Redner(in): Angela Merkel
Datum: 26.11.2007
Untertitel: in Berlin
Anrede: Lieber Herr Heesen, meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2007/11/2007-11-26-rede-merkel-dbb-gewerkschaftstag,layoutVariant=Druckansicht.html
ich bin heute in der Tat sehr gerne hierher gekommen, auch als Zeichen der Dialogbereitschaft und als Zeichen der Anerkennung Ihrer Arbeit. Weil ich vor wenigen Jahren bei Ihnen war allerdings nicht als Bundeskanzlerin, war es mir gar nicht bewusst, dass seit 1995 kein Bundeskanzler mehr bei Ihnen war. Ich könnte es mir jetzt einfach machen und fragen: Wie konnte das passieren? Dafür habe ich gar kein Verständnis. Aber das wollen wir jetzt mal lassen.
Heute bin ich jedenfalls da und signalisiere damit, dass diese Bundesregierung zum Dialog bereit ist. Die Wahlen liegen noch vor Ihnen. Glückwünsche kann ich also noch nicht überbringen. Aber, lieber Herr Heesen, eine bekannte überregionale Zeitung um es zu verraten: es war die "F. A. Z." hatte Sie bei Ihrer Wahl 2003 zum Bundesvorsitzenden als "Beamtenlotse" bezeichnet. Ich glaube, die Aufgabe eines Lotsen in schwierigem Fahrwasser ist Ihnen samt Ihren Mitstreitern in dieser Amtszeit durchaus oft zugekommen. Das war nicht immer einfach.
Deshalb möchte ich ein Dankeschön sagen, denn trotz kritischer Diskussionen Sie haben ja schon einiges angeführt habe ich immer gespürt, dass der Deutsche Beamtenbund und Tarifunion ein positives Grunddenken hat und versucht, die Dinge in eine gute Art und Weise zu lösen, sie gleichsam in ein gutes Fahrwasser zu bringen, um das Bild des Lotsen aufzugreifen. Dafür ein herzliches Dankeschön. Wir sind uns gewahr das will ich hier ausdrücklich sagen, dass das nicht einfach so hingenommen wird, als würde das selbstverständlich sein, sondern wir wissen das zu schätzen.
Im Übrigen ein herzliches Dankeschön dafür, dass Sie nicht nur eine Gruppe, sondern viele Gruppen von Menschen mit verschiedenen Interessen vertreten von Polizisten über Lehrer bis zu Feuerwehrleuten, Krankenschwestern usw. Die Beschäftigten haben natürlich auch ganz unterschiedliche Vorstellungen von dem, was vernünftige Arbeitsbedingungen sind. Das ist ja auch etwas, was uns in diesen Tagen, in diesen Wochen, aber insgesamt auch gerade angesichts der Globalisierung immer wieder umtreibt. Was sind vernünftige Arbeitsbedingungen? Was sind die richtigen Arbeitsbedingungen? Sie, Herr Heesen, wie auch die gesamte Spitze des Deutschen Beamtenbundes haben immer wieder die Aufgabe, sich für die Belange aller Ihrer Mitglieder einzusetzen. Deshalb möchte ich Ihnen für Ihre Arbeit, von der ich annehme, dass sie weitergeht, ohne dem Wahlergebnis vorzugreifen, Erfolg wünschen und uns weiter eine gute Zusammenarbeit ich sage es einmal ganz neutral mit der Spitze des Deutschen Beamtenbundes wünschen.
Der Erfolg, den ich Ihnen wünsche, soll sich natürlich aus meinem Blickwinkel in einer möglichst leistungsstarken Verwaltung darstellen. Ich glaube, das ist auch das gemeinsame Interesse, das uns eint, trotz aller strittigen Diskussionen. Deshalb ist der Deutsche Beamtenbund immer wieder ein wichtiger Partner bei allen Reformen, die wir durchsetzen.
Sei es bei Änderungen im Dienstrecht oder bei der Verwaltungsmodernisierung Reformen müssen nicht nur für, sondern gemeinsam mit den Betroffenen gemacht und umgesetzt werden. Dazu stehen wir, das wird uns auch bei der Diskussion des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes sicherlich noch begleiten. Ich darf Ihnen verraten, obwohl Sie es wissen: Schon die Erstellung des bisherigen Entwurfs, den Sie ja immerhin als einen "Wurf" bezeichnet haben, wenn auch noch nicht als einen großen, war ein hartes Stück Arbeit. Wir haben das Interesse, auch trotz manchmal unterschiedlicher Vorstellungen der Koalitionspartner, das Bestmögliche für Sie daraus zu machen. Wir sind jetzt mit diesem Entwurf eines Dienstrechtsneuordnungsgesetzes endlich einen Schritt weitergekommen. In den parlamentarischen Beratungen wird aber sicherlich noch manches zu besprechen sein.
Ich will ausdrücklich darauf hinweisen, dass ich es schätze, dass Sie sich nicht mehr, wie es vielleicht vor 10, 15 oder 20 Jahren noch war, gegen Leistungsorientierung in der Bezahlung wenden, sondern dass Sie im Gegenteil inzwischen ein hohes Maß an Verständnis dafür haben, dass Biografien flexibler sind, dass sich Menschen zwischen den verschiedenen Gruppen, zwischen Privatwirtschaft und zwischen Beamtentätigkeit, unterschiedlich entscheiden wollen. Ohne hier jetzt irgendetwas vorwegnehmen zu können, will ich nur sagen: Wir alle sind aufgefordert, auf neue Vorstellungen von Biografien zu reagieren, auch wenn das natürlich zum Teil ein schwieriges Umdenken erfordert, weil wir alle noch alte Strukturen im Kopf haben.
Ich glaube, wir haben allen Grund, auf einen konstruktiven Dialog zu setzen. Das zeigt für mich nicht zuletzt der Abschluss der Vereinbarung "Für Innovationen, Fortbildung und Führungskräfteentwicklung in der Bundesverwaltung". Dies ist auch ein Bekenntnis dazu, dass Sie an einer schlagkräftigen, an einer modernen Verwaltung allergrößtes Interesse haben.
Trotz aller Differenzen, die es zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften immer geben wird Sie werden verstehen, dass ich Ihre Vorstellungen von Gehaltsentwicklungen hier jetzt nicht diskutiere; das überlasse ich dem Innenminister und anderen, haben wir unterschiedliche Positionen immer wieder zu einer Lösung zusammengeführt. Das ist die Botschaft, die für unser Land, für die Bundesrepublik Deutschland, zählt.
Es gibt große Einigkeit darüber, dass wir hochqualifizierte, hochmotivierte Beschäftigte brauchen. Nur so können wir eine hohe Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes im Interesse der Bürgerinnen und Bürger garantieren. Ich gehöre zu denen, die, egal, wo sie sind, ob bei Beamten oder irgendwem sonst im Land, immer wieder ein klares Bekenntnis zum Berufsbeamtentum ablegen. Sie haben das verdient. Wir haben ja bisher schon manche Welle von Meinungsentwicklungen in unserer Republik erlebt. Mal waren es die Privatisierungen, die überhaupt der einzig mögliche Weg seien. Ein anderes Mal entwickelte sich wieder ein Stück Zurückhaltung. Manchmal muss man schon sagen: Manche Privatisierung ist notwendig. Aber dass wir Menschen haben, zugehörig zum Berufsbeamtentum, die sich quasi qua ihres Amtsverständnisses durch Loyalität und Rechtstreue in ihrer Arbeit auszeichnen, gehört zu den wertvollen Bausteinen dieser Bundesrepublik Deutschland. Dies dürfen wir nie aufgeben oder voreilig in Frage stellen.
Sie sind, was sich vielleicht manchmal etwas altmodisch anhört, Staatsdiener, also dem Gemeinwohl verpflichtet. Sie kennen kein Streikrecht. Das ist auch einer der Gründe für die Zuverlässigkeit unserer Verwaltung, des Kernbestands unserer Verwaltung. Sicherlich muss man immer wieder fragen: Wo beginnt das, wo endet das? Gegen das Streikrecht habe ich mich nicht ausgesprochen. Ich habe nur die Tatsache genannt, dass die, die Beamte sind, halt kein Streikrecht haben. Das gehört zu den Vor- oder Nachteilen je nachdem, wie man es sieht. Aber das zeichnet das Beamtentum aus.
Sie haben eine besondere Verfassungsbindung. Diese ist eben eine besondere Stütze des Gemeinwesens. Deshalb werden wir auch keine Änderungen wir haben ja hart darum gerungen, aber ich sage das ganz bewusst in den Kernstrukturen des Berufsbeamtentums vornehmen. Wir brauchen keinen "einheitlichen Beschäftigtenstatus auf privatrechtlicher Grundlage", also sozusagen keinen "Beamten im neuen Sinn". Ihn umzudefinieren wäre falsch, sonst müsste man sagen, dass man mit dem Beamtentum Schluss machen möchte. Ich bin heute nicht hier, um das zu sagen, sondern das Gegenteil.
Der Unterschied zwischen den Statusgruppen wird natürlich auch in der besonderen Pflichtenstellung der Beamtinnen und Beamten deutlich. In unserem demokratischen Rechtsstaat wird Regierungsgewalt stets nur auf Zeit vergeben. Aber die Verwaltung muss bei jedem Regierungswechsel, auch bei anderen politischen Ausrichtungen, ihre Aufgaben parteipolitisch neutral erfüllen können. Nur so kann rechtsstaatliche Kontinuität überhaupt verwirklicht werden. Deshalb müssen wir die Kernbestandteile, die Kernelemente von Strukturprinzipien, die sich in der Tradition entwickelt haben und auch in der Praxis bewährt haben, erhalten. Das ist ein Stück Stabilität unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, für die die Beamten verantwortlich zeichnen. Das kann nicht einfach auf irgendeine andere Weise wiederhergestellt werden.
Das Grundgesetz hat die hoheitsrechtlichen Aufgaben den Beamtinnen und Beamten vorbehalten jedenfalls "in der Regel", wie es in Artikel33 heißt. Das geht nun schon wieder in die Richtung eines unbestimmten oder nicht hundertprozentig bestimmten Rechtsbegriffs. Bestimmt wird manche Dissertation darüber geschrieben werden können. Aber "in der Regel" heißt nicht "in der Ausnahme". Das heißt, das Grundprinzip des Artikel33 hat Bestand. Ich glaube, dieses Konzept hat der Bundesrepublik von Anfang an, seit ihrem Bestehen, gut gedient. Die Bindung des Beamtentums an Recht und Gemeinwohl ist sozusagen eine Funktionsbedingung der Demokratie. Das gehört zu den wichtigen Standortfaktoren, über die wir in Deutschland ja so gerne sprechen
Nun muss man aber sagen, dass Umfrageergebnisse da machen wir uns ja auch keine Illusionen zum Teil relativ unerfreulich sind. Das Beamtentum ist mit vielen Klischees konfrontiert, die auch sozusagen ein gewisses Eigenleben entwickeln und relativ zeitlos sind. Aber wenn wir einmal auf den Einzelfall schauen, wenn wir fragen "Wie sind denn Feuerwehrleute akzeptiert? Wie sind Polizisten akzeptiert? Wie schätzt ihr die Einsatzbereitschaft?", dann sehen wir auch, dass es hier eine unglaublich hohe Akzeptanz in der Bevölkerung gibt. Ich denke, wir sollten genau an diesem Punkt anknüpfen, an der konkreten Arbeit, in der der Bürger seine Beamten sozusagen in der Funktionserfüllung sieht und erlebt.
Ich kann nur sagen: Allergrößte Hochachtung für das, was manch einer machen muss. Wir sprechen sehr viel über Soldaten im Auslandseinsatz. Auch wenn wir uns einmal anschauen, wie mit Widerwärtigkeiten oder Widersprüchlichkeiten oder harten Aufgaben das Leben eines Polizisten, das Leben eines Feuerwehrmanns oder anderer ausgestattet ist, dann kann ich nur sagen: Hut ab vor dem, was da geleistet wird. Das könnte gar nicht gut gehen ohne ein tiefes Verständnis und eine tiefe Zuneigung zum eigenen Staat. Das kann durch nichts, aber auch durch gar nichts ersetzt werden. Deshalb gibt es richtigerweise für diese Tätigkeiten auch eine große Hochachtung in der Bevölkerung.
Wenn wir uns einmal die Erwartungen von Bürgerinnen und Bürgern an das Funktionieren von Verwaltung, an die Schnelligkeit der Arbeit von Behörden und bei Fragen vor Augen halten, wie viel Auskunft über Regierungshandeln man bekommen kann, wie schnell eine Genehmigung erstellt werden soll, dann wissen wir auch, wie viel in unserem Lande geschieht. Selbst wenn manches vielleicht kritisiert wird, so ist der Grundbestand doch in Ordnung. Deshalb ist es auch ziemlich unsinnig, dauernd von Beamtenprivilegien zu sprechen, ohne die tiefere Bedeutung von Eigenschaften des Beamtentums, wie zum Beispiel des Lebenszeitprinzips oder des Grundsatzes der Alimentation, für das Funktionieren unseres Gemeinwesens zu hinterfragen.
Ich finde, wir sollten im übernächsten Jahr angesichts von 60Jahren Grundgesetz auch noch einmal darüber sprechen, was die Säulen dieses Staates sind, welche Grundprinzipien dafür einmal angelegt waren und warum wir diese auch im 21. Jahrhundert erhalten sollten. Denn ich bin zutiefst davon überzeugt: Viele junge Leute, wenn sie nicht selber Elternhäuser oder Bekannte haben, in denen Beamte sind, wissen über die Grundzüge des Beamtentums nicht mehr so gut Bescheid, wie das vielleicht noch vor 50Jahren der Fall gewesen ist. Da haben wir eine gemeinsame Aufklärungsaufgabe.
Meine Damen und Herren,
wir wissen aber natürlich: Die Welt bleibt nicht stehen. Es gibt immer wieder neue Herausforderungen. Wir müssen deshalb auch immer wieder fragen: Haben wir schon alles getan? Sie sagen: "Leistung anerkennen, Zukunft gestalten." Sie stellen sich diesem Zukunftsanspruch. Gerade bei der Frage, wie sich Verwaltung in unseren Tagen, am Anfang des 21. Jahrhunderts, präsentiert, tritt sicherlich der Gedanke der Dienstleistung stärker als früher in den Vordergrund. Da gibt es völlig neue technische Möglichkeiten. Deshalb glaube ich: An den Verbesserungen müssen wir gemeinsam arbeiten in den Dienststellen, in den Personalräten.
Wir müssen aber auch sehen, dass Veränderungen angesichts der relativ starken Statik des Beamtentums natürlich zum Teil schwieriger einzuführen sind oder auch härter diskutiert werden müssen. Denn das Alimentationsprinzip und das Leistungsprinzip sind nicht von vornherein sofort eine kongeniale Konstruktion, sondern man muss immer hinterfragen: Wie weit tue ich das eine mit dem anderen zusammen? Wo sind welche Spielräume? Wie weit kann ich gehen, ohne nicht das Ganze in Frage zu stellen? Es ist im Grunde auch eine fast philosophische Diskussion, den Leistungsanreiz und die Grundsätze des Beamtentums zusammenzubringen. Ich bin da auch zu weiteren Gesprächen gerne bereit.
Privatwirtschaftliche Strukturen werden immer viel stärker von Kosten-Nutzen-Verhältnissen bestimmt sein als in der öffentlichen Verwaltung. Jeder Arbeitsplatz im privatwirtschaftlichen Bereich muss sich letztlich rechnen. Das ist nicht das Wesen des Beamtentums. Das heißt nicht, dass der Beamte nicht etwas erbringt, was dem entspricht und oft mehr ist als das, was er sozusagen im Gegenzug als Bezahlung bekommt. Aber die betriebswirtschaftliche Betrachtung ist nicht von vornherein die Betrachtung des Staates, sondern die staatliche Betrachtung ist vielmehr auch eine Stabilitätsbetrachtung, eine Kontinuitätsbetrachtung, die also andere Elemente als die der reinen Betriebswirtschaftlichkeit kennt. Bei mancher Privatisierungsdiskussion erleben wir ja inzwischen wieder, dass die Menschen auch diese Stabilitätsmerkmale zu schätzen lernen. Die gemeinsame Aufgabe heißt dann aber, entsprechend zu argumentieren und die Unterschiede deutlich zu machen, denn man kann nicht alles gleichzeitig haben.
Nun wissen wir aber: Es geht bei moderner Verwaltung natürlich auch um Entbürokratisierung. Wir wissen, dass das ein Schlagwort ist, das so lange gut ist, bis irgendwo der nächste Skandal entdeckt wird, wenn ich zum Beispiel an Lebensmittel oder anderes denke. Das heißt, der Staat muss immer wieder sehr zukunftsweisend entscheiden: Welche Aufgabe hat er in welchem Umfang? Und welches Risiko mag bestehen, wenn er eine bestimmte Aufgabe überhaupt nicht mehr ausfüllt, wenn sie einfach privatisiert wird und dann sozusagen das allgemeine Erschrecken darüber groß ist?
Wir alle wissen: Bürokratieabbau ist manchmal ein Schlagwort, aber im Detail schwierig, weil die abgebaute Bürokratie uns dann gerade im entscheidenden Moment fehlen könnte. Ich kenne das ja auch; ich war lange Umweltministerin. Da wurde manchmal gefragt: Was, die Zahl haben Sie nicht? Sie werden es doch noch wissen, oder? Sie werden doch mal gucken können, wie die Genehmigung vor 15Jahren ausgestellt wurde? Was, das Archiv ist so weit weg? Wie kann denn das passieren? Da sitzt auch nur einer, der nicht mehr richtig Bescheid weiß. So kommt es schnell, dass die Leute auch fragen: Wie kann denn das sein? Muss das nicht alles lückenlos aufgeführt, aufgelistet sein? Für solche Vorgänge gibt es ja heute viele Beispiele.
Allerdings gibt es natürlich auch liebgewordene Prozeduren, an die man sich gewöhnt hat, die angesichts einer sich rasant entwickelnden Informationstechnologie auch nur schwierig zu überwinden sind. Jetzt will ich aber gar nicht über die verschiedenen Betriebssysteme reden, die sich ja auch nicht immer so entwickeln, wie wir uns das dachten. Entbürokratisierung wird jedenfalls ein Thema bleiben, an dem wir gemeinsam weiter arbeiten müssen.
Die Regelungsdichte in einer entwickelten Volkswirtschaft ist auch eines der spannendsten Themen, denn Fragen wie "Wie viel Sicherheit möchte ich haben? Wie viel Freiheit möchte ich haben? Wie viel Risiko will ich eingehen und wo soll mir der Staat das Risiko absichern?" sind natürlich sehr aktuell. Ich habe als Umweltministerin das kann ich heute als Kanzlerin fortsetzen auch immer wieder die Leute gefragt, die ihre Genehmigungen für große Anlagen im Lande durch Beamte bekommen haben: Ist es euch lieber, es geht schneller, es wird privater gemacht, ihr könnt mehr entscheiden, aber anschließend kommt das Haftungsrecht auf euch zu oder ist es euch lieber, dass der Beamte in A9, A10, A11 das gesamte wirtschaftliche Risiko trägt und damit einsteigt, aber ihr das Haftungsrisiko nicht am Halse habt? Die Antwort war immer: Bitte fangen Sie nicht mit dem amerikanischen Haftungsrecht an. Also: Ein klares Bekenntnis zum deutschen Beamtentum und zu den genehmigungsrechtlichen Verfahren bei uns.
Meine Damen und Herren,
lassen Sie mich jenseits dessen, was Sie in Ihrem Kern beschäftigt, noch einen Blick auf das werfen, was uns als Bundesregierung zurzeit umtreibt und in welchem Kontext wir dann auch die Gespräche sehen werden, die Sie mit uns über Gehaltsentwicklungen und die Fortentwicklung des Beamtentums führen.
Wir haben jetzt zwei sehr erfolgreiche Jahre hinter uns. Wir haben erleben können, dass wir etwa eine Million mehr Arbeitsplätze haben, etwa eine Million weniger Arbeitslose haben, dass wir zum ersten Mal in Deutschland die Erwerbstätigenzahl von 40Millionen überschritten haben. Das sind gute Botschaften, insbesondere auch für die Staatshaushalte also den Bundeshaushalt und die Länderhaushalte und auch für die sozialen Sicherungssysteme. Denn bei einer besseren Beschäftigtensituation ist natürlich auch die Situation im Rentensystem, im Arbeitslosenversicherungssystem, im Gesundheitssystem weitaus entspannter.
Dass das so ist, liegt an den Unternehmen im Lande, an den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Das liegt aber auch an politischen Maßnahmen der vergangenen Legislaturperiode und an einer klugen Politik, die wir in dieser Legislaturperiode fortgesetzt haben. Wir haben weltwirtschaftliche Rahmenbedingungen, die uns nicht leichtfertig sein lassen können: Steigende Erdölpreise, Krisen auf dem Immobilienmarkt in den Vereinigten Staaten von Amerika und anderes. Wir spüren: Wir können im Lande alles richtig machen, aber wir sind nicht unabhängig von den internationalen Rahmenbedingungen.
Deshalb wird es in der nächsten Zeit sehr darauf ankommen, in der vergleichsweise günstigen Situation, in der wir jetzt über 3, 4Millionen Arbeitslose, aber nicht mehr über fünfMillionen sprechen, das Erreichte nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen oder uns auf irgendwelchen Lorbeeren auszuruhen. Wir wissen, die Welt ändert sich sehr schnell, und es wird deshalb ganz, ganz wichtig sein, dass wir unsere eigene Wettbewerbsfähigkeit im Auge behalten, gleichzeitig aber mit dieser Aufgabe kann man sich ganztägig beschäftigen den Menschen auch zu spüren geben, dass sie am Aufschwung teilhaben.
Es stimmt, dass wir gerade Ihnen, dieser Gruppe, die hier zum Kongress versammelt ist, auch manches zugemutet haben ich will nicht darum herumreden ob es nun magere Gehaltsrunden oder Mehrwertsteuererhöhungen waren. Sie erfahren bei der Senkung der Lohnzusatzkosten nicht die Wirkungen wie andere. Insofern stellt sich auch insgesamt die Aufgabe, Schritt für Schritt Dinge zurückzugeben, und zwar gerade an die, die sich immer wieder als Stabilitätselement dieses Landes erwiesen und bewiesen haben. Aber wir müssen dies in einer Weise tun, in der wir das Wirtschaftswachstum nicht aufs Spiel setzen. Die gute Botschaft dabei ist, dass unser Aufschwung in letzter Zeit nicht mehr nur durch Exporte getrieben ist, sondern ein Stück weit auch die Binnennachfrage dazu beigetragen hat. Aber wir müssen mit unserer Arbeit vor allen Dingen auch Vorsorge für die Zukunft treffen.
Sie kennen sich mit den demografischen Herausforderungen aus, die uns immer weiter erreichen werden. Deshalb war der Beschluss der "Rente mit 67" wichtig, unumgänglich und wird ja auch in den Bereich der Beamten übertragen. Ich sage allerdings auch: Ich erteile jeder Diskussion eine Absage, die sich jetzt wieder mit längeren Arbeitszeiten jenseits der 67 befasst egal, ob für alle oder für Beamte im Besonderen. Das wird es mit uns nicht geben. Es gibt eine wirkungsgleiche Übertragung, aber keine Sonderbestrafung für Beamte. Das ist etwas, was wir nicht machen werden.
Wir müssen Vorsorge treffen, insbesondere natürlich in Form von Forschung und Entwicklung. Denn was Deutschland braucht, um seinen Wohlstand zu erhalten, sind nicht nur irgendwelche Arbeitsplätze, sondern das ist wichtig vor allen Dingen möglichst viele qualifizierte Arbeitsplätze. Wir erleben, dass wir noch zu viele Menschen haben, die an Bildung und Qualifizierung nicht in ausreichendem Maße teilhaben.
Die Bundesregierung hat sich dem Thema Integration in ganz besonderer Weise gestellt. Ich sage etwas, was Sie sich vielleicht auch wünschen: Wenn wir heute einen hohen Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in unserer Gesellschaft haben, dann könnten sich auch noch mehr dafür entscheiden, als deutsche Staatsbürger in das Beamtentum einzusteigen. Das würde auch die Akzeptanz des Beamtentums in allen Bevölkerungsschichten heben.
Wenn wir uns heute einmal vorstellen, dass in vielen deutschen Großstädten inzwischen bereits 50Prozent der eingeschulten Kinder einen Migrationshintergrund haben, dann wird es ganz wesentlich darauf ankommen, diesen Kindern durch vernünftige Sprachkenntnisse, durch vernünftige Integration die Chance auf jede Form von Bildung und Ausbildung zu geben, damit wir in den kommenden Jahren keine Wohlstandseinbußen erleiden. Das ist ein Kernbestandteil unserer Arbeit.
Wir wollen dreiProzent unseres Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung ausgeben. Das ist eine Schlüsselzahl, von der wir leider noch ein Stück weit entfernt sind. Wir haben jetzt im Bundeshaushalt die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass wir im Jahre 20082, 7Prozent erreichen können. Aber wir brauchen dafür natürlich auch ein Äquivalent in den wirtschaftlichen Tätigkeiten. Hieran wird sich entscheiden, ob Deutschland an der Gestaltung, an der Entwicklung der Produkte der Zukunft teilhaben kann oder nicht. Daran wird sich auch entscheiden, wie viel Geld zum Schluss der Staat hat, um seine staatlichen Aufgaben zu erledigen. Denn eines wissen wir auch: Wenn keine Menschen mehr da sind, die Steuern zahlen, dann hat der Staat keine Einnahmen. Dann können wir noch so viel darüber reden, wie viele Aufgaben der Staat erfüllen sollte, das würde dann nur auf der Grundlage von Schulden möglich sein.
Ich glaube, es ist auch in Ihrem Interesse, dass wir 2011 seit langem endlich einmal wieder einen ausgeglichenen Bundeshaushalt haben werden. Einen ausgeglichenen gesamtstaatlichen Haushalt haben wir wahrscheinlich bereits früher. Wir müssen es schaffen jedenfalls habe ich mir das ganz fest vorgenommen, in der FöderalismusreformII eine so genannte Schuldenbremse einzuführen, das heißt, ein für alle Mal zwischen Bund, Ländern und Kommunen zu vereinbaren, dass wir nicht auf Pump in die Zukunft leben können, weil das den zukünftigen Generationen Spielräume nimmt, auf die sie ein Anrecht haben insbesondere angesichts des demografischen Wandels.
Wenn ich an das Beamtentum und Frauen denke, dann ist es sicherlich auch eine gute Nachricht, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessert werden soll, dass gerade auch im Bereich der Betreuung von Kleinkindern die Wahlfreiheit endlich gelebt werden kann und dass die Väter in Zukunft auch die Möglichkeit bekommen, sich durchaus begünstigt um die Erziehung ihrer Kinder zu kümmern. Das ist, glaube ich, eine gute Nachricht für alle, denn wir werden eine veränderte Aufgabenteilung zwischen Frauen und Männern nur dann erreichen, wenn sich beide ändern: Frauen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familien leben, und gleichzeitig Väter, die auch noch mehr Väter sind und diese Zeit nicht auf ihre Großvaterzeit verschieben. Denn manch einem fällt ja auf, wenn er Enkel hat, was er versäumt hat, als seine eigenen Kinder noch klein waren, nicht? Das soll es alles schon gegeben haben.
Wir wissen, dass wir Ihnen mit der FöderalismusreformI einiges zugemutet haben. Da beobachten wir jetzt mit großem Interesse, wie sich das bei den Ländern weiterentwickelt. Dazu möchte ich heute nichts weiter sagen; das schauen wir uns dann in Ruhe an. Der Bund weiß, wie er seine Beamten zu schätzen hat. Und die Länder werden das auf ihre Weise auch wissen. Ich bin ein Optimist.
Meine Damen und Herren,
wir werden also in diesem Sinne das Berufsbeamtentum weiterentwickeln. Der Schlüssel für eine moderne Verwaltung wird mit Sicherheit der Bereich der Informationstechnologie sein. E-Government, das große Schlagwort, ist für ein föderales Gemeinwesen wie die Bundesrepublik Deutschland eine ziemlich komplizierte Angelegenheit. Denn man muss sich absprechen, man muss miteinander klarkommen. Egal, ob es um Digitalfunk oder um eine einheitliche Software für bestimmte bürgerfreundliche Programme geht man tut sich schwer damit. Aus diesem Grund wollen wir auch die Frage der IT-Fähigkeit, die Frage des E-Government auf unseren nächsten IT-Gipfeln, die die Bundesregierung veranstaltet, weiter behandeln. Wir wollen hierbei auch mit den Ländern gut kooperieren.
Meine Damen und Herren,
unser nächster Diskussionspunkt ich habe es schon angedeutet wird das Dienstrechtsneuordnungsgesetz sein. Die Gesprächsbereitschaft habe ich schon angekündigt. Ich möchte nur daran erinnern, wenn Sie das ganze Paket begutachten, dass Sie vielleicht Licht und Schatten aus Ihrer Sicht auch jeweils gebührend würdigen. Aus meiner Sicht wird das Licht natürlich etwas im Vordergrund stehen, aber Schatten sei auch ein bisschen erlaubt. Wir schaffen mit dem Gesetz einiges an Flexibilität, an Leistungsorientierung, auch an langfristiger Sicherung. Da, wo wir noch Diskussionsbedarf haben, wollen wir mal die Probe aufs Exempel machen, wie wir in unserer bewährten Kooperation vorankommen.
Abschließend Ihnen allen ein ganz, ganz herzliches Dankeschön für das, was Sie für unser Land leisten. Es wird viel über Patriotismus gesprochen. Wir hatten wunderschöne Erlebnisse wie die Fußball-Weltmeisterschaft, bei der sich unser Land in fröhlicher Art und Weise präsentiert hat und deutlich gemacht hat, was in diesem Lande steckt. Vieles von dem, was in diesem Lande steckt, wird durch tägliche, nicht ganz so beachtete Arbeit, wie es die Fußball-Weltmeisterschaft naturgemäß war, von Ihnen, die Sie hier in diesem Raum sitzen, und von denen geleistet, für die Sie sozusagen die Repräsentanten sind.
Ich danke Ihnen, dass Sie sich für Ihren Berufsstand voller Kraft einsetzen, aber immer in einer Weise, die das Wohl des gesamten Landes im Blick hat. Dafür, lieber Herr Heesen, liebe Delegierte Ihrer Versammlung, herzlichen Dank und auf weitere gute Zusammenarbeit.