Redner(in): Thomas de Maizière
Datum: 12.11.2007

Untertitel: in Berlin
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2007/11/2007-11-08-rede-chefbk-bundesrat,layoutVariant=Druckansicht.html


Sperrfrist: Redebeginn

Anrede

Gerne übermittle ich Ihnen, Herr Präsident, die Glückwünsche der Bundeskanzlerin und der gesamten Bundesregierung zu Ihrem Amtsantritt. Wir sind entschlossen, die gute Zusammenarbeit mit den Ländern fortzusetzen.

Sehr geehrter Herr Präsident,

Ihre erste Sitzung in diesem Hohen Haus fällt auf ein geschichtsträchtiges Datum. Wie kein anderes Datum mahnt uns der 9. November, entschlossen und engagiert für Freiheit, Recht und Demokratie einzutreten. Hierzu gehört auch, die parlamentarischen Verfahren so zu gestalten, dass die Bürger die Demokratie als lebendige und praxisnahe Veranstaltung wahrnehmen als eine Debatte mit Stil, in der unterschiedliche Interessen in Politik und Gesellschaft zu Gehör gebracht und sorgfältig abgewogen werden, bevor Entscheidungen getroffen werden.

Herr Präsident, Sie haben eben zur Bedeutung des Bundesrates gesprochen. Der Bundesrat sei manchmal eine lästige zweite Kammer in einem gewaltenteiligen Staat. Hierzu sage ich: unbequem manchmal gewiss, aber keineswegs lästig. Durch den Bundesrat wirken die Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes und in Angelegenheiten der EU mit so steht es im Art. 50 GG.

Die Länder sind also dazu aufgerufen, ihre Interessen über den Bundesrat selbstbewusst einzubringen. Dabei ist es natürlich ihr Recht zu versuchen, diese auch im Rahmen der Zuständigkeiten von Bund und Ländern durchzusetzen. Aber, Sie haben sicher nur aus Zeitgründen nicht darauf hingewiesen, dass der Bundesrat nicht ein Organ der Länder, sondern ein Bundesorgan ist... .

Aus eigener Erfahrung wissen wir alle, dass das Zusammenspiel von Bund und Ländern in der Sache wie im Verfahren nicht immer einfach ist. Konstruktive und ergebnisorientierte Zusammenarbeit von Bund und Ländern ist aber von zentraler Bedeutung, wenn wir das Vertrauen der Menschen in die Demokratie wahren und stärken wollen.

Aus meiner Sicht ist uns dies gemeinsam jedoch in den letzten zwei Jahren im Großen und Ganzen ganz gut gelungen. Dass der Vermittlungsausschuss in dieser Legislaturperiode nur zweimal angerufen wurde, zeigt, wie klug die Gesetzentwürfe von Bundesregierung und Bundestag angelegt sind... .

Ich möchte auch Ihnen, sehr geehrter Herr Ministerpräsident Ringstorff, für die Kooperation unter Ihrer Präsidentschaft danken. In Ihrer Rede in der vergangenen Sitzung haben Sie zentrale politische Projekte des letzten Jahres angesprochen: Unternehmensteuerreform, Gesundheitsreform, Elterngeld. Sie haben auch auf die konstruktive und zuweilen kritische Arbeit des Bundesrates hingewiesen. Gerade in den von Ihnen genannten Bereichen war es hilfreich, dass es bereits im Vorfeld und während des Gesetzgebungsverfahrens intensive Abstimmungen zwischen Bund und Ländern gegeben hat.

Es gibt weitere Beispiele gelungener Zusammenarbeit, auch außerhalb des Bundesrates:

Ich denke z. B. an den gemeinsamen Plan zur Integration von Menschen mit Migrationshintergrund. Damit haben sich Bund und Länder erstmalig auf ein umfassendes Maßnahmenkonzept für eine bessere Integration verständigt.

Oder den Hochschulpakt und die Exzellenzinitiative: Initiativen, mit denen der Bund den Zuwachs an Studienplätzen sowie Wissenschaft und Forschung an deutschen Hochschulen fördert.

Bund und Länder handeln auch gemeinsam beim Ausbau der Kinderbetreuung. Der Bund wird sich bis 2013 mit 4 Mrd. € an den Kosten des Ausbaus sowohl für Investitionen wie auch für Betriebskosten beteiligen, danach jährlich mit 770 Mio. € aus dem Umsatzsteueraufkommen an den Betriebskosten. Diese Form der Zusammenarbeit steht nicht im Lehrbuch des Staatsrechts nach der Föderalismusreform I. Aber die Bundesregierung steht nun zu diesem schwierig verhandelten Kompromiss.

Schließlich haben Bund und Länder gemeinsam etwas für einen weitgehenden Nichtraucherschutz getan, hier nun allerdings jeder in seinem Zuständigkeitsbereich.

Aus meiner Sicht hat sich auch die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in EU-Angelegenheiten bewährt. Mit dem Länderbeteiligungsverfahren gem. Art. 23Grundgesetz werden die Länder frühzeitig über Vorhaben der EU informiert und können ihren Sachverstand und ihre Interessen in die Verhandlungen in Brüssel einbringen. Andererseits stellt es sicher, dass Deutschland in Brüssel mit einer Stimme spricht und damit die Handlungsfähigkeit deutscher Europapolitik gewahrt bleibt. Die Bundesregierung ist bemüht, auch unabhängig von rechtlichen Ansprüchen die Stellungnahmen der Länder so weit wie möglich zu berücksichtigen. Die Anzahl der inhaltlichen Konflikte ist sehr begrenzt.

Im Übrigen sind EU-Papiere selten geheim. Das Problem liegt eher umgekehrt in der Fülle der veröffentlichten Papiere, in denen sich Wichtiges neben Unwichtigerem gewissermaßen "versteckt".

Nun kann jedes Verfahren sicherlich optimiert werden. Die Länder haben dazu eine Vielzahl von Vorschlägen vorgelegt. Ich bin zuversichtlich, dass wir uns am Ende einigen. Ich will aber eines ganz deutlich sagen: Die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung auf europäischer Ebene sollte gewahrt bleiben. Das ist auch im wohlverstandenen Interesse der Länder.

Die vergangene EU-Ratspräsidentschaft dürfen Bund und Länder als gemeinsamen Erfolg verbuchen. Auch im Namen der Bundeskanzlerin möchte ich mich für die gute Zusammenarbeit bedanken. Ich erinnere an den Schulprojekttag am 22. Januar, an das Treffen der Regierungschefs von Bund und Ländern mit Kommissionspräsident Barroso in Brüssel sowie an das Engagement der Länder im Prozess um den Verfassungsvertrag.

Viele Anregungen der Länder sind in den Reformvertrag eingegangen. Mit dem Subsidiaritäts-Frühwarnmechanismus und einer klareren Kompetenzabgrenzung werden zentrale Forderungen auch der Länder erfüllt. Die Substanz des bisherigen Verfassungsvertrages, dem der Bundesrat ja zugestimmt hatte, bleibt erhalten.

Der neue Vertrag soll am 13. Dezember2007 von den Staats- und Regierungschefs unterzeichnet werden. Der Bundesregierung ist sehr daran gelegen, das anschließende Ratifizierungsverfahren zügig bis zum Sommer 2008 abzuschließen. Dies hätte eine Vorbildfunktion für unsere europäischen Partner. Hierfür bitte ich Sie um Ihre Unterstützung.

Meine Damen und Herren, Aufschwung Teilhabe Wohlstand " - unter dieser Überschrift steht das Arbeitsprogramm, das die Bundesregierung in Meseberg für die zweite Hälfte der Legislaturperiode vorgesehen hat. Ziel ist es, den Aufschwung zu verstetigen und für immer mehr Menschen spürbar zu machen, ohne den Kurs der Konsolidierung aufzugeben oder aufzuweichen.

Kein Zweifel: Der Aufschwung kommt allmählich bei allen an. Die steigenden Beschäftigungszahlen sprechen eine klare Sprache. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik liegt die Zahl der Erwerbstätigen über 40Millionen. Seit Regierungsantritt der Großen Koalition gibt es 1 Mio. Arbeitslose weniger.

Wir haben damit die niedrigste Arbeitslosenzahl eines Oktobers seit 15Jahren.

Aufgrund der guten Entwicklung am Arbeitsmarkt sind wir in der Lage, weitere positive Impulse für die Fortsetzung des Aufschwungs zu geben: Eine Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrages auf 3,9 Prozent zu Beginn des nächsten Jahres ist bereits auf den Weg gebracht. Angesichts der günstigen Entwicklung des Beitragsaufkommens und der geringeren Ausgaben stehen die Zeichen gut für eine darüber hinaus gehende Absenkung. Damit können neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Kaufkraft wird gestärkt. Insgesamt bedeutet die Absenkung von 6,5 auf alleine 3,9 eine Entlastung für die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer in Höhe von rund 20 Mrd. Euro. Ein sozialpflichtig Beschäftigter hat damit bei einem durchschnittlichen Bruttolohn von 27.000 Euro im Jahr rund 350 Euro mehr im Portmonee.

Dem wirtschaftlichen Standort Deutschland und der Sicherung von Arbeitsplätzen dienen auch die verabschiedete Unternehmenssteuer- und die geplante Erbschaftsteuerreform: Das Urteil des BVerfG muss umgesetzt werden und die Unternehmensnachfolge soll erleichtert werden. Auch dies ist bisher ein gutes Beispiel für gute Bund-Länder-Zusammenarbeit.

Um den Innovationsstandort Deutschland auszubauen, brauchen wir gut ausgebildete Fachkräfte. Mit einem Vorschlag für eine "Nationale Qualifizierungsinitiative" wird die Bundesregierung die Bedingungen für Bildung und Qualifizierung verbessern und das Potenzial inländischer Fachkräfte besser nutzen.

Auch dies kann nur in gemeinsamer Anstrengung von Bund, Ländern, Sozialpartnern und weiteren Akteuren gelingen.

Meine Damen und Herren,

zentrale Aufgabe bleibt nach wie vor die Haushaltskonsolidierung. Die Finanzlage von Bund, Ländern und Kommunen hat sich in den vergangenen Jahren aufgrund der erfolgreichen Konsolidierungspolitik wesentlich verbessert.

Wie lange das so bleibt, ist offen. Die Bäume wachsen nicht in den Himmel. Ziel muss es sein, den Konsolidierungskurs zu verstetigen und finanzielle Handlungsspielräume dauerhaft zurück zu gewinnen.

Entscheidende Bedeutung kommt hierbei den Verhandlungen zur Föderalismusreform II zu. Mit den bisherigen Instrumenten darin sind sich wohl alle Kommissionsmitglieder einig gelingt es nicht, die wachsende Staatsverschuldung dauerhaft zu begrenzen. Die Große Koalition bietet die nicht so bald wiederkehrende Chance, Grundlagen für eine strikte und effektive Schuldenbegrenzung und damit für nachhaltige Haushaltskonsolidierung zu schaffen. Diese Chance sollten Bund und Länder nicht verpassen.

Wir sollten daher die Verhandlungen weiter zügig vorantreiben und auf einen Abschluss in dieser Legislaturperiode hinarbeiten.

Ich verkenne nicht, dass hierzu noch einige Hürden genommen werden müssen.

Einige Länder wollen eine Regel für die Verschuldungsbegrenzung nur akzeptieren, wenn ihnen die durch die Altschulden entstandenen Lasten in ihren Haushalten abgenommen wird. Daher soll sich nach Auffassung einiger Länder sogar der Bund beteiligen. Dies halte ich jedoch für einen höchst problematischen Ansatz. Jeder sollte für die Folgen seiner finanzpolitischen Entscheidungen in der Vergangenheit selbst die Verantwortung übernehmen.

Natürlich sind die Ausgangslagen der Länder unterschiedlich. Deshalb könnte man die besondere Situation hoch verschuldeter Länder innerhalb einer neuen Schuldenregel berücksichtigen.

Eine Möglichkeit wäre z. B. , längere Übergangsfristen zu schaffen, bis eine neue Schuldenregel vollständig greift. Finanzielle Hilfen von außen sind hingegen anreizfeindlich und begründen ein neues Finanzausgleichssystem.

Außerdem widmet sich die Kommission der Frage, wie die staatlichen Aufgaben bei Bund und Ländern besser wahrgenommen werden können. Wir müssen dabei Effizienzreserven in den Verwaltungen erschließen, Doppelzuständigkeiten abbauen und moderne Informationstechnologie zur verbesserten Kooperation nutzen. Dadurch können für alle Beteiligten finanzielle Vorteile und neue Handlungsspielräume geschaffen werden.

Herr Präsident,

meine Damen und Herren,

gemeinsam ist es uns im vergangenen Jahr gelungen, wichtige Maßnahmen umzusetzen und einzuleiten. Dabei haben die Länder im Bundesrat über Stellungnahmen und Initiativen viel Sachverstand und Ideen eingebracht. Die Bundesregierung ist dankbar für diese Impulse und wird diese auch in Zukunft in ihre Vorhaben einfließen lassen. Gemeinsam sind wir gefordert, den eingeschlagenen Kurs fortzusetzen im Interesse der heute in Deutschland lebenden Menschen, aber auch im Interesse der künftigen Generationen. Die Bundesregierung setzt dabei auf Ihre Unterstützung.

Ihnen, Herr Präsident, wünsche ich in diesem Sinne eine erfolgreiche Amtszeit.