Union ihre Mitarbeit verstärkt. Und die Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und ASEAN besteht nunmehr schon seit 30Jahren. In diesem Jahr werden wir die Bindungen noch weiter ausbauen. Im Oktober 2008 wird es das "Asia-Europe Meeting" in Peking geben. Auch hiervon erwarte ich mir, dass es eine Stärkung und Vertiefung unserer Zusammenarbeit im Rahmen unserer globalen Verantwortung geben wird.
Wir müssen uns vorstellen, dass die ASEM-Staaten zusammen inzwischen 60 % des Welthandels, 60 der Weltbevölkerung und 50 % der Weltwirtschaftsleistung ausmachen. Das heißt, wenn wir unsere Interessen bündeln, dann sind wir ein wirklich gewichtiger Faktor, um viele Dinge voranzubringen. Wir haben auch Verhandlungen über ein Partnerschaftsabkommen mit verschiedenen asiatischen Staaten aufgenommen. Bei all diesen Bereichen und Überlegungen spielt Japan für uns natürlich eine Schlüsselrolle. Ich würde mir wünschen, dass Deutschland und Japan Motoren bei der Zusammenarbeit unserer jeweiligen Regionen sind.
Wir arbeiten nicht nur im Rahmen der G8, sondern auch im Rahmen der G4 zur Reform der Vereinten Nationen sehr eng zusammen. Ich habe auch in meinen Gesprächen mit Premierminister Abe noch einmal gesagt, dass wir dringend eine Reform des UN-Sicherheitsrates brauchen, um die Handlungsfähigkeit und die Akzeptanz des UN-Sicherheitsrates in Krisensituationen zu stärken.
Wir sind bei der Zusammenarbeit hinsichtlich der Bekämpfung des internationalen Terrorismus aufeinander angewiesen. Internationaler Terrorismus ist eine der ganz großen Herausforderungen, vor denen wir stehen und die uns auch vor qualitativ völlig neue Situationen stellen. Denn wir haben es nicht wie im Kalten Krieg mit einer Situation zu tun, in der Abschreckung einfach funktioniert. Das Berechenbare an der Situation des Kalten Krieges war, dass keiner der sich gegenüberstehenden Mächte bereit war, sich des Sieges über den Anderen willen selbst zu bedrohen oder zu vernichten. Jeder wollte überleben. Heute haben wir es beim Terrorismus damit zu tun, dass es Akteure gibt, die unsere Art zu leben um den Preis, ihr eigenes Leben hinzugeben, bekämpfen. Das ist eine völlig andere Bedrohungssituation als zur Zeit des Kalten Krieges, mit der wir umzugehen lernen müssen.
Bei diesem Umgang wollen wir natürlich unsere offenen, freiheitlichen Gesellschaften erhalten und sie nicht völlig verschließen. Ich denke, jedes Land führt seine eigene Diskussion darüber. Das bedingt zwei Dinge: Wir müssen nach innen überlegen, wie wir mit neuen technischen Methoden agieren, um uns zu schützen, aber wir müssen vor allen Dingen lernen, dass wir unsere Sicherheit nicht einfach mehr um unsere Grenzen herum verteidigen können, sondern dass wir in Situationen sind, in denen wir unsere Sicherheit vielleicht z. B. in Afghanistan verteidigen müssen. Das heißt, das deutsche Engagement in Afghanistan ist ein Engagement, das der Sicherheit Deutschlands und gleichzeitig dem Wohle der afghanischen Bevölkerung dient.
Deshalb ist die Bekämpfung des internationalen Terrorismus in einem möglichst breiten Geleitzug so wichtig. Ich will hier ausdrücklich dafür danken, dass wir im Rahmen der OEF-Mission im Indischen Ozean logistische Hilfe von japanischen Schiffen bekommen haben. Das ist und war für uns sehr wichtig.
Wir haben es das haben wir am Beispiel von Nordkorea gesehen mit einer Gefahr der Proliferation von Massenvernichtungswaffen zu tun. Deshalb ist es wichtig, dass die internationale Staatengemeinschaft auch hierbei zusammenarbeitet. Natürlich müssen wir vor allen Dingen auch die Fragen klären, die schon lange auf der Tagesordnung stehen. Im Zusammenhang mit Nordkorea will ich hier noch einmal daran erinnern, dass auch wir hoffen, wünschen und diesbezüglich helfen wollen, wo wir können, dass das Schicksal der aus Japan Entführten im Einvernehmen geklärt wird und dass diese Personen wieder nach Hause kommen.
Unsere sicherheitspolitische Zusammenarbeit zwischen dem asiatischen und dem europäischen Raum werden wir in Zukunft auch über die NATO verstärken. Im Juli dieses Jahres haben NATO und Japan ein Kooperationsprogramm beschlossen. Ich begrüße ausdrücklich, dass wir auch hiermit neue Formen der Zusammenarbeit finden.
Meine Damen und Herren, gemeinsam auch darüber habe ich mit dem Premierminister diskutiert sollten wir auch schauen, was wir im Hinblick auf Afrika machen können. Die Entwicklungschancen des afrikanischen Kontinents müssen garantiert werden. Dazu gibt es weltweite Absprachen über Millenniumsziele. Auch hierbei ist es wieder so ähnlich wie beim Kyoto-Protokoll: Wir haben uns viel vorgenommen, haben es aber noch nicht eingelöst. Auch hierbei wird unsere Glaubwürdigkeit auf dem Prüfstand stehen. Wir haben uns im Rahmen des G8 -Prozesses in ganz besonderer Weise mit Afrika beschäftigt. Wir wollen Entwicklungsmaßnahmen unternehmen, um die Finanzmärkte und die regionale Infrastruktur in Afrika zu entwickeln. Afrika soll und muss für Investoren sicherer und attraktiver werden. Genau dazu bedarf es dann auch der guten Regierungsführung.
Ich denke, dass wir hierbei sehr gut zusammenarbeiten können, und begrüße es, dass die japanische Regierung vor dem G8 -Gipfel im nächsten Sommer im Rahmen der vierten so genannten "Tokyo International Conference on African Development" ein Treffen mit den afrikanischen Staaten durchführen wird. Auch die Europäische Union wird bereits jetzt, im Dezember, einen EU-Afrika-Gipfel abhalten. Auch dabei sollten wir unsere Erfahrungen austauschen und möglichst versuchen, kohärent vorzugehen.
Ich glaube, ich habe Ihnen dargestellt und aufgezeigt, dass wir bei völlig unterschiedlicher regionaler Lage doch ganz vielfältige gemeinsame Aufgaben haben. Ich glaube, dass wir aufgrund der Erfahrung, die Japan und Deutschland gemacht haben, nämlich dass wir am Ende des 20. Jahrhunderts einen sehr guten wirtschaftlichen Aufschwung hatten, alle Probleme mit Optimismus angehen können. Wir haben erlebt, dass Wohlstand in unseren Ländern möglich war. Ich gehöre zu denen, die sagen: Was bei uns möglich ist, ist auch woanders möglich. Unsere vielfältigen, breiten, freundschaftlichen und guten Beziehungen auf allen Ebenen und in vielen Bereichen auch im Bereich der Kultur, der Wissenschaften und der Forschung, sollten eine Plattform dafür bilden, dass wir auch im internationalen Engagement gemeinsam auftreten.
Dabei wünsche ich uns viel Kraft, viel Erfolg und viel Mut. Das kann die Politik allein nicht schaffen, dazu brauchen wir auch andere Akteure, dazu brauchen wir die Wirtschaft, dazu brauchen wir die, die sich kulturell betätigen, dazu brauchen wir die Medien, die diese Gedanken verbreiten. Ich glaube, dieses Symposium, Herr Inamori und Herr Kitamura, zeigt, dass es Menschen gibt, die diese Verantwortung übernehmen wollen. Dafür danke ich noch einmal ganz herzlich und wünsche uns bei all dem, was wir vor uns haben, viel Erfolg. Herzlichen Dank!