Redner(in): Angela Merkel
Datum: 11.09.2007

Untertitel: gehalten am 11. September 2007 in der Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin
Anrede: Sehr geehrter Herr Wehrbeauftragter, lieber Herr Robbe, sehr geehrte Frau Vizepräsidentin Kastner, sehr geehrte Frau Vizepräsidentin Pau, sehr geehrter Herr Bundesminister und Kollege, lieber Franz Josef Jung, liebe Kolleginnen und Kollegen des Deutschen Bundestages,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2007/09/2007-09-11-rede-merkel-jahresempfang-wehrbeauftragter,layoutVariant=Druckansicht.html


die heute hier so zahlreich bei diesem parlamentarischen Abend dabei sind,

liebe Soldatinnen und Soldaten, stellvertretend für alle der Generalinspekteur,

meine Damen und Herren,

Exzellenzen,

werte Gäste aus dem Ausland!

Sehr geehrter Wehrbeauftragter, lieber Herr Robbe, ich freue mich, dass ich hier zu diesem Jahresempfang heute Abend eingeladen bin. Das gibt mir die Gelegenheit, im Namen der Bundesregierung, insbesondere auch des Verteidigungsministers, ein ganz herzliches Dankeschön zu sagen für Ihre Arbeit im Auftrag des Parlaments an der Schnittstelle von Parlament, Regierung und Vertretung der Anliegen der Soldatinnen und Soldaten.

Im vergangenen Jahr haben wir daran gedacht, dass dieses Amt bereits ein halbes Jahrhundert existiert. Es ist ein verantwortungsreiches Amt. Ich teile mit Ihnen die Freude, dass heute Abend fünf Grundwehrdienstleistende hier sind. Ich möchte in meiner Ansprache nicht weiter kontrovers politisch werden, aber ich glaube, dass die Frage des Wehrbeauftragten, die Frage der Wehrpflicht, die Frage des Grundwehrdienstes und die Frage der Parlamentsarmee in einem nicht zu unterschätzenden politischen Zusammenhang stehen. Darüber sollten wir alle immer wieder nachdenken.

Der Wehrbeauftragte fungiert als Kontrollinstanz des Parlaments. Er ist zugleich Anwalt aller Soldatinnen und Soldaten. Sie können sich in einer Armee, die nach dem Führungsprinzip aufgebaut ist, direkt an ihn wenden. Das ist eine nicht zu unterschätzende, einmalige und deshalb auch viel beneidete Möglichkeit. Deshalb möchte ich, was diese Stellung anbelangt, hier heute Abend drei Aspekte hervorheben.

Erstens: Unsere Bundeswehr ist eine Wehrpflichtarmee, wie ich schon sagte. Damit greift der Staat natürlich in die Lebens- und Berufsplanung junger Menschen ein. Der Schutz der Grundrechte bedarf daher einer besonderen Aufmerksamkeit. Genau hier setzt die Verantwortung des Wehrbeauftragten an, denn er leistet die unverzichtbare Aufgabe mit Blick auf den Grundrechteschutz, die Soldatinnen und Soldaten bestmöglich zu repräsentieren und den Parlamentariern über ihre Situation Bericht zu erstatten.

Alle Soldatinnen und Soldaten Wehrpflichtige wie Zeit- und Berufssoldaten sind Staatsbürger in Uniform. Sie vertreten damit unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung in den Streitkräften, entweder im Lande oder in Auslandseinsätzen. Wenn Streitkräfte diese Rolle des Bürgers in Uniform spielen, dann muss es auch möglich sein, dass sich die Bundeswehr aktiv in die Prozesse der politischen Willensbildung einbringt. Einerseits sind Soldatinnen und Soldaten in eine Befehlsstruktur eingebunden, aber andererseits nehmen sie eben als Staatsbürger am gesellschaftlichen und politischen Leben teil. Dafür, dass diese Balance immer gehalten werden kann, steht der Wehrbeauftragte, Sie auch ganz persönlich, Herr Robbe. Dafür ein ganz herzliches Dankeschön.

Wir haben eine gemeinsame Reise unternommen und ich konnte mich davon überzeugen, wie Sie durch persönliche Nähe zu unseren Soldatinnen und Soldaten den Anforderungen des Wehrbeauftragten in ganz besonderer Weise gerecht werden und gleichzeitig auch die Würde des Soldaten nach außen wunderbar vertreten. Ich war beeindruckt von Ihrer Reiseroute im Sommer und kann nur sagen: Sich vor Ort ein Bild zu machen, ist unabdingbar für eine funktionierende parlamentarische Kontrolle.

Damit das Parlament die Aufgabe, die es hat, nach bestem Wissen und Gewissen ausfüllen kann, ist es auf die Unterstützung des Wehrbeauftragten angewiesen. Deshalb ist es gut, dass es immer ein Parlamentarier ist, der gewählt wird, um diese Aufgabe zu erfüllen. Seine Erkenntnisse müssen in die politische Entscheidungsfindung einfließen. Es ist aus meiner Sicht unabdingbar, dass die Mechanismen der politischen Willensbildung dem Wehrbeauftragten bekannt sind. Das darf man bei Ihnen voraussetzen, Herr Robbe. Davon profitieren wir alle.

Es geht außerdem um die Unterstützung des Verteidigungsministeriums und der Truppe bei der Umsetzung der vielen einzelnen Maßnahmen der Inneren Führung Maßnahmen, die nicht nur im Alltag für die Soldatinnen und Soldaten wichtig sind, sondern die auch entscheidend für die Frage sind: Wie ist die Lebensqualität in der Ausübung des Berufes?

Damit bin ich beim zweiten Aspekt: Wehrbeauftragter und Innere Führung haben im Zuge des Wandels der Bundeswehr zur Einsatzarmee weiter an Bedeutung gewonnen. Im Auslandseinsatz werden die Soldatinnen und Soldaten immer wieder mit besonderen Belastungssituationen konfrontiert. Wie damit angemessen umzugehen ist, darauf muss eine zeitgemäße Führungsphilosophie tragfähige Antworten bieten. Diese müssen erst gefunden werden und sich herausbilden. Auch dabei spielt der Wehrbeauftragte mit seiner Kenntnis über die Stimmung bei den Soldatinnen und Soldaten, über die Sorgen, über die Ängste und auch darüber, was an Chancen in dieser Arbeit liegt, eine entscheidende Rolle.

Innere Führung ist nicht nur das Konzept für den Dienst- und Ausbildungsalltag im Frieden. Sie umfasst inzwischen auch die Einsatzvorbereitung und den Einsatz selbst. Mit Blick auf den Einsatz haben sich die Anforderungen an die Ausbildung natürlich geändert. Ausbildung muss fordernd und möglichst realitätsnah sein, um sich auch unter schwierigen Bedingungen im Einsatzland bewähren zu können sei es etwa auf dem Balkan, sei es bei UNIFIL, sei es in Afghanistan. Frau Kastner hat davon gesprochen. Ich finde, dass die Bundeswehr das auf eine ziemlich einzigartige Weise macht, indem sie die Soldatinnen und Soldaten auch auf die Orte, auf die Bevölkerung und auf die Kulturen, in denen der Einsatz stattfindet, vorbereitet. Das ist ein Aspekt, der zur hohen Akzeptanz der Bundeswehr in ihrem Einsatz jenseits unserer Landesgrenzen beiträgt.

Innere Führung wird von den Soldatinnen und Soldaten aber nur dann angenommen und damit erfolgreich sein, wenn stets die Menschen im Blickfeld bleiben. Sie dürfen nicht überfordert werden. Wir wissen, dass sich angesichts der Ausbildungssituation und angesichts der Anforderungsprofile gerade durch die Auslandseinsätze die Belastungen erhöht haben. Ich will aber durchaus auch darüber sprechen, dass auch die Soldatinnen und Soldaten, die nicht im Ausland eingesetzt werden, andere Anforderungen an ihr Familienleben und ihre persönliche Lebensgestaltung haben als viele andere Menschen in unserem Land. Oft wird das vergessen. Wenn man einmal fragt, an wie vielen verschiedenen Orten jemand seine Kinder zur Schule geschickt hat, so trifft man bei der Bundeswehr viele, die sich wahrscheinlich über ein einheitliches Zentralabitur in Mathematik freuen würden.

Meine Damen und Herren, um mehr als eine zeitgemäße Menschenführung geht es in meinem dritten Punkt: Der Wehrbeauftragte steht dafür, dass sich gesellschaftliche Entwicklungen auch in den Streitkräften wiederfinden. Moderne Streitkräfte wollen attraktive Arbeitgeber sein. Sie wollen nicht nur junge, sondern auch qualifizierte Menschen ansprechen. Wichtig dafür ist, dass neben den materiellen Rahmenbedingungen auch das soziale Umfeld stimmen muss.

Es geht dabei um Themen wie zum Beispiel die Gleichberechtigung von Soldatinnen und Soldaten ich glaube übrigens, dass die Gleichberechtigung viel besser funktioniert, als wir gedacht haben, als die Neuerungen eingeführt wurden, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Weiterverwendung von im Einsatz verletzten Soldatinnen und Soldaten. Hier hat die Bundeswehr viel geleistet man muss hinzufügen: nicht zuletzt durch die beharrliche Überzeugungsarbeit des Wehrbeauftragten und seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Lieber Herr Robbe, ich kann an dieser Stelle wir warten ja auf den Einsatz der Band 08/16 nur einige Facetten Ihrer Aufgaben ansprechen. Ich glaube aber, es ist vollkommen klar, wie wichtig Ihr Einsatz ist. Ich sage das ganz bewusst auch im Namen des Bundesverteidigungsministers. Wir wissen in der Bundesregierung Ihre Arbeit zu schätzen. Deshalb wünsche ich Ihnen für Ihre weitere Arbeit viel Erfolg, viel Engagement, viel Mut und immer ein klares Wort, das aber immer von einer großen Grundsympathie getragen ist für die Bundeswehr, für die parlamentarische Arbeit und damit auch für unser Land.

Herzlichen Dank für Ihren Einsatz und uns allen einen schönen Abend.