Redner(in): Angela Merkel
Datum: 06.09.2007

Untertitel: gehalten am 6.September 2007 in Berlin
Anrede: Sehr geehrter Herr Pleister, meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2007/09/2007-09-06-rede-bkin-raiffeisenbank,layoutVariant=Druckansicht.html


herzlichen Dank, dass Sie mich eingeladen haben, um mir, nachdem Sie manches umdisponiert haben, am Vorabend Ihres Verbandstages hier die Möglichkeit zu geben, im Namen der Bundesregierung einige Worte an Sie zu richten.

Ich bin gern hierher gekommen, weil ich das volkswirtschaftliche und auch das gesellschaftliche Gewicht der Volks- und Raiffeisenbanken sehr klar vor Augen habe. Ich glaube, dass schon allein die Tatsache, dass der Bundesverband rund 1. 250genossenschaftlich organisierte Banken repräsentiert Sie haben eben davon gesprochen, Herr Pleister, die zusammen 30Millionen Kunden auf die Waagschale bringen, zeigt, dass Sie in dem Säulenmodell der deutschen Kreditinstitute eine ganz wichtige Säule sind. Das ist auch einer der Gründe, warum ich heute sehr gern hier bin.

Ich glaube, sagen zu können, dass Sie, auch wenn man an Ihre Prinzipien denkt, auf denen Sie sich gründen, eine wichtige Säule nicht nur des Kredit- und Bankenwesens sind, sondern eine ganz wichtige Säule der Sozialen Marktwirtschaft in Deutschland, unseres gesellschaftlichen Modells des Lebens und dies mit Grundsätzen, die seit den Anfängen im 19. Jahrhundert verpflichtend für Sie sind: Selbsthilfe, Selbstverantwortung, Selbstverwaltung. Das zeichnet Sie aus. Es ist eigentlich interessant, dass trotz aller Umbrüche, trotz aller wirtschaftlichen Veränderungen diese Prinzipien tragen, die in Zeiten zunehmender Globalisierung mindestens so wichtig sind wie in Zeiten, als wir uns noch stärker national ausrichten konnten.

Nun liegt Ihr Erfolgsmodell auch darin begründet, dass ein großer Teil der Kunden zugleich Mitglied, also Teilhaber Ihrer Banken ist. Das heißt, die Verantwortung für das Gesamte ist für viele tägliche Realität. 16MillionenMitglieder das ist eine stolze Zahl. Sie zeigt eben auch, welche breite Akzeptanz die genossenschaftliche Idee in der Bundesrepublik Deutschland hat. Das prädestiniert Sie dafür, eine ganz besondere Nähe zum Kunden aufweisen zu können. Diese Nähe zum Kunden ist eine der Grundlagen dafür, Erfolg zu haben. Diese genossenschaftliche Struktur und auch die Verantwortung jedes einzelnen Instituts für sich selbst sind sozusagen gelebtes Subsidiaritätsprinzip. Das ist es, was Ihr Gemeinwesen auszeichnet.

Sie sind eben auf die aktuelle Diskussion eingegangen, die wir insgesamt in der Bankenlandschaft haben. Ich glaube, dass wir erstens gut daran tun, die Schwierigkeiten, die wir derzeit auf Kapitalmärkten haben, nicht unter den Teppich zu kehren, aber auch keine überdramatisierten Szenarien zu malen. Zweitens ist es eine Situation, die wahrlich nicht nur in Deutschland ihre Spuren hinterlässt, sondern auch in anderen Ländern. Wir haben wichtige Signale, dass die gesamtwirtschaftliche Entwicklung nicht wesentlich gestört wird. Ich finde das sehr wichtig. Dass Sie mit gewissem Stolz sagen, nicht betroffen zu sein, ist erfreulich. Ich sage auf der anderen Seite: Der These, dass daraus nun schon der Schluss gezogen werden kann, dass der Kleine dem Großen überlegen ist, und das als globale Aussage generell taugt, kann ich mich heute Abend nicht sofort anschließen. Aber auf jeden Fall haben die Kleinen genauso gute Chancen wie die Großen. Und in der Summe sind sie ja auch nicht klein, sondern bilden mit vielen kleinen Einheiten auch etwas Großes.

Die globalen Zusammenhänge der Wirtschaft stellen uns heute natürlich vor neue Herausforderungen. Wir können nicht die Türen schließen und die Schotten dichtmachen und uns einfach auf unser nationales Handeln beschränken, sondern müssen natürlich auch mit Maß Risiken abschätzen. Ich bin nicht dafür, dass wir eine völlige Durchregulierung des Bankenmarktes bekommen, um das ganz klar zu sagen. Das Bankgeschäft ist immer auch ein Geschäft, das mit Risiko arbeitet ohne Risiken keine Chancen. Aber ich bitte auch um Verständnis, dass es bei den neuen Finanzprodukten Entwicklungen gibt, bei denen ich sage: Da gibt es auch ein Anrecht derer, die mit diesen Produkten umgehen müssen, auf mehr Transparenz. Deshalb setzt sich die Bundesregierung, setzt sich der Bundesfinanzminister und setze ich mich dafür ein, dass wir nicht staatliche Regulierungen, aber Selbstverpflichtungen code of conducts zum Beispiel im Hedgefonds-Bereich bekommen. Ich finde, das ist mehr recht als billig, denn ich glaube, dass maßlose Risiken immer auch zu Effekten führen, die wir dann alle miteinander irgendwie bewältigen müssen.

Es muss auch gestattet sein, dass man sich angesichts der Arbeit mancher Rating-Agenturen fragt, ob da eigentlich ausreichend Transparenz vorhanden ist. Ich tue das als Politikerin aus einem Grunde, der für die Demokratie von allergrößter Bedeutung ist. Wenn Sie nämlich den Menschen nicht den Eindruck vermitteln können, dass das, was wir als Globalisierung bezeichnen, auch gestaltbar ist, dann werden die Menschen den Glauben an die Demokratie verlieren. Das ist die eigentliche Gefahr. Globalisierung ist von Menschen gemacht. Es darf nicht der Eindruck entstehen, sie sei so etwas wie eine Naturgewalt und könne durch keinerlei politischen Ordnungsrahmen gestaltet werden.

Wir wissen als Exportnation, dass wir eine offene Gesellschaft sind. Das soll auch so bleiben. Aber als Politiker den Kopf in den Sand zu stecken und zu sagen: Weil vieles nicht mehr allein im nationalen Rahmen regelbar ist, kümmern wir uns nicht darum. Das wäre fahrlässig, das würden die Menschen nicht verstehen. Deshalb, meine Damen und Herren, brauchen wir Bankstrukturen, brauchen wir Wirtschaftsstrukturen in Deutschland, die der internationalen Entwicklung gewachsen sind. Ich habe es angesprochen: Ihre enge Bindung an den Kunden ist ein Erfolgsmodell. Sie haben sich gleichzeitig die Möglichkeit geschaffen, die nötige fachliche Kapazität dadurch bereitzustellen, dass Sie im Finanzverbund zusammenarbeiten. Dieses Maß an Eigenständigkeit und Verbundstruktur ist ein Erfolgskonzept. Es erlaubt Ihnen sicherlich auch, sehr flexibel auf Veränderungen zu reagieren seien es veränderte Anforderungen der Kunden oder neue Regulierungsvorhaben.

Ich will an dieser Stelle bezüglich der Regulierung noch Folgendes anmerken. Natürlich ärgert mich zum Beispiel ich habe das auch in Amerika gesagt dass, nachdem wir uns jahrelang mit der Verhandlung über BaselII beschäftigt haben, jeder Bankkunde heute bestens Bescheid weiß, was das bedeutet, Europa das in EU-Richtlinien minutiös umgesetzt hat und alle sich daran halten, die Vereinigten Staaten von Amerika kurz vor der Implementierung letztlich wieder Abstand davon genommen haben jedenfalls in der breiten Anwendung. Das ist genau das, was ich meine, was letztlich nicht geht.

Deshalb haben wir das Thema auch in unserem transatlantischen Wirtschaftsdialog wieder auf die Tagesordnung gesetzt, bei dem wir versuchen wollen, nichttarifäre Hemmnisse zu mindern und mehr Harmonisierung bei Standards, Rechnungslegung und Ähnlichem zu erreichen, weil ähnliche Verhaltensweisen in einer globalisierten Welt von allergrößter Bedeutung sind.

In Ihrem genossenschaftlichen Verbund tragen verschiedene Unternehmen zum Erfolg bei. Es sind Versicherungen, Bausparkassen, Investmentgesellschaften. Deshalb ist es auch möglich, dass selbst die kleinste Volks- oder Raiffeisenbank eine vielfältige Produktpalette anbieten kann. Deshalb: Ein eindeutiges Bekenntnis meinerseits zu dieser historisch gewachsenen Struktur, die sich auch im 21. Jahrhundert bei vielen Kunden täglich bewährt.

Ich möchte das mit einem Dankeschön verbinden, denn Ihre Solidarität hat sich in den letzten Wochen im Zusammenhang mit krisenhaften Erscheinungen nicht nur auf die eigene Säule konzentriert, sondern Sie haben auch bei der Stützung der IKB mitgeholfen. Auch das war ein wichtiger Beitrag für den Finanzstandort Deutschland.

Natürlich muss erwähnt sein, dass Sie durch Ihr dichtes Netz von Filialen auch und gerade in den ländlichen Regionen ein akzeptables Angebot bieten, um Menschen lange Wege zu ersparen und eine große Nähe zu den Kunden im ländlichen Raum zu haben. Für mich ist die Frage, wie wir mit der weiteren Entwicklung der ländlichen Räume umgehen, eine der ganz entscheidenden Fragen. Viele Menschen leben in Städten, 50Prozent der deutschen Bevölkerung jedoch leben in ländlichen Räumen. Wir können kein Interesse daran haben, dass die Dienstleistungen in den ländlichen Räumen schlechter werden, sondern müssen alles daransetzen, auch die ländlichen Räume in besonderer Weise zu entwickeln.

Wenn wir über die Volks- und Raiffeisenbanken nachdenken, wird klar, dass sie sozusagen einer der geborenen Ansprechpartner des Mittelstandes sind, der Deutschland so stark macht, der Deutschlands Wirtschaftsstruktur auszeichnet, von dem wir wollen, dass er sich in Deutschland wohl fühlt und deshalb natürlich auch, dass er sich als Kunde bei Ihnen wohl fühlt. Die Bedeutung der Volks- und Raiffeisenbanken für die Finanzierung mittelständischer Unternehmen zeigt sich auch an ihren hohen Marktanteilen bei der KfW-Mittelstandsförderung. Bei einzelnen Förderprogrammen liegt der Marktanteil bei mehr als 35Prozent.

Wir wissen, Mittelstand, Beschäftigungsentwicklung, Wirtschaftswachstum hängen unmittelbar zusammen. 3, 5Millionen Betriebe mit mittelständischem Charakter das ist eine breite Palette. Ich war heute Nachmittag in Gütersloh bei Bertelsmann. Die pflegen auch immer, von sich als einem mittelständischen Unternehmen zu reden. Wenn ich das mit den Unternehmen in meinem Wahlkreis in Vorpommern vergleiche, dann sehe ich die Spannbreite des deutschen Mittelstandes.

In den rund 3, 5Millionen mittelständischen Betrieben werden rund 70Prozent aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt, mehr als 80Prozent der Lehrlinge werden hier ausgebildet der Mittelstand als Zukunftsinvestitionen für die jungen Leute. Neue Arbeitsplätze gehen zu 70Prozent auf das Konto von Neugründungen und von Kleinbetrieben mit weniger als 50Beschäftigten. Gerade da sehen Sie, wenn wir uns heute auch die Beschäftigungsentwicklung anschauen, wo der eigentliche Zuwachs an Beschäftigung liegt. Bei den 30DAX-Unternehmen dagegen sehen wir eine relative Konstanz, eher noch einen Abbau. Wenn wir uns anschauen, woher die mehr als 600.000 neuen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse kommen, so stellen wir fest, dass sie zu einem überwältigenden Teil aus kleineren Betrieben und aus Betrieben, die neu gegründet wurden, kommen.

Der Mittelstand ist sozusagen Motor des Aufschwungs. Deshalb ist es wichtig, dass er in seinen finanziellen Gestaltungsmöglichkeiten in guten Händen ist. Es ist ganz besonders wichtig, dass Sie hohe Expertise bei Unternehmensneugründungen haben, denn auch hier kann man nicht nach SchemaF entscheiden, ob jemand eine Chance am Markt hat oder nicht. Deshalb möchte ich Ihnen den Mittelstand wenn dies nicht schon der Fall ist noch einmal sehr ans Herz legen.

Wir wissen, dass inzwischen wieder mehr investiert wird. Die Förderkredite werden verstärkt in Anspruch genommen. Das ist ein Indiz für die positive wirtschaftliche Entwicklung. Im Jahr 2006 betrug das Zusagevolumen der zinsgünstigen Kredite und Nachrangdarlehen aus dem die ERP-Sondervermögen rund 5Milliarden Euro das sind fast zwei Drittel mehr als im Vorjahr. Daran kann man sehen, welche Dynamik in der ganzen Entwicklung ist, die wir natürlich politisch verstetigen und stärken wollen, weil sie die Voraussetzung dafür ist, dass sich die Beschäftigungssituation weiter verbessert. Wir können und dürfen uns mit 3, 7Millionen Arbeitslosen in Deutschland nicht zufrieden geben. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Wir müssen den Menschen zeigen, dass sie alle eine Chance haben, am Aufschwung teilzuhaben. Davon sind wir noch ein Stück entfernt. Daran arbeitet die Bundesregierung und daran arbeiten wir, glaube ich, gemeinsam.

Wir konnten 2006 mit 2, 9Prozent Wirtschaftswachstum das höchste Wachstum seit sechs Jahren verzeichnen. Wir wissen aber auch, wenn wir uns in Europa umschauen, dass nicht nur in Irland die Wachstumsraten höher sind, sondern auch in Finnland, in den skandinavischen Ländern; zum Teil sind sie doppelt so hoch. Wir wissen, dass diese Länder keinen Haushalt mit Neuverschuldung haben, sondern zum Teil Guthaben anhäufen. Das heißt also: Bei allen guten Zahlen Senkung der Arbeitslosenquote, neue Stellen, weniger Neuverschuldung haben wir noch eine ganze Menge Aufgaben zu erledigen. Deshalb dürfen wir uns jetzt auf gar keinen Fall auf Lorbeeren ausruhen, sondern wir müssen weitermachen. Dazu hat die Klausurtagung in Meseberg, die wir vor wenigen Wochen hatten, einen ganz wesentlichen Beitrag geleistet, indem wir mit vielen Projekten, die wir uns vorgenommen haben, einen Bogen über die nächsten zwei Jahre und darüber hinaus gespannt haben, weil viele Aufgaben in einer Legislaturperiode überhaupt nicht zu regeln sind.

Wir wollen spätestens 2011 einen ausgeglichenen Bundeshaushalt ohne Neuverschuldung vorlegen. Der gesamtstaatliche Haushalt hat wegen der günstigen Entwicklung in den Ländern und in den sozialen Sicherungssystemen schon jetzt einen positiven Saldo ausgewiesen ein sehr ermutigendes Signal. Wir sind der festen Überzeugung, dass wir auch angesichts des Wandels des Altersaufbaus unserer Bevölkerung nur so die Handlungsspielräume für die nächsten Jahre gestalten können. Immerhin zahlen wir allein auf die angehäufte Verschuldung derzeit 40MilliardenEuro Zinsen pro Jahr. Das muss gestoppt und dann schrittweise gesenkt werden.

Wir haben gesagt: Sanieren, Reformieren, Investieren das ist unser Dreiklang. Deshalb haben wir in diesem Sinne auch die Unternehmensteuerreform auf den Weg gebracht. Zum 01. 01. 2008 wird die steuerliche Belastung der Betriebe spürbar sinken. Das ist ein ganz wichtiges Signal auch an die anderen Länder, in denen vielleicht Investoren überlegen: Wo investiere ich in Europa? Wir sind dann endlich wieder in einer Liga, in der Deutschland eine faire Chance im internationalen Wettbewerb hat, neue Investitionen zu tätigen.

Wir wollen noch mit Wirkung ab Anfang 2007 Erleichterungen für Unternehmensnachfolgen in das Erbschaftssteuergesetz aufnehmen. Das ist wirklich keine leichte Aufgabe angesichts des Urteils des Bundesverfassungsgerichts, das uns in der Phase der Erstellung dieses Gesetzes erreicht hat. Denn wir wissen, dass das Bundesverfassungsgericht das Bewertungsrecht in dieser Form sozusagen als nicht verfassungsgemäß charakterisiert hat. Das heißt, wir müssen es novellieren. Es hat jetzt keinen Sinn, die Unternehmensnachfolge einzeln zu regeln wahrscheinlich ist es noch nicht einmal zulässig und die Bewertungsregelungen nicht. Das heißt, wir müssen beides zusammen machen. Das ist eine recht komplizierte Aufgabe.

Diese Aufgabe wird vom Bundesfinanzminister zusammen mit Ministerpräsident Koch erledigt. Das heißt, Herr Steinbrück und Herr Koch sind dabei, mit einer Arbeitsgruppe Lösungen zu erarbeiten. Diese müssen zwei Anforderungen gerecht werden. Sie müssen erstens die Unternehmensnachfolge wirklich erleichtern das war ja der Sinn unserer Gesetzesnovelle. Sie müssen gleichzeitig natürlich den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechen, ansonsten wäre es keine nachhaltige Sache. Genau nach diesen Maßgaben werden wir arbeiten. Wir sind hoffnungsvoll, dass wir in den nächsten Wochen, nachdem dann viele, viele Beispiele durchgerechnet worden sind und wir uns die jeweiligen Wirkungen anschauen können, auch vernünftige Vorschläge unterbreiten können.

Wir haben in Meseberg weitere Reformen verabredet. Unser Ziel ist, mehr Menschen in Arbeit zu bringen. Da haben wir auf der einen Seite die jungen Menschen. In diesem Jahr ist die Ausbildungssituation deutlich entspannt. Aber wir haben leider noch viele junge Menschen Sie werden dies wissen, die trotz verschiedenster Bildungsprogramme und -kurse in den vergangenen Jahren noch keinen Einstieg in eine feste betriebliche Ausbildung geschafft haben. Wenn wir uns auf der anderen Seite vor Augen führen, dass wir in wenigen Jahren einen Mangel an jungen Menschen haben werden, die überhaupt für die Ausbildung zur Verfügung stehen, dann ist es zumindest unser Ziel, gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit und auch in Kooperation mit den Ländern alles daranzusetzen, jedem jungen Menschen möglichst eine Chance zu geben, in eine vernünftige Ausbildung zu gehen. Wo immer Sie dafür werben können meine Bitte: Tun Sie es. Es sind gute Investitionen.

Das Zweite, was wir schaffen müssen, ist, dass die Schnittstelle zwischen Schule und Berufsausbildung so ausgestaltet wird, dass diejenigen, die aus der Schule kommen, von den Betrieben mit ihren heutigen modernen Anforderungen als junge Leute angesehen werden, die eine Ausbildung auch tatsächlich bewältigen können. Für mich gehört es wirklich zu den "Mirakeln" um es einmal vorsichtig auszudrücken, dass wir immer mehr Schwierigkeiten an dieser Schnittstelle haben. Da muss enger zusammengearbeitet werden; die Bundesbildungsministerin weist darauf hin. Das hat auch etwas mit Vergleichbarkeit von Schulabschlüssen, gleichen Standards und Ähnlichem mehr zu tun. Die Menschen verstehen nicht mehr, dass wir in Europa alles harmonisieren, aber in Deutschland zwischen zwei Bundesländern die Dinge so sind, dass man fast nicht umziehen kann.

Meine Damen und Herren, angesichts der verbesserten wirtschaftlichen Entwicklung hören wir natürlich sofort auch wieder den Ruf, dass Fachkräfte fehlen. Wir haben uns in Meseberg ausführlich damit beschäftigt und gesagt: Es muss zunächst alles darangesetzt werden, die Menschen in unserem Land so zu qualifizieren, dass sie eine Chance auf dem Arbeitsmarkt bekommen. Wir haben jetzt wieder bei 50Prozent der über 55-jährigen Menschen erreicht, dass sie in Arbeit sind. Deren Zahl war schon einmal auf 40Prozent abgerutscht. Wenn man sich vergegenwärtigt, wie die Lebenserwartung steigt und gleichzeitig die über 50-Jährigen in immer größere Schwierigkeiten kommen, dann kann das keine menschliche Gesellschaft sein. Ich sage das vor Ihnen, weil Sie ja auch von Ihren Prinzipien gesprochen haben. Das versteht niemand. Vor diesem Hintergrund ist es dann auch sehr schwer, den Menschen zu erklären, dass sie in Zukunft bis 67 arbeiten müssen. Das heißt, die Beschäftigungsmöglichkeiten für Ältere zu verbessern, ist dringend notwendig.

Wir haben uns entschlossen, in zwei ausgewählten Berufsbereichen nämlich im Maschinenbau und im Elektroingenieurwesen, in denen die Zahl der verfügbaren Ingenieure nicht ausreicht, auch den Zuzug von EU-Ausländern aus den zehn neuen Mitgliedstaaten in Zukunft zu ermöglichen. Aber für uns heißt es, zuerst einmal zu schauen, wen wir im eigenen Lande qualifizieren und wem wir wieder eine Chance auf dem Arbeitsmarkt geben können.

Wo liegen unsere Arbeitsplätze der Zukunft? Das ist die Frage, die uns als Bundesregierung umtreibt. Wenn wir uns die Länder dieser Erde anschauen, insbesondere die Schwellenländer, dann wissen wir: Unsere Zukunft heißt Innovation, Forschung, Ingenieurskunst, neue Technologien. Deshalb haben wir uns das Ziel gesetzt, bis 2010 drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung auszugeben. Das ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe. Ich rede jetzt einmal nicht davon, dass mit wachsendem Wirtschaftswachstum auch der Bundesanteil immer weiter steigen muss das gehört ja eher zu den erfreulichen Dingen, sondern ich rede vor allen Dingen davon, dass zwei Drittel der Forschungs- und Innovationsausgaben aus dem wirtschaftlichen Bereich kommen muss und dass deshalb die Bundesforschungsministerin eine Hightech-Strategie entwickelt hat, mit der wir uns auch in ganz besonderer Weise an den Mittelstand wenden. Denn wir wissen, dass hier viele Betriebe oft auch wegen einer schwierigen Eigenkapitalsituation nicht so gute Möglichkeiten haben, in die Forschung zu investieren. Deshalb müssen hier die Finanzierungsmöglichkeiten für Kleinbetriebe, junge Unternehmen und Existenzgründer verbessert werden. Das tun wir jetzt mit dem "Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen". Wir wollen Wagniskapital steuerlich besser behandeln und wir wollen dies gerade auch kleineren Betrieben zugute kommen lassen.

Wir müssen dafür sorgen das ist das Gebiet der Forschungsprämie,

Hochschulen und mittelständische Unternehmen besser zusammenzubringen. Und wir müssen uns im Rahmen unserer Hightech-Strategie um die Bereiche kümmern, die eine besondere Chance bieten, in denen Deutschland auch zur internationalen Entwicklung einen wirkungsvollen Beitrag leisten kann.

Wir glauben, dass einer dieser Bereiche das Thema Energie und Umwelt ist. Umwelttechnologien sind auch eine Chance für uns, zu einem Exportschlager zu werden. Wenn wir es in Deutschland schaffen, leistungsfähige Produkte und Verfahren zur klimafreundlichen Energiegewinnung und verbesserten Energieeffizienz zu entwickeln, dann kann das Thema Umwelt und die Arbeit in diesem Bereich eines der ganz spannenden Themen der Zukunft werden. Deshalb meine Bitte: Haben Sie ein offenes Herz für Umwelttechnologien. Mit diesen sind aus meiner Sicht langfristig gute Chancen in Deutschland verbunden.

Wir sind der Meinung, dass wir natürlich weitere Unterstützungsmaßnahmen gerade für den Mittelstand ergreifen müssen. Ich will hier noch drei Bereiche nennen. Wir brauchen eine bundesweit abgestimmte Neuordnung der Beratungsförderung für Existenzgründer. Wir haben hier immer noch ein großes Durcheinander, um es etwas lax zu sagen. Die kompetente Begleitung eines Unternehmens am Anfang ist wichtig, damit Fehler vermieden werden. Durch Beratung kann mangelnde eigene Erfahrung wettgemacht werden. Deshalb unterstützen die Länder unsere Anstrengungen auch durch ein landesweites Netz von Gründeragenturen mit guten Beratungsmöglichkeiten und hoffentlich praxisgerechten Serviceleistungen und das alles aus einer Hand.

Dann gibt es das von der KfW angekündigte Maßnahmenbündel für den Mittelstand. Es verbessert die Rahmenbedingungen für den Kreditzugang. Zentrale Elemente dieses Pakets sind eine verstärkte Risikoübernahme, Standardisierung, Eigenkapitalförderung und Beratung. Hier bitte ich Sie, da Sie ja hautnah mitbekommen, wie solche Programme funktionieren oder nicht funktionieren: Wenn Sie Kritik haben, sagen Sie es uns laut und deutlich, damit wir dann auch entsprechend einsteigen können. Wir können uns allzu viel Zeitverlust nicht leisten.

Die transparente und einfachere Gestaltung der Technologieförderung und natürlich auch der Abbau von Bürokratie sind für den Mittelstand von allergrößter Bedeutung. Wir haben einen Normenkontrollrat gegründet, der im Bereich der Berichts- und Statistikpflichten alles, was es in Deutschland gibt, erhoben hat und jetzt die Bürokratiekosten nach bewährten Prinzipien, wie es in Holland und England gemacht wurde, misst. Wir haben uns vorgenommen, bis zum Jahre 2011 25Prozent der Bürokratiekosten zu senken. Das heißt nicht, dass alle Berichtspflichten abgeschafft werden. Aber sie werden besser organisiert, einfacher gemacht, im Einzelfall auch abgeschafft.

Wir wollen den gleichen Prozess in Europa machen. Dazu haben sich der Rat und die Kommission verpflichtet. Das heißt also, wir versuchen hier, Ihnen auch Arbeit zu ersparen, denn die Kommission hat festgestellt oder errechnet, dass wir in Europa ein bis zweiProzent mehr Wirtschaftswachstum haben könnten, wenn wir die Bürokratiekosten senken würden. Ich glaube, das ist eine Erfahrung, die auch viele Ihrer Kunden machen. Ich höre Gemurmel; Sie alle haben wahrscheinlich Dinge, die Ihnen auf der Seele liegen. Lassen Sie es uns wissen. Ich bin immer für den offenen Dialog. Lassen Sie uns darüber sprechen. Auch im Finanzbereich ist vieles sehr bürokratisch. Insofern sind wir sehr aufgeschlossen.

Wachstumskräfte freilegen das bedarf einer gemeinsamen Anstrengung von Politik, Wirtschaft und der gesamten Gesellschaft. Das Thema Bildung wird in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen, denn mit dem demographischen Wandel wird es immer mehr darauf ankommen, dass wir die Menschen, die bei uns im Lande leben, auch ertüchtigen, an den zukunftsfähigen Arbeitsplätzen in unserem Lande teilhaben zu können. Uns liegt daran, politisch die Rahmenbedingungen zu setzen, in denen Sie vernünftig arbeiten können, in denen Ihre Kunden sich entfalten können.

Aber ich sage ganz offen, uns liegt auch daran, dass Arbeitsplätze in Deutschland entstehen, ohne dass wir uns abschotten. Aber wir wollen den Wettbewerb an vielen Stellen für uns entscheiden. Dazu haben wir noch eine Vielzahl von Hausaufgaben zu machen. Eine Vielzahl von Schritten haben wir bereits getan. Wir haben eine ganze Reihe von gesellschaftlichen Projekten angestoßen, die aus meiner Sicht von allergrößter Bedeutung sind. Ich will zum Abschluss nur eines nennen: Wir haben uns sehr mit dem Thema Integration von bei uns lebenden Bürgern aus anderen Ländern beschäftigt. Wir haben hier insbesondere einen Schwerpunkt auf die Integration der jüngeren Leute gelegt. Ich bin sehr froh, dass wir in dieser gemeinschaftlichen Anstrengung von Kommunen, Ländern und Bund jetzt zu einem Integrationsplan gekommen sind, von dem wir sagen können: Wir nehmen dieses Thema endlich ernst. Wir haben viel zu lange an diesem Thema vorbeigeredet.

Wir haben heute in vielen deutschen Städten und das wird sich in den nächsten Jahren fortsetzen Einschulungsraten, bei denen nur noch die Hälfte der Kinder aus einem Elternhaus mit deutschem Hintergrund stammt. Wenn wir gleiche Chancen für diese jungen Leute nicht sicherstellen, wenn wir das Thema Sprachbeherrschung nicht in den Griff kriegen, wenn wir die Betreuung von Kindern unter drei Jahren nicht verbessern und die Kindergärten nicht so attraktiv machen, dass sie von allen Kindern genutzt werden, also auch von denen aus jenen Elternhäusern, in denen nicht die notwendigen Fertigkeiten vermittelt werden, dann vergeuden wir Chancen, die unser Land hat.

Ich möchte schließen mit einem ganz herzlichen Dankeschön einem Dankeschön für Ihr Engagement, das natürlich darauf ausgerichtet ist, als Unternehmen erfolgreich zu sein, bei dem man aber auch spürt, dass Sie Grundsätze haben, dass diese Grundsätze historisch gewachsen sind und dass Sie der festen Überzeugung sind, dass diese Grundsätze Sie auch in Zeiten globaler Märkte weiter leiten sollten. Darin möchte ich Sie ausdrücklich bestärken.

Ich bin der festen Überzeugung, Globalisierung ist nur gestaltbar, wenn wir ein Wertesystem haben, an dem wir uns orientieren. Nur so kann die Soziale Marktwirtschaft weiter bestehen. Nur so können wir für die Soziale Marktwirtschaft auch im Weltbereich eintreten. Dabei empfinden wir Sie als unsere Verbündeten. Deshalb ein herzliches Dankeschön.