Redner(in): Angela Merkel
Datum: 17.10.2007

Untertitel: in Berlin
Anrede: Sehr geehrter Herr Professor Klinkner, meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2007/10/2007-10-17-rede-merkel-logistik-kongress,layoutVariant=Druckansicht.html


ich bin sehr gerne heute zu Ihnen gekommen. Die Zahl der Anwesenden zeigt, welche wichtige Branche hier ihre Tagung abhält. Als ich draußen war, dachte ich, dass die vielen Leute jetzt noch alle rein müssen. Aber drinnen war es schon voll. Auch das ist beeindruckend.

Ich habe mir bei der Vorbereitung auf den Besuch hier noch einmal vor Augen geführt, dass die Logistik in Wirklichkeit eine große Querschnittsbranche ist. Sie ist eigentlich ein Treffpunkt von vielen, die man auch auf anderen branchenspezifischen Veranstaltungen treffen kann und die sich jetzt alle hier zu einem Zweck treffen, nämlich zum Zweck des Voranbringens der Logistik. Das ist eine spannende Sache. 170Milliarden Euro Umsatz, mehr als 2, 5Millionen Beschäftigte. Das sind nicht nur ganz besondere Kennziffern. Ich glaube, sie sind auch Ausdruck einer wirklichen Wachstumsbranche

Die Verknüpfung von industrieller Produktion mit logistischer Fertigkeit und Fähigkeit dürfte in Zukunft in wesentlichem Umfang über den Erfolg des Standortes Deutschland entscheiden. Unsere geografische Lage spricht dafür, dass vieles für uns als Logistikstandort sozusagen schon vorbereitet ist. Die Tatsache, dass wir noch Exportnation Nummer Eins auf der Welt sind, zeigt, dass wir von Logistik mehr abhängen als andere. Deshalb sind Tätigkeiten in Deutschland und Internationalisierung in Ihrer Branche natürlich aufs Engste miteinander verknüpft.

Sie haben mit dem Motto "Effizienz - Verantwortung - Erfolg", so wie Professor Klinkner das eben schon sagte, auch deutlich gemacht, dass Sie nicht nur auf die effiziente logistische Leistung setzen, sondern auch für eine vernünftige Gestaltung der Zukunft Verantwortung übernehmen wollen. Insofern ist vollkommen klar, dass Ihre Branche, die Logistikbranche, auch engstens mit dem Gedanken der Innovation und der Kreativität verknüpft ist.

Wir können ja auf recht erfolgreiche Jahre zurückblicken: In den vergangenen zehn Jahren sind die deutschen Exporte real um 120Prozent gestiegen, die Importe um 90Prozent. Man muss sich einmal vor Augen führen, was das sozusagen auch in Tonnen oder auch in Bits und Bytes bedeutet und was alles miteinander vernetzt werden muss. Die deutsche Industrie erstellt eben inzwischen, das ist ja auch das Wesen der Globalisierung, aus Komponenten aus aller Welt leistungsfähige Produkte für den Weltmarkt oder beteiligt sich zum Beispiel auch an der internationalen Verflechtung im Verkehrsbereich. Aber, wenn ich Herrn Zumwinkel ansehe, wenn ich Herrn Körber ansehe, dann sehen wir ja auch das gesamte Spektrum der Branchen, in denen das alles von allergrößter Bedeutung ist.

Wir sind Haupttransitland für internationale Transporte, wir haben bekannte Seehäfen, wir haben große Flughäfen und wir haben auch den größten Binnenhafen Europas in Duisburg. Damit sind wir, was die Verkehrsinfrastruktur anbelangt, schon ganz gut ausgestattet. Ich glaube nur, wir müssen noch erhebliche Überzeugungsarbeit leisten, was die Verknüpfung der einzelnen Transportwege anbelangt. Wir merken das bei den politischen Diskussionen ob es um die Bahnreform geht, ob es um die Zukunft der Post AG geht, ob es um die Telekommunikation geht. Das Denken ist oft noch sehr regional, sehr separat. Verknüpfungen dergestalt, dass zum Beispiel jemand, der etwas mit Eisenbahnen zu tun hat, gute Beziehungen zu Häfen braucht, und vieles andere mehr müssen sozusagen in den Köpfen Platz greifen. Das ist eine Aufgabe für Ihren Verband, das ist eine Aufgabe für uns als Politiker. Deshalb bin ich auch sehr gerne heute hierher gekommen.

Letztlich wird es die Kunden auf der Welt wahrscheinlich nur noch interessieren, wie man etwas von A nach B kriegt. Ob das auf diesem oder jenem Verkehrsweg passiert, wird die Leute weniger interessieren als die Zeit, in der eine Lieferung zuverlässig erfolgt. Da zeigt sich die Aufgabe, vor der wir stehen. Das heißt, wir müssen altes Denken, alte Barrieren überwinden und uns auf vollkommen neue Wege einstellen.

Nun haben wir, was die Verkehrsinfrastruktur anbelangt, seitens der Bundesregierung durchaus einen Schwerpunkt gesetzt. Mit Matthias Wissmann ist hier jemand, der auch einmal Verantwortung für das Verkehrsressort getragen hat. Wir alle wissen, wie groß die Erwartungen auch über Jahrzehnte hinweg immer waren, aber wie limitiert die Mittel. Wir können jetzt sagen: Je höher die Steuereinnahmen sind, je höher unser Wirtschaftswachstum ist, umso mehr können wir natürlich auch hier tun. Wir können in den nächsten Jahren über 11Milliarden Euro jährlich in das Verkehrssystem fließen lassen.

Aber ich sage auch: Mir ist durchaus bewusst, dass der Bedarf an Modernisierung, dass der Bedarf an Erweiterung diese Mittel übersteigt und dass wir in einem Wettlauf sind in einem Wettlauf mit anderen europäischen Partnern. Ob wir uns anschauen, welche Schienenverbindungen aus Frankreich an die deutsch-französische Grenze führen und wie sie dann weitergehen, sei es nach Stuttgart, Ulm oder ins Ruhrgebiet ich war gestern beim Initiativkreis Ruhr wir wissen, wir werden abgehängt, wir werden umgangen werden, wenn wir hier nicht schnell genug nachkommen. Wenn wir uns unsere östlichen Nachbarn anschauen, dann haben die auch ganz gezielte Vorstellungen davon, welche Marktchancen sie ergreifen wollen. Der Faktor Zeit und der Faktor effizient in die Verkehrsinvestition eingesetzter Euro sind natürlich ganz wesentliche Punkte. Ich glaube, darüber wird die Diskussion auch in den nächsten Jahren weitergeführt.

Wir reden über Straßensysteme, wir reden über den Schienenverkehr, hier ganz besonders auch über den Güterverkehr. Wir werden im Schienenverkehr die Öffnung der Märkte für den Personenverkehr ab 2010 haben. Dann werden sich neue Möglichkeiten des Wettbewerbs eröffnen. Uns beschäftigt im politischen Raum im Augenblick stark die Teilprivatisierung, also die Beteiligung privater Investoren an der Bahn AG. Da muss ich ja ganz vorsichtig sein. Vielleicht, ich sage das auch voller Verständnis für viele Ängste, manifestiert sich an dieser Frage auch in ganz besonderer Weise, inwieweit man privaten Investitionen vertrauen soll, wie viel privates Kapital man braucht und inwieweit man damit auch Risiken für eine Kerninfrastruktur eines Landes eingeht. Denn wir müssen der Wahrheit gemäß auch sagen, wenn wir zum Beispiel nach Großbritannien blicken: Es ist nicht alles gelungen, was auf dem Privatisierungsweg erfolgt ist. Deshalb freue ich mich auch über den Begriff der Verantwortung in Ihrem Motto Ihrer Tagung. Wir brauchen letztlich Verlässlichkeit und Verantwortung für bestimmte Grundleistungen, die früher rein staatlicherseits erbracht wurden.

Wir wollen aber Wettbewerb und wir wissen auch hier, dass wir als Bundesregierung mit viel Offenheit Vorleistungen erbracht haben, damit aber zum Teil, auch im europäischen Rahmen, nicht immer auf die gleiche Offenheit gestoßen sind. Formale Offenheit bedeutet auch nicht immer praktische Offenheit. Auch das gehört zur Wahrheit. Davon können sowohl die Betreiber von Zügen als auch die Betreiber von Brieftransporten und Pakettransporten und vielem anderen ein langes Lied singen. Der Binnenmarkt wird auch ein Binnenmarkt für logistische Aktivitäten sein müssen. Deshalb wird Deutschland auch ein Mahner dafür sein, dass es hier um wirklich wettbewerbsfreundliche Regelungen geht. Denn nur so werden wir auch dahin kommen, dass wir mehr Wettbewerb in Deutschland und in Europa überhaupt haben können.

Meine Damen und Herren,

wie das so bei neuen Wegen ist, da macht man auch zum Teil beschwerliche Erfahrungen. Die LKW-Maut funktioniert inzwischen, es ist ein belastbares System geworden. Der Weg dahin war mühevoll. Ich sage ausdrücklich, es war richtig, dass wir ihn trotz bestimmter Rückschläge weitergegangen sind. Was wir daraus allerdings gelernt haben, ist, dass alle größeren Projekte immer eine klare Führungsstruktur brauchen eigentlich etwas, was Sie aus Ihren Unternehmen kennen. Heute können wir sagen, dass die LKW-Maut-Erfassung, wie wir sie haben, eine Erfolgsstory ist, dass sie ein gutes Exportgut sein könnte und dass mit ihr die Zahl der Leerfahrten gesunken ist, dass die Preisanreize durchaus funktionieren und daraus mehr Effizienz folgt. Das ist ja auch das, was wir wollten.

Wenn ich von Führungsstrukturen gesprochen habe, dann plagen wir uns im Augenblick mit einem zweiten Bereich: Das ist Galileo das Navigationssystem, das die Europäische Union eigenständig aufbauen will. Ich habe mich persönlich sehr ausführlich mit der Sache befasst und bin zu der festen Überzeugung gekommen: Wir brauchen ein solches System. Aber wir haben auch erlebt, dass die Public-Private-Partnership-Herangehensweise nicht gerade von Erfolg gekrönt war. Dazu haben auch wieder Situationen geführt, in denen letztlich Entscheidungen hängen blieben, weil die Wirtschaftspartner keine klare Führungsverantwortung übernehmen konnten. Da lag auch viel Schuld bei den staatlichen Institutionen. Da müssen wir jetzt neue Wege gehen. Wir werden einen Weg finden.

Aber ich spreche hier auch für Deutschland, im Sinne unserer Luft- und Raumfahrtindustrie: Wir sind ein großer Einzahler in dieses Projekt und deshalb werden wir auch Wert darauf legen, dass unsere Fähigkeiten und Fertigkeiten in angemessener Weise dann zum Zuge kommen, wenn es um die Realisierung eines solchen Systems geht. Um nicht mehr und nicht weniger verhandeln wir im Augenblick in Brüssel. Da andere Länder ihre Interessen auch vertreten, tun wir das auch gerne und fröhlich. Es wird alles zu einem guten Ende kommen.

Ich bitte Sie allerdings, wenn wir dann auf dem Weg sind, hier auch die technischen Installationen hinzubekommen und dass Sie beizeiten über mögliche Anwendungsoptionen nachdenken. Dieses europäische System wird über das hinaus, was wir heute als das klassische GPS kennen, sehr interessante Möglichkeiten bieten bis zur Wahrnehmung quasi auch hoheitlicher Aufgaben. Ich glaube, diejenigen, die zuerst gute Ideen haben, wie man sich ein solches System zunutze machen kann, werden dann auch interessante Produkte exportieren können.

Wir kommen zur Straße. Wir wissen, dass hier die Frage der Mineralölpreise natürlich eine erhebliche Rolle spielt. Die Frage der CO2 -Minderung ist, wie ich finde, jetzt auch auf der Automobilausstellung, auf der IAA, in diesem Jahr in beeindruckender Weise deutlich geworden. Ich bin dankbar dafür, dass sich die Automobilindustrie in Deutschland in einer kohärenten Weise als Branche präsentiert hat, mit einem großen Schuss Optimismus, mit einem ziemlich guten Corporate Design. Ich glaube, das ist auch das, was den Standort Deutschland eindrucksvoll macht.

Wir werden hier alles daransetzen, in der Verknüpfung von hochmodernen Produkten und guten Rahmenbedingungen für die Verkehrsinfrastruktur Deutschland als ein modernes Land des Transports auch sichtbar werden zu lassen.

Wir haben diese Entwicklungen in einem Umfeld von einem Wirtschaftswachstum, das besser ist als das vor ein paar Jahren, das aber immer noch nicht eines ist, das uns jetzt in die Spitzengruppe Europas bringt. Wir können zufrieden sein, aber wir können auch noch besser werden. Deshalb unterstütze ich das, was Sie sagen. Wir dürfen uns jetzt nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen, sondern wir müssen die Grundlagen des Aufschwungs, wie ich es immer nenne, stärken und wir müssen sie dauerhaft gestalten. Wir haben ja mit den Turbulenzen auf den Finanzmärkten erlebt, wie schnell auch Unsicherheiten aufkommen und wie wichtig es ist, dass man zumindest zu Hause seine Hausaufgaben gemacht hat und robust antworten kann, soweit das in einem Land überhaupt gestaltbar ist.

Ein Zugpferd ist nach wie vor die Exportwirtschaft. Wir wollen natürlich, dass wir wettbewerbsfähig bleiben. Da gibt es eine Vielzahl von Dingen, die hervorzuheben sind. Wenn man sich zum Beispiel die nominalen Lohnstückkosten ansieht, dann sind sie hierzulande zwischen 1995 und 2006 um dreiProzent gesunken. In vielen anderen Ländern sind sie gestiegen. Allerdings sind sie von einem sehr hohen Ausgangsniveau gekommen. Aber es ist vielleicht ein symbolisches Beispiel dafür, welche eigenen Anstrengungen die Wirtschaft unternommen hat, welche Gehaltszurückhaltung auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über etliche Jahre gezeigt haben. Wir müssen jetzt aufpassen, dass wir das, was wir erreicht haben, nicht leichtfertig wieder verspielen, sondern dass wir auf dem Pfad weitermachen.

Es ist schön, dass wir sagen können, wir haben nicht mehr an die 5Millionen Arbeitslose, sondern 3, 5. Aber 3, 5Millionen Arbeitslose sind auch noch recht viel. Wir haben Gegenden in Deutschland, in denen liegt die Arbeitslosenrate nach wie vor bei knapp 20Prozent. Deshalb ist es ganz, ganz wichtig, dass wir unseren Kurs von Sanieren, Reformieren, Investieren weiterverfolgen und dass wir vor allen Dingen auf die Zukunftsfähigkeit Wert legen.

Was das Sanieren anbelangt, so haben wir die begründete Aussicht, 2011 einen ausgeglichenen Bundeshalt zu haben. Der gesamtstaatliche Haushalt wird vielleicht schon in diesem Jahr ausgeglichen sein.

Ich glaube, damit werden die Weichen für die Zukunft richtig gestellt, wenn das

jetzt noch mit einer vernünftigen Arbeit der FöderalismuskommissionII kombiniert wird, in der wir eine Schuldenbremse formulieren wollen und langfristig die Weichen dafür stellen wollen, dass Neuverschuldungen nur noch in einem ganz engen Rahmen möglich sind und dass in guten Zeiten Vorsorge für schwierigere Zeiten getroffen werden kann.

Ich glaube, dies ist eine Maßnahme, die mit einer guten Zeit, wie wir sie jetzt haben, wirklich viel besser vereinbar ist. Im Übrigen ist es auch eine Maßnahme, die mit einer großen Koalition leichter zu vereinbaren ist, als in anderen. Deshalb hoffe und denke ich auch, dass wir, Bund und Länder, hier auf einem guten Weg sind. Wenn wir ihn bis zum Ende gehen, wäre das ein richtiger Fortschritt, der auch für die nach uns kommenden Generationen zukunftsweisend ist.

Wir wollen natürlich, was die Investitionen anbelangt, vor allen Dingen in die Zukunft investieren. Wir haben mit der Unternehmensteuerreform einen wichtigen Beitrag geleistet, um den Standort Deutschland gerade auch für ausländische Investitionen attraktiver zu machen. Wir müssen jetzt unsere Vorstellungen von der Erbschaftsteuerreform, wie wir sie hatten das heißt, Erleichterungen bei der Unternehmensnachfolge mit einem Bundesverfassungsgerichtsurteil verbinden, was uns vor eine Menge schwieriger Aufgaben stellt. Sie können sich das vorstellen, wenn Kapitalvermögen und Grundvermögen gleichermaßen behandelt werden müssen. Das ist eine gewaltige Aufgabe. Aber ich bin recht optimistisch. Die Beratungen hierzu finden in einer guten Atmosphäre statt. Ich möchte vor allen Dingen, dass wir es schaffen, dass die Erleichterungen, was die betriebliche Erbfolge anbelangt, so wie wir es versprochen haben, dann rückwirkend zum 01. 01. 2007 in Kraft treten können. Das ist ein ganz wichtiges Signal.

Die Unternehmensteuerreform wird noch kombiniert mit dem so genannten Risikobegrenzungsgesetz, das mit Blick auf Investitionen in Forschungsbereiche noch einmal Verbesserungen mit sich bringt, die durch die Unternehmensteuerreform als Aufgabe zum Teil noch übrig geblieben sind.

Und wir haben eine weitere Säule, das sind die Lohnzusatzkosten. Wir werden jetzt sehr zügig die Arbeitslosenversicherungsbeiträge nicht nur auf 3,9, sondern auf 3, 5Prozent senken können. Und, meine Damen und Herren, wenn Sie sich einmal überlegen, dass wir von 6, 5Prozent immerhin auf 3, 5Prozent kommen, dann ist das ein gewaltiger Schritt. Wir werden leichte Erhöhungen bei der Pflegeversicherung haben. Aber die werden weit überkompensiert. Damit nähern wir uns unserer Zusage, unter 40Prozent zu kommen, ganz deutlich. Die Bundesregierung hat diese Zusage nicht vergessen. Ich glaube, das ist eine gute Botschaft.

Eine Aufgabe, an der wir permanent arbeiten und bei der wir, wie ich glaube, wirklich gut sind, das ist der Bereich Innovation, Forschung und Instrumente, die dazu führen, dass die Forschungsmittel und die Forschungsergebnisse auch in den Unternehmen ankommen, vor allen Dingen auch in den mittelständischen Unternehmen. Denn, ich meine, eines ist auch klar: Globalisierung setzt alle Betriebe, die kleinen und die großen gleichermaßen, unter einen ungeheueren Wettbewerbsdruck. Mittelständische Unternehmen tun sich sicherlich an manchen Stellen schwerer, zum Beispiel in die Forschung ausreichend zu investieren. Sie haben oft Eigenkapitalprobleme.

Wir haben deshalb in der Hightech-Strategie der Forschungsministerin auch sehr stark darauf geachtet, dass wir Instrumente, wie zum Beispiel die Forschungsprämie, entwickeln, die gerade auch kleineren Unternehmen gezielt den Weg in die Kooperation zum Beispiel mit Hochschulen, Fachhochschulen, Universitäten eröffnen, um neue Verbindungen knüpfen zu können, weil nicht alle permanent Forschungsabteilungen führen können und weil sich zum Teil auch die Hochschulen und die Universitäten den Zeitläufen eines mittelständischen Unternehmens anpassen müssen. Da zählen nicht Promotionszyklus und das Semester, sondern da zählt die Erwartung, wann etwas fertig sein muss. Und all solche Dinge müssen zusammengebracht werden. Am besten funktioniert das, wenn man gewisse materielle Anreize setzt und die Leute damit zusammenbringt. Das hat schon öfters geklappt.

Unser Ziel ist, dass wir drei Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung ausgeben. Das kann natürlich die staatliche Seite nicht alleine. Diese trägt immer ein Drittel dazu bei, von der Wirtschaft erwarten wir zwei Drittel. Wir wissen aber auch, dass die Wirtschaft diese zwei Drittel nur aufwendet, wenn wiederum die Rahmenbedingungen stimmen. Wenn Sie im ganzen Lande keine gentechnische Forschung machen können, können Sie nicht erwarten, dass im wirtschaftlichen Bereich in der Gentechnik viel Geld ausgegeben wird. Und da ist, wie ich glaube, der Logistikbereich ein interessanter Bereich, in dem wir auch viele spannende Projekte haben, die wir auch weiterentwickeln wollen.

Die 17innovativen Zukunftsbereiche der Hightech-Strategie, die auch in der Wirtschaftsunion mit der Forschungsministerin und den Unternehmensverbänden diskutiert werden, werden aus meiner Sicht einer sehr ehrlichen Analyse unterzogen: Wo steht Deutschland, wo können wir etwas tun, wo müssen wir etwas tun? Auch im Bereich der Verkehrsleitsysteme können wir die Forschung sicherlich noch verstärken. Wir haben da ja auch den angenehmen Effekt: Drei Prozent von einem wachsenden Bruttoinlandsprodukt bedeuten natürlich jedes Jahr mehr Geld. Da leuchten die Augen der Forschungsministerin und die des Finanzministers kneifen sich etwas zusammen. Aber die Mathematik ist an dieser Stelle unüberwindlich, wenn wir hier versuchen, den Wirtschaftswachstumsentwicklungen zu entsprechen.

Meine Damen und Herren,

sobald in Deutschland die wirtschaftliche Entwicklung etwas positiv ist, ist der Ruf nach Fachkräften wieder hörbar. Wir haben in der Tat in den Regionen, in denen wir jetzt fast Vollbeschäftigung haben dazu gehören zum Beispiel die Regionen Ingolstadt, Stuttgart, München erhebliche Probleme. Man glaubt es kaum, aber es ist so. Wir haben deshalb auch gesagt, dass Qualifizierung im nationalen Rahmen natürlich Priorität hat. Ich bin auch sehr froh, dass viele Unternehmen jetzt überlegen, ob sie Menschen, die schon im Vorruhestand sind, vielleicht wieder zurückgewinnen können, um auch an Wachstumsprozessen teilhaben zu können. Das ist im Einzelfall natürlich sehr mühevoll. Ich habe mir das auf der IAA darstellen lassen.

Wir haben auch gesagt, wir werden die Beschäftigungsbedingungen für diejenigen verbessern, die als Ausländer bei uns studiert haben. Wir wollen in den Bereichen Maschinenbau und Elektrotechnik jetzt auch EU-Ausländern aus den neuen Mitgliedstaaten eine Arbeitserlaubnis bei uns geben. Wir wollen mal sehen, wie viele Interessenten noch da sind. Manche sagen, dass sie sowieso schon alle in England und anderswo sind. Wir sind in Deutschland in sprachlicher Hinsicht sicherlich nicht dazu prädestiniert, internationale Fachkräfte sofort und ohne jede Barriere anzulocken. Der angelsächsische Raum hat hier strukturelle Vorteile. Da darf man sich nichts vormachen. Um so erfreulicher ist es, dass immer mehr Hochschulen, gerade auch im naturwissenschaftlich-technischen Bereich und im betriebswirtschaftlichen Bereich, Vorlesungen in englischer Sprache anbieten. Ich glaube, das wird auch in Ihrer Branche so sein. Anders wird man da zum Teil nicht vorankommen.

Unsere Bitte an Sie ist nur: Geben Sie den jungen Leuten vor allen Dingen eine Chance. Wir gehen jetzt in Kombination von Bundesagentur und Ländern auch sehr viel stärker die Notwendigkeit an die Bundesbildungsministerin, die ja wirklich lange Zeit Landesbildungsministerin war, scheut zum Teil auch das offene Wort nicht, dass diejenigen, die bei uns aus der Schule rauskommen, auch wirklich in den Betrieb reinfinden müssen und dass die Lehrpläne so abgeglichen werden müssen, dass man damit auch wirklich moderne Berufsbilder erlernen kann und dass die Fähigkeiten und Fertigkeiten in dieser Übergangsphase nicht völlig abbrechen. Es ist angesichts unseres demografischen Wandels wirklich wichtig, hier etwas zu tun.

Wir hatten in den letzten zwei Tagen einen ganz spannenden Kongress zusammen mit Staatsministerin Böhmer, die für Integration zuständig ist, und mit den Stiftungen in Deutschland, die sehr viel für die Frage Bildung und Integration tun. Meine Damen und Herren, wenn Sie sehen, dass heute in Augsburg, München und in vielen deutschen Großstädten 40 bis 55Prozent der neu Eingeschulten Kinder mit Migrationshintergrund sind, dann wissen wir, was das für die Zukunft heißt, wie die zukünftigen Facharbeiter ausgebildet sein müssen. Und wenn die aber schon in den ersten Klassen ihren Lehrer nicht verstehen, weil sie die Sprache nicht beherrschen, dann ist natürlich nicht damit zu rechnen, dass sie anschließend im Logistikbereich ganz groß rauskommen, weil gute Sprachkenntnisse das Fundament dafür sind. Ich bin ganz froh, dass wir jetzt auch im vorschulischen Bereich, also im Kindergarten, mehr Wert auf bestimmte Fähigkeiten legen und dass wir ihn nicht nur als Spielphase deklarieren, sondern einfach auch zur Kenntnis nehmen, dass junge Leute sehr aufnahmefähig sind.

Das Thema Bildung und Nutzung unserer eigenen Ressourcen wird eine Schlüsselfrage für die Zukunft Deutschlands sein. Deshalb bitte ich Sie, hier durch Ausbildungsplätze mitzuhelfen, wo immer das möglich ist. Aber natürlich werden auch wir uns anstrengen, dass die Defizite des Schulsystems überwunden werden. Es ist so, Sie arbeiten weltweit, aber jeder Umzug innerhalb Deutschlands gerät zur familiären Katastrophe. Da müssen wir Abhilfe schaffen. Gemeinsame Bildungsstandards sind wichtig. Ich scheue mich auch nicht zu sagen, dass, wenn es eine zentrale Mathematikprüfung in Deutschland gibt, egal, nach welchem Schulbuch man gelernt hat, dann wird die Welt nicht untergehen. Dann müssten auch die Unis nicht alle noch Mathematik-Eingangsprüfungen durchführen. Auch das wird eines Tages Normalität werden. Aber manches dauert eben. Im Übrigen ist es so: Die Ministerpräsidenten, die sich sicher sind, dass sie gute Schulsysteme haben, stehen dem sehr viel offener gegenüber als manche andere. Allerdings muss ich auch sagen jetzt spreche ich mal als CDU-Vorsitzende, manche haben auch ein schweres Erbe gekriegt.

Meine Damen und Herren,

eine abschließende Bemerkung zu einer aktuellen Diskussion, und zwar zu der Frage, wie investitionsoffen wir denn eigentlich sind. Gehen wir jetzt geradewegs in eine protektionistische Zukunft? Darauf will ich Ihnen mit einem klaren Nein antworten. Ich will Ihnen aber auch sagen, dass wir in der globalisierten Welt Entwicklungen haben, bei denen wir schon ein Stück auf Reziprozität achten müssen. Die Zugangsbedingungen in einigen Bereichen sind so restriktiv, so dass ich finde, dass ein Land wie Deutschland nicht ohne jedes Instrument dastehen sollte, wenn es auch Interessenten für unsere Schlüsselbereiche gibt.

Deshalb überlegen wir, ob wir im Außenwirtschaftsgesetz sehr moderate Regelungen der Überprüfungsmöglichkeit einführen sollen. In den Vereinigten Staaten von Amerika gibt es solche Regelungen, in Großbritannien gibt es solche Regelungen, in Frankreich gibt es sie sowieso. Die Erfahrungen in den Vereinigten Staaten von Amerika sind sehr interessant, weil nämlich die Tatsache, dass es so etwas gibt, die Transparenz der Investoren schon von vornherein erhöht hat. Es kommt dort gar nicht zu möglichen Prozeduren, weil hier einfach auch Transparenz da ist. Ich glaube, wenn wir für strategische Bereiche auch ausländische Investoren zu uns lassen und bitten und uns darüber freuen, dann müssen wir auch ein Stück Sicherheit haben, dass damit langfristige und verantwortbare Investitionen einhergehen.

Sie operieren in einer großen globalisierten Welt. Ihr Gedankenraum muss weltweit und weltumspannend sein. Wir sind als Politiker immer Verantwortliche für unser Land. Wir müssen aber die Menschen auf dem Weg in die Globalisierung mitnehmen. Wir müssen ihnen durchaus sagen, dass nichts ohne neue Wege geht, nicht alles ohne Rückschläge geht, dass es immer wieder auch Risiken gibt. Aber wir müssen ihnen auch zeigen, dass wir diese Risiken kalkulierbar halten.

Wenn man sich manche Facette auch neuer Finanzinstrumente anschaut, dann muss man ganz zum Schluss immer verantwortungsbewusst auf die Frage antworten können, warum wir das so für richtig befunden haben? Mir ist vollkommen klar, dass Finanzmärkte ohne Risiken nicht funktionieren können; sie leben vom Risiko. Aber es müssen auch Risiken sein, die beherrschbar sind im Blick auf andere Gegebenheiten, wo wir ganz strenge Regulierungen haben und im Grunde keinen Millimeter Abweichung erlauben, wenn man an unser Genehmigungsrecht und viele andere Dinge denkt. Es muss zueinander passen. Deshalb diskutieren wir das jetzt, aber nicht in dem Sinne, dass wir uns abschotten wollen. Wir wissen, wir wollen eine Exportnation bleiben. Wir wissen, wir wollen attraktiv sein, auch für ausländische Investoren.

Ich wünsche Ihnen weiter viel Erfolg in Ihrer Branche. Es ist eine spannende Branche. Es ist eine Branche, die ganz unterschiedliche Bereiche zusammenführt und die letztlich darüber entscheiden wird, wie sich Deutschland in der Welt darstellt. Deshalb alles Gute, viel Kraft, viel Kreativität und gute Zusammenarbeit.

Herzlichen Dank.