Redner(in): Angela Merkel
Datum: 26.11.2007

Untertitel: in Berlin
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2007/11/2007-11-26-rede-merkel-verabschiedung-stoiber,layoutVariant=Druckansicht.html


Lieber Peter Ramsauer,

lieber Erwin Huber,

lieber Volker Kauder,

lieber Guido Westerwelle,

liebe Freunde der CSU-Landesgruppe,

ich bin natürlich gerne hier. Ich bin eigentlich sehr zufrieden mit dem Geschenk für Edmund Stoiber, auch wenn ich dafür keine persönliche Verantwortung trage. Erst als von der "exterritorialen Streitmacht" die Rede war, habe ich mir gerade noch so helfen können, dass es sich dabei um einen relativ modernen Sicherheitsbegriff handelt, den die CSU vertritt. Aber zum Geschenk würde ich sagen: Die Formgebung ist so hauptstädtisch, dass mir die Einordnung in das föderale System doch sehr gelungen erscheint. Wenn man unauffällig hinsieht, sieht man erst einmal den Bären, bei genauerer Betrachtungsweise einen Löwen. Der wiederum ist so freundlich, dass man keine richtige Angst vor ihm haben muss. Insofern würde ich sagen: Es ist eine positive Anmutung Berlin gegenüber. Das freut mich für die CSU, denn sie hat schon immer gewusst, wo es historisch wichtig ist.

Ich wollte aber gar keine zweideutigen Bemerkungen machen. Es ist heute ein harmonischer Abend. Peter Ramsauer hat mir heute mit auf den Weg gegeben: Halte ja keine Abschiedsrede. Ich habe ihm gesagt, dass ich diese sowieso schon auf dem CSU-Parteitag gehalten habe und ich das jetzt nicht doppeln würde. Ich möchte heute nur drei Bemerkungen machen und einen Schlusssatz sagen.

Lieber Edmund, wir sind uns begegnet ich dir damals natürlich noch mehr als du mir, als ich Bundestagsabgeordnete und stellvertretende CDU-Vorsitzende war, die mit großen Augen verfolgt hat, was im Kloster Banz zwischen den Parteivorständen besprochen wurde. Das sah sehr ernst aus und ging aber immer gemütlich zu Ende, was überhaupt das Zusammensein von CDU und CSU charakterisiert. Dann war ich Umweltministerin, dann Generalsekretärin, Parteivorsitzende, Fraktionsvorsitzende und jetzt bin ich Bundeskanzlerin. Ich möchte drei Dinge sagen, die mich dabei immer beeindruckt haben.

Erstens. Du hast dir deine unglaubliche Fähigkeit erhalten über deine Ämter, deine Perspektiven ist viel gesprochen worden, dir immer wieder neu eine Meinung zu den Dingen zu bilden, die auf der Welt stattfinden. Gemeinhin gilt die CSU als ein in sich relativ fest gefügtes Konsortium wichtiger Menschen namens Volkspartei. Die Fähigkeit der CSU, Mehrheiten zu gewinnen, hat immer darin bestanden, über den Tellerrand hinauszublicken und nie den Blick zu verschließen. Du hast das in exemplarischer Weise immer wieder geschafft und damit neue Blickwinkel in unsere Diskussion eingebracht. Dafür ein unglaubliches und herzliches Dankeschön.

Ihr habt euch nicht dem Zeitgeist gebeugt, aber ihr wusstet schon, wie der Geist der Zeit ist. Dieser kleine Unterschied macht euch mehrheitsfähig. Ich denke, das ist und sollte auch das Kennzeichen der CSU bleiben.

Das Zweite. Aus deinen Beobachtungen heraus hast du Schlussfolgerungen gezogen, die in der dir eigenen Verhandlungsführung immer dazu geführt haben, dass du das Unmögliche für möglich gehalten und dabei erhebliche Erfolge erreicht hast. Nicht immer ist das Unmögliche möglich geworden, aber es ist mehr möglich geworden, als man am Anfang einer Verhandlung gedacht hat.

Ich will nicht sagen, dass du ein sich kurz fassender Verhandlungsführer gewesen wärest; darüber habe ich an anderer Stelle schon gesprochen. Aber du hast es in wunderbarer Weise immer wieder verstanden, deinen Gesprächspartner von den verschiedenen Blickwinkeln auf den gleichen Gegenstand so zu beeindrucken, dass er irgendwann entweder wegen Erschöpfung die Waffen gestreckt hat oder aber sich wegen Einsicht überzeugen lassen hat. Du hast bis in die späten Abendstunden immer wieder gezeigt, wie du über die vermeintliche oder wirkliche Begriffsstutzigkeit deiner Verhandlungspartner erstaunt sein konntest. Ich will sagen, dass das bei mir viel Eindruck hinterlassen hat. Ich will nicht sagen, dass ich manchmal versuche, es zu kopieren. Aber es ist zumindest eine feine Charaktereigenschaft, die im Übrigen Deutschland an vielen Stellen gut getan hat.

Drittens. Du bist ein Politiker, der, wie ich glaube, eine Sache nicht leiden kann: Das ist Langeweile. Tage, an denen politisch gar nichts passiert, sind dir, wie ich glaube, eher nicht so angenehm wie mir. Insofern hast du solche Tage immer genutzt, um dir etwas ganz Unerwartetes und Überraschendes auszudenken. Ich sage das auch in voller Hochachtung vor der CSU. Die bundespolitische Rolle, die die CSU spielt, gespielt hat und spielen wird, ist durch die Eigenschaft charakterisiert und definiert, immer wieder mit unerwarteten und interessanten Vorschlägen, die wichtig für Bayern, aber gut für ganz Deutschland sind, die politische Szene zu bereichern.

Es ist über die Deutsche Einheit gesprochen worden, bei der die CSU und das war von Anfang an mein Blickwinkel immer eine der wirklich großen Rollen gespielt hat. Sie hat nämlich die Deutsche Einheit nicht aus dem Blick gelassen und das Unmögliche als möglich erachtet, so wie ich es auch beschrieben habe. Schon allein dafür und dass ich, genauso wie viele Kollegen aus den neuen Bundesländern, heute hier in dieser Landesvertretung mit euch allen zusammenstehen darf, ist mehr als ein Dankeschön angebracht.

Man hat dir einen Vorschlag für einen neuen Job in Brüssel gemacht, von dem ich einmal annehme, dass er die Balance zwischen privatem und beruflichem Leben für deine liebe Frau Karin etwas günstiger ausfallen lässt, als es früher der Fall war, wenngleich die Summe der Bürokratie in Brüssel einen Arbeitsaufwand rechtfertigen würde, bei dem Bayern natürlich "eine Kleinigkeit" wäre. So hast du jedenfalls früher immer gesprochen. Wenn du das jetzt ernst meinst, müsstest du richtig darauf zugehen. Aber wir wollen ja nur 25Prozent der Bürokratie abbauen. Insofern hast du nicht alle Arbeit zu erledigen.

Ich will an dieser Stelle noch ein ernstes Wort sagen. Ich finde es schön, dass José Manuel Barroso Dir diesen Job angeboten hat. Es ist viel Komisches darüber geschrieben worden. Der Rat, also die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, hat die Kommission gebeten, sich Sachverstand von außen zu holen, um die Frage der Reduzierung von Bürokratiekosten zu beurteilen und auch voranzubringen. Die Kommission war am Anfang sehr dagegen und meinte, dass das ihre ureigenste Aufgabe sei. Das Sprichwort von den Fröschen im Sumpf ist in Brüssel noch nicht so bekannt, so dass sie damit nicht entsprechend umzugehen wissen. Gerade deshalb ist deine Berufung eine wirkliche Weiterentwicklung des Denkens der Kommission. Ich wünsche dir aus freiem Herzen wirklich viel Erfolg dabei, auch wenn es vielleicht manchmal uns trifft, die wir dann mit den Ergebnissen umgehen müssen. Aber das ist ja genau das Wesen einer unabhängigen Begutachtung.

Lieber Edmund, liebe Karin, zum Schluss ein ganz persönliches Wort des Dankeschöns. Wir werden uns weiter sehen. Aber ein Abschnitt ist jetzt beendet und ein neuer hat in Brüssel begonnen.

Lieber Edmund, es hat Spaß gemacht, auch wenn es manchmal zwischen uns ein bisschen gekracht hat, weil wir neben der Tatsache, dass wir uns über die vielen Diskussionen persönlich näher gekommen sind, vielleicht auch ein Stück weit ein ganz gutes deutsch-deutsches Paar waren, das nur die Deutsche Einheit so zusammenführen konnte. Ein Dankeschön dafür, dass wir CDU und CSU zum Schluss immer zusammengebracht haben und unsere Konflikte nicht auf Kosten unserer beiden stolzen Volksparteien ausgelebt haben. Ich werde diese Jahre deshalb in guter Erinnerung behalten. Ich werde auch von manchem zehren, was ich von dir gelernt habe. Ich hoffe, dass ich mir auch Rat holen darf, wenn ich das in Zukunft möchte.

Herzlichen Dank.