Redner(in): Angela Merkel
Datum: 26.10.2007

Anrede: Sehr geehrter Herr Pitsuwan, Herr Mittal, Herr Hambrecht, lieber Volker Kauder, Peter Ramsauer, Eckart von Klaeden, liebe Kolleginnen und Kollegen,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2007/10/2007-10-26-rede-bkin-asienkongress-cdu-csu,layoutVariant=Druckansicht.html


liebe Gäste heute hier,

ich bin sehr dankbar dafür, dass die CDU / CSU-Bundestagsfraktion diesen Asienkongress durchführt. Die große Zahl der Teilnehmer zeigt ja auch, dass hier ein Thema aufgegriffen wird, dass von allseitigem und breitem Interesse ist. Die Arbeitsgruppe Auswärtiges hat die Initiative zu diesem Kongress ergriffen. Der Fraktionsvorsitzende Volker Kauder er wird darüber berichtet haben war ja auch in diesem Jahr mit einer Delegation in Indien.

Ich glaube, es ist richtig, dass wir unser Augenmerk auf die Entwicklungen in Asien lenken auf die politischen Entwicklungen, die wirtschaftlichen Entwicklungen und die gesellschaftlichen Entwicklungen. Das ist schon allein deshalb notwendig, weil unsere Welt immer schneller zusammenwächst. Das kennzeichnen wir mit dem Wort der Globalisierung schneller Wandel. Und dieser Wandel hat Ursachen: Das Ende des Kalten Krieges, eine vollkommen neue Dynamik, mehr Freiräume auf der Welt, aber auch vollkommen veränderte Interessenkollisionen. Während der Zeit des Kalten Krieges waren die Interessen auch sehr stark dominiert von der Frage: Zu wem gehörst du, bist du eher im amerikanischen Einflussbereich oder bist du eher im sowjetischen Einflussbereich? Daraus ergab sich eine bestimmte Interessenkoalition oder -konstellation.

Wir können insbesondere an Afrika sehen was nun heute nicht unser Thema ist dass nach dem Ende des Kalten Krieges viele Staaten sich selbst überlassen wurden, weil plötzlich das globale Interesse nicht mehr so da war. Ich glaube, dass der asiatische Kontinent aus dieser neuen Interessengegebenheit nach dem Ende des Kalten Krieges in sehr, sehr hohem Maße auch seine Dynamik geschöpft hat, seine eigenen Entwicklungspotentiale genutzt hat und nun selber darüber nachdenkt: Wie können wir unsere Kräfte bündeln und unsere Ideen zusammenbringen?

Mit dem Ende des Kalten Krieges ging auch eine technische Entwicklung einher, die Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologie. Sie hat die Gesellschaften massiv verändert. Wir spüren das in unserer Gesellschaft. Informationen sind in Sekundenschnelle verfügbar. Eine Ausschreibung um die kostengünstigste Produktion kann heute innerhalb von Stunden um die ganze Welt verteilt werden. Insofern sind hier vollkommen neue Qualitäten der wirtschaftlichen Zusammenarbeit entstanden. Das wird noch erweitert durch die global agierenden Finanzmärkte, die natürlich ohne die Entwicklung der Informationstechnologie auch überhaupt nicht denkbar wären.

Dies hat dazu geführt, dass wir einem Kontinent Asien begegnen, der sich in einer ungeahnten Dynamik in den letzen Jahren entwickelt hat. Wir kannten das von Japan schon lange Zeit vor dem Ende des Kalten Krieges. Aber jetzt umfasst dies viele Länder. Stellvertretend möchte ich an dieser Stelle nur Indien und China nennen. Ich könnte aber auch viele andere nennen.

Was bedeutet das jetzt für uns? Asien hat einen Anteil an der Weltbevölkerung von über 50Prozent. Asien ist verantwortlich für die robusten Wachstumszahlen der Weltwirtschaft. Wenn wir uns in Europa die Dinge anschauen, dann bemerken wir sehr schnell, dass wir auch ein Interesse an einer stabilen Entwicklung Asiens mit einem großen Wachstum haben sollten. Denn wir wissen natürlich, dass unsere europäischen Märkte in hohem Maße beschränkt sind. In der Bevölkerungsentwicklung haben wir ein demographisches Problem. Es ist nicht abzusehen, dass der Konsum massiv wächst. Deshalb sind die Wachstumsmöglichkeiten nicht umsonst sitzt ja Herr Hambrecht heute hier, stellvertretend für viele aus der Wirtschaft für uns, auch im Bereich von Forschung und Entwicklung bis hin zur Produktion, eng verknüpft mit den Wachstumsgegebenheiten im asiatischen Raum.

Interessant ist, dass wir aber auch ein Asien erleben, das nicht nur die wirtschaftliche Dynamik aufsaugt und dass dort unglaublich viel in Bewegung ist, sondern dass Schritt für Schritt auch in Asien das Gefühl wächst, dass wir vor gemeinsamen, globalen Herausforderungen stehen. Und meine These ist sowieso, je stärker in Ländern die wirtschaftliche Entwicklung Raum greift, je mehr die Menschen Chancen haben, ihren eigenen Wohlstand zu verbessern, umso stärker wird natürlich auch die Erwartung an das politische Gewicht und an die Beiträge zur Lösung von Konflikten, die wir überall haben.

Außerdem ist uns in den letzten Jahren durch die großen Wachstumsraten, gerade in der industriellen Produktion, die Endlichkeit der Rohstoffreserven vor Augen geführt worden. Und die Rohstoffdiskussionen in Deutschland finden heute natürlich auf einem ganz anderen Niveau und in einem ganz anderen Umfeld statt, als es vor vielen Jahren war.

Der BDI führt heute Rohstoffkongresse durch, auf denen erkennbar wird, dass bei allem, was wir an privatem Engagement in Deutschland haben werden, es nicht zu erwarten ist, dass der deutsche Staat große Erz- und Kohleminen irgendwo auf der Welt kauft, auch Kupfer nicht und anderes. Aber es wird auch für uns erkennbar, dass wirtschaftliche Rahmenbedingungen und politisches Handeln um zuverlässige Partner zu bekommen oder Krisen in bestimmten Regionen zu lösen, die Unternehmen davon abhalten, in diesen Regionen vernünftige Geschäfte zu machen in einem bestimmten Maße zusammenhängen, stärker als man es vielleicht früher gesehen hat.

Es gibt natürlich ein hohes Interesse der deutschen Wirtschaft daran, dass gute Regierungsführung, transparente Regierungsführung, Kampf gegen Korruption in unseren Partnerländern langsam Einzug hält, damit wir auch verlässliche und transparente Handelsbeziehungen haben können. Das heißt, die Energieversorgung und die Rohstofflieferung sind zentrale Themen, die uns auch in den nächsten Jahren sehr, sehr beschäftigen werden.

Der Klimawandel ist natürlich eine weitere globale Herausforderung. Auch hier ist klar, dass in den nächsten Jahren Verantwortung nur gemeinsam wahrgenommen werden kann. Die Europäer haben dieses Thema oben auf die Tagesordnung gesetzt. Ich finde das auch richtig. Aber es ist vollkommen klar, mit einem Anteil der Europäischen Union von 15Prozent an den Gesamt-CO2 -Emmissionen werden wir das Problem nicht lösen, wenn nicht auch andere Länder Verantwortung übernehmen.

Wir haben einen Kontinent Asien, der über die meisten Nuklearmächte verfügt. Das ist natürlich auch eine Herausforderung. Wir haben am Thema Nordkorea gesehen, dass hier China erfreulicherweise in einem beeindruckenden Maß Mitverantwortung übernommen hat. Ich wage die Behauptung, ohne das chinesische Engagement wäre die Eindämmung des nordkoreanischen Atomprogramms so nicht möglich gewesen. Wir hatten es früher nicht in diesem Maße, dass wir auf aktive asiatische Partner angewiesen sind, die aus ihrer Nachbarschaft, aus ihren eigenen Interessen heraus, hier auch handeln. Und dies wird sich verstärken. Wir wissen zum Beispiel, dass es ohne chinesische Mittel auch im Sudan ganz, ganz schwer wird, hier den Konflikt zu lösen. Das heißt, wir sind gemeinsame Akteure, wenn wir es schaffen, auch gemeinsame Werte zu teilen. Und wir haben einen asiatischen Kontinent, bei dem uns natürlich Sorgen macht, wie viele terroristische Herausforderungen wir zu bewältigen haben. Das gilt für Pakistan, das gilt für Indien, das gilt für Indonesien, wenn wir uns auch an die Anschläge auf Bali im Jahre 2002 erinnern.

Das heißt, eine stabile politische Entwicklung Asiens ist für uns von allergrößtem Interesse. Ich will nicht verhehlen und man muss es sich immer wieder vor Augen führen: Pakistan ist heute auch eine Nuklearmacht. Die politischen Verhältnisse in Pakistan sind, was die Stabilität anbelangt, zumindest nicht so, dass wir dort sorgenfrei in die Zukunft blicken können. Das heißt, stabile politische Systeme in Kombination mit nötigen militärischen Möglichkeiten sind wichtig. Und wir sollten auch nicht aufgeben, dass wir uns um zukunftsfähige Abrüstungsmechanismen bemühen. Denn die Frage, wie sich das weiterentwickelt, ist natürlich von zentraler Bedeutung. Und dies macht vielleicht auch klar, welche Brisanz mit der Frage verbunden ist, wenn auch der Iran in den Besitz atomarer Waffen kommen sollte, und warum die Weltgemeinschaft sich an dieser Stelle ganz entschieden dafür einsetzt, dass der Iran diese nicht bekommt. Denn das würde, einmal abgesehen von den Dingen, die der Iran politisch vertritt, eine Welle von Wünschen nach nuklearer Bewaffnung heraufziehen lassen, die nicht in unserem Interesse sein kann. Und deshalb haben wir also hier auch große gemeinsame Probleme.

Das heißt aber, wir sollten an die Herausforderungen auch mit Blick auf Asien nicht mit Angst herangehen, sondern so, wie es das Konzept der Bundestagsfraktion aufzeigt: Die Chancen sehen, die Möglichkeiten sehen, aber die Probleme natürlich auch nicht unter den Tisch kehren und deshalb sehr nüchtern unsere Möglichkeiten suchen. Ich sage auch, wir sollten nicht versuchen, die Länder Asiens gegeneinander auszuspielen. Es gibt manchmal die Tendenz zu sagen: Wenn wir gute Beziehungen zu China und zu Indien haben, dann kann man ja vielleicht irgendwie doch wieder solche balancierten Dinge machen. Das passt nicht zu uns Europäern. Wir sollten jedes Land mit seinen Wünschen ernst nehmen. Und wir sollten nicht in den alten Kategorien der Interessensphären-Zuordnung denken.

Die Länder werden sich entwickeln. Die Länder werden auch miteinander gute Beziehungen entfalten, selbst wenn das manchmal eine Weile dauert. Asien bekommt sein Selbstbewusstsein Schritt für Schritt. Man sieht das auch an den regionalen Zusammenschlüssen. Asien lernt von den europäischen Erfahrungen, auch von den Erfahrungen der Europäischen Union. Und deshalb sollten wir jeden als Partner ernst nehmen und als Europäer sehr selbstbewusst sagen: Wir können was, wir sind ein Hochtechnologie-Kontinent, wir möchten mit euch in stabile Beziehungen eintreten, aber wir erwarten natürlich auch faire Beziehungen und werden auch noch einige Kämpfe miteinander auszukämpfen haben.

Für uns ist es natürlich zum Teil schwierig, dass wir es mit unglaublich kompetenten Wettbewerbern zu tun haben. Ich habe mit Herrn Mittal gerade heute früh darüber gesprochen. China ist jetzt ein Exportland im Stahlbereich mit denkbar gravierenden Auswirkungen auf den europäischen Stahlmarkt geworden. Die Stahlindustrie hatte in Europa eine Super-Zeit, aber die Chinesen haben inzwischen Kapazitäten ausgebaut, sind Exporteure.

Ähnlich wie wir es einmal mit Südkorea und der Schiffbauindustrie hatten, werden wir jetzt in eine Phase kommen, in der wir miteinander sprechen müssen: Wie wollen wir das denn organisieren? Gehen die Dinge alle auf der Basis der WTO-Regeln? Natürlich besteht die Gefahr, dass auch bei sehr staatskontrollierten Unternehmen die Preistransparenz nicht ganz so hoch ist wie in unseren eigenständigen privatwirtschaftlichen Unternehmen. Darüber werden wir viel miteinander sprechen müssen, ebenso wie über das Thema Schutz des geistigen Eigentums und vieles andere.

Asiatische Volkswirtschaften sind auf der einen Seite nicht nur in einfachen Produktbereichen ganz kompetente Wettbewerber, sondern, wenn wir an Indien denken, auch bei Internet, Hightech, Software-Programmierung, Callcenter vieles, vieles auf der Welt, was auch unsere Arbeitsplätze tangiert. Auf der anderen Seite ist Indien auch einer unserer größten Partner in der Entwicklungspolitik. Und diesen Widerspruch auszuhalten und vernünftig zusammenzuführen, wird auch eine der großen Aufgaben sein.

Natürlich überlege auch ich manchmal, ob es denn im Grunde in Ordnung ist, dass Internetunternehmen in Indien sehr, sehr gute Gewinne machen und wir Entwicklungshilfe geben. Muss man nicht auch von Indien fordern, dass es zu einer ausgewogenen Einkommensverteilung und Bekämpfung der Armut kommt, einfach um der eigenen Stabilität willen? Und wie lange können wir diesen Weg noch so fortschreiten, wie er ist? Ich werde sicherlich auch bei meinen Gesprächen mit dem indischen Ministerpräsidenten dieses Thema aufwerfen.

Wir haben große parlamentarische Diskussionen auch über Entwicklungshilfe für China, die inzwischen sehr, sehr klein ist. Aber wir sagen immer wieder ich glaube, auch mit gutem Grund: Im Bereich von neuen Technologien, z. B. im Klimaschutzbereich, ist es in unserem Interesse, auch an dieser Stelle noch zu helfen, obwohl wir an anderen Stellen inzwischen ganz harte Wettbewerber auf dem Weltmarkt geworden sind.

Wir werden dazu kommen ich zumindest bin zutiefst davon überzeugt, mit unseren asiatischen Partnern darüber zu sprechen, zu welchen Bedingungen auf der Welt eigentlich gearbeitet wird. Und deshalb ist für mich der Abschluss der Doha-Runde so wichtig. Ich glaube, dass wir, gemessen am Frühsommer, jetzt wieder verbesserte Chancen haben. Ich habe gerade gestern wieder eine ganze Reihe von Gesprächen geführt, auch mit Pascal Lamy. Wir haben die Chance, zum Ende des Jahres einen Erfolg zu erzielen. Ich glaube, das ist ganz besonders im Interesse der Länder, die jetzt sehr hohe Wachstumsraten haben, sowohl in Lateinamerika als auch in Asien.

Aber ich sehe auch die Probleme. Man muss ja darauf aufmerksam machen: China hat wahrscheinlich noch etwa 800 Millionen Bauern und Indien hat 600 Millionen Bauern. Man stelle sich die Arbeit im Agrarausschuss des Deutschen Bundestages vor, wenn man eine Klientel von 600 oder 800Millionen Menschen fair zu behandeln hätte, die zum Teil in bitterer Armut leben und die natürlich nicht alle in eine Situation gebracht werden dürfen, bei der sie in die Städte fliehen müssen, wodurch dann diese Riesen-Metropolen der Welt in völlig unbeherrschbare Probleme kommen würden und sich damit auch wieder Fragen der politischen Stabilität aufwerfen. Dies miteinander zu diskutieren und faire Bedingungen zu schaffen, ist nicht einfach.

Ich denke, wir können bei sehr verantwortlichen Politikern anknüpfen. Ich habe bei meinem Besuch in China erlebt, wie sehr die chinesische Führung darüber nachdenkt, eine ausgewogene, stabile Entwicklung hinzubekommen, und zwar jetzt auch mit nachhaltigerer und effizienterer Produktion. Wenn wir sehen, dass China in wenigen Jahren seine Energieeffizienz deutlich verbessern will, dann sieht man, dass ein Land wie China sich jetzt zum ersten Mal der Frage der Knappheit von Rohstoffen zuwendet, der Sauberkeit der Umwelt und das ist vielleicht das Entscheidende für die asiatischen Ökonomien der Frage der Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch. Das ist eine Erfahrung, die wir in den 70er Jahren durch die erste Ölkrise gemacht haben. Wir haben in Europa zeigen können, dass das Wirtschaftswachstum nicht gedrosselt wird, wenn eine Entkoppelung vom Energieverbrauch stattfindet. Deshalb muss diese Erfahrung auch der asiatische Kontinent machen.

Natürlich wird sich für Länder wie Indien und China und andere, wie Indonesien und Malaysia, auch die Frage stellen: Wie organisieren wir unsere Energieversorgung in Zukunft? Dabei wird die Kernenergie eine größere Rolle spielen, als wir es in Deutschland für notwendig halten. Ich schließe anwesende Parlamentarier aus der Unionsfraktion hier aus; wir haben ja eine andere Meinung dazu. Ich will nur darauf hinweisen: Wir sind mit unserer Nuklearpolitik, was die friedliche Nutzung der Kernenergie anbelangt, eher Außenseiter in der sich entwickelnden Wirtschaftswelt als dass wir im Zentrum der Debatten stehen. Die, die mit mir in China waren, werden sich vielleicht erinnern, dass irgendwann der Gouverneur der Provinz Nanjing gesagt hat: "Ach so, Kernenergie darüber sprechen wir ja mit den Franzosen." Er hat dann das Thema schnell beendet, weil demnächst sicherlich wieder eine französische Delegation dorthin kommt und dann dort die Geschäfte machen wird.

Meine Damen und Herren, was die indische Entwicklung anbelangt, so glaube ich, dass Indien als Demokratie eine sehr, sehr gute Perspektive hat, auch das Wirtschaftswachstum voranzubringen. Wir blicken in unseren Perspektiven für die Jahre 2010, 2020, 2030 auch hier auf ein dramatisch wachsendes Land. Unser Fokus war viele Jahre sehr stark auf China gerichtet. Herr Mittal hat mir gerade noch einmal gesagt: Vergesst Indien nicht, es ist ein interessanter Markt. Die Europäer, vielleicht auch die Deutschen, haben sich für eine bestimmte Zeit hier nicht ausreichend dargestellt. Ich glaube, wir haben als Europäer auch in einem Land wie Indien alle Chancen. Wir müssen uns nur engagieren und wir müssen relativ schnell agieren. Das ist manchmal ein Thema, das uns ein bisschen belastet.

Meine Damen und Herren, um die wissenschaftliche Kooperation mache ich mir keine Sorgen. Ich werde bei meiner Reise nach Indien eine große Wissenschaftsdelegation mithaben. Alle Präsidenten der deutschen Wissenschaftsorganisationen werden mitfahren. Die deutsche Wissenschaft wird sich präsentieren in Form eines Zuges, der durch Indien fahren wird und der zeigen wird: Wir wollen hier nicht nur Zusammenarbeit in ganz selektiven Gebieten, sondern wir sind bereit, mit euch gemeinsam Forschungskapazitäten zu entwickeln. Ich glaube, dass dies auch der richtige Ansatz ist.

Wir werden eine große Wirtschaftsdelegation haben. Es gibt ja auch viele spannende Projekte über den Finanzmarkt bis zu Automobilinvestitionen und vielem anderen mehr. Und es gibt viele wie Siemens und andere, die diese Chance auch nutzen wollen. Aber neben der wirtschaftlichen Kooperation müssen wir auch die Vorstellung entwickeln: Wie will die Welt politisch zusammenarbeiten? Dabei ist es, wie ich glaube, richtig und das wird in Asien auch geschätzt, dass wir sagen: Wir haben einen multilateralen Ansatz. Dieser multilaterale Ansatz gewinnt seine Kompetenz, seine Legitimation aus den Vereinten Nationen. In den Vereinten Nationen müssen wir die entsprechenden Abkommen schließen. Und deshalb haben wir auch so sehr viel Wert darauf gelegt, dass zum Beispiel im Umgang mit dem Iran Sanktionen immer wieder im Sicherheitsrat diskutiert werden. Das dauert oft lange. Aber es ist der beste Weg, um eine breite Akzeptanz in der Weltöffentlichkeit zu gewinnen.

Aus diesem Grund ist auch die Frage der Reform des UN-Sicherheitsrates ich spreche jetzt einmal gar nicht über permanente Mitgliedschaften von aller- , allergrößter Wichtigkeit, um hier schnelle, effiziente und von der Weltöffentlichkeit insgesamt akzeptierte Entscheidungen zu erhalten. Das bezieht sich auf regionale Konflikte die Rolle Chinas und die Rolle Indiens, auch in Bezug auf Myanmar, sind natürlich auch von entscheidender Bedeutung es bezieht sich aber auch auf Abkommen zum Beispiel über Mindestnormen im Arbeitsbereich. Ich nenne nur die Mindestarbeitsnorm der ILO. Hierauf müssen wir uns mit den Ländern zu verständigen versuchen, die große Wirtschaftsfaktoren werden.

Ich nenne den Umgang mit der Umwelt und den natürlichen Ressourcen. Denn wir erleben in Europa und das erlebt jetzt auch ein aus Indien stammender großer Unternehmer: Wir in Europa können nur wettbewerbsfähig bleiben, wenn auch woanders Mindeststandards bei den Arbeitsbedingungen, bei der Transparenz, bei den Energiepreisen und beim Umgang mit den natürlichen Ressourcen gesichert sind. Wir haben die Dinge durchdiskutiert. Wenn Sie den Strom nahezu zum Nulltarif bekommen und wenn Sie ganz geringe Gehälter zahlen, dann ist in bestimmten Bereichen für uns kaum noch eine Wettbewerbsfähigkeit gegeben. Und deshalb ist die Frage: Wie entwickeln wir diese Dinge von zentraler Bedeutung? Ich bin da guten Mutes, weil ich glaube, dass die Stabilität, die soziale Kohäsion dieser Länder nur erhalten bleiben können, wenn es zu einer besseren Verteilung zwischen Arm und Reich kommt. Alles andere wird in gesellschaftliche Instabilitäten führen. Deshalb können wir mit unserem Erfahrungsschatz hier sehr ruhig argumentieren und brauchen den Kopf überhaupt nicht in den Sand zu stecken.

Ich möchte ein Weiteres benennen: Das sind die kulturellen Beziehungen. Hier könnte sich etwas tun, was jenseits der politischen Öffentlichkeit in unserer Bevölkerung doch eine sehr große Faszination entfaltet. Ich glaube, dass neben unseren eigenen christlich-jüdisch-abendländischen Erfahrungen die Religionen Asiens eine hohe Attraktivität auf Menschen in Europa haben. Ich rate uns, offen und voller Respekt in diese Kulturen hineinzugehen und nicht mit der Meinung, wir hätten sozusagen die Weisheit mit Löffeln gegessen und die anderen könnten doch so etwas Spannendes wie den europäischen Kontinent gar nicht haben. Es gibt eine kulturelle Vielfalt auf der Welt, bei der es kein Besser, Schlechter, Effizienter oder Ausgearbeiteter gibt, sondern wo es einfach nur heißt, Respekt zu haben. Und ich denke, dass wir einfach nur mit Staunen auf andere Konfliktlösungsmöglichkeiten, auf andere Arbeitshierarchien und so weiter blicken werden, die einfach aus einem anderen kulturellen Umfeld kommen.

Je offener wir als Europäer sind, um so besser werden wir auch mit der globalen Herausforderung fertig werden. Und deshalb habe ich das bei meiner Reise nach China getan, deshalb tue ich es, wenn ich nach Japan reise, und deshalb freue ich mich auch in Indien darauf, wenigstens einen kleinen Punkt dessen mitzubekommen, was die Faszination dieser jahrhundertealten Kulturen ausmacht. Wir dürfen nie vergessen: Die Chinesen waren im 10. Jahrhundert so lange ist das alles noch gar nicht her führend in vielen Bereichen auf der Welt. Diese Länder haben alle Punkte, an denen sie sagen: Wenn wir in unserer Geschichte da wieder anknüpfen, dann haben wir alle Chancen, auf der Welt erfolgreich zu sein. Deshalb hat Europa viele Möglichkeiten, aber keinen Rechtsanspruch darauf, erfolgreich zu sein. Es gab Phasen in der europäischen Entwicklung ich denke an das Römische Reich, die relativ ernüchternd geendet haben.

Deshalb denke ich, dass dieser Asien-Kongress dazu beitragen soll, dass wir sagen: Wir freuen uns über neue Partnerschaften, wir sind offen, wir werden unsere Interessen sehr entschieden vertreten, aber wir sind auch bereit, von anderen zu lernen, um selbst weiter gut mit dabei zu sein in einer spannenden, großen und leider noch mit vielen Konflikten behafteten Welt.

Deshalb herzlichen Dank, dass sich die CDU / CSU-Bundestagsfraktion bei allen Problemen, die wir in unserem Land zu lösen haben, diesem Thema zugewendet hat.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.