Redner(in): Thomas de Maizière
Datum: 22.11.2007
Untertitel: in Hamburg
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2007/11/2007-11-22-rede-chefbk-sicherheit-ist-mehr-als-verteidigung,layoutVariant=Druckansicht.html
Sehr geehrter Herr Professor Zeidler,
sehr geehrte Damen und Herren
Professorinnen und Professoren,
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
sehr geehrte Studentinnen und Studenten!
Ich bedanke mich bei den Studenten für die freundliche Einladung, vor Angehörigen der Helmut-Schmidt-Universität zu sprechen.
Nach welchem Maßstab müssen wir unter den Herausforderungen und Risiken der heutigen Zeit die Sicherheit unseres Staates und unserer Bürgerinnen und Bürger gewährleisten?
Wir hören und lesen in der Zeit nach "9/11" viel über "Sicherheit" und "Freiheit". Manche protestieren reflexartig gegen jeden Vorschlag zur Verbesserung der inneren Sicherheit. Manche verteidigen ihn reflexartig. Es sei ein nicht hinnehmbarer Eingriff in die Freiheitsrechte des Einzelnen. Natürlich gilt es immer abzuwägen, ob und welche Eingriffe in die Freiheit Einzelner die Sicherheit aller verbessern können.
Freiheit und Sicherheit aber sind keine naturgegebenen Gegensätze. Ich bin überzeugt davon: Wer Sicherheit verteidigen will, braucht die Freiheit. Und umgekehrt: Wer Freiheit verteidigen will, braucht Sicherheit.
Es gibt keinen Ort größerer individueller Entfaltungsmöglichkeiten, als den demokratisch und rechtsstaatlich verfassten Staat. Diesen freiheitlichen Staat zu schützen und zu verteidigen bedeutet auch den größtmöglichen Schutz der Freiheit seiner Bürgerinnen und Bürger.
Freiheit ist auch ein Abwehrrecht gegen den Staat, gegen zu viel staatlichen Eingriff. Vor allem aber ist Freiheit ein Mitverantwortungsrecht und eine demokratische Mitgestaltungspflicht. Freiheit von etwas reicht nicht. Freiheit für etwas, das ist der eigentliche gestaltende Sinn dieses Grundrechts. Wenn ich Freiheit sage, meine ich deshalb die verantwortete Freiheit, in der jeder Einzelne nach seinen Fähigkeiten seinen Teil zum Gemeinwohl unseres Staates beiträgt. Unsere Bürgerinnen und Bürger ebenso wie die staatlichen Organe, die Kommunen, Verbände, Gewerkschaften sowie die Verantwortlichen in Handel und Industrie.
Liebe Studierende,
Sie sind diejenigen, die in wenigen Jahren zunächst überwiegend in der Bundeswehr, später auch in Staat und Gesellschaft, in Wirtschaft und Industrie, die Chance erhalten, die Gegenwart zu gestalten und Weichen für die Zukunft zu stellen.
Ihr Studium an der Universität der Bundeswehr ist zentraler Bestandteil der Ausbildung zum Offizier. Sie erwerben hier spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten in ihren jeweiligen Fachstudiengängen, aber auch zum fächerübergreifenden Denken und Handeln, zur Methode und hoffentlich auch zur weiteren Gewissens- und Charakterbildung.
Es wird mehr und mehr auf die Fähigkeit ankommen, sich aus der Perspektive einer soliden Fachkenntnis heraus in viele andere Bereiche hinein zu vernetzen. Zu viel Fachlichkeit verengt den Blick aufs Ganze, zu viel Allgemeines verengt den Blick aufs Fachliche.
Ich sage dies auch mit Blick auf die vielfältigen, komplexen Herausforderungen, vor denen wir heute und auf absehbare Zeit national, in Europa und in der Welt stehen.
Welche Herausforderungen sind uns nun gestellt? Welche Risiken ergeben sich aus unserer Einbindung in die internationale Staatengemeinschaft?
Wenn wir uns das breite Spektrum der Herausforderungen und Risiken vergegenwärtigen, dann kann folgende Aufzählung schon einige Beunruhigung auslösen:
Internationaler grenzüberschreitender Terrorismus, religiöser Fanatismus, steigende Zahl von Atommächten, Proliferation von Massenvernichtungswaffen, Regionalkonflikte, zerfallende Staatlichkeit.
Hinzu kommen die Vorsorge um die Sicherheit von Transport- und Kommunikationswegen, der sichere Zugang zu Ressourcen, insbesondere zu den Energieressourcen, einschließlich Wasser.
Ferner die drängenden Fragen möglicher Auswirkungen von Migration, Epidemien und Seuchen sowie den Erhalt unserer Umwelt und der Klimawandel. Sollen wir angesichts solcher Herausforderungen verzweifeln? Natürlich nicht. Nur dürfen wir nicht die Augen davor verschließen.
Vieles davon ist übrigens nicht neu: Jede Generation bildet sich ein, dass die Herausforderung, in der sie lebt, einzigartig ist. Religiösen Fanatismus kennen wir leider selbst in der Geschichte des Christentums. Mangelnde Staatlichkeit war vor der Begründung der Nationalstaaten der Regelfall. Transportwege waren immer gefährdet. Denken Sie an die Seeräuber oder die Salzwege. Von Völkerwanderungen hören wir im Geschichtsunterricht auch.
Kurzum, wir sollten unsere Herausforderungen nicht vorschnell als einzigartig beschreiben. Neu ist vielleicht nur die umfassende, gleichartige und öffentliche Kenntnis von alledem.
Anrede
wie ist nun die Antwort der Bundesregierung auf all diese Herausforderungen und Risiken? Es ist im Bereich der Sicherheit ein vernetzter Ansatz von Sicherheitspolitik, so wie er im Weißbuch von 2006 erstmals zugrunde gelegt wurde.
Vernetzte Sicherheit heißt, wir wollen eine ressortübergreifende und in der politischen Zielsetzung kohärente Sicherheitspolitik.
Krisen kann man meist nicht allein militärisch lösen, aber in vielen Fällen auch nicht ohne militärische Absicherung und die Herstellung eines sicheren Umfeldes.
Militärische Absicherung und ziviler Wiederaufbau müssen Hand in Hand gehen und sich in ihrer Zielsetzung und in ihrem Vorgehen ergänzen, bezogen auf ein politisches Gesamtziel. Tom Königs, der UN-Beauftragte für Afghanistan hat es gesagt: in Afghanistan gibt es keine Entwicklung ohne Sicherheit, aber auch keine Sicherheit ohne Entwicklung.
Die konstruktive Zusammenarbeit der Bundesressorts AA, BMVg, BMZ und BMI am Beispiel der ISAF Operation in Afghanistan ist dafür ein gutes Beispiel.
Die Merkmale des vernetzten Sicherheitsbegriffes umreiße ich wie folgt: Vernetzte Sicherheit ist interessen- , werte- , normen- und zielorientiert.
Sie stellt sich internationaler Verantwortung; sie denkt, plant und handelt ressortgemeinsam. Sie hat ein umfassendes und präventives Verständnis von Sicherheit und ist multinational abgestimmt und integriert.
Diese Merkmale setzen den wesentlichen Handlungsrahmen, den die Bundesregierung und der Deutsche Bundestag in der Sicherheitspolitik haben. Daran müssen sich Maßnahmen zur Abwehr von Bedrohungen unserer Sicherheit und Entscheidungen über Auslandsengagements in Krisenregionen orientieren.
Anrede
So unterschiedlicher Natur Klimawandel und internationaler Terrorismus, Proliferation und die Gefahr von "Failed States" auch sind, eines haben sie gemeinsam: Sie können alle Staaten auf der ganzen Welt bedrohen, nicht mehr nur regional.
Es sind globale Herausforderungen. Deshalb helfen auch keine nationalstaatlichen Lösungen. Vorsorgende Politik muss multinational abgestimmt sein, mit unseren Verbündeten, Freunden und Partnern in Europa und darüber hinaus.
Die Vereinten Nationen, die NATO und die EU sind die Foren, die uns diese Vernetzung nach außen ermöglichen.
Ich möchte hier betonen, wie essenziell dabei die Arbeit der Nachrichtendienste für die Gewährleistung unserer Sicherheit ist. Dabei möchte ich auch den BND erwähnen.
Ohne deren Erkenntnisse, ohne den Austausch von Informationen mit Partnerdiensten und die Zusammenarbeit mit Partnern wäre es um unsere Sicherheit im Inneren und Äußeren schlecht bestellt. Wir wären taub und blind... Interessant ist, dass der BND vernetzte Sicherheit darstellt. Die Bundesrepublik hat einen einzigen Auslandsnachrichtendienst, nicht einen getrennten in militärisch und zivil.
Angesichts vieler neuartiger Risiken, dürfen wir aber nicht darüber hinwegsehen, dass "alte" Bedrohungen und Risiken geblieben sind. Der Staat bleibt bestimmende Größe und ein Rückfall in Staatenkriege bleibt denkbar. Deshalb ist sicherheitspolitischer Realismus und Pragmatismus erforderlich.
Vernetzte Sicherheitspolitik muss auch präventiv ausgerichtet sein. Prävention heißt, auf alle vorhersehbaren Risiken, aber auch auf nicht vorhersehbare Gefahren einigermaßen vorbereitet zu sein.
Wenn man auf eine konkrete Gefahr bestens vorbereitet ist, und es realisiert sich eine andere, ist man unvorbereitet. Wenn man sich aber auf alles vorbereiten will, ist man in Wahrheit auf nichts vorbereitet.
Es kommt also darauf an, auf möglichst viel gut vorbereitet zu sein, allerdings um den Preis, sich auf nichts perfekt vorbereiten zu können. Dieser wichtige Grundsatz hat zu tun mit Bundeswehrplanung, mit Beschaffungsplanung. Ich empfehle Ihnen, diesen Grundsatz bei der Vorbereitung von Examina zu beachten.
Sicherheitspolitik muss man machen in der Überzeugung, dass es absolute Sicherheit eben nicht gibt.
Die Komplexität sicherheitspolitischer Fragen muss uns Ansporn sein, nach konstruktiven Lösungen zu suchen und dabei unsere rechtlichen Bindungen nicht zu ignorieren. Wir brauchen kreative Lösungen auch im Innern.
Die Gefahren, die vom internationalen Terrorismus ausgehen verwischen die strikte Trennung von innerer und äußerer Sicherheit.
Die NATO hat im Terrorakt des 11. September 2001 einen Angriff auf einen ihrer Mitgliedstaaten im Sinne des Artikel 5 Washingtoner Vertrag und des Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen gesehen.
Diesem Verständnis hat sich der Deutsche Bundestag in der Abstimmung über die Verlängerung des Mandates OEF vor einer Woche erneut mit großer Mehrheit angeschlossen.
Wenn wir über sicherheitspolitischen Handlungsbedarf sprechen, so stellen wir schnell fest, dass die Schnittstellen von Polizei und Streitkräften in unserer Rechtsordnung eine Besonderheit darstellen, die sich bisher im Inneren bewährt haben.
In beiden Bereichen werden die Staaten zunehmend aufgerufen, Fähigkeiten in Auslandsengagements bereitzustellen.
Deutschland verfügt über keine Gendarmeriekräfte, also eine paramilitärische Polizei, wie etwa Frankreich und Italien. Zudem sieht das föderale Prinzip des Grundgesetzes eine Trennung in Bundespolizei und die Länderpolizeien vor. Die Beteiligung von Polizeibeamtinnen und -beamten an Auslandsengagements setzt deren Freiwilligkeit voraus.
All diese Faktoren sind zu beachten, wenn es darum geht, größere Kontingente, beispielsweise für eine Polizeimission der Europäischen Union, zur Verfügung zu stellen.
Dennoch leisten wir anerkannte und wertvolle Beiträge, zum Beispiel im Rahmen von EUPOL in Afghanistan. Die Bundeskanzlerin hat bei ihrem Besuch in Afghanistan Anfang diesen Monats dem afghanischen Staatspräsidenten zugesagt, das Engagement Deutschlands in der Ausbildung der afghanischen Polizei zu verstärken. Der Bundestag hat eine Erhöhung der Mittel von 15 auf 35 Millionen Euroim nächsten Jahr zugesagt.
Anrede
Innere Sicherheit ist im Kern Aufgabe der Innenminister von Bund und Ländern, der Polizeien und des Verfassungsschutzes. Aber dort, wo polizeiliche Mittel nicht mehr hinreichen, um eine Gefahr für die Bürgerinnen und Bürger und für unser Gemeinwesen abzuwehren was dann? Muss es auch möglich sein, auf die Fähigkeiten und Mittel der Bundeswehr zurückzugreifen? Das haben zum Beispielauch die Einsätze der Bundeswehr in Überschwemmungsgebieten bei Hochwasserkatastrophen gezeigt. Nach Artikel 35 des Grundgesetzes ist es eine Amtshilfe, die unter Aufsicht der zivilen Kräfte stattfindet.
Was aber bei nicht militärischen "Lagen" an der Küste oder im Luftraum? Wichtig und vernünftig ist, nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Luftsicherheitsgesetz die Debatte darüber weiter zu führen.
Sinnvoll finde ich im übrigen auch die Überlegung, bei dieser Gelegenheit eine klare Grundlage für die Auslandseinsätze unserer Streitkräfte zu schaffen und so den etwas mühsamen verfassungsrechtlichen Umweg über Artikel 24 Absatz 2 Grundgesetz klarzustellen.
Die Soldatinnen und Soldaten müssen in allen Fällen Rechtssicherheit haben für ihren Einsatz, Rechtssicherheit so weit es möglich ist. Jeden Einsatz kann man aber im Vorhinein nicht rechtlich regeln.
Ich bin ganz optimistisch, dass die Bundesregierung und die Koalition auch für die derzeit noch nicht abschließend beantworteten, rechtlichen Fragen eine den Sicherheitserfordernissen entsprechende Lösung finden wird. Wir sind jedenfalls in guten Gesprächen.
Sicherheit hat auch eine wirtschafts- und finanzpolitische Dimension, eine ökologische Dimension. Sicherheit fordert kulturellen und interreligiösen Dialog, fordert Ausgleich und Versöhnung.
Sicherheit fordert Hilfe zur Herstellung und dem Erhalt stabiler, rechtsstaatlicher und demokratischer Verhältnisse. Sicherheit hat eine starke soziale Dimension, die sich im Kampf gegen Hunger, Armut und Krankheiten und in der Verbesserung der Chancengleichheit in der Welt in Bezug auf Bildung und Arbeit realisiert.
Nicht alles davon kann der Staat oder soll der Staat leisten, und schon gar nicht Deutschland allein: Wenn wir religiösen Fanatismus und Fundamentalismus als Quelle von Instabilität und Risiken erkannt haben, müssen wir auch über die Rolle der Religionen und Glaubensgemeinschaften reden und deren Mitverantwortung für Dialog und Verständigung.
Hier zeigt sich, wie wichtig die verantwortete Freiheit, also Freiheit als Mitverantwortungsrecht und demokratische Mitgestaltungspflicht ist.
Auch im Bemühen um unsere Umwelt, um eine ökologisch vernünftige Industrie- und Energiepolitik und um die Begrenzung der globalen Erwärmung müssen Staat, Gesellschaft und Wirtschaft Hand in Hand arbeiten.
Hier wird Innenpolitik zur Außenpolitik. Denn die Herausforderungen und Folgen des Klimawandels werden wir ebenfalls nur im Zusammenwirken mit allen Industrienationen und den aufstrebenden Märkten in Asien beherrschbar machen können.
Die Europäische Union hat mit ihren weitreichenden Beschlüssen zugunsten einer integrierten Klima- und Energiepolitik weltweit die Vorreiterrolle übernommen. Der Europäische Rat hat im März dieses Jahres ehrgeizige Ziele für die Reduzierung der klimaschädlichen Emissionen ( CO2 -Emissionen bis 2020 um 30 Prozent, unabhängig von dem Vorgehen anderer Staaten jedoch um mindestens 20 Prozent gegenüber 1990 ) und die sichere Energieversorgung festgelegt.
Sie werden von einem Aktionsplan Energie mit ebenso ehrgeizigen Zielen für Energieeffizienz ( bis 2020 20 Prozent des Energieverbrauchs ) und erneuerbaren Energien ( Anteil der erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch von 20 Prozent ) untermauert. Der Aktionsplan verzahnt kohärent und gleichrangig Wettbewerbsfähigkeit, Versorgungssicherheit und Klimaschutz zu einem Zieldreieck der Energiepolitik für Europa.
Die EU hat sich erneut dazu bekannt, den globalen Anstieg der Temperatur auf maximal 2 Grad zu begrenzen. Die Absprachen auf dem Gebiet der Energiepolitik und des Klimaschutzes waren ein wichtiger Zwischenschritt auf dem Weg zu den Vereinbarungen in Heiligendamm beim G8 -Treffen.
All das hat eine wichtige sicherheitspolitische Komponente. Man muss nur schauen, wo unsere Energie herkommt. Ein schonender Umgang mit Energie durch die Industrie- und Schwellenländer ist angewandte Sicherheitspolitik, weil es die Risiken von Verteilungskämpfen reduziert und den Zugang der Entwicklungsländer zu bezahlbarer Energie ermöglicht. Der Ölpreis ist ein ökonomischer, ökologischer, sozialer und sicherheitspolitischer Faktor geworden.
Anrede
Es gibt einen Bedarf für strategisches Denken in diesem Sinne in der Sicherheitspolitik, das eigenen Interessen und Werten entspricht. Manchmal wird deshalb gefragt: Brauchen wir dann nicht auch eine nationale Sicherheitsstrategie in Deutschland?
Nein. Sicherheit können und wollen wir nicht mehr allein national, sondern in erster Linie europäisch und transatlantisch definieren und realisieren.
Zudem verfügen wir mit dem vor ca. einem Jahr veröffentlichten Weißbuch der Bundesregierung - nicht Weißbuch der Bundeswehr - über ein solides nationales sicherheitspolitisches Dokument.
Zusammen mit der EU-Sicherheitsstrategie haben wir damit bereits eine tragfähige Grundlage für die Handlungsfähigkeit deutscher Sicherheitspolitik.
Das Weißbuch beschreibt die Grundlagen deutscher Sicherheitspolitik und ordnet sie in einen internationalen Rahmen ein.
Es ist ein Konsenspapier der beiden großen deutschen Volksparteien. Natürlich mag das Weißbuch, je nach Standort des Betrachters, noch - ich will es mal so nennen - "Baustellen" aufweisen. Das mindert jedoch nicht den Wert eines solchen Dokumentes.
Wir müssen die Transformation der Bundeswehr unter Haushaltsrestriktionen zielgerichtet weiterführen. Wir müssen den Zusammenhang zwischen innerer und äußerer Sicherheit anerkennen, aber gemäß unseren rechtlichen, das heißtgrundgesetzlichen Vorgaben auch entflechtet halten, wo dies geboten ist. Die eine Strategie oder das eine Kriterium für Auslandseinsätze gibt es nicht, weil wir nicht allein auf der Welt sind. Außerdem darf eine politische Entscheidung in der Sicherheitspolitik für aktuelle und potenzielle "Gegner" auch nicht berechenbar sein.
Wichtig ist in jedem Fall, dass Sicherheitspolitik stärker verzahnt werden muss, sowohl im strategischen Ansatz als auch in der operativen Durchführung unserer Auslandsengagements.
Diese strategische Ausrichtung deutscher Sicherheitspolitik wird unter anderemauch im Bundessicherheitsrat thematisiert.
Neben der Genehmigung von Rüstungsexporten besteht die Aufgabe des Bundessicherheitsrates auch in der Diskussion und Abstimmung einer strategisch ausgerichteten Sicherheitspolitik.
Der BSR ist auch in der Verantwortung als Kuratorium für die Berliner Bundesakademie für Sicherheitspolitik.
Diese sicherheitspolitische, ressortübergreifend angelegte Fortbildungseinrichtung für Führungskräfte aus Bund und Ländern, Gesellschaft und Wirtschaft, steht beispielhaft für eine Vernetzung auf dem Fortbildungssektor.
International agiert Deutschland als das bevölkerungsreichste und gemessen am Bruttoinlandsprodukt wirtschaftsstärkste Land und als größte Exportnation Europas ( 2/3 der Exporte gehen in EU-Länder, 1/3 in Nicht-EU-Länder ) .
Als global vernetzter Wirtschaftsstandort leistet Deutschland - aus eigenem Interesse in Europa und weltweit anerkannte zivile und militärische Beiträge für Frieden und Stabilität.
Die internationale Erwartungshaltung an Deutschland diesbezüglich ist sehr hoch. Sie wird in Zukunft eher steigen als sinken und: sie ist höher als die Bevölkerung dies akzeptiert. Ich denke, wir werden ihr alles in allem gerecht.
Als Fazit halte ich fest:
Eine deutsche Sicherheitspolitik, die vorausschauend handelt, präventiv ausgerichtet ist, aber auch auf die Erfordernisse einer erfolgreichen Bedrohungsabwehr zielt, wird dann zu einer breit akzeptierten Sicherheitsphilosophie, wenn bürgerliche Freiheitsrechte gewahrt bleiben.
Beide Aufgaben des Staates - die Gewährleistung von Sicherheit und die Garantie von Freiheitsrechten - haben Verfassungsrang. Daher gilt es, die rechtsstaatliche Balance zwischen Freiheit und Sicherheit zu halten.
Wenn wir uns auf die Ebene der sicherheitspolitischen Instrumente begeben, müssen wir festhalten, dass sich der Staat die für in diesem Rahmen erforderlich gehaltenen Mittel geben muss.
Deshalb ist es ganz klar, dass sich zum Beispielder Bundesinnenminister für Verbesserungen bei der Inneren Sicherheit einsetzt und einsetzen muss; das ist seine Aufgabe. Und auf seinem Feld gilt das auch für den Verteidigungsminister.
Der Staat kann allerdings nicht alle Forderungen, die an ihn gerichtet werden, zufrieden stellen. Auch andere Akteure, wie zum Beispieldie Nichtregierungsorganisationen oder auch Wirtschaftsunternehmen, können die von mir skizzierte Sicherheitspolitik mit den ihnen eigenen Instrumenten, Fähigkeiten und Möglichkeiten unterstützen.
Krisen kosten keine Freiheit und Sicherheit ist auch kein Tauschprodukt für Freiheit, wie eine bekannte Autorin in ihrem neuesten Buch der Politik vorhält. In der Tat, wer Sicherheit will, muss zuerst die Freiheit, wo nötig, verteidigen und überall auf der Welt für sie eintreten. Denn Sicherheit ist mehr als Verteidigung.