Redner(in): Angela Merkel
Datum: 16.10.2007
Untertitel: in Essen
Anrede: Sehr geehrter Herr Müller, Vorstandsvorsitzender der Evonik IndustriesAG ich wollte es einmal laut aussprechen, damit ich es langsam lerne,sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Jürgen Rüttgers, Frau Landtagspräsidentin, Herr Bundestagspräsident, sehr geehrte Kollegen aus dem Nordrhein-Westfälischen Kabinett, liebe Freunde aus dem Deutschen Bundestag, meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2007/10/2007-10-16-rede-merkel-initiativkreis-ruhrgebiet,layoutVariant=Druckansicht.html
ich bin heute sehr gerne hierher gekommen, aber sicherlich nicht deshalb, weil ich konkrete Antworten auf all die Fragen geben kann, die Sie in Ihrem Initiativkreis Ruhrgebiet aufgeworfen haben, sondern um ein Dankeschön dafür zu sagen, dass hier von Unternehmen bereits über lange Zeit Verantwortung für eine spannende Region übernommen wurde und dass damit, weil das Ruhrgebiet ja nicht irgendetwas ist, sondern eine der zentralen Regionen in Deutschland, auch ein Beitrag zur Zukunft der gesamten Bundesrepublik Deutschland geleistet wird.
Sie engagieren sich, indem Sie versuchen, Zukunftskonzepte zu entwickeln. Die Tatsache, dass das für das Ruhrgebiet geschieht, wirft ein Licht auch auf die Wegstrecke, auf der wir uns insgesamt in Deutschland befinden. Das Ruhrgebiet steht für die Entwicklung Deutschlands zu einer Industrienation. Ich stimme völlig darin überein, dass bei allem, was wir heute über Wissensgesellschaften, Bildung und Kreativität sagen, die Industrie irgendwo ihren Platz haben muss. Das soll in Deutschland sein und es soll ganz besonders auch hier in Nordrhein-Westfalen und im Ruhrgebiet sein.
Wir erleben es ja: Die Virtualität der Finanzmärkte ist extrem spannend. Aber ich sage immer: Irgendwann muss irgendwo auf der Welt auch wieder einmal "Hardware" produziert werden, damit man das, was im Virtuellen stattfindet, auch mit einem Gegenwert belasten kann. Darauf, dass das zum großen Teil in Deutschland stattfindet, können wir stolz sein. Wir wollen selbstverständlich auch an den Dienstleistungsbereichen teilhaben, aber wir wollen auch auf unseren industriellen Fähigkeiten aufbauen und sie weiterentwickeln. Das gilt nicht nur für das Ruhrgebiet, sondern für ganz Deutschland.
Alle Menschen, die hier im Ruhrgebiet leben, wissen: Strukturwandel ist alles andere als abstrakt, er ist hier schon seit vielen Jahren erfahrbar geworden. Dieser Kongressort ist ja auch nicht von ungefähr ausgewählt, sondern einer, der mit spannenden Geschichten verbunden ist. Ich werde demnächst beim Deutschen Steinkohletag sein. Deshalb möchte ich mich mit dem Bergbau heute nicht tiefgründig befassen, aber sagen: Wenn man sich vor Augen führt, dass im Jahre 1957
470. 000Menschen im Bergbau im Ruhrgebiet beschäftigt waren und heute sind es noch 30.000, so sieht man, was sich hier verändert hat.
Ich glaube auch, dass es richtig war, dass wir seitens der Bundesregierung zusammen mit der Landesregierung und den Betroffenen einen Pfad gefunden haben, mit dem wir eine Perspektive aufzeigen, wonach dieser Bergbau bis 2018 sozialverträglich auslaufen kann. Das gibt ein Stück Berechenbarkeit für die betroffenen Menschen. Gleichzeitig werden auch Zukunftskonzepte entwickelt, die deutlich machen: Die Menschen werden in dieser Region ihre Heimat haben können und werden ihr Leben gestalten können.
Nun ist zu fragen, was Neues entsteht, was Neues entstehen kann. Sie haben einige Bereiche genannt. Jürgen Rüttgers ist soeben darauf eingegangen. Die zentrale Lage inmitten Europas macht diese Region zu einem strategischen Standort, der sowohl im Bereich der Logistik als auch im Bereich der Verkehrsinfrastruktur alle Möglichkeiten hat. Wir wissen ich sage das auch ganz selbstkritisch, dass die Infrastrukturinvestitionen der Bundesregierung, obwohl wir schon Schwerpunkte gesetzt haben, den Erfordernissen immer noch eher hinterherlaufen als ihnen vorauseilen.
Die Frage, wie Deutschland im Jahre 2020 Sie beziehen sich hier auf das Jahr 2030; das sind die Planungszeiträume, die wir ins Auge fassen müssen aussieht, hängt natürlich in ganz besonderer Weise von der Verkehrsinfrastruktur ab. Von hier aus könnte man 50Millionen Verbraucher in drei Autostunden erreichen, sofern man nicht die ganze Zeit im Stau steht oder nicht auf der Schiene festsitzt; die Streiks will ich jetzt aber nicht kommentieren.
Die Frage einer sinnvollen, in die europäischen Netze eingebundenen Verkehrsinfrastruktur hat also allergrößte Bedeutung. Aber die Frage einer wirklich leistungsfähigen Logistik hat in Zukunft genauso eine Bedeutung. Denn diejenigen, die im Logistikbereich führend sind, werden auch Verkehrsströme und Warenströme vernetzen und intelligente Systeme dafür anbieten können.
Ich habe trotz aller Wirrnisse selbst als wir in der Opposition waren, Herr Müller immer gesagt: Die Maut und die Technologie, mit der wir die Mautgebühren erfassen wollen, das ist etwas, was Deutschland nach vorn bringen kann. Zu solchen Investitionen muss man stehen, man muss seine Lektionen daraus lernen. Es klappt ja jetzt und ich bin davon überzeugt, dass das auch ein Zukunftsschlager sein wird.
Meine Damen und Herren, der zweite Punkt ist der gesamte Bereich der Informationstechnologie und der Mikrotechnik. Die Zusammenballung von Universitäten in diesem Raum, die Neugründung von Unternehmen und die Weiterentwicklung von Unternehmen bieten eine herausragende Möglichkeit, diesen Raum auch zu einem Standort der Informationstechnologie zu entwickeln.
Über die Energiewirtschaft ist gesprochen worden. Ich denke, wir müssen mit den Energieerzeugern in Deutschland über die gesamteuropäische Einbindung sprechen. Wir brauchen auch hier langfristige Berechenbarkeit. Dies ist einer der Gründe, warum ich heute schon sehr engagiert aufzeige, in welche Richtung es auch bei der Frage der Energieerzeugung und der Klimaverträglichkeit geht. Von Herrn Schulz bin ich an die Grundkenntnisse meines Studiums der Physik und daran erinnert worden, dass der Wirkungsgrad nie höher als 100Prozent sein kann. Wenn man Werkstoffe, Stahl erzeugen will, braucht man Energie. Ich habe keine Illusion, dass wir das durch keine noch so tolle Technologie ändern können.
Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Ich möchte auch, dass die Energie, die gebraucht wird, in Deutschland erzeugt wird, weil wir das können, weil wir dazu die Technologie haben und damit wir nicht irgendwann schauen müssen, dass alles aus Frankreich oder woher auch immer kommen muss. Das ist ein ganz klares Bekenntnis zum Energiestandort Deutschland.
Der Bereich all dessen, was sich um den Werkstoff rankt, ist auch etwas, was das Image des Ruhrgebiets und des Landes prägen kann. Sie haben hervorragende Hochschulen, Universitäten, Sie haben hervorragende Erfahrungen. Insofern glaube ich, dass Werkstoffkunde auch zukünftig Schlagzeilen machen kann. Dass uns in der letzten Woche das Herz zweimal höher schlug zum einem jenen, die in Nordrhein-Westfalen sind, nämlich für Herrn Professor Grünberg vom Forschungszentrum Jülich, und zum anderen für Herrn Professor Ertl, das ist nicht nur selbstverständlich, sondern das zeigt auch, dass wir beispielsweise auf den Oberflächen von Werkstoffen und Feststoffen sehr viel Interessantes machen können.
An dieser Stelle will ich noch einmal daran erinnern, was nicht alles über Großforschungszentren gesagt worden ist. Herr Professor Grünberg wird, wie das in Deutschland so üblich ist, unentwegt kritisch gefragt: Wollten Sie nicht einmal nach Amerika gehen? Warum waren Sie noch nicht dort? Hat man Ihnen nie ein Angebot gemacht? Er kann darauf immer sagen: Angebote hatte ich genug, aber ich habe mich in Jülich eigentlich immer wohl gefühlt. Ich finde, das ist ein unglaubliches Bekenntnis zum Forschungsstandort Deutschland und im entfernteren Sinne zur Region.
Leider ist Herr Professor Florida, den ich gern einmal von Angesicht zu Angesicht gesehen hätte, noch nicht da. Er hat den Blick für die Frage geweitet, was in einer globalisierten Welt eigentlich notwendig ist, um vorn mit dabei zu sein, um Kreativität zu fördern und damit auch die Grundlage für Wohlstand zu schaffen. Mit seinen "dreiT" der Technologie, den Talenten und der Toleranz hat er, wie ich finde, die Dinge recht gut auf den Punkt gebracht.
Ich bin gar nicht über die Technologie und die Talente, sondern über die Toleranz auf ihn gestoßen. Denn zu Beginn unserer EU-Ratspräsidentschaft habe ich im Europäischen Parlament eine Rede über das gehalten, was aus meiner Sicht den Geist und die Seele Europas ausmacht: Dass wir es über die Jahrhunderte mühevoll, mühevollst gelernt haben, den Geist der Toleranz zu leben. Das ist eine der Erfahrungen, zu denen das Ruhrgebiet immens beigetragen hat, durch seine gesamte Entwicklung vom Aufbau der Industrie über die Großindustrie und auch die schwere Schuld, die Deutschland auf sich geladen hat, hin zum Wiederaufbau Deutschlands. Ich glaube, dass wir heute hier im Zentrum Europas Toleranz aus vollem Herzen leben können, dass wir offen sind, dass wir die Stärken unserer Nachbarn kennen, dass wir unsere eigenen Stärken kennen, dass wir Integration schaffen können.
All dies ist aus meiner Sicht von Herrn Professor Florida wunderbar zusammengefasst worden, weil er nämlich deutlich gemacht hat: Technologien und Talente sind prima auf sie komme ich gleich noch zu sprechen, aber der Geist, in dem beides genutzt wird, wird eben auch für die Beantwortung der Frage prägend sein, ob man in einer globalisierten Welt Erfolg haben kann oder nicht.
Deshalb ist es fast folgerichtig, dass Essen Europäische Kulturhauptstadt des Jahres 2010 sein wird, und zwar für das gesamte Gebiet. Man hat es nicht nur auf eine Stadt reduziert. Man hat gesagt: Wir wollen wie das so schön heißt eine Metropole repräsentieren. Ich glaube, dort, wo man sich sozusagen aus dem Inneren einer Riesenstadt immer weiter ins Umland ausgebreitet hat, versteht das Ruhrgebiet inzwischen das Gesamtgebietsdenken sehr gut. Wenn Sie das durch diese Kulturhauptstadt und die Möglichkeiten des Jahres 2010 natürlich von jetzt ab nutzen, dann wird dieses Gebiet auch mit Blick auf die Geisteshaltung, aus der heraus hier vieles geschieht, Spuren in der europäischen Entwicklung hinterlassen. Da bin ich mir vollkommen sicher und freue mich auch darüber, dass Sie diese Chance haben.
Nun ist zu fragen: Was kann man denn über die Bundespolitik in einem Bundesland tun, um den Geist und die Möglichkeiten zu verbessern? Wie können wir Menschen wie Ihnen, die Sie sich im Initiativkreis zusammengeschlossen haben, einer Landesregierung, die sich zum Ruhrgebiet bekannt hat, die dieses Ruhrgebiet gestalten will, und all jenen, die eine gute Entwicklung fördern wollen, behilflich sein, in welchem Geist können wir zusammenarbeiten?
Ich glaube, dass vieles von dem, was wir als politische Schwerpunkte für die Regierung der Großen Koalition festgelegt haben, sehr gut zu Ihren Anstrengungen passt. Wir haben das Ganze damals unter das Motto "Sanieren Reformieren Investieren" gestellt. Das halte ich nach wie vor für richtig. Solide Haushalte sind angesichts unserer Altersstruktur das A und O für die Frage, ob wir überhaupt in die Zukunft investieren können. Wenn man sich einmal die Gesamthaushalte anschaut, so müssen wir das wird in Nordrhein-Westfalen nicht anders sein als im Bund nach wie vor fragen: Was davon investieren wir wirklich in die Zukunft? Selbst bei einer noch liebevolleren Definition von Investition, bei der die Bildungsleistungen mit eingerechnet sind, ist es immer noch erschreckend wenig. Die Aufgabe kann eigentlich nur darin bestehen, weiterzumachen. Auf jeden Fall müssen wir verhindern, dass sich die Zinsschlinge immer weiter zuzieht und sie uns die Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Investition in die Zukunft nimmt.
Wir müssen uns auf das Investieren in die richtigen Bereiche konzentrieren. Wir haben einen Schwerpunkt gesetzt, der für den Strukturwandel und für die Zukunft des Ruhrgebiets mit Sicherheit von entscheidender Bedeutung ist. Das sind Bildung und Forschung. Die Unternehmen, die sich im Initiativkreis Ruhrgebiet zusammengeschlossen haben, wissen, dass Staat und Wirtschaft gemeinsam Forschungsbedingungen und Forschungsaufwendungen gestalten müssen, damit wir für die Zukunft gewappnet sind.
Wir wissen, wie kurz die Innovationszyklen eines Produkts heute sind, wie schnell andere die Fähigkeit haben, selbst wenn das geistige Eigentum geschützt ist, etwas nachzumachen oder Patente zu nutzen. Deshalb muss im Grunde die Blaupause für die nächste Generation eines Produkts schon in der Schublade sein, wenn die vorletzte Generation auf den Markt kommt. Es gilt also, Menschen zu motivieren, die bereit sind, sich in den technischen, in den naturwissenschaftlichen Disziplinen zu engagieren. Es gilt, Talente zu entdecken und Menschen nicht davon abzuhalten, schon in früher Zeit die Fähigkeiten zu entwickeln, die sie haben könnten. Glücklicherweise ist jetzt in allem, was Bildung auch im jungen Lebensalter anbelangt, ein Umdenken zu verspüren.
Das Ruhrgebiet ist ja geradezu ein Schmelztiegel, ein Beispiel für Integration. Das gilt für frühere Zeiten, als sich noch eher Polen hier ansiedelten und sich integrierten, das gilt aber auch für die jungen Leute mit Migrationshintergrund, die heute hier leben. Wir haben heute eine große Veranstaltung unserer Staatsministerin Maria Böhmer eröffnet, in der wir Public Private Partnerships als Motto gehabt und gefragt haben: Wie können wir jungen Menschen zusammen mit Stiftungen und zusammen mit privatem Engagement helfen, ihren Weg zu gehen angefangen bei der Schulbildung, der Chance, die deutsche Sprache so zu beherrschen, dass man dem Lehrer vom ersten Schultag an folgen kann, bis hin zu der Frage, wie auch jungen Menschen, die aus Elternhäusern kommen, in denen das Hochschulstudium nicht gerade das tägliche Mittagsgespräch ist, geholfen werden kann, auf die Universität zu gehen? Es ist unsere Aufgabe, potenziellen Talenten in Deutschland nicht den Weg zu versperren, sondern ihnen diesen Weg zu ermöglichen. Angesichts der wenigen jungen Leute mit Hochschulabschluss, die wir haben, gemessen an denen, die wir brauchen, ist dies eine besondere Aufgabe.
Ein weiterer Punkt. Ich bin sehr froh, dass die Diskussion, die Anfang der 90er Jahre, als ich Jugendministerin war, fast noch sakrosankt war, nämlich darüber, ob man schon irgendwie von Bildung sprechen kann, wenn das Kind noch nicht eingeschult ist, pragmatischeren Betrachtungen gewichen ist und dass man heute auch im Kindergarten, ohne ihn zu verschulen, darüber sprechen kann, dass die Kleinen viel leichter lernen als die Großen. Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr." Darin liegt wahrscheinlich doch eine tiefe Weisheit. Jeder von uns war wahrscheinlich auch schon Hänschen mit drei, vier oder fünf Jahren. Jedenfalls kann man in diesem Alter schon einiges aufnehmen. Die spielerische Heranführung an Naturphänomene kann auch mit vier, fünf und sechs Jahren beginnen. Sie erfordert aber auch Erzieherinnen und Erzieher, die die Natur verstanden haben. Das wiederum erfordert im Grunde bereits eine Schulbildung, die in der Vergangenheit wahrscheinlich nicht möglich war.
Damit wir da wieder herauskommen, ermutige ich uns alle, neugierig Fragen zu stellen. Es ist nicht schlimm, wenn man etwas nicht weiß. Man weiß so vieles nicht: Warum der Himmel blau ist und das Wasser so herum und nicht anders herum in die Badewanne fließt und all solche Dinge. Wir sollten in Deutschland wieder mehr Neugierde wachsen lassen, damit die jungen Menschen auch ermutigt sind, sich auf den Weg zu begeben.
Zur Berufsausbildung müssen wir ganz ehrlich sagen: Das duale Berufsausbildungssystem ist exzellent. Aber wir müssen auch sagen, dass dieses duale Berufsausbildungssystem durchaus in Gefahr ist. Es gibt nicht ausreichend Betriebe, die eine betriebliche Ausbildung anbieten. Wir sind hier zwar im Ruhrgebiet und nicht in den neuen Bundesländern, aber dort hat sich dieses duale Berufsausbildungssystem bisher nicht als das qualitativ am meisten ausgeprägte System bewähren können. Deshalb möchte ich an dieser Stelle neben den vielen großen Unternehmen, die es hier gibt, auch ein großes Plädoyer für den Mittelstand halten. Der Mittelstand ist der Ausbildungsmotor. Es muss alles dafür getan werden, dass dies auch so bleibt. Auch hier im Ruhrgebiet ist es ganz wichtig, dass junge Menschen im Betrieb die Chance bekommen, ihre Ausbildung zu machen.
Ich füge hinzu: Ich bin eine Verfechterin des gegliederten Schulsystems. Aber wenn wir es haben wollen, dann muss es auch bei allen Säulen dieses gegliederten Schulsystems eine Chance bei der beruflichen Ausbildung geben. Andernfalls wird es keine Akzeptanz für dieses System geben. Jürgen Rüttgers war früher Forschungsminister und weiß deshalb genau, wie es steht.
Wir haben in Deutschland so finde ich miteinander einen Quantensprung geschafft, und zwar im Hinblick darauf, dass Exzellenz herausgefunden werden muss, dass Exzellenz benannt werden muss, dass alle die Chance bekommen sollen, in der Exzellenzinitiative ihren Beitrag zu leisten, aber dass wir uns in die Tasche lügen, wenn wir nicht auch bereit sind, zu sagen, wo die Unterschiede in Deutschland liegen.
Ich glaube, das Ruhrgebiet hat alle Chancen, vorn mit dabei zu sein. So wie ich die Menschen hier im Ruhrgebiet kenne, werden sie auch versuchen, diese Chance zu nutzen. Sie werden ja auch unterstützt wiederum von Unternehmen. Und wenn ich das dem Initiativkreis auch einmal sagen darf: Ab und zu noch ein schöner Stiftungslehrstuhl wirkt Wunder für die Motivation. Es gibt sehr gute Beispiele, aber man kann, wie gesagt, gar nicht genug tun. Allerdings will ich auch darauf hinweisen, dass das, was z. B. Thyssen zur Technologiebegeisterung von jungen Menschen macht, wirklich wegweisend ist.
Und dann, meine Damen und Herren, ist die Forschung zu nennen. Forschung braucht günstige Rahmenbedingungen. Was den Bund anbelangt, wollen wir unseren Beitrag dazu leisten, dass dreiProzent des Bruttoinlandsprodukts wirklich für Forschung und Entwicklung ausgegeben werden können. Das heißt, die staatlichen Institutionen müssen einProzent beisteuern. Der Bund will seinen Beitrag leisten, obwohl es angesichts des augenblicklich wunderbaren Wirtschaftswachstums gar nicht so einfach ist, immer mit den Prozenten hinterherzukommen. Aber wir sind zutiefst davon überzeugt, dass wir handeln müssen und dass es dringend notwendig ist, Deutschland eine Spitzenstellung in Europa zu geben.
Die Kombination aus historischer Erfahrung und Bereitschaft, in Forschung und Entwicklung zu investieren und eine gute Bildung zu leisten, macht Strukturwandel möglich. Wir haben das Zeug dazu. Wir sind fähig dazu. Deshalb sind wir, so glaube ich, politisch auf dem richtigen Weg.
Dass das zum anderen auch bedeutet, dass wir Menschen z. B. auch die Möglichkeit geben, Studien aufzunehmen, hat die Bundesregierung auch gezeigt, indem sie bereit war, den Hochschulpakt abzuschließen und zu sagen: Jawohl, insbesondere für die Zeit, in der wir von 13 auf zwölf Jahre bis zum Abitur gehen, sind wir bereit, einen Beitrag zu leisten, damit die Ausbildung an den Hochschulen und Fachhochschulen nicht leidet. Das war eine wichtige gemeinsame Anstrengung.
Der Föderalismus ist damit gesegnet, dass alles in wunderbare Zuständigkeiten unterteilt ist und dass man immer weiß, wer wann wofür verantwortlich ist. Sie beim Initiativkreis Ruhrgebiet sind einen anderen Weg gegangen. Sie haben sich zusammengesetzt. Sie haben gesagt: Wir lieben unsere Region, wir wollen ihr nach vorn helfen, wir wollen, dass Talente hier eine Zukunft haben und nicht weggehen. Sie haben Modelle für die Zukunft vorgestellt nicht nur für drei Jahre, sondern bis zum Jahr 2030. Auch das will ich einmal sagen: Wir haben zwischen Bund und Ländern ebenfalls Wege gefunden. Wir haben die FöderalismusreformI abgeschlossen, nach der jegliche Beteiligung des Bundes an der Finanzierung von Kindergarten- oder Krippenplätzen für Kinder unter dreiJahren ausgeschlossen wäre. Aber auch wir wissen: Letztlich fragen die Leute nicht, ob das in die Zuständigkeit des Landes oder in die Zuständigkeit des Bundes fällt. Sie wollen, dass für sie etwas herauskommt. Dafür gibt es engagierte Mitstreiter.
Die Landesregierung hat ein Herz für das Ruhrgebiet. Ich weiß das aus vielen Gesprächen mit Jürgen Rüttgers und vielen anderen. Die Bundesregierung wird ihren Beitrag dazu leisten, dass die traditionsreichen Regionen Deutschlands Stärke manifestieren, dass sie eine gute Zukunft haben. Deshalb bin ich heute gerne hier. Deshalb sage ich ein Dankeschön. Deshalb lassen Sie uns weiter streiten über die Infrastruktur-Höhepunkte. Dass Jürgen Rüttgers schon etwas zum Flughafen gesagt hat, hat mich sehr beruhigt, da ich davon auch auf dem Flug hierher gelesen hatte. Aber das sollen die Nordrhein-Westfalen unter sich ausmachen. Wir haben in Berlin genug Mühe mit unserem neuen Flughafen.
Meine Damen und Herren, herzlichen Glückwunsch zu dieser Veranstaltung und alles Gute für das Ruhrgebiet.