Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 03.09.2007

Untertitel: Staatsminister Bernd Neumann betont zur Eröffnung des Asia-Pacific and Europe Media Dialogue der Deutschen Welle am 03.09.2007 inBonn die Bedeutung von Pressefreiheit und Sicherheit in der Berufsausübung für Journalistinnen und Journalisten.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2007/09/2007-09-03-rede-neumann-deutsche-welle,layoutVariant=Druckansicht.html


ich komme gerade von einer einwöchigen Reise aus China, bei der ich z. T. die Bundeskanzlerin begleitete, an der Eröffnung der Pekinger Buchmesse mitgewirkt und viele interessante Gespräche mit chinesischen Regierungsvertretern über Kultur, Medien und Pressefreiheit geführt habe. Ich bin deshalb ganz gut im Thema.

Der deutsche Auslandssender, das Asia-Pacific Institute for Broadcasting Development und die European Broadcasting Union, also gleich drei Institutionen haben mich eingeladen. Gerne bin ich nach Bonn gekommen: Herzlichen Dank, dass ich bei Ihnen hier zu Gast sein darf in dem wunderbaren ehemaligen Plenarsaal des Deutschen Bundestages.

An dieser Stelle habe ich als Parlamentarier und als Regierungsmitglied viele Jahre lang Gelegenheit gehabt, vor den Repräsentanten des deutschen Volkes zu sprechen.

Die Bundesstadt Bonn ist ein guter Ort für internationale Begegnungen. Ich kann mir für einen europäisch-asiatischen Dialog keinen besseren vorstellen als das Gebäude, in welchem wir uns gerade befinden, denn es ist -wie die ganze deutsche und europäische Verfassungs- und Parlamentsgeschichte- ein Haus des Austausches und des Gesprächs. Von dem Pult hinter mir - vom erhöhten Sitz des Parlamentspräsidenten - hat die damalige Bundestagspräsidentin Prof. Dr. Rita Süssmuth im Jahre 1991 das Abstimmungsergebnis verkündet, nach dem der Deutsche Bundestag von Bonn nach Berlin wechseln soll und damit auch große Teile der Bundesregierung. Zwischen beiden Städten ist also Dialog und Zusammenarbeit ein Wesenselement. So ist z. B. mein Amtssitz in Berlin im Bundeskanzleramt, aber die meisten Mitarbeiter meines Ministeriums sind hier in Bonn. Die Bundesregierung hat unter der Regierung von Bundeskanzler Helmut Kohl bewusst die Entscheidung getroffen, dass der deutsche Auslandssender seinen Hauptsitz in Bonn nimmt. Und es ist kein Zufall, dass die Deutsche Welle in demjenigen Gebäude aus dem Herzen Europas in die ganze Welt hinaus sendet, welches einmal für die Bundestagsabgeordneten vorgesehen war.

Der Genius loci könnte nahe legen, die Deutsche Welle sei ein Staatssender, also eine Rundfunkanstalt, die unter der Regie des Bundestages oder der Bundesregierung stünde. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Deutsche Welle ist als gemeinnützige Anstalt des öffentlichen Rechts für den Auslandsrundfunk ein autonomer Sender, der sich auf die Rundfunkfreiheit des Grundgesetzes stützt wie alle anderen Sender der ARD und des ZDF. Zu diesen besteht aber ein wesentlicher Unterschied: Die Deutsche Welle sendet ins Ausland, sie ist gesetzlich verpflichtet, genau das zu tun, im Gegensatz eben zu den anderen Sendern innerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Anders als die öffentlich-rechtlichen Sender, wird die Deutsche Welle direkt von der Bundesregierung finanziert.

Sie wird nach dem Regierungsentwurf zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Jahr 2008 275,6 Millionen Euro erhalten. Dies sind ca. 4 Millionen € mehr als in der Finanzplanung vorgesehen. Damit wird der Forderung im Koalitionsvertrag Rechnung getragen, wonach die Deutsche Welle "in Wahrnehmung ihrer Aufgaben gestärkt werden soll". Die Erhöhung wird dem arabischen Programm zugute kommen und der Kooperation mit ARD und ZDF im Fernsehbereich.

Das Anfang 2005 novellierte Bundesgesetz zum deutschen Auslandssender, das Deutsche-Welle-Gesetz, enthält nur eine einzige Vorschrift, die quasi die Leitlinien des Senders normiert. Alles andere ist seiner Selbstorganisation und Selbstverantwortung, d. h. seines Intendanten und der beiden Aufsichtsgremien Rundfunkrat und Verwaltungsrat überantwortet. Und aus diesen Zielbestimmungen des § 4 des Deutsche-Welle-Gesetzes ergibt sich die Kompetenz der Deutschen Welle für ihren Sendeauftrag ebenso wie für die heutige Veranstaltung, nämlich Deutschland als europäisch gewachsene Kulturnation und freiheitlich verfassten demokratischen Rechtsstaat in der Welt verständlich zu machen. In Hörfunk, Fernsehen und in den Online-Angeboten soll der Sender nicht nur deutsche Sichtweisen zu wesentlichen Themen in Politik, Kultur und Wirtschaft darstellen. Zugleich verlangt das Gesetz, dass die Deutsche Welle Dialogforum in Europa wie in anderen Kontinenten sein soll mit dem klaren Ziel - und ich zitiere - "das Verständnis und den Austausch der Kulturen und Völker zu fördern".

Meine Damen und Herren,

ich begrüße sehr, dass Sie alle gemeinsam Ideen zusammentragen wollen, wie Radio, Fernsehen, Internet und Printmedien in der internationalen Entwicklungspolitik besser zusammenwirken können. Wenn man sich die weltweite Entwicklung für die Arbeitsbedingungen der Medien ansieht, haben sich diese in den letzten fünf Jahren verbessert. Die Medien sind geradezu in einem "work in progress". Sie beobachten Veränderungen in Politik, Umwelt und Technik und sind oft sogar in der Lage, diese zu beschleunigen. Im Blick auf den asiatisch-pazifischen Raum sind alle Analysten sicher, dass sich dort ein geopolitisches Zentrum ersten Ranges entwickelt hat und weiter ausprägt.

Die wirtschaftlichen Zuwachsraten liegen im zweistelligen Bereich. Der große Ressourcenreichtum und die dynamische Bevölkerungsentwicklung haben diese Region schon jetzt zu einem entscheidenden Faktor der Weltwirtschaft werden lassen. China und Indien sind zu wesentlichen Handelnden auf den Weltmärkten geworden. Als weiteres Zentrum werden sich in dieser Region die Schwellenländer des ASEAN-Staatenbundes etablieren. China erzielte zwischen 1995 und 2006 durchschnittliche Wachstumsraten von annähernd zehn Prozent. Seit Beginn der 1990er Jahre sind rund 500 Mrd. US-Dollar an ausländischen Investitionen ins Land geflossen.

China, das sich zur verlängerten Werkbank der globalisierten Welt entwickelt hat, und auch Indien, wollen sich in Zukunft als Dienstleistungszentren und Forschungs- und Entwicklungslabor der Weltwirtschaft empfehlen. Indiens Wachstum hat sich im Schnitt der letzten Jahre bei acht Prozent eingependelt. Europa und der asiatisch-pazifische Raum sind füreinander schon lange keine unbekannten Partner mehr. Asien ist Europa vielfach verbunden. In Zeiten des "global village" sind wir alle nahe Nachbarn. Die Informationsgesellschaft überspringt Grenzen, ja sie kennt sie zum Teil gar nicht mehr. Und große Themen wie z. B. Umwelt und Menschenrechte sind nicht nationalstaatlich zu begrenzen, sondern nur in großen transnationalen Zusammenhängen zu diskutieren und zu lösen.

Das Wissen unserer Zeit in Kultur, Wissenschaft und Politik ist heute nicht auf einzelne Staaten, Regionen oder Personengruppen begrenzt. Das Internet macht es für jedermann verfügbar. Damit steigen Kompetenzen, aber auch Ansprüche an den zivilisierten und damit auch demokratischen Umgang mit Informationen. In nicht wenigen asiatischen Ländern besteht indes geringe Neigung, unzensierbare Übermittlungswege für freie und unabhängige Medien zu garantieren. In China tätige, international operierende Internetfirmen beklagen immer wieder, dass das Internet schnell gegen die Meinungsfreiheit instrumentalisiert und bei allzu kritischer Berichterstattung Webseiten gesperrt werden. Auch die Deutsche Welle hat dies schon erfahren. Mit Blick auf die Olympiade 2008 in Peking wird sich vielleicht einiges ändern. Aber wenn überhaupt wird dies eher die ausländischen Journalisten betreffen, weniger die heimischen. Der Optimismus in China ist nicht sehr groß. Es wäre allerdings zu wünschen, dass sich eine meist nur temporäre Öffnung der Medienmärkte nicht nur an bestimmte Ereignisse in Sport und Politik orientieren würde, sondern daran, was weltweiter Standard sein müsste, nämlich an das freie Wort und die freie Meinung für jedermann. Auch die satellitengestützte Rundfunkübertragungen sind gefährdet durch den Eingriff derjenigen, die meinen, investigativer Journalismus gefährde die staatliche Identität und Sicherheit. Hierbei wären Abstinenz und Resignation schlechte Ratgeber! Konsequenz kann doch nur sein, zensierte Märkte nicht hinzunehmen und dem offenen Journalismus Fenster zu öffnen. Gleichzeitig muss die rasante technologische Entwicklung der asiatischen Medien begleitet werden.

Dabei kommt dem Radio weiterhin eine Schlüsselfunktion bei der Informationsübermittlung zu. Ein intelligentes regionalspezifisches Ausstrahlungskonzept, so wie wir es von der Deutschen Welle kennen, kann dem Rechnung tragen. Mit dem im asiatisch-pazifischen Raum steigenden Lebensstandard korrespondiert die weitere Nutzung des Internet. Damit korreliert ein Zugang zu neuen Medien für bislang medienferne Bevölkerungsschichten. In vielen Staaten Asiens ist das Internet ein von breiten Teilen der Bevölkerung benutztes Informationsmedium. So gibt es in Thailand bereits acht Millionen Internetnutzer, 12,9 Millionen Nutzer haben in Vietnam Zugang. Diese Tendenz wird weiter steigen.

Es ist einerseits erfreulich festzustellen, dass die Pressefreiheit in vielen asiatischen Staaten rechtliche und tatsächliche Rahmenbedingungen erhalten hat, die eine Verbesserung bedeuten. Andererseits muss regionalspezifisch jedoch unterschieden werden zwischen der rechtlich garantierten Pressefreiheit und der täglichen Praxis, die häufig im Widerspruch zu den garantierten Freiheitsrechten steht. Zudem sollten wir den Blick darauf wenden, ob - wo Pressefreiheit verfassungsrechtlich garantiert ist - dennoch staatliche Kontrollgremien zu einer Einengung der Berichterstattung führen. Von Belang ist auch, in welchen Ländern private Medien zugelassen oder wo sie - wie in Vietnam - ausdrücklich ausgeschlossen sind.

Die Organisation "Reporter ohne Grenzen" macht immer wieder darauf aufmerksam, in welchen Ländern Journalisten in Radio, Fernsehen und Internet wegen ihrer Berufssausübung inhaftiert werden. Wenn wir dem hohen Stand des zivilisierten Europa des 21. Jahrhunderts gerecht werden wollen, können wir dazu nicht schweigen, denn jede Unfreiheit schlägt irgendwann auch auf uns selbst zurück. Denn wir sind alle nahe Nachbarn.

Ich habe bei meinem Chinabesuch diese Thematik in vielen politischen Begegnungen freundlich, aber konkret angesprochen. Dabei wurde mir nicht ein einziges Mal widersprochen, man hörte entweder nur zu oder wies darauf hin, dass China einen Entwicklungsprozess durchmache und man Geduld haben müsse. Also: Steter Tropfen höhlt den Stein! Diese Überlegungen lassen Sie mich in 5 Punkten zusammenfassen:

Wir brauchen eine intensive internationale Zusammenarbeit in Politik und Medien. Denn diese schafft auch Sicherheit in der Berufsausübung der Journalistinnen und Journalisten. Die Verabschiedung von Pressegesetzen, die europäisches Profil haben, und die dann auch rechtlich einklagbar sind, können die Arbeitsbedingungen eines freien Journalismus verbessern. Eine klare Rechtsgrundlage vermeidet auch Selbstzensur.

Alle Medien brauchen lokale Verwurzelung. Das Journalistenprinzip "all news are local" zwingt zu der Erkenntnis, dass Medien die Lebenswirklichkeit der Menschen in ihrem Wohnumfeld spiegeln sollten. Nur so kann sich eine selbstverantwortete Gesellschaft entwickeln.

Politische Bevormundung und Repression stabilisieren auf Dauer keinen Staat, sondern führen auf Sicht zum gegenteiligen Ergebnis. Freie Medien stabilisieren und garantieren Freiheit und somit plurale und lebenswerte Gesellschaften.

Die Pressefreiheit braucht ein klares Profil für den Journalismus und damit für den wahrheitssuchenden, investigativen Reporter. Die Ausbildung von Journalistinnen und Journalisten und die Unterstützungsmöglichkeiten kompetenter Sender in Deutschland und Europa können ein weltweit kompatibles Berufsbild schaffen.

Meinungspluralität darf nicht staatlich gesteuert werden, deshalb ist ein privater Sektor für einen qualitätsvollen Journalismus unverzichtbar.

Meine Damen und Herren,

dies mögen einige Schlaglichter sein, die auf Ihrer Tagung sicherlich diskutiert werden.

Ich danke Ihnen und wünsche ertragreiche Gespräche!