Redner(in): Angela Merkel
Datum: 28.09.2007
Untertitel: in Rolandseck
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2007/09/2007-09-28-rede-merkel-arp-museum,layoutVariant=Druckansicht.html
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Herr Beck,
sehr geehrter Herr Professor Gallwitz Sie sind, in Ihren Worten, wahrscheinlich der einzige professorale Bahnhofsvorsteher, den es gibt,
liebe Ministerkollegen, Oberbürgermeister, Landräte,
lieber Herr Meier,
ich freue mich über die Einladung und freue mich, dabei zu sein, wenn heute das Arp-Museum hier am Bahnhof Rolandseck eröffnet wird.
Wir konnten uns eben ein Bild von der Gesamtumgebung machen. Manches hatte ich schon fast wieder vergessen. Ich habe acht Jahre als Ministerin in Bonn gearbeitet. In dieser Zeit war ein Ausflug zum Bahnhof Rolandseck immer etwas ganz Besonderes.
Die attraktive Lage hier am Rhein verleiht diesem Museum eine einzigartige Atmosphäre. Der Rhein ist mehr als ein Fluss. Er ist Märchenstoff, Mythos und Symbol für die wechselhafte deutsch-französische Geschichte. Der Rhein war immer wieder umkämpfte Grenze und lebendiger Verbindungsstrom. Die Rheinkrise und der Rheinbund stehen quasi symbolisch für alles, was sich um diesen Fluss herum abgespielt hat. Wenn man die Schriften Ernst Moritz Arndts, der eine interessante Verbindung zwischen meiner norddeutschen Herkunftsregion und der Landschaft hier darstellt, oder die romantischen Gedichte von Victor Hugo liest, dann bekommt man davon einen Eindruck. So hat dieser sagenumwobene Strom auch immer wieder Künstler in ihrem Schaffen inspiriert. Deshalb ist dieser Museumsstandort an sich etwas ganz Besonderes und nicht nur eine Bereicherung der Museenlandschaft von Rheinland-Pfalz.
Dass Richard Meier als Architekt gewonnen werden konnte, gehört zu den schönen Schicksalen, die Menschen auf dieser Welt zusammenführen. Mit dem Neubau in strahlendem Weiß ist den Museumsbauten, auf die Sie eben schon zu sprechen gekommen sind, ein Werk von eigenständiger künstlerischer und ästhetischer Qualität hinzugefügt worden.
Wie über alles, was von der Normalität abweicht, ist auch hierüber viel gesprochen und gefragt worden, ob die vielen Fenster auch wirklich mit den Kunstgegenständen in Einklang gebracht werden können. Ich kann nur sagen: Was die Umgebung anbelangt, was den Rhein anbelangt, bedarf es der vielen Fenster das passt. Den Rest werden die Kunstverantwortlichen schon regeln. Die moderne Technologie muss ja zu irgendetwas nütze sein.
Die Architektur das glaube ich auch nach dem ersten Betreten schafft einen angemessenen, wenn nicht geradezu berufenen Ort für die Präsentation wichtiger Werke von Hans Arp und seiner Frau. Denn alles, was hier geschieht, lädt zu lebendigem Dialog ein nach außen mit der Geschichte, nach innen mit dem, was hier passiert, und auch mit der großzügigen Gestaltung. Es wurde auch darüber diskutiert, ob nur die Werke von Arp oder auch andere in diesem Haus sein dürfen. Ich finde die Idee, in diesem sozusagen kommunizierenden Raum auch den Dialog mit anderen Künstlern zu pflegen, unglaublich spannend.
Der Künstler Hans Arp oder Jean Arp, wie er sich ab 1939 aus Protest gegen den Nationalsozialismus genannt hat, verkörpert auch ein Stück deutsch-französischer Kulturgeschichte. In Straßburg geboren, waren ihm beide Länder und beide Sprachen gleichermaßen vertraut. Arp hat in Weimar und Paris, in Köln, Hannover, Meudon und Grasse gelebt. Als Maler, Bildhauer und Dichter bereicherte er ebenso die deutsche wie die französische Kultur. Während des Ersten und Zweiten Weltkrieges fand Arp Zuflucht in der Schweiz. Sein Werk wurde wie so viele Werke von den Nationalsozialisten verfemt und verboten.
Arp war zeitlebens ein Grenzgänger zwischen Staaten und Kulturen, Sprachen und künstlerischen Genres. Deshalb ist dieses Museum nicht nur eine Bereicherung der Region, des Landes Rheinland-Pfalz, des Zusammenlebens in der Region Bonn, sondern eben auch eine Bereicherung des europäischen künstlerischen Fundus. Deutsche und Franzosen gestalten heute gemeinsam mit ihren Partnern das Europa der Zukunft. Das ist eine unglaubliche Chance. Dabei dürfen wir nicht vergessen: Dass das nach all den Widrigkeiten, nach all den Kriegen, nach all den Auseinandersetzungen möglich war, ist auch Künstlerinnen und Künstlern zu verdanken, die über Jahrhunderte immer wieder die kulturellen Verbindungen zwischen diesen Ländern gepflegt und gelebt haben.
Wir haben zur deutschen Präsidentschaft in Brüssel eine Ausstellung eröffnet, die die künstlerischen Reisen und Bewegungen der vergangenen Jahrhunderte aufgezeigt hat. Das ist unser kulturelles Fundament, auf dem wir heute endlich auch politisch aufbauen können. Deshalb ist es im Sinne von Hans Arp richtig, die verschiedenen Künstler, wie ich schon sagte, in einen kulturellen Dialog zu bringen. Deshalb sind auch, wie ich finde, die derzeit ausgestellten Werke unter anderem von Anselm Kiefer ein viel versprechender Auftakt, denn er fühlt sich wie Arp in Frankreich beheimatet. Seine hier ausgestellten Werke zeigen eben auch die Verbindung der Geschichte und der Mythen beider Länder.
Auch künftig sollen wechselnde Präsentationen dazu beitragen, den Bestand des Museums immer wieder in eine bestimmte Spannung und Verbindung zu anderen Künstlern zu setzen. Dabei wünsche ich allen, die für dieses Museum Verantwortung tragen, viel Erfolg und auch viel Freude und Bereicherung.
Nun ist darüber gesprochen worden, dass dieser Museumsneubau eine über dreißigjährige Geschichte hat und der ohne den im Jahre 1997 verstorbenen Johannes Wasmuth nicht möglich gewesen wäre. Sie haben angesprochen, wie Sie ihn kennen gelernt haben. Das zeigt noch einmal, in welchem Kontext wir das sehen müssen. Er hat nämlich geholfen, den Abriss des klassizistischen Bahnhofs Rolandseck zu verhindern, und er wusste, dass der Bahnhof alleine nicht mehr in die Zukunft trägt. So hat er ihn mit einer Vision verbunden. Herr Beck hat eben gesagt: Er ist eine Burg des 21. Jahrhunderts. Wenn man sich einmal überlegt, wie uns Geschichte bewusst wird, wie sich Geschichte aus vergangenen Jahrhunderten erzählt, so geschieht dies ja vor allem durch herausgehobene Werke. Viele unserer Wohnhäuser werden vielleicht in ein, zwei oder drei Jahrhunderten nicht mehr stehen. Aber das, was herausgehoben geschaffen wurde, zeigt dann die Spuren von Geschichte, das lädt zum Erzählen ein, zum Nachdenken und zur Erinnerung.
Hier hängt das Bild "Wege der Weltweisheit". Gerade habe ich es gesehen. Insoweit kann man daran denken, dass hier vielleicht ein weiser Schritt getan wurde, den 1856 erbauten Bahnhof mit etwas aus einer späteren Zeit zu verbinden und damit auch eine Linie von Geschichte aufzuzeigen.
Lieber Herr Ministerpräsident Beck, ich möchte Ihnen herzlich danken. Sie haben schon darüber gesprochen, welche Gefühlswallungen und -schwankungen Sie im Zusammenhang mit diesem gesamten Museumskomplex hatten. Aber Sie haben sich gerade auch als Bevollmächtigter der Länder für die deutsch-französischen Kulturbeziehungen immer wieder für den Bau dieses Museums sehr eingesetzt. Ich glaube, dass daraus eine wirkliche Partnerschaft des Landes Rheinland-Pfalz mit der Stiftung Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp geworden ist.
Nun stehe ich nicht hier, weil ich eben zu etwas so Schönem eingeladen werde. Vielmehr hat die Bundesrepublik Deutschland in Form der Bundesregierung auch einen Beitrag dazu geleistet, dass dies entstehen konnte. Im Rahmen des Bonn-Berlin-Ausgleichs sind Mittel zur Verfügung gestellt worden fast 50Prozent der Bausumme, die es ermöglicht haben, dass man diese Investition tätigen konnte. Neben vielen anderen Investitionen wird, wenn man über die Frage der Ausgleichsmittel spricht, dies sicherlich immer ein Punkt sein, bei dem man, wie dies auch der Herr Ministerpräsident formuliert hat, immer sagen wird: Sie hatten auch ein Stück Kraft für die Kunst und für die geistigen Grundlagen unseres Gemeinwesens.
Ich denke, dass die weitere Geschichte dieses Museums auch ganz eng mit der Möglichkeit verknüpft ist, einer Region eine Zukunft zu geben. Dieses Museum ist sozusagen das letzte große Bundesprojekt im Rahmen des Bonn-Berlin-Ausgleichs.
Ich möchte auch noch einmal an den 20. Juni 1991 erinnern. Damals wurde eine der mich bewegendsten parlamentarischen Debatten geführt. Ich kam aus den neuen Bundesländern und für mich war völlig klar, dass ich für Berlin als Hauptstadt der Bundesrepublik stimme. Aber ich habe damals auch zwei Dinge zum ersten Mal hautnah mitbekommen: Auf der einen Seite, dass die Sorge, ob der Föderalismus als lebendige Struktur erhalten bleiben kann, wenn sich alles in Berlin zentriert, mit Recht unglaublich viele umgetrieben hat, und auf der anderen Seite, dass natürlich auch ein Stück Schmerz dabei war, dass eine Stadt wie Bonn, die den Aufbau der Bundesrepublik Deutschland wahrscheinlich erst möglich gemacht hat klein, aber fein, mit einer kleinen Ambition, aber keinem Protz nun verstehen sollte, dass ein geeintes Deutschland wieder seine Hauptstadt haben will.
Es gehört vielleicht zu den gelungensten politischen Projekten, dass wir es ohne große Brüche geschafft haben, dies zu verkörpern: Ein Ja zum Föderalismus auf der einen Seite und auf der anderen Seite heute auch ein stolzes Bekenntnis zu Berlin. Ich vermute, selbst die Bonner Oberbürgermeisterin kann ohne Schmerzen in den Reichstag gehen und sich gemeinsam mit uns freuen.
Dass das möglich war, beruhte auf dieser Vereinbarung in 1991 und darauf, dass wir für Bonn Zukunft gestaltet haben. Ich will jetzt nicht auf die Arbeitsplätze und auf die Studienplätze eingehen, sondern nur darauf, dass wir jetzt für Bonn, Steinchen für Steinchen, etwas schaffen, was Bonn in der Welt bekannt sein und bekannt bleiben lässt: Bonn ist heute die UN-Stadt in Deutschland. Noch ist nicht allzu viel zu sehen, aber wir arbeiten fleißig daran. Es ist, gemessen an der Zeit, als wir dort die erste UN-Behörde installiert haben, wirklich gut vorangegangen. Dass die Stadt Bonn auch weiterhin gastfreundlich zu den Vereinten Nationen ist, ist ein Riesengewinn für ganz Deutschland.
Ich wünsche Ihnen, Herr Professor Meier, dass Sie noch viel Freude an diesem Museum haben, vielleicht auch manchmal hierher zurückkehren. Ich habe gehört, drei Tage Aufenthalt sind lang für Sie. Vielleicht kann es auch einmal eine Woche sein. Ich vermute, Herr Professor Gallwitz ist bereit, Sie aufzunehmen.
Ich wünsche diesem Museum viele Besucher, gerade junge Besucher, die an die Kunst herangeführt werden ich habe eben einen kurzen Blick in das Atelier geworfen. Und ich wünsche den Freunden von Arp, dass es mehr werden. Wenn wir ganz ehrlich sind, so ist es noch nicht so, dass wir alle die Kunst des Dadaismus schon immer als völlig inkorporiert verstehen; sie gibt uns auch immer wieder Rätsel auf. Außerdem wünsche ich den Besuchern das war, glaube ich, auch mit ein Ziel der dadaistischen Künstler, dass sie manchmal auch schmunzeln können, dass sie das, was vielleicht auf den ersten Blick verworren aussieht, auch als Stück nehmen, um die verwunschenen Wege des jeweiligen Lebens ernst zu nehmen.
Herzlichen Dank Ihnen allen, die Sie mitgeholfen haben, dieses Museum zu eröffnen. Ich freue mich, gleich noch eine Stippvisite machen zu können.
Diesem Museum alles Gute. Es ist bei der Regierung von Rheinland-Pfalz in guten Händen.