Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 28.10.2007

Untertitel: Zur Eröffnung des neuen Ausstellungsgebäudes der KZ-Gedenkstätte Bergen‑Belsen wiesStaatsminister Neumann auf dieVerpflichtung zum Erinnern und Gedenken an den NS-Terrorherrschaft hin. Die Förderung der Gedenkstätte ist Teil des neuen Gedenkstättenkonzeptes des Kulturstaatsministers.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2007/10/2007-10-28-rede-neumann-bergen-belsen,layoutVariant=Druckansicht.html


es ist mir eine besondere Ehre, heute zur Eröffnung des neuen Ausstellungsgebäudes der Gedenkstätte Bergen-Belsen zu Ihnen zu sprechen.

Besonders dankbar bin ich den Überlebenden des Konzentrationslagers und des Kriegsgefangenenlagers sowie den Angehörigen der Opfer für ihre Anwesenheit. Das bewegt mich zutiefst. Die Gedenkstätte Bergen-Belsen ist auf Ihre Unterstützung angewiesen. Ich danke Ihnen dafür, dass Sie über alles Leid hinweg Zeugnis ablegen. Sie sind die lebendige Stimme der Erinnerung, die uns zur steten Wachsamkeit mahnt.

Meine Damen und Herren,

die Entwicklung, die das Lager Bergen-Belsen nach der Befreiung genommen hat, erzählt von dem schwierigen Weg des Gedenkens und der Wahrheitssuche in Deutschland. Es ist den ehemaligen Häftlingen zu verdanken, dass die Erinnerung an die Schrecken des Lagers Bergen-Belsen weltweit wach gehalten wurde. Seit 1952 ist das Land Niedersachsen Träger der Gedenkstätte. Im Jahr 1966 wurde die erste kleine Ausstellung eröffnet. Herr Ministerpräsident Wulff hat darüber berichtet.

Seitdem sind viele Schritte unternommen worden, um die Gedenkstätte Bergen-Belsen zu einem würdigen Ort des Erinnerns und der wissenschaftlichen Aufarbeitung zu machen.

Erinnern und Gedenken, meine Damen und Herren, sind immer einem Entwicklungsprozess unterworfen."Ich bin nicht sicher, ob wir die rechten Formen des Erinnerns für die Zukunft schon gefunden haben", sagte Roman Herzog vor zwölf Jahren an dieser Stelle. Damals, 1995, sah der ehemalige Bundespräsident die Generation der Zeitzeugen schwinden und damit die Gefahr, dass die Erfahrungen, für die Bergen-Belsen steht, nur noch als ein Teil der Geschichte wahrgenommen werden könnten. Ich bin jedoch heute überzeugt, dass das wiedervereinigte Deutschland Erinnerung und Gedenken als zentrale Verpflichtungen erkennt und wahrnimmt.

Erinnerungsorte wie die Gedenkstätte Bergen-Belsen sind für Deutschland unverzichtbar.

Die Erinnerung an die NS-Terrorherrschaft wird durch das Wissen um die Singularität des Holocaust bestimmt. Dem Völkermord an den europäischen Juden als Menschheitsverbrechen bisher nicht gekannten Ausmaßes muss in der deutschen Erinnerungskultur jetzt und für alle Zeiten eine unvergleichlich hohe Bedeutung zukommen.

Das Gedenken und Erinnern ist eine nationale Aufgabe; es ist ein erklärter Schwerpunkt in meinem Arbeitsbereich. Im Juli dieses Jahres

konnte ich dem zuständigen Ausschuss des Deutschen Bundestages den Entwurf eines neuen

Gedenkstätten-Konzeptes vorlegen mit der Überschrift "Verantwortung wahrnehmen, Aufarbeitung verstärken, Gedenken vertiefen" vorlegen. Es wird in den kommenden zwei Monaten im Kulturausschuss des Bundestages diskutiert und sollte dann die Zustimmung des ganzen Parlaments finden.

Unsere Erinnerungspolitik ruht auf zwei Säulen: der Aufarbeitung und dem Gedenken. Die Aufarbeitung soll Ursachen und Folgen analysieren und die Erinnerung an das Unrecht wach halten. Das Gedenken soll die Opfer der nationalsozialistischen Terrorherrschaft vor allem am Ort ihrer Leiden in angemessener Weise würdigen und Wissen über die historischen Zusammenhänge vermitteln. In beiden Bereichen leistet die Gedenkstätte Bergen-Belsen Vorbildliches. Herausragend ist die Arbeit der Mitarbeiter auf den Gebieten der Pädagogik und der Wissenschaft. Ich danke Ihnen, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Ihren Einsatz, der von großer persönlicher Überzeugung getragen ist.

Der Bund fördert die Gedenkstätte seit dem Jahr 2000 als national bedeutsame Einrichtung gemeinsam mit dem Land Niedersachsen und anderen Förderern. Durch Projektmittel konnten wir die nötige Hilfestellung für die Neukonzeption und Erweitung der Ausstellung geben. Ich weiß, dass nur projektgebundene Förderung für die erfolgreiche und kontinuierliche Arbeit einer Einrichtung unbefriedigend ist. Darum habe ich im neuen Gedenkstättenkonzept vorgeschlagen, die Gedenkstätte Bergen-Belsen in die institutionelle Förderung des Bundes aufzunehmen. Diese regelmäßige, gesicherte Förderung soll Bergen-Belsen und auch die Gedenkstätten Neuengamme, Dachau und Flossenbürg bei der Erfüllung ihrer Aufgaben noch besser unterstützen.

Meine Damen und Herren,

es gibt keine Alternative zu der steten Suche nach der angemessensten

rechten Form des Erinnerns. Nur der Auftrag, die Lehren aus unserer Geschichte zu ziehen und sie der nachwachsenden Generation immer wieder neu und vielleicht immer wieder anders zu vermitteln, ist von Bestand. Dazu müssen die Formen des Gedenkens und insbesondere auch der Vermittlung ständig weiterentwickelt werden. Das demokratische und wiedervereinigte Deutschland muss sich dieser Herausforderung stellen und gleichzeitig die Chance ergreifen, den folgenden Generationen die Werte unserer freiheitlich-demokratischen Ordnung aufzuzeigen. Die Verteidigung der Menschenrechte, Eigenverantwortung, Zivilcourage und Toleranz gewinnen vor dem Wissen um die nationalsozialistischen Verbrechen elementare Bedeutung. Die Bundesregierung wird auch in Zukunft in diesem Sinne ihre Verantwortung übernehmen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.